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Prozess um Zugspitzlauf
Hi,
zur Zeit steht ja der Veranstalter des Zugspitzlaufs vor Gericht. Ihr erinnert Euch, damals sind zwei Teilnehmer ums Leben gekommen. Kernfrage des Prozesses: Sind ehrgeizige "Extremsportler" selbst für sich verantwortlich oder gibt es eine Fürsorgepflicht des Veranstalters? In dem Zusammenhang interessiert mich die Meinung des "Volks", Ihr wisst schon "Im Namen des Volks" und so weiter .... Was haltet Ihr davon ??? Ist allein die Anklage schon unsinnig ? Servus, M |
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Ja, die Anklage ist unsinnig. Jeder Sportler ist für sich selbst verantwortlich. Aber vermutlich sitzt da ein Ahnungloser im Sessel und kann sich gar nicht vorstellen, was in einem Sportler vorgeht. Und ja, wenn man mich gelassen hätte, ich wäre hochgelaufen, trotz 70cm Neuschnee (ich hoffe, ich wäre so vernünftig gewesen und wäre umgedreht), dafür musste ich dann auf so ne blöde Hütte laufen, 5 Stunden Anfahrt/Abfahrt/Umweg, ich bekomme heute das Kotzen, wenn ich an die 2 Stunden Stau von Berwang nach Deutschland denke. Leider ist der IM zu knapp nach dem Zugspitzlauf, sonst wäre ich im nächsten Jahr wieder dabei. |
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Die Frage habe ich mir auch gestellt. Muss der Sportler geschützt werden, ist der Sportler so vernünftig um sich nicht in Gefahr zu begeben? In diesem Jahr war das mit den 70cm offensichtlich. Vermutlich hat eine Ordnungsbehörde die Reißleine gezogen. Der Ausgang des Prozesses könnte ggf. richtungsweisend für ähnliche Events in Deutschland sein. Warum unterschreibe ich eine Ausschlußklausel? Natürlich weiß ich, dass mein Sport gefährlich ist, da kann man doch nicht hinterher kommen und sich beschweren. Die einzige Sauerei ist, dass die Betreiber der Liftbetriebe (die Deutschen, nicht die Österreicher) die Frierenden nicht mitgenommen haben, die würde ich verklagen. Ein Versäumnis war, dass der Veranstalter nicht eine Absprache mit den Betreibern getroffen hat, aber die schroffe Haltung der Liftbetreiber wiegt meines Erachtens viel Schwerer als das des Veranstalters. |
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Ich unterschreibe auch regelmäßig Ausschlussklauseln vor Wettkämpfen, aber nur weil ich muss und sonst nicht an den Bewerben teilnehmen kann. Ich erwarte trotz Ausschlussklausel, dass(auf unseren Sport bezogen) z.B. eine Triathlonradstrecke vernünftig abgesichert ist, weil ich mich im Wettkampf auf den Sport konzentrieren will und im Wettkampfstress nicht in der Lage bin zu rationalen abwägenden Entscheidungen. |
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Könnte man meinen, ich bin aber ein Anhänger von Nopogobikers These "Lernen durch Schmerz". |
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Beim besagten Zugspitzlauf nehmen traditionell und bekanntermaßen auch viele "Flachlandtiroler" ohne irgendwelche alpine Erfahrungen teil und da kann sich die Fürsorgepflicht eines Veranstalters auf keinen Fall in ein paar lapidaren Bemerkungen über passende Kleidung in der Ausschreibung oder Wettkampfbesprechung beschränken. Gerade auch, weil es sich um einen kommerziellen Veranstalter handelt, hätte man erwarten müssen, dass für außergewöhnliche Wetterverhältnisse ein tragfähiger Plan B in der Schublade liegt (wie in 2009) |
Schwierige Frage...Ich kenne viele Sportler, denen man nicht sagen muss was sie können oder nicht. Die haben zig Ironman, Marathons und sonstige Sachen gemacht. Die bewegen sich am Berg genauso sicher wie auf dem Rad. Einfach gewachsene Athleten, die wissen was sie zu leisten im Stande sind und was nicht.
Aber: Da es heute bekanntlich zu jedem Portfolio gehört irgendwelche sportlichen Heldentaten geleistet zu haben, ist eine gewisse Kontrolle wohl sinnvoll. Ich denke ja, man muss die Leute vor sich selbst schützen. |
Da gibt's ja auch Entscheidungen zu, dass Du beim "normalen" Tria ne vernünftige Strecke erwarten kannst. In Hochgebirge und auf See sind die Maßstäbe da aber eben andere. Wenn das richtig wäre, was Du sagst, könntest Du z.B. keine einzige Regatta mehr auf See durchführen. Abseits der Pisten zu fahren wäre verboten. Das wäre die Entmündigung der Sportler.
Was der Sportler erwarten kann, ist ne vernünftige Information, damit er ne eigene Entscheidung treffen kann. Da gingen die Infos aber über das Unglücksjahr deutlich auseinander: die einen meinten, es sei gewarnt worden, andere meinten, es habe nur "pauschale Hinweise" gegeben. Das legt bei mir - vielleicht unberechtigt - den Schluß nahe, die seien überlesen und überhört worden. Aber das ist natürlich "Glaube". |
Der Berg verzeiht keine Fehler heißt eine alte Bergsteiger Weißheit das sollte sich jeder vor Augen halten ich glaube so manche "Flachlandtiroler" ist das nicht bewußt das es dort um Leben und Tod geht und nicht nur um leichte Erkältungen usw.
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Vorgeschrieben ist hier: Rettungsdecke/Rettungssack, Kompass, Notrufpfeife, Karte, Mütze, wasserfeste lange Kleidung, Handschuhe, Notproviant. Warum dies bei den kontinentaleuropäischen Bergläufen in der Regel nicht vorgeschrieben ist, ist mir ehrlich gesagt ein Rätsel. Beim Inferno 2008 haben die Streckenposten in Mürren schon einige eingefangen und nicht auf den zweiten Teil der Laufstrecke gelassen, weil sie nicht ausreichende Bekleidung dabei hatten. Das Ziel wurde recht früh vom Schilthorn aus runter zum Birg (Mittelstation, 400 Höhenmeter unterhalb des Gipfels) verlegt, weil es oben zu gefährlich wurde. Als sich abzeichnete, daß auch die letzten Kilometer zum Birg zu gefährlich wurden, wurde das Ziel noch weiter runter nach Mürren verlegt. Die letzten zwei Kilometer zum Birg sind wir frontal in den Schneesturm gelaufen, wenn hier nicht Ziel gewesen wäre, wären wir (die Gruppe, in der ich zu dem Zeitpunkt war) hier ausgestiegen, da die letzten 40 Minuten weiter frontal in den Schneesturm gegangen wären, und das wäre trotz langer Laufklamotten, Regenjacke, Handschuhe, Mütze nicht mehr gegangen. Trotzdem waren wir froh, daß uns die Entscheidung abgenommen wurde, und wir zwar durchgekühlt, aber gesund und heile zur Gondel abbiegen durften, und trotzdem als 'Finisher' gelten - nicht vom Zeitlimit gestoppt, sondern von den Witterungsbedingungen. Gruß GrrIngo |
der Inferno ist eine schöne Parallele: so wird das professionell gemacht; wo nicht, kann das juristisch untersucht werden, in gewisser Weise, auch wenn das ggf. das falsche Wort ist "Sorgfalts"/"Fürsorge"Pflicht der verantwortlichen Veranstalter.
Ich hätte als Flachländer keine Ahnung, wie das sich im Gebirge entwickeln kann - der Veranstalter muss das wissen und auch organisatorisch auffangen - was an der Zugspitze (!) nicht geschehen ist. Analog Tria-Abbruch bei Gewitter oder Extremwetter, andere Parallele ist das Abschiessen von Segel-Regatten m. |
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Der Skipper hat wahrscheinlich ahnliche Pflichten wie ein Bergführer, der sich auch grundsätzlich für alles, was der Gruppe widerfährt, verantworten muss. Beim Laufen und Triathlon fehlt diese meist erfahrene und qualifizierte Person, die für eine Gruppe Entscheidungen trifft und treffen kann. Vielleicht ist daher der Veranstalter in einer besonderen Pflicht, da sonst die ungestümen, unüberlegten, unerfahrenen mit den Entscheidungen überfordert sind. |
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Grundsätzlich bin ich ja ein Freund der freien Entscheidung und des common sense.
Aber ich sehe den Veranstalter in diesem Fall schon in einer gewissen Fürsorgepflicht. Wenn Arved Fuchs am Pol erfriert oder der Messner vom Berg fällt, dann wissen die, was sie tun. davon kann bei einer Laufveranstaltung nicht im Regelfall ausgegangen werden, denke ich. Selbst wenn die Strecke als anspruchsvoll ausgeschrieben wird. |
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Sowas habe ich bspw beim Segeln noch nie gehört. Da dort jeder für sich und seine Mannschaft seine Grenze ziehen muss, wird vielleicht auch cooler damit umgegangen, wenn jemand anderes die Grenze woanders zieht. |
Mal ein anderes, ebenfalls erschreckendes Beispiel dafür, wie schnell ein Veranstalter in Regress genommen werden kann: Seit 18 Jahren veranstaltet jemand ein kleines Sportfestival mit verschiedenen Disziplinen, unter anderem auch Triathlon. Eine neue Streckenführung wird durch die Behörden veranlasst, komplett gesperrter kleiner Rundkurs incl. beschrankter Bahnübergang. In der Ausschreibung steht, StVO ist einzuhalten, Ausrichter weist auch in der Besprechung noch mal auf den Gefahrenpunkt hin und das dort anzuhalten ist, wenn die Schranken unten sein sollten (Helfer+Zeitgutschrift). Ein Triathlet umkurvt dann die geschlossenen Schranken, Zug macht Notbremsung und nun wird der Ausrichter verklagt: Kosten für Werkstattbesuch Bahn, Zugausfall, Ersatzleistungen für Verspätungen auch anderer Züge, Verdienstausfall Lokführer, psycholog. Behandlung Lokführer, etc. - Triathlet ist heil davon gekommen. Nach 18 Jahren ist dann Schluss für den Ausrichter, er hofft einfach nur heil daraus zu kommen.
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Zugspitze: die beiden Toten gehören für mich zur natürlichen Auslese.
Der Veranstalter hat ja mehrfach auf die Notwendigkeit warmer Bekleidung hingewiesen und das ist meiner Meinung nach der Knackunkt: auch im Eilmodus wäre die Geschichte mit geeigneten Klamotten kein Thema gewesen. Die Jungs von der Bergwacht scheinen ja auch adäquat gekleidet gewesen zu sein, wenn sie so lange da oben ausgeharrt und geholfen haben. Muss ich als Veranstalter generell davon ausgehen, dass nur die Dümmsten der geistig Umnachteten bei meinem Wettkampf antreten? Ich hab schon bei deutlichen Plusgraden hier und beim Training mehr an als die Jungs, die ich auf Bildern vom Zugspitzlauf gesehen hab. Und die Gefahr, dass das Wetter in ner Stunde Laufen umschlägt, ist dazu noch überschaubar hier, sehr im Gegensatz zum Gebirge. |
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"Gerade Hochleistungssportler seien anfällig. »Sie gehen an ihre Grenzen, und wenn dann etwas Unerwartetes passiert, kippt das System.« Die ultradünnen Läufer sind besonders gefährdet. »Das sind so Spinnen«, sagt Treibel. Wer keine Fettpolster hat, leidet früher unter den Symptomen der Unterkühlung: erst der Tunnelblick und dann die »Phase des dicken Öls«. Wer in sie eingetreten ist, geht wie eine Maschine einfach immer weiter. Die nächste Stufe nennt Treibel »Halleluja-Phase«, sie ist begleitet von Sinnestäuschungen, von Unzurechnungsfähigkeit. Spätestens dann droht der Kollaps. »Man muss die Sportler vor sich selber schützen«, sagt Treibel." |
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Sicher isses nedd einfach, das so zu sagen, aber ich hab noch nirgends was davon gelesen, dass irgendjemand dazu gezwungen wurde, in Laufschuhen, kurzer Hose und Singlet da raufzulaufen, obwohl Regen, Schnee und Temps um null Grad angesagt waren, vom Wind mal nicht zu reden. Mir iss schon klar, dass da irgendwann das Hirn vollkommen aussetzt, aber als die halbnackt losgelaufen sind, war der Kopf hoffentlich noch klar... |
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Gut, dass kannst Du nicht wissen, aber mein "Aufgeben wird aufgegeben" bezieht sich eher aufs Leben allgemein und weniger auf Triathlon und schon garnicht auf Wettkämpfe. Es soll heißen, dass man nicht gleich den Kopf in den Sand steckt, wenn mal Probleme auftauchen. Leider hatte ich früher eine Neigung dazu, deswegen das Motto, um mich daran zu erinner, dass man in schwierigen Lebenssituationen auch mal kämpfen könnte. |
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Und den Liftbetreibern sollte man den Hintern versohlen. Wobei es sich da vermutlich eher um pflichtbewusste Angestellte, als um die wirklichen Betreiber handelte... |
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Natürlich muß der Veranstalter für eine den Umständen entsprechende Wettkampfstrecke sorgen und auf Gefahren hinweisen. In Frankfurt heißt das, dass die Radstrecke vernünftig befahrbar sein muß. Im Hochgebirge gelten da aber andere Maßstäbe. Es gibt Berichte von Teilnehmern, die substantiiert dargestellt haben, wo und wie der Veranstalter informiert und gewarnt hat und zwar nicht nur in der Ausschreibung. Die Teilnehmern müssen's aber hören wollen. Den Verdacht habe ich, wenn andere Teilnehmer meinen, es sei überhaupt kein Hinweis erfolgt. |
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Genau diese Club-med-mentalität kostet in den Bergen jedes Jahr ein paar hundert Menschleben. Leute, die mit Sandalan auf Gletscherwanderungen gehen und sich dann wundern wenns auf 3000m kalt ist :Nee: Und der böse Gletscher hat nicht mal ein Warnschild, welches besagt dass der Schnee kalt sein könnte! Sofort verklagen das Pack! Wenn du keine Ahnung hast vom Gebirge, DANN BLEIB DAHEIM! Ich bin hier in der Rheinebene auch nicht wirklich in den Bergen beheimatet. Ein bisschen Grundwissen muss ich halt schon aneignen wenn ich am Inferno oder ähnlichem teilnehmen will. Das gehört zu einem Wettkampf in den Bergen genau so dazu wie bei einer geplanten Bergtour. Dieses "Schliesslich habe ich xxx Euro Startgebühr bezahlt, also muss ich jetzt gar nicht mehr denken" kannst du am Stadtmarathon / IM ev. noch machen, ich den Bergen sicherlich nicht. Wer das nicht weiss, der gehört dort nicht hin. Aus. IMHO hat beim Zugspitzlauf einfach Darwins natürliche Auslese zugeschlagen. Wer zu doof ist und zu arrogant den Naturgewalten gegeüber, den bestraft das Leben gnadenlos...:( Nur meine Meinung! massi |
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Sowie der Bürger das Recht hat, Staatsleistungen in Anspruch zu nehmen (Polizei, Krankenhaus) kann ihm auch die Plflicht aufgebürdet werden, auf den Staat "zu hören". Und mit den Zigaretten ist kein passendes Beispiel, da er auch da Verbote ausspricht. Die Frage ist (i.m.A.) nicht: Darf der Statt den Bürger vor sich selbst schützen, (das macht er ja schon, und das ist vom Bürger auch gefordert), sondern, wie weit darf dieser "Selbstschutz" gehen? |
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Meine Hausärztin hat gestern (im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung) gemeint: Tobi, du kannst jeden Tag 5h in meiner Praxis sitzen, und trotzdem an Krebs sterben. Das ist dann einfach so, und keiner weiss warum. P.S.: ne Überweisung zum Kardiologen hab ich trotzdem abgestaubt. ;) |
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Ne, weil man trotz Respekt und Kenntnis schlicht Pech haben kann und sich z.B. verletzen kann. Aber ich darf nicht mit der Bergwacht (oder anderen) rechnen. Oder beim IM starten und sagen "notfalls päppeln mich der Doc wieder hoch".
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Man sollte im konkreten Fall nicht vergessen, dass der Veranstalter in der ersten Instanz von der Staatsanwaltschaft keinesfalls als Hauptschuldiger an der Katastrophe festgemacht wurde (das sind zweifellos die sich und das Wetter falsch einschätzenden Teilnehmer gewesen), sondern ihm nur eine geringe Teilschuld zuerkannt wurde, weswegen er knapp 10000 Euro Strafe auferlegt bekam (bzw. ihm angeboten wurde, gegen Zahlung dieser Summe das Verfahren einzustellen).
Und diese Teilschuld sehe ich im Prinzip auch. Der Veranstalter hatte, trotz seines Erfahrungsvorsprunges gegenüber den meisten Teilnehmern, nicht alles dafür getan, die schlimmsten Folgen des Wetterumsturzes zu mildern. Es standen nicht genügend Wärmedecken, für unterkühlte Teilnehmer bereit, die Rückholmöglichkeit für geschwächte Teilnehmer, die aufgegeben hatten, war offensichtlich mit den örtlichen Liftbetreibern nicht im Vorfeld geregelt worden, es gab viel zu wenig von Helfern betreute Punkte, an denen überforderte Teilnehmer aus dem Rennen aussteigen konnten, ohne sich gleichzeitig zu gefährden. |
Die ganze Diskussion erinnert mich ein bischen an die Formel-1-Rennen in den 60er und z.T. 70er Jahren: damals starb fast jeden Monat ein Fahrer und die meisten haben nur mit den Schultern gezuckt: "die Rennfahrer sind ja erwachsen und wissen auf was sie sich einlassen." Und irgendwann hat man dann doch mal begonnen, sich über Sicherheit Gedanken zu machen und heute passieren in der Formel 1 fast weniger Todesfälle, als auf einer normalen niederbayerischen Überlandstraße.
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