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Stellvertretend zitiere ich hier das Gutachten im Auftrag der Enquete-Kommission des deutschen Bundestages (Dr. Sebastian Murken, 1998, S.12 f.): "Der notwendigerweise unvollständige Versuch, diese Übersichtsartikel zusammenzufassen, führt jedoch zumindest zu einigen Erkenntnissen, die als gesichert gelten können: - Im Umgang mit schweren Lebenskrisen wie Krankheit, Verlust, Tod, Umgang mit einem behinderten Kind, Folgen von Katastrophen usw. haben Menschen, die sich in ihrem Glauben sicher fühlen, einen deutlichen Bewältigungsvorteil gegenüber jenen, die nicht glauben. Dieser Bewältigungsvorteil führt in der Folge der Lebenskrisen zu schnellerer Be- und Verarbeitung mit weniger Symptomatik, d.h. psychischen Störungen. - Eine positive Gottesbeziehung, in der sich der Gläubige geliebt, gehalten und unterstützt fühlt, wirkt eher selbstwertfördernd, eine negative Gottesbeziehung, die mit Gefühlen von Schuld, Scham, Enttäuschung oder Angst verbunden ist, wirkt labilisierend und selbstwertmindernd. - Religiosität im Alter kann als eine protektive Ressource angesehen werden. Im Vergleich zu nicht-religiösen alten Menschen haben die religiösen Alten weniger Angst vor dem Sterben, geringere Depression und zeigen bessere Angepaßtheit an ihre Lebensumstände. - Bekehrungserlebnisse (engl. conversion) sind machtvolle Erfahrungen, die meist einer Phase intensiver Krise, Verzweiflung und innerer Verwirrung folgen. Mit der Erfahrung der Bekehrung erleben die Betroffenen in aller Regel Erleichterung, Symptomreduktion, das Gefühl innerer Freiheit, Glücksgefühle sowie Gefühle von Ich-Stärke und Kontrolle. - Die Zugehörigkeit zu einer religiösen Gemeinschaft fördert das Gefühl der Verbundenheit und geht einher mit einem stabilen sozialen Netzwerk und dem Gefühl der sozialen Unterstützung. - Bei allen Versuchen, einen statistischen Zusammenhang zwischen psychischer Gesundheit und Religiosität zu erfassen, sind die gefundenen statistischen Effekte sehr gering, so daß die Bedeutung von Religiosität eher über- als unterschätzt wird. - Auf der Ebene der statistischen Zusammenhänge zwischen der Ausprägung von Religiosität und Maßen psychischer Gesundheit halten sich positive, negative und fehlende Zusammenhänge die Waage." Wie gesagt: Dass Religion diese Funktionen (teilweise) erfüllt, bedeutet nicht, dass eine religiöse Perspektive deshalb fehlerfrei, widerspruchsfrei oder gar optimal wäre. Und es bedeutet auch nicht, dass andere Systeme oder Perspektiven nicht auch Dasselbe produzieren (können). Es bedeutet lediglich, dass Religion diese Funktionalitäten produziert hat und die Frage erlaubt ist, wie diese Funktionalitäten von anderen Systemen oder Perspektiven substituiert werden, wenn es Religion nicht mehr bzw. nicht in der aktuellen Form gibt. Für mich erklärt die funktionale Methode recht gut, warum es in der Welt so lange schon und vor allem auch heute noch - trotz der naturwissenschaftlichen Faktenlage - Milliarden von Gläubigen gibt. |
Aber ist das plumpe Ausnutzen (und Erzeugen) von Gutgläubigkeit nicht eine ebenso schlüssige Erklärung dafür, dass sich das Phänomen überall findet?
Warum sollten es gerade die angeblichen positiven Effekte sein und nicht die Ausnutzung von Gutgläubigkeit? Wieso ziehst Du die eine Hypothese der anderen vor? Warum muss die Nützlichkeit beim einzelnen Gläubigen zu finden sein? Meiner Meinung nach reicht es aus, wenn es für den Klerus nützlich ist. Und nur dort ist der Nutzen unbestreitbar. Der Nutzen bei den Gläubigen ist vage und lediglich vermutet oder eingebildet. Für die Ausnutzung der Gutgläubigkeit spricht nach meiner Meinung der verblüffende Reichtum der religiösen Institutionen, der sich übrigens nicht nur in Geldvermögen, Kunstschätzen und ausgedehntem Grundbesitz widerspiegelt, sondern auch im feudalen Lebensstil einer ganzen Heerschar von Priestern, die keiner produktiven Arbeit nachgehen. Ist es hier nicht offensichtlich, wer am meisten profitiert? Der eigentliche Knackpunkt ist doch, wie es den Religionen gelingt, für sich selbst einen Nutzen zu garantieren, OHNE dass man selbst einen greifbaren Nutzen anbietet. Das ist der Trick, und überall dort, wo ein solches System installiert werden konnte, finden wir mächtige religiöse Strukturen. Mit anderen Worten: Das System basiert nicht darauf, Nutzen zu generieren, sondern darauf, dass es für den Erfolg keine Rolle spielen darf, ob ein Nutzen generiert wird. Nur deswegen werden alle religiösen Versprechungen ins Jenseits verschoben. Übrigens, keine einzige der angeblichen Nützlichkeiten, die in Deiner Quelle behauptet werden, werden auch in der Bibel oder im kath. Katechismus behauptet. Weder kommen sie dort vor, noch sind sie in irgendeiner Weise ein Kriterium. |
Ich ziehe keine Hypothese einer anderen vor. Ich habe begründet, warum ich die funktionale Methode angewendet habe und was dabei herauskommen kann.
Das bedeutet nicht gleichzeitig, dass ich Dysfunktionen ausblende oder anerkenne. Die gibt es ebenso wie die Funktionen. |
Das verblüfft mich jetzt etwas. Ich nahm an, das Abwägen verschiedener Hypothesen wäre überhaupt erst der Grund, warum man Hypothesen aufstellt.
Ich würde gerne noch einmal die Frage aufwerfen, ob das Nützlichkeitsargument überhaupt benutzt werden kann, wenn diese Nützlichkeit auf falschen Tatsachen beruht. Steckt da nicht irgendwo ein Fehler? Beispielsweise, wenn man behauptet, dass Menschen im Altersheim eine besondere „Angepasstheit“ (Zitat aus obiger Studie) an den Tag legen, wenn sie an einen Gott glauben. Was ist mit einer Gruppe Menschen, die sich auf einen beschwerlichen Marsch durch eine Wüste begeben hat, weil man ihnen versprochen hat, dass am anderen Ende eine hohe Belohnung wartet? Nehmen wir an, der Anführer wüsste bereits, dass es keine Belohnung gibt. Zweifelsfrei war dieses Versprechen dennoch nützlich und hat den Menschen auf ihrem Marsch viel Motivation gegeben. Aber ist es wirklich seriös, hier von Nützlichkeit zu sprechen, wenn wir wissen, dass es am Ende keine Belohnung geben wird? Basiert die Bewertung der Nützlichkeit dann nicht nur auf einem bestimmten Zeitpunkt, nämlich auf den Marsch durch die Wüste? Was wäre, wenn man die Menschen befragen würde, nachdem sie die Durchquerung geschafft haben und feststellen, dass es keine Belohnung gibt? Und weiter: Sind die Menschen überhaupt in der Lage, Fragen für eine Studie zu beantworten, bevor sie die Wüste durchquert haben? Ist es seriös, sie nur auf mittlerer Strecke zu befragen? Steckt in dieser „Befragung auf mittlerer Strecke“ nicht bereits eine Absicht, ein ganz bestimmtes Ergebnis zu erhalten, weil man das böse Ende galant aus der Gleichung streichen konnte? Nehmen wir an, ich führe eine Studie über die Nützlichkeit von Drogen aus Sicht der Konsumenten durch, und befrage die Teilnehmer zu einem Zeitpunkt, zu dem sie noch wunderbar vernebelt sind und die schädlichen Konsequenzen ihres Tuns nicht zur Kenntnis nehmen brauchen. Welchen Wert würden wir einer solchen Studie beimessen? Wir würden lediglich herausfinden, dass vernebelte Leute eine vernebelte Sicht auf ihre Situation haben. Leute, die den ganzen Tag auf dem Sofa liegen und Chips essen, schädigen sich selbst, finden ihre Situation aber ausgesprochen angenehm. Wer käme nun auf die Idee, diese Tatsache umzumünzen in die „subjektive Nützlichkeit“ des Müßiggangs? Wer würde überhaupt etwas darauf geben, was die Leute sagen? Würde man nicht vielmehr ihre objektiven Blutwerte untersuchen? |
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Ja, ich habe Antworten. Schön, dann sind wir schon zu zweit. Ich überlasse dir den Vortritt, press' es du ihnen! Um die Nebenwirkungen kümmere ich mich mit, dh ich übernehme auch Verantwortung. Falls jemand an den Antworten zerbricht oder in eine Lebenskrise gerät, Amok läuft, eine Messerattacke verübt oder sich in die Luft sprengt usw. oder sich einfach erst mal ein Bier aufmacht :) Nordkorea hat eine Wasserstoffbombe gezündet. Gab ein Erbeben. Kam just eben in den Nachrichten. Hängt das mit den Antworten zusammen? ;) |
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Und ist dann genauso positiv? |
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Zu (2) Das Gutachten wurde explizit bzgl. des Entstehens neuer Gemeinschaften und Sekten in Auftrag gegeben. Und hier spielen Bekehrungserlebnisse auch eine Rolle. Interessanterweise ist es ja so, dass die Erosion der "großen" Kirchengemeinschaften nicht direkt proportional zu mehr Atheisten führt, sondern eben viele auch in andere Gemeinschaften und die Esoterikszene "wechseln". Für mich ein Beleg dafür, dass es eben das hier schon häufiger angeführte Transzendenz-Bedürfnis der Menschen gibt, das sich halt an verschiedenen Systemen festmacht. |
Das Phänomen, dass Gläubige sich von den Kirchen abwenden und der Esoterik zuwenden, deutet lediglich darauf hin, dass die schwülstigen Himmelfahrts-Geschichten aus der Bibel auch nichts anderes sind als Esoterik.
Ob ich mir bei Astro-TV die Karten legen lasse, oder ob ein Pfarrer über die Zukunft meiner Seele im Jenseits schwadroniert, ist exakt der gleiche Unsinn. Ich war neulich in einer Kirche, und dort haben alle Anwesenden am Schluss eine Oblate verzehrt und Wein getrunken, weil sie glauben, es wären Fleisch und Blut von Jesus Christus. Was soll das sein, wenn nicht Esoterik? Andere Menschen in anderen Ländern sind davon überzeugt, Kühe seien heilig, Pferde jedoch nicht. Ist das Religion oder Esoterik? |
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