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Heinrich Heine:
Der scheidende Sommer
Das gelbe Laub erzittert, Es fallen die Blätter herab; Ach, alles was hold und lieblich Verwelkt und sinkt ins Grab. Die Gipfel des Waldes umflimmert Ein schmerzlicher Sonnenschein; Das mögen die letzten Küsse Des scheidenden Sommers sein. Mir ist, als müßt ich weinen Aus tiefstem Herzensgrund; Dies Bild erinnert mich wieder An unsre Abschiedsstund. Ich mußte von dir scheiden, Und wußte, du stürbest bald; Ich war der scheidende Sommer, Du warst der kranke Wald. |
Fred Endrikat:
Der Philosoph ohne Regenschirm
Es ist nicht alles schön auf dieser wunderschönen Welt. Novemberstürme gibt es auch im Monat Mai. Beschimpfe nicht den Regen, der auf dich niederfällt, bedenke: Der meiste Regen fällt an dir vorbei. |
Erich Kästner:
Kleine Rechenaufgabe
Allein ging jedem Alles schief. Da packte sie die Wut. Sie bildeten ein Kollektiv und glaubten, nun sei´s gut. Sie blinzelten mit viel Geduld der Zukunft ins Gesicht. Es blieb, wie‘s war. Was war dran schuld? Die Rechnung stimmte nicht. |
Christian Morgenstern:
Mägde am Sonnabend
Sie hängen sie an die Leiste, die Teppiche klein und groß, sie hauen, sie hauen im Geiste auf ihre Herrschaft los. Mit einem wilden Behagen, mit wahrer Berserkerwut, für eine Woche voll Plagen kühlen sie sich den Mut. Sie hauen mit splitternden Rohren im infernalischen Takt. Die vorderhäuslichen Ohren nehmen davon nicht Akt. Doch hinten jammern, zerrissen im Tiefsten, von Hieb und Stoß, die Läufer, die Perserkissen und die dicken deutschen Plumeaux. |
Charles Bukowski:
Hört das nie auf
Ich ging raus, und als ich das Auto aufschloß, sah ich einen Zettel unterm Scheibenwischer: „He, Alter, ruf mich mal an. Du weißt ja, ich stehe im Telefonbuch.“ Unterzeichnet mit: „Die mit den hellbraunen Augen.“ Ich hätte auch so gewußt wer es war. Die große Schrift verriet sie. Sie hatte mich ein Jahr am Kreuz gehabt. Als Nachfolgerin von einer die mich fünf Jahre am Kreuz gehabt hatte. Ich riß den Zettel in kleine Fetzen. Meine Neue kam heraus. „Bist du soweit, Popsie?“ fragte sie „Bin soweit“, sagte ich. Wir stiegen ein und fuhren los. Wir brauchten Zitronen, Brot, Fisch, Gemüse, Olivenöl Wein und Klopapier. Und Katzenfutter und vielleicht noch ein paar Zwiebeln. |
Johann Wolfgang Goethe:
Breit wie lang
Wer bescheiden ist, muß dulden, Und wer frech ist, der muß leiden; Also wirst du gleich verschulden, Ob du frech seist, ob bescheiden. |
Matthias Beltz:
Der Amboß sprach zum Hammer:
„Es ist ein großer Jammer, Dass du so sehr versagst, Zu hämmern nicht vermagst. Du, du bringst es nicht.“ Da sprach der Hammer zum Amboß: „Früher, da war der Mann der Boss! Doch heute im Geschlechterkrieg Ist dein Sieg ein schlechter Sieg. Aus dem Mangel meiner körperlichen Regung Geh ich in die erotische Friedensbewegung.“ |
Roth aber Eugen
Bekanntlich kommt das Kind im Weib Durch das Gebären aus dem Leib. Da aber sich das Kind im Mann Nicht solcherart entfernen kann, Ist es begreiflich, daß es bleibt Und ewig in ihm lebt und leibt. PS: es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit |
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