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Christian Morgenstern:
Der Aesthet
Wenn ich sitze, will ich nicht sitzen, wie mein Sitz-Fleisch möchte, sondern wie mein Sitz-Geist sich, säße er, den Stuhl sich flöchte. Der jedoch bedarf nicht viel, schätzt am Stuhl allein den Stil, überläßt den Zweck des Möbels ohne Grimm der Gier des Pöbels. |
Gotthold Ephraim Lessing:
Die Haushaltung
Zankst du schon wieder? Sprach Hans Lau Zu seiner lieben Ehefrau. „Versoffener, unverschämter Mann“ -- -- -- Geduld, mein Kind, ich zieh‘ mich an – -- „Wo nun schon wieder hin?“ Zu Weine. Zank‘ du alleine. „Du gehst? -- -- Verdammtes Kaffeehaus! Ja! Bleib‘ er nur die Nacht nicht aus. Gott! Ich soll so verlassen sein? – Wer pocht? -- -- Herr Nachbar? -- -- nur herein! Mein böser Teufel ist zu Weine: Wir sind alleine.“ |
Franz Kafka - sehr passend ...
Nichts, wenn man es überlegt, kann dazu verlocken, in einem Wettrennen der erste sein zu wollen.
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Edgar Allen Poe:
Du willst, daß man dich liebt, so weiche
Nie davon, was dein Wesen ist. Bleibe nur immerdar die Gleiche, Sei nichts, was du nicht wirklich bist. Dann wird auch deine sanfte Weise, Die mehr als Schönheit noch besticht, Verleiten alle Welt zum Preise Und Liebe werden – eine Pflicht. |
Ludwig Thoma:
Die feine Familie.
Papa ist geheimer Kommerzienrat, Mit vielen Orden für das, was er hat. Mama trägt ein Diamantenkollür, Um den Fetthals zwei Meter Perlenschnür. Die Tochter hat jetzt schon ein Doppelkinn, Ist nebenbei Wagnerianerin. Der Sohn war bei den Dentzer Kürassür, Und kommt sich drum als der Vornehmste für. Zum Glück hat die Bande ziemlich viel Geld, Sonst wär’s für sie eine traurige Welt. Hätt’ ‘s Vermögen nicht für alle gekleckt, Dann wären sie in drei Tagen verreckt, Weil keines zur Arbeit die Hände hätt’; Sie rühren sie nur am Wasserklosett. |
Heinrich Heine:
Wir fuhren allein im dunkeln
Postwagen die ganze Nacht; Wir ruhten einander am Herzen, Wir haben gescherzt und gelacht. Doch als es morgens tagte, mein Kind, wie staunten wir! Denn zwischen uns saß Amor, Der blinde Passagier. |
Ringelnatz:
Ohrwurm und Taube
Der Ohrwurm mochte die Taube nicht leiden. Sie haßte den Ohrwurm ebenso. Da trafen sich eines Tages die beiden in einer Straßenbahn irgendwo. Sie schüttelten sich erfreut die Hände und lächelten liebenswürdig dabei und sagten einander ganze Bände von übertriebener Schmeichelei. Doch beide wünschten sie sich im stillen, der andre möge zum Teufel gehn, und da es geschah nach ihrem Willen, so gab es beim Teufel ein Wiedersehn. |
Ludwig Thoma:
Auf Posten
Es prangen in den Straßen Die Reichen auf und ab, Das muß mich denken lassen, Daß ich kein Geld nicht hab'. Die Mädchen promenieren Sich stolz an mir vorbei, Da muß ich es verspüren, Wie ich alleine sei. Ich möchte, Mond und Sterne Wär lauter bares Geld, Das hätt' ich wohl so gerne Und wär ein feiner Held. Das Glück muß andern winken, Kommt aber nicht zu mir, Kein Geld nicht zum Vertrinken, Kein Mädchen zum Pläsier. |
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