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Hallo Z., ich würde Dir gerne meine Wortwahl erläutern, die Du als polemisch empfindest.
Nehmen wir an, auf einer wissenschaftlichen Tagung würde über die Beschaffenheit des Erdkerns debattiert, mit einer Unmenge an Daten, Zahlen und Messungen. Einer der Wissenschaftler äußert die These, die Erde sei im Innersten womöglich aus Käse. Nun könnte man entgegnen, dass das spezifische Gewicht von Käse sich nicht deckt mit der Masse, die wir angesichts der Gravitation und der Erdrotation erwarten würden. Oder man könnte entgegnen, es wäre ein Schmarrn. Wenn man sich für die vermeintlich polemische Ausdrucksweise entscheidet, fehlt zwar die Begründung (die in der sachlichen Ausdrucksweise enthalten war). Der sachlichen Ausdrucksweise fehlt jedoch auch etwas: Es fehlt die Einordnung, wie weit entfernt die These von dem ist, was man als vernünftig bezeichnen könnte. Das Wort „Schmarrn“ bietet also ein Koordinatensystem und verortet die Käse-These innerhalb dieses Systems. Der angesprochene Wissenschaftler weiß dadurch, wo er steht, und wie weit die Wegstrecke ist, die vor ihm liegt. Diese Einordnung wird in religiösen Debatten zu wenig berücksichtigt. Die Gläubigen unterliegen dadurch der Illusion, ihre Standpunkte seien ebenso ehrenwert wie die Standpunkte der Wissenschaft. Eine weitere Illusion besteht bei den offiziellen Vertretern der Kirchen, die davon überzeugt sind, sie wären weise Respektspersonen, vor denen sich der Pöbel zu verneigen hätte. Sie befinden sich aber in der Position des Wissenschaftlers, der behauptet, der Erdkern bestünde aus Käse. Es ist daher keineswegs nur Polemik, sondern eine notwendige Einordnung, wenn man klar ausspricht, dass die Worte von Bischof Overbeck über die Ehe nichts weiter sind als Gefasel. Es ist die Weigerung, ihn als eine heilige Autorität anzuerkennen, solange er dafür keine Beweise vorlegt. Wenn er in einer Talkshow über die Homosexuellen faselt, dann nützt es überhaupt nichts, zwanzig wissenschaftliche Studien vorzulesen, bis alle eingeschlafen sind. Sondern es bringt die Sache exakt auf den Punkt, wenn eine dicke Frau aus dem Publikum ruft: „Ach, reden Sie doch nicht so einen Schmarrn daher!“. Aus diesem Grund bestehen meine Postings einerseits aus Begründungen (weil diese der Polemik fehlen; deswegen zitiere ich häufig aus offiziellen Quellen). Andererseits weigere ich mich standhaft, dem Klerus einen unverdienten Respekt zu zollen, den er lediglich als Versteck missbraucht. Wer Polemik verwendet, ist also nicht automatisch ein ungebildeter Trampel. Sondern im Gegenteil, man kann Polemik bewusst in seine Argumentation einbauen und diese damit erweitern. Argumente muss man natürlich trotzdem liefern, und das tue ich. |
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Ich würde es weiter präzisieren, nämlich dass „sachlich“ nicht bedeutet „inhaltlich“. Ich vermisse inhaltliche Beiträge, speziell von Dir. Mein Interesse daran habe ich ja schon oft zum Ausdruck gebracht. Ich finde, es sollte eine gute Balance geben zwischen eigenen, inhaltlichen Beiträgen einerseits, und der Kritik an der Wortwahl anderer Teilnehmer andererseits. Wenn es nur um Wortklauberei geht, ohne sich an der inhaltlichen Debatte zu beteiligen, dann finde ich das nicht sonderlich unterhaltsam. Ich würde gerne mal wieder ein paar echte Argumente lesen, mit denen man sich argumentativ auseinandersetzen kann. |
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Bei wissenschafltlichen Tagungen werden zur Klärung von empirischen Sachverhalten keine religiösen Argumente vorgetragen. Wäre dem doch so, wäre scharfe Kritik auch meiner Meinung nach angebracht, aber in Richtung der entsprechenden Adressaten. Der Vertreter der Religion als solcher ist aber nicht(!) in der Position eines Wissenschaftlers, der zufällig ein besonders schlechtes Argument hat. Sein Anliegen hat mit Wissenschaft nämlich gar nichts zu tun. Wenn er das anders sieht, täuscht er sich eben. Normative Fragen, wie die nach der sogenannten Ehe für alle, sind aber keine Fragen nach empirischen Sachverhalten. Es handelt sich darum eine Vereinbarung zu treffen, wie wir Leben wollen. Das ergibt sich niemals von alleine aus den Tatsachen, sondern es muß eine wie auch immer zustandegekommene und von entsprechenden Machtverhältnissen gestützte Entscheidung den Ausschlag geben. Bei solchen Fragen reden Vertreter der Religionen oft mit (wie alle anderen Diskussionsteilnehmer, mal mit besseren mal mit schlechteren Argumenten), weil es Menschen gibt, die sich für ihre Position interessieren oder ihr sogar folgen. Zitat:
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@ Z. Es werde Licht, sowohl die Sachen mit dem Sein/Sollen-Problem wie auch im letzten Absatz den vermutlichen Dreh und Angelpunkt der Debatte hier klar auf den Punkt gebracht. Danke. Jetzt bin ich gespannt.
m. |
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Du sagst, wer diese Frage stellt, habe den Witz der Sache nicht verstanden. Für mich ist sie jedoch entscheidend. Du sagst, Religion habe nichts mit überprüfbaren Fakten zu tun. Viele religiöse Aussagen lassen sich jedoch auf ihre Wahrheit überprüfen. Sie erweisen sich dann in aller Regel als falsch. Ist das denn wirklich einerlei? Ich meine, dass "Glauben" für die meisten Nichtphilosophen bedeutet: eine Sache für wahr halten. Darum hat Wissen und haben Fakten großen Einfluss auf das, was wir im Jahr 2017 noch aufrichtig glauben können. |
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Hallo Z., mein Beispiel mit dem Käse und dem Wissenschaftler meint nicht, dass ein Pfarrer ein Wissenschaftler wäre. Sondern mein Beispiel macht deutlich, dass bestimmte Begriffe die Abwegigkeit einer vorgebrachten These unterstreichen. Deswegen sind diese Begriffe auch erlaubt, auch dann, wenn sie polemisch klingen. Darum ging es.
Dass Religion und Wissenschaft sich nicht berühren, ist falsch. Normative Fragen sind zwar beliebig und können durch die Wissenschaft nicht überprüft werden. (Deswegen könnte die Kirche den Begriff "Ehe" so definieren, wie sie lustig ist.) Jedoch ist das nicht die Position der Kirchen. Die Kirchen behaupten ja gerade nicht, dass es sich um beliebige Definitionen handeln würden. Sondern sie berufen sich auf empirische Ereignisse, die durch Zeugenaussagen belegt sind und schriftlich festgehalten wurden. Die Kirche beruft sich darauf, dass die normativen Festlegungen sich zwingend aus den Geschehnissen ergeben. Es sind diese empirischen Ereignisse und deren Aufzeichnung, die von jedem überprüft und kritisiert werden können, der dazu Lust hat. Innerhalb des Klerus wird das ja ebenfalls getan, denn dort herrscht Mord und Totschlag über jede nur mögliche Glaubensfrage. Die Grundlage dieser Glaubensfragen sind empirische Dinge, nämlich die schriftliche Hinterlassenschaft, die jeder anfassen kann. Deine These, dass die Religion vergleichbar wäre mit der Kunst (also völlig losgelöst wäre von Tatsachen), ist das Gegenteil dessen, was der Vatikan sagt. Der Vatikan nimmt dazu sehr präzise Stellung:Das bedeutet, dass Deine These falsch ist, es handele sich um Kunst oder ein sonstwie von der Wirklichkeit unabhängiges Konstrukt. Der Vatikan sagt genau das Gegenteil. Könntest Du mir die Frage beantworten, ob Du mir zustimmst, dass Deine These zumindest in Bezug auf die römisch-katholische Kirche nicht mehr haltbar ist? :Blumen: |
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