![]() |
Wilhelm Busch:
Die Schändliche
Sie ist ein reizendes Geschöpfchen, Mit allen Wassern wohl gewaschen; Sie kennt die süßen Sündentöpfchen Und liebt es, häufig draus zu naschen. Da bleibt den sittlich Hochgestellten Nichts weiter übrig, als mit Freuden Auf diese Schandperson zu schelten Und sie mit Schmerzen zu beneiden. |
Ludwig Thoma:
Jesuitendebatte
Der Fuchs stand vor dem Hühnerstalle Und merkte in der Winternacht, Die Einschlupflöcher waren alle Just seinetwegen zugemacht. Da fing er jämmerlich zu klagen Und bitterlich zu weinen an: Warum wollt ihr nur mich verjagen, Der euch doch nie ein Leids getan? Ihr guten Hühner, hört die Bitte! Ihr seid so viele, ich allein, – Der kleinste Platz in eurer Mitte Genügt, und ich will glücklich sein! Das Federvieh hat lang beraten Und manches wohlerfahrne Huhn Vermeinte, was sie früher taten, Das würden Füchse immer tun. Doch gab es viele ganz Gerechte, Die waren aus Prinzip dafür, Daß keinem aus dem Tiergeschlechte Verschlossen bleibe ihre Tür. Kaum war die weise Tat geschehen, War von dem ganzen Hühnerhof Nichts mehr als das Prinzip zu sehen Und Krallen und ein Federschwof. |
Mascha Kaléko:
Der kleine Unterschied
Es sprach zu Mister Goodwill ein deutscher Emigrant: "Gewiß, es bleibt dasselbe, sag ich nun ‚land‘ statt Land, sag ich für Heimat ‚homeland‘ und ‚poem‘ für Gedicht. Gewiß, ich bin sehr ‚happy‘: Doch glücklich bin ich nicht." |
Robert Gernhardt:
Selbstfindung
Ich weiß, was ich bin. Ich schreibe das gleich hin. Da hab’n wir den Salat: Ich bin ein Literat. |
William Shakespeare:
So schalt ich früher Veilchen Übermut:
Wo stahlt ihr süßen Diebe euern Hauch, Wenn nicht von deinem Mund? Die Purpurglut Auf euern samtnen Wänglein habt ihr auch Nur schwach gefärbt in seiner Adern Blut! Den Lilien warf ich deine Hände vor; Daß er dein Haar bestahl, dem Majoran. Furchtsam auf Dornen stand der Rosen Chor, Teils vor Verzweiflung weiß, teils rot vor Scham: Und eine, weder rot noch weiß, vermaß Von beidem sich, und stahl noch deinen Atem: Allein zur Strafe kam ein Wurm und fraß Im vollsten Prangen sie für ihre Taten. - Nicht eine war von aller Blumen Zahl, Die nicht dir Farben oder Düfte stahl. |
Wilhelm Busch:
Für einen Porträtmaler
Die gnädige Frau, die alte, Die hab’ ich konterfeit. Sie hatte manche Falte, Drob war sie nicht erfreut. Die Falten und die Runzeln, Die malt ich nimmermehr, Drob tät sie gnädig schmunzeln, Das freut die Alte sehr. Sie hatte viele Pocken - Ich fand den Teint so klar; Sie hatte falsche Locken - Ich lobt ihr schönes Haar. An ihrer roten Nase Pries ich den feinen Ton; Denn jede schöne Phrase, Die findet ihren Lohn. Die Alte fand geraten Ihr gnädig Konterfei. Sie zahlt mir zehn Dukaten, Weil’s gar’ so ähnlich sei. |
Wilhelm Busch:
Zauberschwestern
Zwiefach sind die Phantasien, Sind ein Zauberschwesternpaar, Sie erscheinen, singen, fliehen Wesenlos und wunderbar. Eine ist die himmelblaue, Die uns froh entgegenlacht, Doch die andre ist die graue, Welche angst und bange macht. Jene singt von lauter Rosen, Singt von Liebe und Genuß; Diese stürzt den Hoffnungslosen Von der Brücke in den Fluß. |
Danke für das schöne Gedicht von heute! Es passt für mich gut.
Gruß, J. |
| Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 14:41 Uhr. |
Powered by vBulletin Version 3.6.1 (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2025, Jelsoft Enterprises Ltd.