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Klugschnacker 07.06.2017 21:56

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1308658)
Ist ganz einfach: Aus dem Sein folgt kein Sollen.

Eine minimale Grundregel einer jeden rationalen Diskussion über solche Fragen, wie die der Religion. (Lustigerweise wird traditionell die Einheit von Sein und Sollen von religiöser Seite proklamiert, während die Wissenschaft großen Wert auf die strikte Trennung der beiden legt.)

Mal ein Beispiel:

Martin Luther machte sich Gedanken über Kinder, die behindert auf die Welt gekommen waren. Er war überzeugt davon, dass hier der Teufel am Werk gewesen sei: Entweder habe die Mutter mit dem Satan Geschlechtsverkehr gehabt, wobei das behinderte Kind gezeugt worden sei. Oder das Kind sei nach der Geburt heimlich von Teufel ausgetauscht und der Mutter unterschoben worden.

Was diese Fantastereien des großen Reformators für die Mütter und ihre behinderten Kinder bedeutete, die beide jeweils der Solidarität ihrer Mitmenschen bedurft hätten, kann man sich ausmalen. Luther selbst empfahl, die Kinder umzubringen (zu ersäufen), da der Teufel nunmal bekämpft gehört.

Wer heute nach den Empfehlungen Luthers tatsächlich vorgehen würde, käme lange ins Gefängnis oder eine geschlossene psychiatrische Klinik. Wie kommt es zu diesem Sinneswandel quer durch unsere Gesellschaft? Aufgrund von zwei Fakten: Für niemanden hat ein Teufel, der mit Menschenfrauen Geschlechtsverkehr hat, den Rang einer Tatsache. Zweitens liefert die moderne Medizin und die Genetik weitaus überzeugendere Ursachen für Behinderungen bei Neugeborenen. Beides bezieht sich auf das "Sein", nämlich die faktische Ursache für Behinderungen.

Das "Sollen", also der Umgang mit behindert zur Welt gekommenen Menschen, ergibt sich daraus von selbst. Denn Luthers Anliegen war in erster Linie nicht das Ersäufen von Babys, sonder das Bekämpfen des Teufels. Ersteres war nur Mittel für Letzteres. Und wenn es keinen Teufel gibt, oder er zumindest nichts mit Behinderungen zu tun hat, dann brauchen wir ihn auch nicht durch das Töten von behinderten Babys und Kindern bekämpfen.

---

Der Vollständigkeit halber möchte ich noch erwähnen, dass Luther von Göttern, Teufeln und Engeln genauso viel wusste wie wir: nämlich gar nichts. Nullkommanull. Auch seine Überzeugungen über Erbkrankheiten waren reine Hirngespinste und blühender Unsinn, gleichwohl mit grausamen Folgen für die Betroffenen. Dabei war an hochgebildeten Logikern in der damaligen Zeit kein Mangel, eher im Gegenteil. Was Luther fehlte war eine Methode, mit der er seine Irrtümer hätte erkennen können. Freilich gilt das nicht nur für ihn, sondern für Millionen Menschen vor ihm und nach ihm. Wir sind heute besser dran, Gott sei Dank!
:Blumen: O:-)

Zarathustra 07.06.2017 21:57

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1308714)
...
Zarathustra wollte lediglich zeigen ...

Danke!

waden 07.06.2017 22:03

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1308725)
Mal ein Beispiel:
...

Gutes illustrierendes Beispiel, finde ich

Klugschnacker 07.06.2017 22:15

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1308724)
(Im Zweifelsfall würde ich aber weiterhin nicht dazu raten, sich in Fragen der Physik an irgendeine Kirche zu wenden.)

:Cheese:

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1308724)
Von welcher Kirche Du wohl sprichst? Die Urknalltheorie wurde jedenfalls von dem kathol. Priester Lemaître entwickelt und ist von seiner Kirche seit langem anerkannt.

Lemaitre hielt sich strikt an die Regeln der Wissenschaft. Er fand dabei spezielle mathematische Lösungen zu Einsteins Gleichungen, die den Aufbau des Universums beschreiben. Nirgendwo in dieser Arbeit lässt er auch nur einen Funken Theologie einfließen. Gott, Religion und Kirche spielt in ihr keine Rolle.

Die Urknalltheorie fußt wie alle anderen wissenschaftlichen Theorien auf den Vorarbeiten zahlreicher Wissenschaftler, zum Beispiel Einstein und Hubble. Die katholische Kirche hat zu diesen Vorarbeiten definitiv nichts beigesteuert.

Zarathustra 07.06.2017 22:37

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1308730)
... Die katholische Kirche hat zu diesen Vorarbeiten definitiv nichts beigesteuert.

Das wollte ich damit auch nicht sagen. Zumindest hat sie aber Lemaître dann später zum Präsidenten der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften gemacht. Der kathol. Kirche kann man bestimmt vieles vorwerfen, aber sicherlich nicht, daß sie die Urknalltheorie nicht anerkennen würde.

Klugschnacker 07.06.2017 22:51

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1308734)
Der kathol. Kirche kann man bestimmt vieles vorwerfen, aber sicherlich nicht, daß sie die Urknalltheorie nicht anerkennen würde.

Naja, die Kirche, vertreten durch den aktuellen Papst, sieht Gott als Verursacher des Urknalls.

Die Urknalltheorie umfasst den Urknall, seine Folgen (die weitere Entwicklung bis zur Bildung der gegenwärtigen Strukturen), aber eben auch seine Ursachen. Dass die Welt möglicherweise aus einem Nichts (Quantenvakuum) heraus von selbst entstanden ist, ist eine Sicht, die von der Kirche nicht geteilt wird. Die Kirche sieht nach wie vor Gott als den ersten Beweger. Die Kirche akzeptiert an der Urknalltheorie zwar den Urknall, aber nicht die möglichen Ursachen.

Zarathustra 07.06.2017 23:39

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1308725)
Mal ein Beispiel:
...


Ein schönes und schreckliches Beispiel!



Luther:

Wenn ein Kind behindert ist, soll es getötet werden (Sollen),
Begründung: weil es vom Teufel ist (Sein).

___

Heute:

Wenn ein Kind behindert ist, darf es nicht getötet werden (Sollen),
Begründung: weil wir jedes Leben schützen wollen (Sollen) [nicht: weil die Behinderung diese und jene Ursachen hat (Sein)].

___

Die Erkenntnisse über die wirklichen Ursachen von Behinderungen haben den Teufel als Begründung für den Sollenssatz zwar entkräftet, sind aber nicht an ihre Stelle getreten.

Jimmi 08.06.2017 09:53

"All you need is love" (JL/PMcC) und "grau, treuer Freund ist alle Theorie" (GWvG)und "ich mach mir meine Welt widde widde wie sie mir gefällt" (PL).

Mehr fällt mir dazu nicht ein. Klinke mich jetzt aus. Danke für die vielen Worte.


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