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ThomasG 29.03.2018 08:07

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1369617)
Für Freiburg mit seinen 200.000 Einwohnern sprechen wir von Pi mal Daumen 5.000 arbeitslosen Menschen. Die Stadt würde also rund 3.000 - 5.0000 Arbeitsplätze schaffen, unbefristet und in Vollzeit, vergütet mit dem gesetzlichen Mindestlohn oder mehr. Habe ich das dem Prinzip nach richtig verstanden?

Falls sich die Konjunktur verschlechtert und sich die Zahl der Erwerbslosen verdoppelt, müsste die Stadt Freiburg dann 6.000 - 10.000 Personen in Vollzeit beschäftigen.

Mir scheint in diesen Zahlen ein Problem zu stecken. Denn offenbar wird die Arbeitskraft dieser Menschen nicht wirklich gebraucht, sonst wären sie nicht arbeitslos. Wie kann man sich also die Tätigkeit dieser Menschen vorstellen – was macht diese enorme städtische Armee den ganzen Tag?

Und was geschieht mit den bisherigen Mitarbeitern der Kommunen, werden die dann weiterhin mehr verdienen als den Mindestlohn? Denn über billigere Arbeitskräfte verfügen die Kommunen dann ja im Überfluss.

Zugang zu solchen Arbeitsplätzen sollen wohl lediglich Langzeitarbeitslose* bzw. Hartz IV - Bezieher haben (https://youtu.be/eoeyv5LCtPo?t=61m30s)
Ich bin da auch ziemlich skeptisch und kann mir z.B. auch nicht vorstellen, dass ein Großteil der Langzeitarbeitslosen überhaupt die Fähigkeiten und Kenntnisse hat dringende und wichtige gemeinnützige Arbeiten gut und motiviert bewältigen zu können.
Menschenwürdige Arbeit muss in meinen Augen nicht zuletzt auch zu dem passen, was dem Einzelnen Freude bereitet, ihn zumindest ein wenig erfüllt und wo er das Gefühl hat seinen Aufgaben gewachsen zu sein.
Es nützt z.B. keinem hilfsbedürftigen Menschen, wenn sich in seinem Umfeld häufig Menschen aufhalten, die ihm helfen sollen, dazu aber kaum motiviert sind bzw. sich selbst als eine dafür nicht geeignete Person empfinden.

Was ich gut finde ist, dass aktuell anscheinend eine Debatte rund um Hartz IV angefacht werden soll (könnte) und das von Politikern aus Reihen der SPD ausgeht.
Das ist ja schon mal was.

Der Tagesspiegel hat eine Umfrage machen lassen.
Hier hat sich die Mehrheit der Befragten positiv zu der Grundidee Solidarisches Grundeinkommen geäußert: https://www.tagesspiegel.de/politik/.../21122628.html*
https://www.tagesspiegel.de/politik/.../21104898.html

sybenwurz 29.03.2018 08:35

Irgendwer hat mir dieser Tage zu der aktuellen Debatte vorgerechnet, dass es sich in einer vierköpfigen Familie gegenüber Hartz IV gar nicht lohnt, zum Mindestlohn arbeiten zu gehen.
Es ist einträglicher, Zuhause zu bleiben und Grundsicherung zu kassieren.

Sollte das so stimmen (klang plausibel aber man kann sichs je nach gewünschtem Ergebnis sicher so oder so schönrechnen), braucht man über die Idee doch gar nicht weiter diskutieren.

Wir reden ja wie Arne auch schon erwähnt nicht von trotz hervorragender Qualifikation arbeitslos gewordenen, die eigentlich im Arbeitsmarkt gebraucht würden und dennoch arbeitslos geblieben sind (oder nur im Ausnahmefall, um die geht es dabei aber sicher nicht, wenn die überhaupt bis Hartz IV abrutschen) sondern von Leuten, die schwerlich nochmals in den Arbeitsmarkt zu integrieren sind.
Ehe man drüber nachdenkt, Arbeitslose für ihre Grundsicherung 'stärker zu beschäftigen', sollte man vielleicht zunächst dafür sorgen, dass
-Schlupflöcher für Arbeitgeber, den Mindestlohn zu untergraben, geschlossen werden und
-der Mindestlohn auf ein erträgliches Mass, mit dem auch ohne Nebenjobs eine Familie zu ernähren ist, hochgefahren wird

ThomasG 29.03.2018 08:47

Zitat:

Zitat von sybenwurz (Beitrag 1369628)
Irgendwer hat mir dieser Tage zu der aktuellen Debatte vorgerechnet, dass es sich in einer vierköpfigen Familie gegenüber Hartz IV gar nicht lohnt, zum Mindestlohn arbeiten zu gehen.
Es ist einträglicher, Zuhause zu bleiben und Grundsicherung zu kassieren.

Sollte das so stimmen (klang plausibel aber man kann sichs je nach gewünschtem Ergebnis sicher so oder so schönrechnen), braucht man über die Idee doch gar nicht weiter diskutieren.

Ja - ich meine ich hätte das nebenbei auch mitbekommen.
Das war glaube ich bei Hart aber fair im Ersten vor Kurzem.
Da ging es um Hartz IV.
Wenn man davon ausgeht, dass die vierköpfige Familie von einem Einkommen lebt, man zusätzlich hierbei vom Mindestlohn ausgeht und darüberhinaus Unterkunftskosten bzw. die Ausgaben für die Krankenversicherung berücksichtigt werden (die selbst getragen bzw. übernommen werden), kann ich mir vorstellen, dass das so (in etwa) stimmt.
Wie gesagt finde ich es es gut, wenn über Hartz IV und den Niedriglohnsektor diskutiert wird und zwar auch von Politikern mit relativ viel Einfluß auf Medien u.ä..
https://www.youtube.com/watch?v=eoeyv5LCtPo

Ergänzung:

Ich habe mir die Sendung (Hart aber fair) jetzt zum größten Teil noch einmal angeschaut und aufmerksamer zugehört.
Es wurden zwei interessante Zahlen genannt.
Die eine betrifft eine vierköpfige Familie mit zwei Kindern im Teenageralter, die von Hartz IV lebt und darüberhinaus eine angemessene Wohnung bezahlt bekommt sowie die Heizkosten.
Im Durchschnitt kamen solche Familien auf ein monatliches Gesamteinkommen von 2047 € (https://youtu.be/eoeyv5LCtPo?t=36m)**.
In diesem Betrag ist das Kindergeld enthalten**.
Das waren 2017 192 € für das erste und zweite Kind (https://www.arbeitsagentur.de/famili...ch-hoehe-dauer) **.
Zieht man diese Beträge ab, kommt man auf 1663 €**.
Da die Beiträge für die Krankenversicherung bei Familien, die von Hartz IV leben übernommen werden, hingegen zur Hälfte (also wenigstens theoretisch) selbst getragen werden müssen von Menschen, die von einem selbst erwirtschafteten Einkommen leben (Unselbstständige), müsste man das berücksichtigen, wenn man da zu einem angemessenen Vergleich kommen möchte.
Man kann da tatsächlich denke ich, je nachdem welchen Eindruck man erwecken möchte, ganz schön an den Zahlen drehen bzw. die Leute in endlose Diskussionsschleifen verwickeln und damit auch ablenken.
Berücksichtigen müsste man dabei ja auch, was sich da für Unterschiede ergeben in Bezug auf die Rente oder Pension und evt. noch anderes, woran man mit noch viel geringerer Wahrscheinlichkeit erst einmal denken würde.
Das macht einen Vergleich nicht leicht und birgt viel Manipulationspotenzial in sich.
Später wurde etwas beiläufig eine andere Zahl genannt ohne Widerspruch.
Ich nehme also an, dass die Zahl passt.
Bei einem Stundenlohn von etwa 12 € würde diesen Familien mehr zur Verfügung stehen (https://youtu.be/eoeyv5LCtPo?t=44m).
Das bezieht sich vermutllich auf eine Vollzeitstelle bei einer wöchentlichen Arbeitszeit so zwischen 35 und 40 Stunden.
Hier wäre es möglich einen falschen Eindruck zu erwecken, in dem man eben das Kindergeld unberücksichtigt lässt, während man es an anderer Stelle (siehe oben**) mit einrechnet.
Hier findet man Angaben zum Thema Hartz IV für Familien: https://www.hartz4.de/familie/
Vom Faktencheck zur Sendung bin ich übrigens schwer enttäuscht (https://www1.wdr.de/daserste/hartabe...check-258.html).
Man ist ziemlich oberflächlich auf ein paar kurze Aussagen eingegangen.
Ganz wesentlich waren aber die beiden genannten Zahlen (2047 € bzw. 12 €/h).
Da hätte ich bei einer politischen Sendung, die was auf sich hält, einen Haufen Hintergrundinformationen erwartet, denn schließlich lief die Sendung im Öffentlich-rechtlichen Fernsehen und dürfte sehr viele Menschen erreicht und bei einigen doch auch die Meinung beeinflusst haben.

Alles in allem finde ich es nicht gut, solche Vergleiche intensiv zu verfolgen bzw. sich darum zu bemühen sie dauerhaft in den Fokus zu rücken.
Das wäre höchstens gerechtfertigt, wenn man sich entsprechend Mühe gemacht hätte zu einem fairen Vergleich zu kommen, was ich hinterfrage.
Wäre das geschehen, sähe wohl der Faktencheck anders aus.
Sowohl die Menschen, die im Niedriglohnsektor arbeiten als auch andere, die von Grundsicherungsleistungen leben, sitzen eigentlich in einem Boot finde ich.
Eine Gruppe wird gegen eine andere ausgespielt.
An anderen Stellen geht es um ganz andere Summen, die völlig ungerecht verteilt werden bzw. verteilt sind.
Wenigstens bin ich davon überzeugt.

Noch eine Ergänzung:

Quelle: http://biaj.de/buero-fuer-absurde-st...vergleich.html

http://biaj.de/ueber-das-institut.html

Quelle: https://www.zdf.de/nachrichten/heute...s-job-100.html

qbz 29.03.2018 09:52

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1369617)
..........
Und was geschieht mit den bisherigen Mitarbeitern der Kommunen, werden die dann weiterhin mehr verdienen als den Mindestlohn? Denn über billigere Arbeitskräfte verfügen die Kommunen dann ja im Überfluss.
..........

Ich kenne die Situation in Freiburg nicht. In Berlin und zahlreichen anderen Städten hat man vor ca. 10-20 Jahren Stellen im Arbeiterbereich der Behörden massiv gestrichen. In Berlin betraf das z.B. die Reinigungsmitarbeiterinnen, Haushandwerker, Hausmeister, Mitarbeiter für die Pflege von Grünflächen, Köchinnen in Kita´s usf. . Man entfernte den "Arbeitersektor" aus der Behörde und vergibt stattdessen Aufträge an Firmen, welche Hartz IVer auf 1-Euro Basis oder Mindestlöhner beschäftigen (ein gemeinnütziger Zweck ist ja gegeben), und welche die Aufgaben mit geringerer Qualität wie davor ausführen. Ich kritisierte damals diese Entwicklung vehement in- und extern.

Unsere städtische Familienberatung, das Standesamt, die städtische Kita, Schulen etc. z.B. hatten einen zugehörigen Hausmeister und eine Reinigungskraft und konnten bei Bedarf die behördlichen Haushandwerker für kleine Reparaturen anfordern. Diese arbeiteten mit einer sozialen Einbindung (persönliche Kontakte zu den jeweiligen Teams) als Festangestellte , was für die Arbeitszufriedenheit viel bedeutet. Ersetzt wurden diese Mitarbeiter durch prekär ständig wechselnde Beschäftigte von ständig wechselnden Billig-Firmen, ohne jede soziale Einbindung. Meine Forderung ist, dass man für unbefristete öffentliche Pflichtaufgaben (wieder) feste, unbefristete Arbeitsstellen schafft und nach Tarifvertrag bezahlt.

ThomasG 30.03.2018 19:16

Auch in Reihen der Union gibt es Politiker, die Offenheit gegenüber der Idee eines Grundeinkommens zeigen.

Zitat:

Der Berliner Bürgermeister Michael Müller will Hartz IV abschaffen und durch ein neues System ersetzen. Nun bekommt er Unterstützung aus der Union. Sogar für die Idee eines Grundeinkommens zeigt man sich dort offen.

In der SPD ist man sich nicht einig: Soll es bei den bestehenden Regelungen zur Grundsicherung von Arbeitslosen bleiben – oder muss ein neues System her? Nun wird auch in der Union Kritik am Harz-IV-Regelwerk laut.

„Die Hartz-IV-Gesetze sind Geschichte“, sagte Uwe Schummer (CDU), Vorsitzender der Arbeitnehmergruppe der Union im Bundestag, der „B.Z.“. „Wir brauchen eine neue beschäftigungs- und bildungszentrierte Arbeitsmarktpolitik.“ Sinnvoll sei ein „aktivierendes Grundeinkommen“.

Zitatende

Quelle: https://www.welt.de/politik/deutschl...eschichte.html

Stefan 25.04.2018 09:43

https://www.nzz.ch/wirtschaft/statt-...ten-ld.1380206

Statt ein Basiseinkommen will Finnland nun eine Sozialpauschale testen
Nach nur zwei Jahren lässt Finnland sein vielbeachtetes Experiment eines bedingungslosen Grundeinkommens auslaufen. Die Mitte-rechts-Regierung will soziale Sicherheit stärker mit Beschäftigung verknüpfen.
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https://www.tagesanzeiger.ch/wirtsch...story/20196541
Schwere Schlappe für das garantierte Grundeinkommen

FInnland war das Paradebeispiel des Sozialsystems. Doch jetzt beenden die Skandinavier ihr Experiment und vollziehen eine scharfe Kehrtwende.


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http://www.bbc.com/news/world-europe-43866700
Finland's basic income trial falls flat

The Finnish government has decided not to expand a limited trial in paying people a basic income, which has drawn much international interest.

ThomasG 25.04.2018 12:41

Schade! Ich fürchte langfristig ist mit diesem Experiment der Grundidee bedingungsloses Grundeinkommen ein nicht zu unterschätzenden Schaden zugefügt worden.
Ein von vornherein zeitlich ziemlich eng begrenztes Projekt kann einfach nicht zeigen, wie sich Menschen verhalten, wenn ihr Lebensunterhalt dauerhaft sicher abgedeckt ist durch ein bedingungsloses Grundeinkommen, was auch von der Höhe her den Namen verdient.
Das Vertrauen muss einfach da sein, dass es zumindest in zehn oder zwanzig Jahren mit großer Wahrscheinlichkeit ein solches Einkommen noch geben wird.

Necon 25.04.2018 13:48

Das Projekt war doch Schwachsinn.
560 Euro monatlich und das in Finnland was deckt das alles ab?
Ausgewählt wurden 2000 Arbeitslose, sinnvoll wäre es nur wenn ein representativer Querschnitt gewählt worden wäre, dann könnte man sagen wie Leute darauf reagieren und auch nur wenn es über einen längeren Zeitraum gegangen wäre.

Aber wie schon erwähnt vermutlich ein harter Rückschlag für die ganze Thematik alle rechten Parteien können nun sagen wurde probiert hat nicht geklappt und damit ist es wohl gestorben.


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