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Wilhelm Busch:
Eitelkeit
Ein Töpfchen stand im Dunkeln An stillverborgener Stelle. Ha, rief es, wie wollt ich funkeln, Käm ich nur mal ins Helle. Ihm geht es wie vielen Narren. Säß einer auch hinten im Winkel, So hat er doch seinen Sparren Und seinen aparten Dünkel. |
Christian Morgenstern:
Die Weste
Es lebt in Süditalien eine Weste an einer Kirche dämmrigem Altar. Versteht mich recht: Noch dient sie Gott aufs beste. Doch wie in Adam schon Herr Häckel war (zum Beispiel bloß), so steckt in diesem Reste Brokat voll Silberblümlein wunderbar schon heut der krause Übergang verborgen vom Geist von gestern auf den Wanst von morgen. |
Erich Kästner:
Herr im Herbst
Nun wirft der Herbst die Blätter auf den Markt. Na ja, das mußte wohl so kommen. Und Lehmanns Tochter hat man eingesargt. Hat die ein Glück gehabt, genau genommen … Das Jahr wird alt und zieht den Mantel an. Der Bettler vis à vis hat keinen. So ist das Leben. Es ist nicht viel dran. Frau’n können lachen, denn sie dürfen weinen. Wozu die Blätter bunt sind, wenn sie fallen? Na ja, man muß nicht alles wissen wollen. Mir gehts nicht gut. Und ähnlich geht es allen. Sogar die Drüsen sind geschwollen! Wer kommt denn dort aus meinem Haus? Ach, das ist Paul. Ob ich ihn rufe? Er sieht etwas wie seine Schwester aus. Wahrscheinlich: Achtung Zwischenstufe! Das ist ein Wetter. Um drin zu ersaufen. Sowas von Regen war noch gar nicht da. Paar neue Schuhe müßte ich mir kaufen … Und Haareschneidenlassengehen muß ich auch. Na ja. (Anmerkung: Über dieses Gedicht mußte Hildegard beinahe weinen.) |
Heine:
Kluge Sterne
Die Blumen erreicht der Fuß so leicht, Auch werden zertreten die meisten; Man geht vorbei und tritt entzwei Die blöden wie die dreisten. Die Perlen ruhn in Meerestruhn, Doch weiß man sie aufzuspüren; Man bohrt ein Loch und spannt sie ins Joch, Ins Joch von seidenen Schnüren. Die Sterne sind klug, sie halten mit Fug Von unserer Erde sich ferne; Am Himmelszelt, als Lichter der Welt, Stehn ewig sicher die Sterne. |
Robert Gernhardt:
Gleißt auch des Lebens
grelle Glut, tut auch sein Glanz den Augen weh – ich schreibe. Und die Bilderflut verströmt, verebbt im Wörtersee. |
Konstantin Wecker:
Ich werd alt.
Und nur so aus alter Gewohnheit dreh ich mich nach den Mädchen um. Ich schau ihnen tief in die Augen. Doch sie schaun um meine herum. |
Wilhelm Busch:
Wenn alles sitzen bliebe,
Was wir in Haß und Liebe So voneinander schwatzen; Wenn Lügen Haare wären, Wir wären rauh wie Bären Und hätten keine Glatzen. |
Heinrich Heine:
Ein Weib
Sie hatten sich beide so herzlich lieb, Spitzbübin war sie, er war ein Dieb. Wenn er Schelmenstreiche machte, Sie warf sich aufs Bett und lachte. Der Tag verging in Freud und Lust, Des Nachts lag sie an seiner Brust. Als man ins Gefängnis ihn brachte, Sie stand am Fenster und lachte. Er ließ ihr sagen: O komm zu mir, Ich sehne mich so sehr nach dir, Ich rufe nach dir, ich schmachte - Sie schüttelt' das Haupt und lachte. Um sechse des Morgens ward er gehenkt, Um sieben ward er ins Grab gesenkt; Sie aber schon um achte Trank roten Wein und lachte. |
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