Das kommt mir aber spanisch vor oder: Mit Sport die Welt erklären
Der blonde Knirps mit den blauen Augen ist deutscher Staatsangehöriger. Allerdings mit spanischem Vornamen. Das führt in der Regel dazu, dass jeder, der ihn nur dem Namen nach kennt, beim ersten persönlichen Zusammentreffen sofort sagt: "Den hatte ich mir ganz anders vorgestellt." Dann gucke ich ihn mir noch mal genauer an und antworte meist: "Ich weiß auch nicht, was wir uns dabei gedacht haben." oder "Wir konnten ja nicht ahnen, dass er so aussieht." Das Kind hat den Mendelschen Gesetzen nämlich einfach ein Schnippchen geschlagen. Und darauf ist man als angehende Eltern bei der Namenssuche natürlich nicht unbedingt eingestellt.
Eines Abends liegen das Kind und ich also vor dem Fernseher und gucken gemeinsam das Fußball-Championsleaguespiel Real Madrid gegen den FC Bayern München. Bereits vor Spielbeginn befürchte ich, dass der Junior auch heute wieder viele neugierige Fragen zum Sport, zum Leben und überhaupt zur ganzen Welt hat. Die erste Frage an diesem Abend lautet dann auch prompt: "Mama, wohnt Spanien auch in so einer Ritze?" Ich überlege kurz und frage zurück: "Meinst du, ob Spanien zwischen so zwei Platten liegt, wo es manchmal Erdbeben gibt?" Er nickt ernst. "Ehrlich gesagt," antworte ich, "weiß ich das nicht so genau, aber ich glaube nicht. Ein Erdbeben wird es da heute nicht geben, da bin ich mir sicher." Er ist beruhigt und wir gucken weiter. "Mama," kommt die nächste Frage, "spielt Majoel (!) Neuer für Deutschland?" "Ja," sage ich, "aber heute spielt der für seinen Verein, der ein deutscher Verein ist, gegen einen spanischen Verein." Damit ist erst einmal Ruhe. Aber nur kurz. Sobald er Özil erkennt, hakt er noch mal nach: "Aber Özil, Mama, der spielt doch bei Deutschland, oder?" "Ja," gebe ich Auskunft, "der spielt auch bei Deutschland, mit dem Manuel Neuer zusammen. Aber jetzt gerade spielt der für einen spanischen Verein. Guck, der Neuer spielt bei den Bayern und der Özil bei Madrid." Ich bin mir sicher, dass er das alles überhaupt nicht versteht, aber ich habe das großes Glück, dass ihn das Wort Madrid ablenkt. Früher sind Erklärungsversuche jedweder Art häufig in lautstarken und tränenreichen Wutanfällen geendet. Ich hatte dann immer versucht, ihn zu beruhigen und ihm gesagt, er solle mal ruhig bleiben und ich würde ihm die Sachen ja gerade erklären. Daraufhin hat er mich gern heulend angebrüllt: "Dann erklär´ mir das so, dass ich das auch VERSTEHE!" Das bleibt mir an diesem Abend erspart, und er fragt nur, ob meine eine Freundin nicht in Madrid wohnen würde und ob ich die nicht schon mal besucht hätte. Das bestätige ich und kurze Zeit später muss das Kind dann zum Glück ins Bett.
Ein paar Tage später kaufen wir im Supermarkt das offizielle EM2012-Sammelalbum. Die ersten beiden Sammelkarten sind die mit Majoel Neuer und Mario Gomez. Ich muss die auf der Rückseite der Karten aufgedruckten Steckbriefe vorlesen und dann, Leute, geht alles von vorn los ...
Aus verständlichen Gründen werde ich auf Zusatzinformationen aus dem mütterlichen Gehirn wie "Torwarttrainer Andi Köpke ist übrigens aus Kiel, du weißt schon, das ist da, wo die Ur-Oma wohnt, obwohl die ja eigentlich Norwegerin ist ...." verzichten. Aber vielleicht sind wir bis zur WM 2014 ja dann doch so weit!
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