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ThomasG 08.11.2019 23:08

Zitat:

Zitat von fras13 (Beitrag 1491790)
das halte ich für ein Gerücht, oder eine Fehlinterpretation eines Journalisten,
wo auch immer diese Einschätzung herkommt...:confused:

EDIT: Das Interview gelesen, ändert sich aber nichts an meiner Aussage:

An der Basis ist davon nix angekommen...

Das ist natürlich schlecht vor allem, wenn es bei den Mitarbeitern der Jobcenter noch nicht bekannt sein sollte.
Scheele hat davon gesprochen in den nächsten zwei bis drei Wochen soll auf Sanktionen gänzlich verzichtet werden.
So ist das zumindest in einem weiteren Artikel zu lesen anlässlich eines Gesprächs von Sarah Zerback mit Detlef Scheele:

Zitat:

Scheele: Wir haben am Nachmittag des Urteils zusammengesessen mit den Ländern, der Bundesregierung, dem BMAS, und den kommunalen Spitzen und haben vereinbart, in den nächsten zwei, drei Wochen zunächst mal keine Sanktionen auszusprechen, auch nicht im Jugendbereich, weil ich vermute, dass Artikel eins als grundrechtliche Norm auch für unter 25-Jährige gilt. Insofern machen wir erst mal gar nichts, sondern gucken uns das Urteil an. Dann können wir auch keinen Fehler machen, denn wir müssen klären, wie wollen wir mit Jugendlichen umgehen, die vom Verfassungsgericht nicht behandelt worden sind, und wir müssen klären, wie wir mit den Ermessensfragen umgehen, die wir jetzt bekommen haben, in Richtung Härtefälle und der Flexibilität von Sanktionen, sie auch eher aufzuheben, wenn jemand auf die Idee kommt, wieder mitzuwirken. Da müssen wir Regeln schaffen, die für unsere Mitarbeiter und auch für die Betroffenen transparent und nachvollziehbar sind, und das kann man nicht ad hoc über Nacht. Darum haben wir uns gemeinsam mit unseren Partnern entschieden, hier zunächst mal gar nichts mehr zu machen, bis wir Klarheit haben.
Quelle: https://www.deutschlandfunk.de/ba-ch...icle_id=462829

Mo77 09.11.2019 11:19

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1491588)
Dass die Löhne in DE zu niedrig sind, dazu kann man erstmal nur beipflichten. Alle Sozialverbände und die Linke z.B. verlangen auch einen höheren Mindestlohn, der von der Regierung und dem Bundestag beschlossen wird. Der Maßstab für die angemessene Höhe wäre unter anderem, dass jemand keine zum Mindestlohn ergänzenden Hartz IV Leistungen beziehen muss und nach 45 Jahren Berufstätigkeit eine Rente oberhalb der Grundsicherung erhält. Der Mindestlohn würde nach diesen Kriterien bei 12,63 Euro liegen müssen, im Unterschied zu 9,19 aktuell. Würde der Bundestag einen solchen Mindestlohn beschliessen, hätte das sicherlich positive Auswirkungen auf das gesamte Tarifgefüge in den Niedriglohnsektoren und auf die Hartz IV Sätze (Grundsicherung).
https://www.linksfraktion.de/themen/...t/mindestlohn/
Ich wäre auch nicht in der Lage, so etwas zu berechnen, und halte mich deswegen an Berechnungen entsprechender Fachleute (wie die der Gewerkschaften z.B.).

Ps.: Bist Du in einer Gewerkschaft? Verdi? Die "relative "Schwäche" der Gewerkschaften macht sich halt leider bei den Löhnen negativ bemerkbar, wobei die Einrichtung sovieler prekärer Beschäftigungsverhältnisse (Flexibilisierung aus Sicht der Arbeitgeber) und die Privatisierungen öffentlicher Betriebe die Mitgliederzahlen stark schrumpfen liessen. Die Einführung des Mindestlohnes wurde unter anderem ja aufgrund des Fehlens der gewerkschaftlichen Organisationen in diesen prekären Beschäftigungsverhältnissen überhaupt erst notwendig.

Ich bin wirtschaftswissenschaftlich nicht geschult. Würde ein höherer Mindestlohn nicht unmittelbar zu einer Preissteigerung führen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass höhere Löhne zu Gewinnminimierung führen werden. Ein Teil bestimmt, der Rest wird meiner Meinung nach auf die Endkunden gewälzt.
Ein großartiger Kaufkraftgewinn würde sich dann aus höheren Regelsätzen nicht ergeben.
Wie gesagt hab ich nicht so den Überblick und weiß nicht wo ein Großteil der Beschäftigten mit Mindestlohn arbeitet.

Ich finde das Wort Existenzminimum ungut.
Es lebt bestimmt die halbe Welt mit weniger als dem deutschen Existenzminimums.
Wir können uns als durchaus reiche Gesellschaft bei geschickter Verteilung und Steuerung viel leisten.
Ich bin für den Begriff: Teilhabebetrag. Den könnte man von der reinen Existenzsicherung trennen. Die Differenz könnte dann der Spielraum für Sanktionen sein wenn es denn demokratisch so gewollt ist.

qbz 09.11.2019 11:50

Zitat:

Zitat von Mo77 (Beitrag 1491854)
Ich bin wirtschaftswissenschaftlich nicht geschult. Würde ein höherer Mindestlohn nicht unmittelbar zu einer Preissteigerung führen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass höhere Löhne zu Gewinnminimierung führen werden. Ein Teil bestimmt, der Rest wird meiner Meinung nach auf die Endkunden gewälzt.
Ein großartiger Kaufkraftgewinn würde sich dann aus höheren Regelsätzen nicht ergeben.
Wie gesagt hab ich nicht so den Überblick und weiß nicht wo ein Großteil der Beschäftigten mit Mindestlohn arbeitet.
......

Es gibt halt nicht die eine Volkswirtschaftslehre wie eine Naturwissenschaft, sondern unterschiedliche, in Teilen kontroverse. Diejenige, von denen die Gewerkschaften und andere ausgehen, sehen in höheren Löhnen eine Stärkung der Nachfrage und des Binnenmarktes, d.h. die Konzerne steigern den Umsatz und gleichen damit insgesamt die Lohnerhöhungen aus. Es führt auch zu mehr Abgaben, wodurch wiederum der Staat die Lohnerhöhungen bei seinen Beschäftigten finanziert und die Sozial-/Versicherungskassen gestärkt werden. Dass möglicherweise Preissteigerungen eintreten, könnte durchaus auch vorkommen, das hängt letztlich davon ob, inwiefern höhere Löhne durch mehr Produktivität ausgeglichen werden und welche Produktkonkurrenz auf dem Markt gegeben ist. Ich erlebte noch Zeiten mit Inflationsraten, Lohnzuwächsen von 4 %-6%, Wirtschaftswachstum und lohnenden Zinsen für Sparer.

DE wurde in den vergangenen Jahren oft von internationalen Organisationen wie der OECD kritisiert, dass der Binnenmarkt, die Inlandsnachfrage, zu schwach wäre, und der Export zu stark mit Nachteilen für andere Länder, und von diesen aufgefordert, den Binnenmarkt zu stärken, was aber nicht passiert ist.

Bei der Einführung des Mindestlohnes 2014 argumentierte übrigens die andere, sog. neoklassische Volkswirtschaftslehre, die Einführung würde sich negativ auf die Beschäftigungszahlen auswirken, was sich nicht bewahrheitete.
Eine Million Jobverluste in Deutschland? Zur Diskussion über die Beschäftigungseffekte von Mindestlöhnen

ThomasG 09.11.2019 19:38

Zitat:

Die Jusos wollen auf dem SPD-Parteitag im kommenden Monat über die Abschaffung aller Hartz-IV-Sanktionen abstimmen lassen.

Dies kündigte der Juso-Vorsitzende Kühnert an. Er sagte der „Rheinischen Post“ aus Düsseldorf, statt Strafen sollten Förderung, Ermutigung und der Rechtsanspruch auf Weiterbildung im Mittelpunkt stehen.
Quelle: https://www.deutschlandfunk.de/spd-b...lfIFkq0tWL9EYo

Der Kevin soll ruhig mal ordentlich Rabatz machen :-)!
Wir werden es aber trotzdem nie vergessen, wer uns damals verraten hat :-P!
https://www.youtube.com/watch?v=8vFL0QWxugI

Last uns ihre Sklaven sein!
https://www.youtube.com/watch?v=XQlQvg_TFTE

qbz 27.11.2019 01:02

Weiter so mit Sanktionen von über 30 % und Verfassungsbruch !
 
"- Das Bundesverfassungsgericht hatte Hartz-IV-Kürzungen von mehr als 30 Prozent als verfassungsrechtlich nicht zumutbar eingeschätzt.
- Plänen von Arbeitsministerium und Bundesagentur für Arbeit zufolge sollen noch höhere Kürzungen aber auch künftig möglich sein.
- So sollen verschiedene Sanktionen kombiniert werden können, die die 30 Prozent zusammen deutlich überschreiten, heißt es in dem Entwurf."


hartz-iv-bundesverfassungsgericht-kuerzungen-sanktionen

ThomasG 27.11.2019 05:31

Man fasst es nicht!
Was geht in den Köpfen von Leuten nur vor, die nur drei Wochen nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, was eindeutig feststellte, dass Hartz-IV-Kürzungen von 60 % verfassungswidrig sind, einen solchen Entwurf zu verantworten haben?
Für mich ist das ein deutliches Zeichen dafür, dass man eben nicht auf das entsprechende verfassungswidrige Druckmittel verzichten will und wenn man sich dafür noch so schäbige "Tricks" ausdenken muss.

Zitat:

Zitat von Süddeutsche Zeitung
Das Karlsruher Urteil hat sich nicht ausdrücklich mit den 10-Prozent-Sanktionen befasst, wie sie wegen versäumter Termine beim Jobcenter verhängt werden. Eine Kürzung um 30 Prozent hielt das Gericht unter engen Voraussetzungen für gerade noch zulässig. Drastische Sanktionen von 60 Prozent - bisher vorgesehen bei wiederholter Ablehnung eines Jobs - seien dagegen auf der Grundlage der derzeitigen Erkenntnisse "nicht zumutbar und deshalb verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen". Ein derart tiefer Eingriff ins Existenzminimum sei eine Belastung von "außerordentlicher Härte", heißt es in dem Urteil.


Sonycson 27.11.2019 09:39

Den Leuten werden ja nicht ohne Grund Leistungen gekürzt. Irgendwie finde ich die Debatte schräg und stark am Thema vorbei. Meine Frage wäre eher: Warum nehmen die Personen ihre Pflichttermine nicht wahr und schlagen Jobangebote aus?

Meine persönliche Meinung: Deutschland leistet sich einen viel zu großen Sozialstaat und das auch noch mit dem Gießkannenprinzip. Dazu noch die wahnsinnige Regulierungswut. Dazu kommt noch die fehlende finanzielle Bildung der Gesamtbevölkerung inkl. unserer Politiker.

MattF 27.11.2019 15:27

Zitat:

Zitat von Sonycson (Beitrag 1495643)
Den Leuten werden ja nicht ohne Grund Leistungen gekürzt. Irgendwie finde ich die Debatte schräg und stark am Thema vorbei. Meine Frage wäre eher: Warum nehmen die Personen ihre Pflichttermine nicht wahr und schlagen Jobangebote aus?



Und was wären mögliche Antworten?

Sonycson 27.11.2019 16:08

Zitat:

Zitat von MattF (Beitrag 1495786)
Und was wären mögliche Antworten?

Neben den berechtigten Gründen (wie z. B. Krankheit, welche durch eine Krankmeldung attestiert wurde).......Faulheit, Unzuverlässigkeit, Vergesslichkeit. Die Liste kann gerne erweitert werden. Die Frage ist halt, ob man das als Gesellschaft akzeptiert oder nicht.

Ich weiß, dass ich mich mit so einer Aussage nicht beliebt mache. Nur nervt mich die einseitige Berichterstattung aktuell.

captain hook 27.11.2019 16:37

Zitat:

Zitat von Sonycson (Beitrag 1495643)
Den Leuten werden ja nicht ohne Grund Leistungen gekürzt. Irgendwie finde ich die Debatte schräg und stark am Thema vorbei. Meine Frage wäre eher: Warum nehmen die Personen ihre Pflichttermine nicht wahr und schlagen Jobangebote aus?

Meine persönliche Meinung: Deutschland leistet sich einen viel zu großen Sozialstaat und das auch noch mit dem Gießkannenprinzip. Dazu noch die wahnsinnige Regulierungswut. Dazu kommt noch die fehlende finanzielle Bildung der Gesamtbevölkerung inkl. unserer Politiker.

Du kannst also die Frage in Fett nicht selbst beantworten, kannst aber im zweiten Absatz zu einer Schlussfolgerung kommen?

Hast Du Dich mit solchen Fragen (und der Praxis in solchen Zusammenhängen) mal intensiv beschäftigt oder gar mal eigene Erfahrungen damit gesammelt?

Weites Feld. Das geht von absoluter Ausnutzung des Sozialstaates bis hin zu ernsten Problemen Betroffener die "das Amt" nicht berücksichtigt, nicht richtig einschätzt oder gar nicht kennt. Und natürlich alles dazwischen.

Um dir mal einen kleinen Einblick zu erlauben... da kannst Du mit einer nicht eindeutig diagnostizierten psychischen Erkrankung Probleme haben Dein Leben überhaupt zu regeln, was am Ende vom "Amt" aber ausgelegt wird, als würdest Du Dich einfach völlig verweigern. Am Ende kann es in solchen Fällen dazu kommen, dass die Leistungen komplett eingestellt werden und jemand aus Satz 1 seine Wohnung verliert und dann inkl. seiner psychischen Probleme auf der Straße sitzt. Unter Druck und mit Zwangsmaßnahmen erreichst Du bei solchen Leuten gar nichts. Das wirft die so aus der Bahn, dass sie, selbst wenn sie wollten überhaupt nicht mehr in der Lage sind einen Termin wahrzunehmen oder sich Hilfe zu suchen. Kannst Du dir ggf nicht vorstellen, dann danke Gott oder wem auch immer, dass Du von Depressionen und schlimmen anderen Problemen in Deinem Leben verschont geblieben bist.

Um Sanktionen verhängen zu dürfen, die Menschen ggf in lebensbedrohliche Situationen bringt (Obdachlos werden oder nichts zu Essen zu haben gehört für mich dazu) müsste die Qualität der Verhältnismäßigkeitsprüfung extrem ausgebaut werden.

Es gibt Betrüger, ja. Aber man kann nicht wegen der Betrüger alle über einen über einen Kamm scheren und das als Kollateralschaden betrachten.

qbz 27.11.2019 16:50

Zitat:

Zitat von Sonycson (Beitrag 1495793)
Neben den berechtigten Gründen (wie z. B. Krankheit, welche durch eine Krankmeldung attestiert wurde).......Faulheit, Unzuverlässigkeit, Vergesslichkeit. Die Liste kann gerne erweitert werden. Die Frage ist halt, ob man das als Gesellschaft akzeptiert oder nicht.

Sind denn Strafen wie eine Streichung des Mindestunterhaltes (Existenzminimum) um 30 oder 60 % ein erfolgreicher Weg, um die Menschen beim Arbeitsamt wieder dazu zu befähigen, ihren Lebensunterhalt mit Arbeit zu bestreiten? Und gäbe es erfolgsversprechendere Wege? Der Staat vermochte zur ersten Frage, den Erfolgen dieser Art von Pädadogik, dem Bundesverfassungsgericht keine überzeugenden Argumente oder gar gesicherten Studien vorzulegen, was das Gericht deutlich rügte. Wie motiviert ist z.B. jemand, X-Bewerbungen zu machen, wo er vorher schon weiss, dass es nichts wird, z.B.

Klar scheint mir, dass nicht alle Menschen in gleichem Masse leistungsfähig sind, aus verschiedensten Gründen, und für Leistungsschwächere mit z.B. sehr negativen Schulkarrieren auch nicht genug freie Stellen vorhanden sind. Deshalb wurde z.B. wieder extra ein staatliches Programm für Langzeitarbeitslose "aufgelegt".

Schwarzfahrer 27.11.2019 16:59

Zitat:

Zitat von captain hook (Beitrag 1495795)
Um Sanktionen verhängen zu dürfen, die Menschen ggf in lebensbedrohliche Situationen bringt (Obdachlos werden oder nichts zu Essen zu haben gehört für mich dazu) müsste die Qualität der Verhältnismäßigkeitsprüfung extrem ausgebaut werden.

100 % Zustimmung. Das schwierige ist, daß eine wirklich fundierte Prüfung der Zumutbarkeit oder Verhältnismäßigkeit viel genauere Kenntnisse der betroffenen Personen und derer Verhältnisse erfordert, als was wahrscheinlich von irgendeinem Amt jemals zu leisten ist. Oder die Betroffenen brauchen sehr gute, engagierte Betreuer, Sozialarbeiter, Anwälte. Es wäre allerdings schon viel gewonnen, wenn einfache Notlagen klar von Arbeitsunlust unterschieden werden - was oft, wohl aus Bequemlichkeit im Amt oder wegen mangelnder Information auch nicht sauber geschieht.
Zitat:

Es gibt Betrüger, ja. Aber man kann nicht wegen der Betrüger alle über einen über einen Kamm scheren und das als Kollateralschaden betrachten.
Ich glaube, die Sozial-Betrüger sind das kleinere Problem. Ich sehe das Problem in einer angeblich wachsenden Schicht von Menschen, die z.T. schon in 2. oder 3. Generation von Sozialhilfe leben, nichts anderes kennen, und für die die Arbeit gar nicht mehr zum Lebensmodell gehört; die mit den Umständen zufrieden sind, solange sie Essen, Fernsehen und Bier haben (plakativ ausgedrückt). Ich glaube schon, daß mit entsprechenden Druckmitteln so mancher (sicher nicht alle) aus diesem Zustand mobilisiert werden kann.

Sonycson 27.11.2019 17:15

Das stimmt sicher alles. Mich nervt nur hart die einseitige und linke Berichterstattung an. Ich bin auch für ein bedingungsloses Grundeinkommen. Das macht die Diskussion dann überflüssig und kommt uns denke am Ende nicht teurer.

Und über meinen persönlichen Gesundheitszustand kannst Du glaube ich keine Einschätzung treffen ;-). Und ja, ich kann die Fragen wirklich nicht beantworten. Mich würde stark wundern, wenn es zu dieser Fragestellung statistische Erhebungen gäbe.

Zitat:

Zitat von captain hook (Beitrag 1495795)
Du kannst also die Frage in Fett nicht selbst beantworten, kannst aber im zweiten Absatz zu einer Schlussfolgerung kommen?

Hast Du Dich mit solchen Fragen (und der Praxis in solchen Zusammenhängen) mal intensiv beschäftigt oder gar mal eigene Erfahrungen damit gesammelt?

Weites Feld. Das geht von absoluter Ausnutzung des Sozialstaates bis hin zu ernsten Problemen Betroffener die "das Amt" nicht berücksichtigt, nicht richtig einschätzt oder gar nicht kennt. Und natürlich alles dazwischen.

Um dir mal einen kleinen Einblick zu erlauben... da kannst Du mit einer nicht eindeutig diagnostizierten psychischen Erkrankung Probleme haben Dein Leben überhaupt zu regeln, was am Ende vom "Amt" aber ausgelegt wird, als würdest Du Dich einfach völlig verweigern. Am Ende kann es in solchen Fällen dazu kommen, dass die Leistungen komplett eingestellt werden und jemand aus Satz 1 seine Wohnung verliert und dann inkl. seiner psychischen Probleme auf der Straße sitzt. Unter Druck und mit Zwangsmaßnahmen erreichst Du bei solchen Leuten gar nichts. Das wirft die so aus der Bahn, dass sie, selbst wenn sie wollten überhaupt nicht mehr in der Lage sind einen Termin wahrzunehmen oder sich Hilfe zu suchen. Kannst Du dir ggf nicht vorstellen, dann danke Gott oder wem auch immer, dass Du von Depressionen und schlimmen anderen Problemen in Deinem Leben verschont geblieben bist.

Um Sanktionen verhängen zu dürfen, die Menschen ggf in lebensbedrohliche Situationen bringt (Obdachlos werden oder nichts zu Essen zu haben gehört für mich dazu) müsste die Qualität der Verhältnismäßigkeitsprüfung extrem ausgebaut werden.

Es gibt Betrüger, ja. Aber man kann nicht wegen der Betrüger alle über einen über einen Kamm scheren und das als Kollateralschaden betrachten.


Sonycson 27.11.2019 17:20

Nein. Ich denke, dass das kein wirkungsvoller Weg ist.....
Und den wunden Punkt sprichst/schreibst Du ja auch an. Es gibt kein "ausgewertetes Datenmaterial". Es wird halt nicht die Ursache erforscht.

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1495799)
Sind denn Strafen wie eine Streichung des Mindestunterhaltes (Existenzminimum) um 30 oder 60 % ein erfolgreicher Weg, um die Menschen beim Arbeitsamt wieder dazu zu befähigen, ihren Lebensunterhalt mit Arbeit zu bestreiten? Und gäbe es erfolgsversprechendere Wege? Der Staat vermochte zur ersten Frage, den Erfolgen dieser Art von Pädadogik, dem Bundesverfassungsgericht keine überzeugenden Argumente oder gar gesicherten Studien vorzulegen, was das Gericht deutlich rügte. Wie motiviert ist z.B. jemand, X-Bewerbungen zu machen, wo er vorher schon weiss, dass es nichts wird, z.B.

Klar scheint mir, dass nicht alle Menschen in gleichem Masse leistungsfähig sind, aus verschiedensten Gründen, und für Leistungsschwächere mit z.B. sehr negativen Schulkarrieren auch nicht genug freie Stellen vorhanden sind. Deshalb wurde z.B. wieder extra ein staatliches Programm für Langzeitarbeitslose "aufgelegt".


ThomasG 27.11.2019 20:14

Das Arbeitsministerium rudert zurück:
Zitat:

Zitat von Florian Diekmann für Spiegel online
Es klingt wie ein Machtwort von Hubertus Heil (SPD): "Der Arbeitsminister schließt aus, dass künftig innerhalb eines Monats mehr als 30 Prozent sanktioniert werden darf", teilte das Bundesarbeitsministerium am Mittwochmorgen knapp mit. Dazu werde noch in dieser Woche eine Weisung ergehen. Klarer kann man es kaum formulieren. Und doch bleibt einiges unklar.

Quelle: https://www.spiegel.de/wirtschaft/so...a-1298446.html

ThomasG 28.11.2019 04:25

Hubertus Heil meinte "innerhalb eines Monats" und es ist anzunehmen, dass er sich bei dieser Äußerung seine Worte ziemlich genau überlegt hat.
Zitat:

Eiliges Dementi

Eilig dementierte das Bundesarbeitsministerium heute morgen die Planungen, obwohl sie in dem Entwurf eindeutig fixiert wurden. “Wir schließen das aus”, sagte ein Ministeriumssprecher am Mittwoch in Berlin. Man will nunmehr verhindern, dass es in der Öffentlichkeit zu “weiteren Missverständnissen kommt”. Der Arbeitsminister Hubertus Heil wolle das Urteil des Bundesverfassungsgericht umsetzen. Er schließe aus, “dass künftig innerhalb eines Monats mehr als 30 Prozent sanktioniert werden darf”. Eine Weisung hierzu soll es am Freitag geben. Fachkundige und Betroffene wissen allerdings, dass Sanktionen nicht nur einen Monat, sondern drei Monate andauern.
Quelle: https://www.gegen-hartz.de/news/hart...eigene-weisung

Nimmt man Heils Aussage wörtlich, ist es also (weiterhin) denkbar, dass die Bezüge kumuliert um mehr als 30 % gekürzt werden.

Sachleistungen und Wertgutscheine seien trotz erheblicher Bedenken des Bundesverfassungsgerichts auch zukünftig möglich ist auf der Internetseite gegen-hartz.de zu lesen:
Zitat:

Gutscheine bei Sanktionsaddierung

Ein weiteres “Geschmäckle” ist die Tatsache, dass Sachleistungen und Wertgutscheine trotz erheblicher verfassungsrechtlicher Bedenken von Seiten des Bundesverfassungsgericht dennoch weiterhin möglich sein sollen. Die Verfassungsrichter hatten bemängelt, dass hierauf kein verbindlicher Anspruch besteht. Nunmehr sollen die Gutscheine wieder ausgegeben werden, wenn aufgrund von Addieren mehrer Sanktionen Leistungskürzungen um 50 und mehr Prozent gekürzt werden (Weisungsentwurf Rz 31.37).
Quelle: https://www.gegen-hartz.de/news/hart...eigene-weisung

ThomasG 28.11.2019 06:45

Das ist wieder ein Beitrag, über den ich mich sehr freue :-).
Immer wieder aufbauend, wenn man sieht, es gibt da Menschen, die sich darum bemühen Verständnis und Zugang zu Leuten zu finden, die einfach nicht mehr mithalten können oder manchmal vielleicht auch erst einmal nicht mehr wollen.
Das Leben hinterlässt bei jedem Spuren.
Was man eine Weile mit der Hoffnung es werden wieder bessere Zeiten kommen in absehbarer Zeit ertragen kann oder will, das will oder kann man wahrscheinlich irgendwann halt nicht mehr aushalten, wenn die Hoffnung entsprechend gesunken ist oder man ähnliche Phasen schon zu oft ertragen hat oder ertragen musste.
Jeder hat das Bedürfnis seine Sorgen und Nöte mal in den Hintergrund zu rücken.
Wenn man das wie ein Haufen andere Menschen beispielsweise u.a. mit Hilfe von Alkohol macht und man hat zusätzlich vielleicht auch noch ungünstige Gene, dann hat man richtig große Probleme an der Backe.
Es gibt viele Leute, die können mit einem erheblichen Alkoholproblem noch scheinbar oder wirklich funktionieren in dem Sinne, dass sie halt einer Erwerbstätigkeit nachgehen können oder wollen, aber eben nicht alle.
Es hängt auch davon ab, was für Chancen man diesebezüglich hat, welche Erwerbsarbeiten zugänglich sind.
Menschen mit einem Alkoholproblem werden ja oft genug von ihrem (beruflichen) Umfeld "geschützt".
Ich schreibe das Wort in Anführungszeichen, weil es fast immer alles andere als ein Schutz ist auf die Dauer, sondern dazu beiträgt, dass der Betroffene sich immer tiefer in die Abhängigkeiten verstrickt, immer mehr körperlich und seelisch zerstört und der Weg heraus aus diesen Abhängigkeiten immer unwahrscheinlicher und schwerer wird.

Ein wirklich toller Beitrag vom Captain :-)!
Zitat:

Zitat von captain hook (Beitrag 1495795)

Hast Du Dich mit solchen Fragen (und der Praxis in solchen Zusammenhängen) mal intensiv beschäftigt oder gar mal eigene Erfahrungen damit gesammelt?

Weites Feld. Das geht von absoluter Ausnutzung des Sozialstaates bis hin zu ernsten Problemen Betroffener die "das Amt" nicht berücksichtigt, nicht richtig einschätzt oder gar nicht kennt. Und natürlich alles dazwischen.

Um dir mal einen kleinen Einblick zu erlauben... da kannst Du mit einer nicht eindeutig diagnostizierten psychischen Erkrankung Probleme haben Dein Leben überhaupt zu regeln, was am Ende vom "Amt" aber ausgelegt wird, als würdest Du Dich einfach völlig verweigern. Am Ende kann es in solchen Fällen dazu kommen, dass die Leistungen komplett eingestellt werden und jemand aus Satz 1 seine Wohnung verliert und dann inkl. seiner psychischen Probleme auf der Straße sitzt. Unter Druck und mit Zwangsmaßnahmen erreichst Du bei solchen Leuten gar nichts. Das wirft die so aus der Bahn, dass sie, selbst wenn sie wollten überhaupt nicht mehr in der Lage sind einen Termin wahrzunehmen oder sich Hilfe zu suchen. Kannst Du dir ggf nicht vorstellen, dann danke Gott oder wem auch immer, dass Du von Depressionen und schlimmen anderen Problemen in Deinem Leben verschont geblieben bist.

Um Sanktionen verhängen zu dürfen, die Menschen ggf in lebensbedrohliche Situationen bringt (Obdachlos werden oder nichts zu Essen zu haben gehört für mich dazu) müsste die Qualität der Verhältnismäßigkeitsprüfung extrem ausgebaut werden.

Es gibt Betrüger, ja. Aber man kann nicht wegen der Betrüger alle über einen über einen Kamm scheren und das als Kollateralschaden betrachten.

Aus der Rausch: Leben mit der Alkoholsucht: https://www.youtube.com/watch?v=CrKpd7HupIw

ThomasG 12.12.2019 11:26

Eben - in den 11-Uhr-Nachrichten des Radios (SWR3) - kam eine Meldung anlässlich des heute veröffentlichten paritätischen Armutsberichtes 2019 (die Bundesregierung erstellt und veröffentlich ebenfalls jährlich Armutsberichte).
In Regionen, in denen Armut bisher nicht so sehr verbreitet war, habe sie in letzter Zeit massiv zugenommen so auch in der Pfalz (da komme ich her, da lebe ich schon immer und wahrscheinlich werde ich da auch bis zu meinem letzten Tag leben).
Überregional - also bundesweit - habe sie aber erfreulicherweise abgenommen.
Die Printmedien haben darüber auch schon berichtet.
So heißt es unter anderem im Tagesspiegel:

Armutsbericht zeigt regionale Kluft

„Der Graben verläuft nicht mehr nur zwischen Ost und West“

Reicher Süden, armer Osten und besonders armes Ruhrgebiet: Der Paritätische Wohlfahrtsverband stellt ein enormes Wohlstandsgefälle in Deutschland fest.

[...]

Bei genauerer Betrachtung zeige sich Deutschland viergeteilt. Den „wohlhabenden“ Ländern Bayern und Baden-Württemberg mit einer Armutsquote von zusammen 11,8 Prozent, stünden Nordrhein-Westfalen und der Osten mit rund 18 Prozent gegenüber. Dazwischen lägen die weiteren Regionen Westdeutschlands mit einer Armutsquote von zusammen knapp 16 Prozent.

[...]

Der Armutsbericht zeige, dass auch der Westen Deutschlands tief gespalten und weit entfernt von Einheitlichkeit oder gleichwertigen Lebensbedingungen sei, sagte Schneider. Untersucht wurde für die Studie die Armutsentwicklung auf Länder- und Regionalebene. Insbesondere das Ruhrgebiet bleibe mit einer Armutsquote von 21,1 Prozent bei 5,8 Millionen Einwohnern „Problemregion Nummer 1“.
Außerdem sei die Armut von Rentnern in den vergangenen zehn Jahren um 33 Prozent und damit so stark wie bei keiner anderen Gruppe angestiegen. Der Verband fordert in seinem Bericht unter anderem einen höheren Mindestlohn und höhere Hartz-IV-Sätze. (dpa)

Quellen: https://www.tagesspiegel.de/politik/.../25326390.html, https://www.presseportal.de/pm/53407/4465851

Der Paritätische Wohlfahrtsverband fordert:

Zitat (Die Textformatierung habe ich leicht verändert):

In Anknüpfung an aktuelle sozialpolitische Diskussionen sehen wir angesichts der Befunde dieses Berichtes Priorität in folgendem Sofortprogramm:

* sofortige Erhöhung der Regelsätze von derzeit 424 auf 582 Euro und Einsetzung einer unabhängigen Kommission zur Neubestimmung des Existenzminimums – insbesondere für Kinder;

* Einführung von Freibeträgen auf Alterseinkünfte in der Altersgrundsicherung und Einführung einer Mindestrente für langjährig Versicherte;

* Einführung einer bedarfsdeckenden und einkommensorientierten Kindergrundsicherung und Schaffung eines Rechtsanspruchs auf Teilhabe im Kinder- und Jugendhilfegesetz;

* Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohnes auf 13 Euro;
sanktionsfreier Umbau der Hartz IV-Leistungen zu einem echten Unterstützungssystem inklusive eines sozialen Arbeitsmarktes und sozialpädagogischer Hilfen;

* Umbau der Pflegeversicherung durch Abschaffung oder deutliche Reduzierung der Eigenanteile der Pflegebedürftigen;

* kostenfreie bedarfsdeckende gesundheitliche Versorgung auch für Menschen mit niedrigem Einkommen.

Zitatende

Quelle: http://www.der-paritaetische.de/schw...armutsbericht/, Seite 4 des Armutsberichts

Definition des Begriffs relative Einkommensarmut:

Zitat:

Relative Einkommensarmut

Das Statistische Bundesamt und auch dieser Armutsbericht
folgen einer bereits über 30 Jahre alten EU-Konvention,
was die Definition und die Berechnung von
Armut anbelangt. In Abkehr von einem sogenannten
absoluten Armutsbegriff, der Armut an existenziellen
Notlagen wie Obdachlosigkeit oder Nahrungsmangel
festmacht, ist der Armutsbegriff der EU ein relativer.
Arm sind demnach alle, die über so geringe Mittel verfügen,
„dass sie von der Lebensweise ausgeschlossen
sind, die in dem Mitgliedstaat, in dem sie leben, als
Minimum annehmbar ist“, wie es im entsprechenden
Kommissionsbericht heißt.2
Dieser EU-Konvention folgend zählt dieser Bericht
jede Person als einkommensarm, die mit ihrem Einkommen
unter 60 Prozent des mittleren Einkommens
liegt. Dabei handelt es sich um das gesamte Nettoeinkommen
des Haushaltes inklusive Wohngeld, Kindergeld,
Kinderzuschlag, anderer Transferleistungen oder
sonstiger Zuwendungen.

Zitatende

Quelle: https://cloud.paritaet.org/index.php...QzZXM/download

Merke - mittleres Einkommen ist nicht gleich Durchschnittseinkommen!

Zitat:

Bei der Berechnung der Armutsquoten sind zwei statistische
Besonderheiten zu beachten: Beim mittleren
Einkommen handelt es sich nicht um das geläufige
Durchschnittseinkommen. Dieses wird ermittelt, indem
man alle Haushaltseinkommen addiert und die
Summe dann durch die Anzahl der Haushalte teilt
(arithmetisches Mittel). Es wird stattdessen der sogenannte
Median, der mittlere Wert, errechnet: Alle Haushalte
werden nach ihrem Einkommen der Reihe nach
geordnet, wobei das Einkommen des Haushalts in der
Mitte der Reihe den Mittelwert bzw. Median darstellt.
Der Unterschied zwischen arithmetischem Mittel und
Median kann sehr groß sein. Ein Beispiel: Verfügen fünf
Haushalte jeweils über ein Einkommen von 700 Euro,
1.300 Euro, 1.900 Euro, 6.500 Euro und 9.000 Euro, so
haben sie im Durchschnitt (700 + 1.300 + 1.900 + 6.500
+ 9.000) : 5 = 3.880 Euro. Der mittlere Wert (Median)
wäre jedoch 1.900 Euro. Die mit dem Median errechnete
Armutsschwelle und die sich daraus ableitenden
Armutsquoten sind damit sehr „stabil“: Die Haushalte
im oberen Bereich können reicher und reicher werden.
Solange der Haushalt in der Mitte der Rangreihe keinen
Einkommenszuwachs hat, hat dies keinerlei Einfluss
auf die Armutsquoten.

Zitatende

Quelle: https://cloud.paritaet.org/index.php...QzZXM/download, Seite 5 des Armutsberichts

qbz 14.07.2022 08:17

Ausgaben für die Beschäftigung Langzeitarbeitsloser vor Kürzung
 
"Die Bundesregierung will in ihrem Haushaltsentwurf für 2023 einen Fördertopf für Langzeitarbeitslose von derzeit 4,8 auf 4,2 Milliarden Euro kürzen. Obwohl wie in den Vorjahren sogenannte Ausgabereste zusätzlich genutzt und Einsparungen bei den Regelleistungen gegengerechnet werden dürfen, besteht dadurch die Gefahr, dass die Neubewilligungen für den Sozialen Arbeitsmarkt drastisch sinken könnten."

Läuftnix 15.07.2022 06:40

Klingt dramatisch, praktisch ist aber der Satz nach dem "Obwohl" der relevante. Die BR schiebt aktuell einen großen Berg an Ausgaberesten durch die Jahre immer weiter. Den in einer Regelaufgabe abzubauen ist sinnvoller als in in irgendwelchen Liebhaberprojekten zu versenken, wie sonst gerne gesehen

qbz 15.07.2022 07:30

Zitat:

Zitat von Läuftnix (Beitrag 1670899)
Klingt dramatisch, praktisch ist aber der Satz nach dem "Obwohl" der relevante. Die BR schiebt aktuell einen großen Berg an Ausgaberesten durch die Jahre immer weiter. Den in einer Regelaufgabe abzubauen ist sinnvoller als in in irgendwelchen Liebhaberprojekten zu versenken, wie sonst gerne gesehen

Ausgabereste dürfen nicht in andere Haushaltstitel verschoben werden und können auch nur für ein Jahr übertragen werden. Eine Kürzung um 0,6 Milliarden finde ich schon erheblich, von 4,8 auf 4,2, zumal noch die Inflation mit bis jetzt 8 % dazu kommt, d.h. es müsste mind. eine Erhöhung um 8 % stattfinden, da daraus aus ja Lohnzuschüsse an Arbeitgeber für die Einstellung von Langzeitarbeitslosen bezahlt werden.
Wikipedia: "Haushaltsausgabereste dürfen ausschließlich für die Maßnahmen Verwendung finden, für die sie ursprünglich veranschlagt sind."

Komischerweise wird beim Etat des Verteidigungsministeriums in den letzen Jahren nie mit Ausgaberesten argumentiert. ;)

Schwarzfahrer 15.07.2022 12:08

Das sind nun -12,5 %. Jeder Unternehmensberater, den man anheuert, geht von einem Kostensparpotential von 10 % ohne Wirkungsgradverlust aus, allein durch Erhöhung der Effizienz. In diesem Fall müßte es nicht schmerzhaft sein, wenn der Reduzierung eine Evaluierung der Effizienz der Maßnahmen vorausginge (also z.B. welche Maßnahmen verhelfen nachweislich einem nennenswerten Anteil der Langzeitarbeitslosen zu einem neuen Job, welche Maßnahmen sind reine "Parkschleifen" im System? Wie kann man die Paarung Arbeitsloser und Maßnahme so optimieren, daß die Wahrscheinlichkeit steigt, einen Job zu bekommen? u.ä.m.). Leider fehlt mir auch der Glaube, daß so rational überlegt wird in einem Land, wo Abgeordnete sich 3 % Gehaltserhöhung gönnen (300 € mehr bei ca. 10.000 € Einkommen), während sie gleichzeitig für Hartz 4-Empfänger nicht mal ein Viertel davon (0,7 %) gönnen (3 € mehr bei ca. 450 € Regelsatz) :(.

fras13 15.07.2022 12:13

Effizienz bei der Förderung von Langzeitarbeitslosen?

Wenn die Förderung endet - enden in der Regel die Beschäftigungsverhältnisse der geförderten Arbeitnehmer. Für mich ist dies die Realität, erlebe ich seit Jahren genau so.

soweit von mir dazu ...

qbz 15.07.2022 13:13

Zitat:

Zitat von fras13 (Beitrag 1670959)
Effizienz bei der Förderung von Langzeitarbeitslosen?

Wenn die Förderung endet - enden in der Regel die Beschäftigungsverhältnisse der geförderten Arbeitnehmer. Für mich ist dies die Realität, erlebe ich seit Jahren genau so.

soweit von mir dazu ...

Bei den früheren ABM-Massnahmen für Langzeitarbeitslose musste die Stelle sogar keine Planstelle sein. Die Betreffenden haben für diesen Zeitraum eine Arbeit und das scheint mir mehr wert zu sein als keine und sie erhalten ein aktuelles Arbeitszeugnis, das ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöhen kann. Ich habe mich immer darum bemüht, dafür Stellen zu schaffen.

dr_big 15.07.2022 13:22

Wenn ich in den Nachrichten höre, dass überall Arbeitskräfte fehlen und man sogar wieder in der Türkei rekrutieren möchte, sollte es dann nicht auch deutlich weniger Menschen in Hartz vier geben und der Finanzbedarf entsprechend geringer sein?

fras13 15.07.2022 13:24

Moin QBZ,

ich beziehe mich nur auf den von dir zitierten Artikel. Darin geht es um die Förderung nach §16i für Langzeitarbeitslose (mit mindestens 6-jähriger Arbeitslosigkeit).

Natürlich gibt es viele Maßnahmen, die unterstützend wirken und ihren Sinn haben.
Es gibt sogar Maßnahmen, bei denen 60% der Teilnehmer hinterher in Arbeit sind.

Die über mehrere Jahre angelegte Förderung nach 16i zähle ich nicht dazu, weil eben zumindest hier in meiner Region die Nachhaltigkeit nach Auslaufen der Fördermittel fehlt...

Und Effizienz bei Förderung von benachteiligten Menschen - da geht mir schon das Messer in der Tasche auf!

danke, ich habe jetzt Wochenende :)

qbz 15.07.2022 13:27

Zitat:

Zitat von dr_big (Beitrag 1670966)
Wenn ich in den Nachrichten höre, dass überall Arbeitskräfte fehlen und man sogar wieder in der Türkei rekrutieren möchte, sollte es dann nicht auch deutlich weniger Menschen in Hartz vier geben und der Finanzbedarf entsprechend geringer sein?

Es sind nicht alle Menschen für eine Umschulung auf Altenpflege oder Erzieherinnen geeignet. :) . Es geht bei dem Programm um die gezielte Integration von Menschen, welche längere Zeit aus diversen Gründen arbeitslos gewesen sind und sie auf dem Weg wieder in einen Arbeitsprozess nach einer Weiterbildung / Umschulung zu integrieren. Darunter sind auch Akademiker.

dr_big 15.07.2022 13:28

Zitat:

Zitat von fras13 (Beitrag 1670968)
Und Effizienz bei Förderung von benachteiligten Menschen - da geht mir schon das Messer in der Tasche auf!

Bitte nicht die Effizienz der Verwaltung vergessen, da ist sicher noch Potential.

fras13 15.07.2022 13:29

Zitat:

Zitat von dr_big (Beitrag 1670966)
Wenn ich in den Nachrichten höre, dass überall Arbeitskräfte fehlen und man sogar wieder in der Türkei rekrutieren möchte, sollte es dann nicht auch deutlich weniger Menschen in Hartz vier geben und der Finanzbedarf entsprechend geringer sein?

So, nur noch eine Antwort:

Ja, sollte es. Und ab Juli können sie sich sogar ohne Sanktionsandrohung, also völlig frei und motiviert eine Beschäftigung suchen, die zu ihnen passt.
Es gibt diese Menschen, sie begegnen mir jeden Tag. Aber sie suchen sich Arbeit, weil der Stellenmarkt sehr positiv ist, und wirtschaftliche Gründe für eine Beschäftigung sprechen; nicht weil Sanktionen wegfallen.:Huhu:
Nur die Anderen, welche Sanktionen erfahren haben, müssen nun keine Pflichten mehr erfüllen - dank der aktuellen Politik.

Ich finde das mehr als falsch.

dr_big 15.07.2022 13:29

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1670969)
Es sind nicht alle Menschen für eine Umschulung auf Altenpflege oder Erzieherinnen geeignet. :) . Es geht bei dem Programm um die gezielte Integration von Menschen, welche längere Zeit aus diversen Gründen arbeitslos gewesen sind und sie auf dem Weg wieder in einen Arbeitsprozess nach einer Weiterbildung / Umschulung zu integrieren. Darunter sind auch Akademiker.

Es fehlen auch Arbeitskräfte in der Gastronomie, an Flughäfen…

dr_big 15.07.2022 13:36

Zu Sanktionen habe ich auch meine Meinung, auch wenn ich mich im Detail nicht damit auskenne. Aber wenn man sieht, welchen bürokratischen Aufwand man betreibt um hier und da ein paar Euro zu Sanktionieren und hinterher noch weiteres Geld für Gerichtsprozesse verschwendet, in denen die Sanktionen oft wieder gekippt werden, dann frage ich mich schon, ob es nicht sinnvoller wäre gleich auf diesen Bürokratiewahnsinn zu verzichten.

MattF 15.07.2022 13:38

Zitat:

Zitat von dr_big (Beitrag 1670972)
Es fehlen auch Arbeitskräfte in der Gastronomie, an Flughäfen…

qbz hat schon recht, es geht nicht um die Art des Jobs, es geht darum dass Menschen Hilfe brauchen allein bei der Frage, komme ich morgens pünktlich aus dem Bett. Bin ich zuverlässig auf der Arbeit. Kann ich 8h überhaupt durchhalten.
Entstanden durch z.b. physische Erkankungen, Drogenerfahrungen, sonstige Beeinträchtigungen.

Man kann die Förderung solcher Menschen natürlich lassen, nur dann werden die halt gar nicht arbeiten, sondern durchs Raster fallen und in ALG 2 (Hartz IV).

qbz 15.07.2022 13:38

Zitat:

Zitat von fras13 (Beitrag 1670968)
Moin QBZ,

ich beziehe mich nur auf den von dir zitierten Artikel. Darin geht es um die Förderung nach §16i für Langzeitarbeitslose (mit mindestens 6-jähriger Arbeitslosigkeit).

Natürlich gibt es viele Maßnahmen, die unterstützend wirken und ihren Sinn haben.
Es gibt sogar Maßnahmen, bei denen 60% der Teilnehmer hinterher in Arbeit sind.

Die über mehrere Jahre angelegte Förderung nach 16i zähle ich nicht dazu, weil eben zumindest hier in meiner Region die Nachhaltigkeit nach Auslaufen der Fördermittel fehlt...

Und Effizienz bei Förderung von benachteiligten Menschen - da geht mir schon das Messer in der Tasche auf!

danke, ich habe jetzt Wochenende :)

ich wünsche Dir auch ein schönes Wochenende.

Ich habe an meinem Arbeitsplatz in Berlin jeweils damit gute Erfahrungen gemacht, aktiv darum bemüht, solche Stellen zu schaffen und die Menschen haben meistens anschliessend andere Stellen gefunden. Okay, das war alles im sozialen und Jugendhilfe-Bereich, auch Verwaltung, keine Ahnung, wie es in anderen Berufsfeldern aussieht.

Für diejenigen, welche sich damit nicht auskennen, hier die Beschreibung des Arbeitsamtes: Arbeitsamt: foerderung-von-langzeitarbeitslosen

Schwarzfahrer 15.07.2022 14:14

Zitat:

Zitat von MattF (Beitrag 1670975)
qbz hat schon recht, es geht nicht um die Art des Jobs, es geht darum dass Menschen Hilfe brauchen allein bei der Frage, komme ich morgens pünktlich aus dem Bett. Bin ich zuverlässig auf der Arbeit. Kann ich 8h überhaupt durchhalten.
Entstanden durch z.b. physische Erkrankungen, Drogenerfahrungen, sonstige Beeinträchtigungen.

Das sehe ich auch so, es ist der wichtigste Aspekt. Die Frage ist, wie ich das weitere Ziel einer solchen Förderung definiere bzw. den Erfolg messe, und damit die Ausgaben rechtfertige. Reicht es, für die Dauer der Förderung den Menschen eine Chance zu bieten unabhängig davon, wie es weitergeht, oder sollte die Förderung zum Ziel haben, daß ein nennenswerter Anteil im Anschluß auch ohne Förderung selbständig Fuß fasst im Arbeitsmarkt. Ich fände letzteres ein wichtiges Ziel und Kriterium, gerade wenn Fördermittel nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen.
Zitat:

Zitat von MattF (Beitrag 1670975)
Man kann die Förderung solcher Menschen natürlich lassen, nur dann werden die halt gar nicht arbeiten, sondern durchs Raster fallen und in ALG 2 (Hartz IV).

Leute, die in diesem Bereich tätig sind, könnten sicher etwas zu Häufigkeit von Erfolg nach diesem Kriterium sagen. Es gibt sicherlich ein Teil, das nach o.g. Kriterium auch nach der Maßnahme wieder durchs Raster fällt (und das z.T. auch vorhersehbar). Sind das 5 %, 15 %, oder gar 50 %? Ich halte es nicht für ausgeschlossen, daß man durch entsprechende Evaluierung der bisherigen Erfahrung den Anteil solcher Fälle reduzieren kann (wenn es jetzt schon < 20 % sind dann eher nicht). Es ist aber vermutlich naiv gedacht, daß sich eine Behörde mit so etwas befasst.

qbz 15.07.2022 14:39

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1670985)
Das sehe ich auch so, es ist der wichtigste Aspekt. Die Frage ist, wie ich das weitere Ziel einer solchen Förderung definiere bzw. den Erfolg messe, und damit die Ausgaben rechtfertige. Reicht es, für die Dauer der Förderung den Menschen eine Chance zu bieten unabhängig davon, wie es weitergeht, oder sollte die Förderung zum Ziel haben, daß ein nennenswerter Anteil im Anschluß auch ohne Förderung selbständig Fuß fasst im Arbeitsmarkt. Ich fände letzteres ein wichtiges Ziel und Kriterium, gerade wenn Fördermittel nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen.
Leute, die in diesem Bereich tätig sind, könnten sicher etwas zu Häufigkeit von Erfolg nach diesem Kriterium sagen. Es gibt sicherlich ein Teil, das nach o.g. Kriterium auch nach der Maßnahme wieder durchs Raster fällt (und das z.T. auch vorhersehbar). Sind das 5 %, 15 %, oder gar 50 %? Ich halte es nicht für ausgeschlossen, daß man durch entsprechende Evaluierung der bisherigen Erfahrung den Anteil solcher Fälle reduzieren kann (wenn es jetzt schon < 20 % sind dann eher nicht). Es ist aber vermutlich naiv gedacht, daß sich eine Behörde mit so etwas befasst.

So etwas wird meistens evaluiert und alle Zahlen bei den Ämtern erfasst.

https://www.bmas.de/DE/Service/Publi...mms-sgb-2.html

KevJames 16.07.2022 06:03

Zitat:

Zitat von MattF (Beitrag 1670975)
Man kann die Förderung solcher Menschen natürlich lassen, nur dann werden die halt gar nicht arbeiten, sondern durchs Raster fallen und in ALG 2 (Hartz IV).

Oder nichtmal das und landen in Notunterkünften. Das Gute für den Staat ist, dass dies häufig soziale / kirchliche Einrichtungen gestemmt wird, die sich nur teilweise durch staatliche Mittel finanzieren.

Schön auch, dass die FDP die Hartz IV Anpassung an die Inflation blockiert. Ich finde auch, dass die Hartz IV ohnehin viel zu viel bekommen, da sollte es lieber eine Steuererleichterung für die obere Mittelschicht und Oberschicht geben ... (Achtung Ironie)


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