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the grip 24.06.2012 15:51

Heinrich Heine:
 
Als sie mich umschlang mit zärtlichem Pressen,
Da ist meine Seele gen Himmel geflogen!
Ich ließ sie fliegen, und hab unterdessen
Den Nektar von ihren Lippen gesogen.

the grip 26.06.2012 17:32

Ludwig Thoma:
 
Ein Enterich hat jüngst im Freien
Der Liebe ohne Scheu gefrönt.
Natürlich waren sie zu zweien,
Und was sie taten, ist verpönt.

Er hatte das Rezept gefunden
Zu jenem alten Wonnespiel,
Wobei er oben und sie unten,
Ins Auge des Betrachters fiel.

Ha! Wie ihm alle Sinne schwinden,
Da schien es manchem offenbar,
Daß jedes ethische Empfinden,
In diesem Tier erloschen war.

Ein solches Beispiel öffentlicher
Verdorbenheit kommt selten vor.
Doch Gottes Mühlen mahlen sicher,
Hier war es ein Benzinmotor.

Das Rad zerquetscht sie in der Rinne
Und preßt den Enterich auf sie,
Es war wohl in gewissem Sinne
Auch eine Schicksalsironie.

the grip 28.06.2012 10:20

Erich Kästner:
 
Begegnung auf einer Parkbank

Ein bezaubernd buntes Pfauenauge
setzt sich, damit es Honig sauge,
auf Herrn Lehmanns Feiertagskrawatte,
die ein schönes Blumenmuster hatte.

Selbst Krawattenseide, schwer wie diese,
ist noch lange keine Honigwiese!
Als der Schmetterling verdutzt entschwebte,
lachte Lehmann, dass die Weste bebte.

the grip 01.07.2012 11:26

Mascha Kaléko.
 
Glück und Unglück.

Das Glück ist arm an Phantasie.
Sein Repertoire ist ziemlich klein;
Das Unglück aber – ein Genie!
Ihm fällt stets etwas Neues ein.

the grip 03.07.2012 14:41

Charles Baudelaire:
 
Ende des Tages

Unter blassem lichte schwärmend
Tanzt und stürzet ohne grund
Sich das leben schamlos lärmend ..
Doch sobald am himmelsrund
Wonnevoll die nacht sich breitet
Alles – auch der hunger – ruht •
Alles – auch die schmach – vergleitet;
Sagt der dichter: nun ists gut!

Gierig flehen meine glieder
Wie mein geist die ruhe nieder
Von unseligem traum zerwühlt ..

Will mich auf den rücken strecken
Eingehüllt in eure decken –
Finsternisse die ihr kühlt!

the grip 05.07.2012 10:25

Ludwig Thoma:
 
Sexuelle Aufklärung

Der alte Storch wird nun begraben.
Ihr Kinder lernt im Unterricht,
Warum wir dies und jenes haben,
Und es verbreitet sich das Licht.

Zu meiner Zeit, du große Güte!
Da herrschte tiefe Geistesnacht.
Man ahnte manches im Gemüte
Und hat sich selber was gedacht.

Mich lehrte dieses kein Professer;
Nur eine gute, dicke Magd
Nahm meine Unschuld unters Messer
Und machte auf dieselbe Jagd.
Ihr Unterricht war nicht ästhetisch,
Im Gegenteil, sehr weit entfernt.
Und doch, wenn auch nicht theoretisch,
Ich hab' es ziemlich gut gelernt.

the grip 07.07.2012 20:32

Suppenschildkröten-Ersatz:
 
Die Schildkrötensuppe

Schildkröten rennen rum wie wild.
Als ob sie Lutzkroth hießen.
Sie tragen einen grünen Schild
Und sehen aus zum Schießen.

Wir schießen keine Kröten tot,
Wir lassen sie hoch leben
Und füttern sie mit Dinkelschrot
und saftigen Zibeben.

Pasteten her, Pasteten hin,
Was kümmern uns Pasteten?
Da ist kein Lachs, kein Hummer drin
Auch nicht Paté von Kröten.

Wir preisen statt Paté Pataten
zum Kochen wie zum Braten.
Schön köstlich die Kartoffeln sind
Und weiß wie Alabaster!
Kartoffelsuppe kocht geschwind
Und ist für König, Königin und Kind
Ein wahres Magenpflaster.

Jaja, wir wollen Kartoffelsuppe,
köstliche Kartoffelsuppe!
Schildkröten-, Kaviar- & Hummersuppe
die sind uns schnuppe, schnuppe, schnuppe!

the grip 10.07.2012 17:18

Ludwig Thoma:
 
Wir Toren

Warum nur immer Haß und Streit?
Wir könnten es so schöner haben,
Benützten wir Talent und Gaben
Zu mäßig milder Heiterkeit.

Man wäre Gast im besten Haus:
Und kitzelte mit Politessen
Den Reichen, der sich voll gefressen
Und Witze liebt nach gutem Schmaus.

Er könnt‘ mit uns zufrieden sein
Und stocherte in seinen Zähnen,
Und rülpst‘ und unterdrückt‘ ein Gähnen
Und schliefe dann behaglich ein.

Man paßte in das Staatssystem,
Wenn uns das Rindvieh loben dürfte
Und unsern Spaß mit Wonne schlürfte,
Man wäre deutsch und angenehm.


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