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Jörn 21.03.2020 18:47

Zitat:

Zitat von Hafu (Beitrag 1518839)
Natürlich hat das Merkel, die vielen von ihr eingesetzten Gesundheitsminister und einige Regierungschefs vor ihr "beeinflusst", aber natürlich hängt es von vielen Faktoren ab. Söder hat mit Sicherheit daran deutlich geringeren Anteil als unsere ewige Regierungschefin, denn er ist erst im Gegensatz zu Merkel seit kurzem im Amt und hat außerhalb von Bayern außerordentlich wenig Einflussmöglichkeiten.

Sind das nicht Spekulationen, die hier mit völliger Gewissheit als Fakten dargestellt werden?

Auffällig finde ich zudem, dass die Aktionen bestimmter Politiker bei manchen Diskutanten stets im schlechtesten Licht dargestellt werden, ohne auch die positiven Absichten und Möglichkeiten zu erwägen.

----

Ähnliche Manöver sehe ich auch in diversen Interviews mit Politikern. Zuerst wird gefragt, ob die drastischen Maßnahmen nicht völlig übertrieben wären. Der Minister darf sich dann mühsam an dieser Frage abarbeiten. Anschließend dreht sich der Journalist um 180 Grad und fragt: Aber warum kommen diese Maßnahmen so spät?? Und dann kann sich der Minister auch daran abarbeiten. Fazit: Wie man's auch macht, ist es verkehrt.

JeLü 21.03.2020 18:55

Zitat:

Zitat von Lebemann (Beitrag 1518737)
https://medium.com/tomas-pueyo/coron...z-abf9015cb2af

Fand ich sehr interessant und gut erklärt. Für mich nachvollziehbar argumentiert.

Ist tatsächlich sehr interessant. Für die Allgemeinheit wäre es vielleicht hilfreicher gewesen, wenn du noch etwas zu den dort vertretenen Thesen und Argumenten
geschrieben hättest.

Pueyo argumentiert für die Suppression-Strategie. Entgegen der Studie vom Imperial College verneint er, dass bei einer Suppression-Strategie ein zweiter Peak wahrscheinlich
wäre. In der ersten Phase (The Hammer) sollte der R-Wert möglichst weit unter 1 gedrückt werden. Welche Maßnahmen dafür genau benötigt werden, ist natürlich unklar und abhängig vom Moment der Einleitung in Abhängigkeit zur Entwicklung der Pandemie im jeweiligen Land.
Sollte dies gelingen, muss in der zweiten Phase (The Dance) das Ziel sein den R-Wert unter 1 zu belassen, so dass es zu keinem zweiten Peak kommt. Auch dafür listet Pueyo einige erforderliche Maßnahmen auf (weitgehend nach Korea+Japan modelliert).

Von daher auch für unsere Diskusiion im Forum relevant.
Quarantäne/Ausgangsbeschränkungszeit wird hier contra Körbel mit eher mehreren Monaten als wahrscheinliche Periode angegeben.
Einen zweiten Peak im Juni sieht Pueyo nicht. Die sieht auch die Imperial College Studie für deutlich später, aber da scheint es mir bei Flow eher spekulativ zu sein.

Die von Lucy verlinkte Stellungnahme der Epidemiologen tendiert auch zur Suppressionsstrategie. Daraus kurz zitiert:
"Aktuell liegt ein kurzes Zeitfenster vor, in dem die Entscheidung zwischen Eindämmung und Verlangsamung der Infektionsausbreitung noch ohne Überlastung des Gesundheitssystems erfolgen kann. In beiden Fällen ist eine konsequente Umsetzung für einen längeren Zeitraum notwendig. (S.4)"
Das hatte ich bereits vor ein paar Tagen angesprochen. Das sollte auch in Deutschland im Sinne der Transparenz endlich einmal von der Politik ausgesprochen werden/ debattiert werden.

qbz 21.03.2020 18:57

Dass die anderen EU-Länder sich nicht in der Lage sehen, Italien praktische Hilfe inform von Ärzten, Krankenschwestern und Material zu senden oder sich um Unterstützung der dortigen Versorgung bemühen, finde ich angesichts der dramatischen Situation in der Lombardei extrem unsolidarisch und abstossend. (Motto: Jedes Land ist sich selbst das nächste).

Mit Kuba schickt nun ein Land, das selber den wirtschaftlichen Sanktionen der USA ausgesetzt ist, 23 Ärzte und Krankenschwestern nach Norditalien. Auch China sandte bekanntlich Ärzte und Material.

Hafu 21.03.2020 19:05

Zitat:

Zitat von reisetante (Beitrag 1518834)
... Aber, besser keine Verschwörungstheorien

...

Das da oben war der wichtigste Satz in deinem Post.

Leider hast du ihn nicht beherzigt. Ich weiß, dass es eine schwer erklärbare Sehnsucht bei den Menschen gibt, hinter jeder Seuche eine groß angelegte Verschwörung zu sehen, aber mir wäre es lieber, wenn wir das in einem separaten Thread unter passendem Titel diskutieren könnten.

Die Pest im Mittelalter wurde noch als Bestrafung höherer Mächte für irdische Sünden gedeutet und bei der spanischen Grippe, die schwer unter den allierten Truppen am Ende des ersten Weltkriegs wütete, wurde natürlich der deutsche Geheimdienst vermutet, der Influenzaviren passend gezüchtet und in die spanischen und britischen Truppen eingebracht hat.

Zitat:

Zitat von Wikipedia zur spanischen Grippe
...Eine weit verbreitete Hypothese besagte, die Grippe sei durch Konservendosen aus Spanien importiert worden, diese wären von den Deutschen vergiftet worden, welche die spanischen Konservenfabriken unter ihre Kontrolle gebracht hätten...Das Gerücht, dass Deutsche beigetragen hätten, die Krankheit in den USA zu verbreiten, wurde dabei sogar von offizieller Seite unterstützt. Am 17. September verkündete der Leiter der US-amerikanischen Health and Sanitation Section of the Emergency Fleet Corporation Lt. Col. Philip Doane offiziell, dass nach seiner Ansicht Deutsche die Krankheit verursacht hätten:

„Für deutsche Agenten wäre es ganz einfach, den Krankheitserreger in einem Theater oder einem anderen Ort, wo viele Menschen versammelt sind, freizusetzen. Die Deutschen haben Epidemien in Europa gestartet. Es gibt keinen Grund, warum sie mit Amerika behutsamer umgehen sollten.“

Früher waren "die Deutschen" global betrachtet stets die Buhmänner, bei der spanischen Grippe vor 100 Jahren mit Sicherheit zu Unrecht, in anderen Fällen (wenn man an zwei Weltkriege denkt) leider aber auch zu Recht, ein halbes Jahrhundert lang konnte man dann den Russen die globale Buhmann-Rolle zuschreiben (und manchmal scheint sich Putin selbst heute noch zu bemühen, dieser Erwartungshaltung gerecht zu werden).
Tendenziell sind es aber seit einigen Jahren global betrachtet die schlitzäugigen Chinesen, denen im Kampf um die Weltherrschaft nahezu jedes Mittel recht zu sein scheint.

JeLü 21.03.2020 19:10

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1518849)
Sind das nicht Spekulationen, die hier mit völliger Gewissheit als Fakten dargestellt werden?

Auffällig finde ich zudem, dass die Aktionen bestimmter Politiker bei manchen Diskutanten stets im schlechtesten Licht dargestellt werden, ohne auch die positiven Absichten und Möglichkeiten zu erwägen.

----

Ähnliche Manöver sehe ich auch in diversen Interviews mit Politikern. Zuerst wird gefragt, ob die drastischen Maßnahmen nicht völlig übertrieben wären. Der Minister darf sich dann mühsam an dieser Frage abarbeiten. Anschließend dreht sich der Journalist um 180 Grad und fragt: Aber warum kommen diese Maßnahmen so spät?? Und dann kann sich der Minister auch daran abarbeiten. Fazit: Wie man's auch macht, ist es verkehrt.

Söder ist wohl ein Politiker, bei dem die Spiegel-Lesart alles rein machtpolitisch zu betrachten nicht ganz so absurd ist wie bei anderen. In der Zeit findet sich ein Artikel,
der das macht, was Jörn hier einfordert. Dort kommt Söder gut weg: Habe zumindest frühzeitig erkannt, wie gefährlich Corona sei und sich gegen andere früh für Schulschließungen eingesetzt. Er schaffe generell Präzedenzfälle.
https://www.zeit.de/politik/deutschl...ueller-csu-spd

Beim Rest bin ich bei Hafu. Wenn wir nicht nur durch Zufall deutlich besser dastehen, liegt das am Status unseres Gesundheitssystems und für den Zustand ist Söder qua Amt nun wirklich nur minimal verantwortlich.

qbz 21.03.2020 19:13

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1518849)
.......
Auffällig finde ich zudem, dass die Aktionen bestimmter Politiker bei manchen Diskutanten stets im schlechtesten Licht dargestellt werden, ohne auch die positiven Absichten und Möglichkeiten zu erwägen.
.....

In diesem Thread wunderten sich angesichts der ersten Zahlen in DE und den bekannten Verlaufsinfos aus Wuhan damals einige, insbesondere Hafu, weshalb in DE der Karneval und Fussballspiele noch weiterlaufen. Und genauso berechtigt finde ich die Frage heute aktuell, welche Verbote der individuellen Bewegungsfreiheit wegen der Pandemie gerechtfertigt sind.

Meine Schwester z.B. lebt in Zürich und hat von Frühling-Herbst einen Zweitwohnsitz im Tessiner Bavona-Tal in der einsamen Bergwildnis (20min steil den Berg hoch unter Felsen im Wald). Soll sie da mit ihrem Mann nicht mehr hinfahren dürfen? Absurd! Und so gibt es viele andere Gründe, wo man niemanden infiziert oder sich ansteckt, wenn man die eigene Wohnung / Haus verlässt.

Oder weshalb soll ich in ländlicher Region lebend alle Kontakte zu anderen aufgeben, die ich brauche, aus welchen Gründen jetzt auch immer, solange man sich mit 2m Abstand im Freien trifft, um irgend etwas auszutauschen, was man gerade braucht. Muss ich mich für solche sicheren Kontakte rechtfertigen und sie begründen? Wäre vollkommen absurd!

Dass die Berliner CDU, Söder folgend, nun noch nach der Bundeswehr ruft, um Ausgehbeschränkungen zu kontrollieren, finde ich schon sehr kritikwürdig. Das sind dieselben, welche noch vor einigen Monaten dafür plädierten, eine Menge Krankenhäuser in DE auf dem Land zu schliessen.

JeLü 21.03.2020 19:13

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1518855)
Dass die anderen EU-Länder sich nicht in der Lage sehen, Italien praktische Hilfe inform von Ärzten, Krankenschwestern und Material zu senden oder sich um Unterstützung der dortigen Versorgung bemühen, finde ich angesichts der dramatischen Situation in der Lombardei extrem unsolidarisch und abstossend. (Motto: Jedes Land ist sich selbst das nächste).

Mit Kuba schickt nun ein Land, das selber den wirtschaftlichen Sanktionen der USA ausgesetzt, 23 Ärzte und Krankenschwestern nach Norditalien. Auch China sandte bekanntlich Ärzte und Material.

Masken haben wir schon geschickt.
https://www.spiegel.de/politik/deuts...d-3518d53eabfe

LidlRacer 21.03.2020 19:15

Glaubt immer noch jemand dem gefährlichen Spinner Wolfgang Wodarg?

Ein weiterer Faktencheck - diesmal vom Spiegel:
Die gefährlichen Falschinformationen des Wolfgang Wodarg
Coronaviren habe es schon immer gegeben, die aktuellen Maßnahmen seien nur Panikmache: Auf YouTube wettert ein Mediziner gegen den Umgang mit Sars-CoV-2. Seine Argumentation wirkt schlüssig - ist sie aber nicht.

Antracis 21.03.2020 19:18

Zitat:

Zitat von abc1971 (Beitrag 1518843)
Bin ich eigentlich alleine damit, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass solche Veranstaltungen wie Challenge Roth überhaupt jemals stattfinden können, so lange es weder Impfung noch Medikamente gibt?

Nein, ich sehe das auch so. Eigentlich ist nur die Impfung ein Gamechanger, und selbst mit im Krisenfall erleichterten Zulassungsverfahren wird der wohl nicht vor Herbst zur Verfügung stehen. Dann kommt noch Zeit für Produktion, flächendeckende Impfung und Wirklatenz dazu. Insofern würde ich sowas wie Roth oder auch Berlinmarathon optimistisch erst nächstes Jahr wieder erwarten. Das sind ja Hochrisikosituationen, mehrere 1000 Menschen, die ggf noch immunsupprimiert durch den WK engen Kontakt haben und sich dann International ausbreiten.

JeLü 21.03.2020 19:18

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1518861)
In diesem Thread wunderten sich angesichts der ersten Zahlen und Verlaufsinfos aus Wuhan damals einige, insbesondere Hafu, weshalb in DE der Karneval und Fussballspiele noch weiterlaufen. Und genauso berechtigt finde ich die Frage heute aktuell, welche Verbote der individuellen Bewegungsfreiheit wegen der Pandemie gerechtfertigt sind.

Meine Schwester z.B. lebt in Zürich und hat von Frühling-Herbst einen Zweitwohnsitz im Tessiner Bavona-Tal in der einsamen Bergwildnis (20min steil den Berg hoch unter Felsen im Wald). Soll sie da mit ihrem Mann nicht mehr hinfahren dürfen? Absurd! Und so gibt es viele andere Gründe, wo man niemanden infiziert oder sich ansteckt, wenn man die eigene Wohnung / Haus verlässt.

Darum ging es Jprn nicht, sondern um die Tendenz von deutschen Journalisten, statt auf Grundlage von Fakten und der Kenntnis plausibler Theorien konsistent kritisch zu fragen, plötzlich um 180% die Richtung der Fragen zu ändern. Wohl weil man denkt, als Journalist müsse man irgendwie neutral sein und Kritik bedeute In-Zweifel-ziehen beliebiger Aussagen. Gilt in anderen Ländern als schlechte journalistische Praxis, wird in Deutschland aber vielerorts betrieben.

Flow 21.03.2020 19:19

Zitat:

Zitat von JeLü (Beitrag 1518854)
Von daher auch für unsere Diskusiion im Forum relevant.
Quarantäne/Ausgangsbeschränkungszeit wird hier contra Körbel mit eher mehreren Monaten als wahrscheinliche Periode angegeben.
Einen zweiten Peak im Juni sieht Pueyo nicht. Die sieht auch die Imperial College Studie für deutlich später, aber da scheint es mir bei Flow eher spekulativ zu sein.

Von einem tatsächlichen Peak im Juni will ich nicht gesprochen haben ... ;)

Meine einfache Überlegung (für Deutschland) :

Aktuell ist ein hohe Aufmerksamkeit und auch eine gewisse Angst breit in der Bevölkerung angekommen. Zusätzlich sind rigorose Maßnahmen in Kraft getreten.
Beides wird sich seit dieser Woche senkend auf die Zahl der Neuinfektionen auswirken.

In den nächsten ein, zwei Wochen werden wir aber noch das Sterben der aktuell Infizierten sehen müssen, deren Zahl bisher eben exponentiell angestiegen ist.

Wenn die Zahl der Neuinfektionen ab jetzt stabil ist oder hoffentlich sogar drastisch sinkt, werden wir den ersten Peak Anfang April hinter uns haben.

Mit einer Beruhigung der Lage besteht leider auch die Gefahr einer geringeren Risikowahrnehmung der Bevölkerung, einem Nachlassen der individuellen Schutzmaßnahmen und somit zu einem erneuten Aufflammen, das prinzipiell natürlich noch nahezu das identische Potential hätte, wie das erste der vergangenen Wochen.

Das ist allerdings aktuell schwer abzuschätzen, und hängt, wie gehabt, stark von der subjektiven Risikobewertung und den individuellen Schutzmaßnahmen ab.

Hafu 21.03.2020 19:24

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1518849)
Sind das nicht Spekulationen, die hier mit völliger Gewissheit als Fakten dargestellt werden?

...

Merkel ist seit 15 Jahren in Deutschland Bundeskanzlerin, damit Chefin der Exekutive und hat 15 Jahre allergrößten Einfluss auch auf die Legislative. Und ich habe geschrieben, dass sie unser Gesundheitswesen "beeinflusst". Ich habe nicht geschrieben ob positiv oder negativ und habe auch nicht geschrieben wie viel sie es beeinflusst hat.

Und selbst so eine äußerst vage Aussage hältst du für spekulativ?

Du glaubst also, dass sie in 15 Jahren Regierungszeit nichts in unseremn Geundheitswesen in Deutschland "beeinflusst" hat? Das würde ich für eine gewagte Hypothese halten.

Söder ist seit genau zwei Jahren in Bayern Ministerpräsident. Sein Einflussbereich ist sehr streng auf Bayern begrenzt. Ich habe behauptet, dass er höchstwahrscheinlich das Gesundheitswesen in ganz Deutschland weniger beeinflusst hat als Frau Merkel. Zwei Jahre Einflussmöglichkeiten als bayerischer Ministerpräsident gegenüber 15 Jahre Einflussmöglichkeiten als Bundeskanzlerin.
Es steht dir selbstverständlich frei auch diese Aussage als spekulativ einzustufen, aber in meinen Augen ist sie plausibel.

Noch ist es ja weit verfrüht für eine echte Analyse zum Umgang Deutschlands mit der Pandemie. Wenn Deutschland in den nächsten Wochen dekompensieren sollte, dann trägt die aktuelle Regierung ebenso dafür politische Verantwortung wie für den positiveren (und für mich wahrscheinlicheren*) Fall, dass unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft mit reparablen Schäden aus der Geschichte herauskommt.

(*Das was in den Klammern steht ist zugegebenermaßen spekulativ)

qbz 21.03.2020 19:27

Zitat:

Zitat von JeLü (Beitrag 1518866)
Darum ging es Jprn nicht, sondern um die Tendenz von deutschen Journalisten, statt auf Grundlage von Fakten und der Kenntnis plausibler Theorien konsistent kritisch zu fragen, plötzlich um 180% die Richtung der Fragen zu ändern. Wohl weil man denkt, als Journalist müsse man irgendwie neutral sein und Kritik bedeute In-Zweifel-ziehen beliebiger Aussagen. Gilt in anderen Ländern als schlechte journalistische Praxis, wird in Deutschland aber vielerorts betrieben.

Ich haben den Text wörtllich natürlich verstanden, aber auf dem Kontext der hier laufenden Diskussion als indirekte, implizite Kritik an denjenigen interpretiert, welche hier Kritik am isolierten Vorpreschen von Söder äusserten. Falls ich mich irre, nehme ich meinen Kommentar gerne zurück und sage: Sorry!

Jörn 21.03.2020 19:30

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1518861)
Zweitwohnsitz im Tessiner Bavona-Tal in der einsamen Bergwildnis (20min steil den Berg hoch unter Felsen im Wald). Soll sie da mit ihrem Mann nicht mehr hinfahren dürfen?

Sind das nicht Falschmeldungen? Die eigene Wohnung darf man vermutlich aufsuchen, oder nicht? Ich finde aber, dass man in der ersten Zeit, wo natürlich alles sehr hektisch zugeht, nicht auf jede kleinste Ausnahme gesondert eingehen kann. Dafür braucht man mehr Zeit — und die bräuchte jeder Politiker und jede Behörde, egal mit welchem Parteibuch.

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1518861)
Oder weshalb soll ich in ländlicher Region lebend alle Kontakte zu anderen aufgeben

Falschmeldung? Es hat meines Wissens niemand gefordert, alle Kontakte aufzugeben.

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1518861)
Dass die Berliner CDU, Söder folgend, nun noch nach der Bundeswehr ruft, um Ausgehbeschränkungen zu kontrollieren, finde ich schon sehr kritikwürdig.

Ist das nicht Feldgeschrei einiger weniger Provinzpolitiker, welches man getrost ignorieren kann? Die Bundeswehr darf keine polizeilichen Maßnahmen übernehmen, und Frau AKK hat dies auch sofort klargestellt. Ein Blick ins Gesetzbuch hilft.

----

Mein Punkt ist, dass man Fakten zur Corona-Pandemie trennen sollte von Partei-Reklame, und dass man nicht versuchen sollte, beispielsweise die Maßnahmen der CDU-Politiker in einem schlechten Licht darzustellen, nur weil man die CDU nicht mag. Ich mag die CDU/CSU nicht sonderlich, aber ich haben keinen Grund, Herrn Söder oder Frau Merkel in dieser Situation etwas Schlechtes zu unterstellen. Falls Herr Söder irgendwann Kanzler werden sollte, wandere ich natürlich in die Schweiz aus, aber jetzt geht es um die Corona-Krise.

In dieser Hinsicht kommt bei mir die achtzigste Wiederholung, was man an Karneval hätte tun sollen, spätestens nach dem fünfzigsten Mal falsch an.

Antracis 21.03.2020 19:37

@HaFu: Danke für Deine Einschätzung bzgl der Mortalität. Ich sehe das ähnlich, wirklich beruhigt werde ich aber wohl erst in 2 Wochen sein, wenn die Zahlen sich so moderat entwickeln wie erhofft.

Meine größte aktuelle Sorge ist, dass es an Schutzmasken und anderen Verbrauchsartikeln mangelt, weil das kann dann auch bei nur moderat ausgelasteten Intensivkapazitäten ein Problem werden. Aber nachdem man das seit 2 Wochen antizipiert hat, sollte man es kurzfristig eigentlich lösen können.

Lebemann 21.03.2020 19:49

Zitat:

Zitat von JeLü (Beitrag 1518854)
Ist tatsächlich sehr interessant. Für die Allgemeinheit wäre es vielleicht hilfreicher gewesen, wenn du noch etwas zu den dort vertretenen Thesen und Argumenten
geschrieben hättest.

Ich hab es bewusst nicht kommentiert, bin aber sehr froh, dass du es gemacht hast. :Blumen: Vieles davon erscheint mir logisch. Hier tummelt sich allerdings deutlich mehr (ernsthaft) Expertise rum, als ich sie jemals haben werde.

Hafu 21.03.2020 19:50

Zitat:

Zitat von JeLü (Beitrag 1518866)
Darum ging es Jprn nicht, sondern um die Tendenz von deutschen Journalisten, statt auf Grundlage von Fakten und der Kenntnis plausibler Theorien konsistent kritisch zu fragen, plötzlich um 180% die Richtung der Fragen zu ändern. Wohl weil man denkt, als Journalist müsse man irgendwie neutral sein und Kritik bedeute In-Zweifel-ziehen beliebiger Aussagen. Gilt in anderen Ländern als schlechte journalistische Praxis, wird in Deutschland aber vielerorts betrieben.

Die These würde ich absolut unterschreiben. Vielleicht habe ich Jörn da auch misverstanden. Die journalistische Tendenz zum Angriff und konstant kritischem Hinterfragen praktisch jeder Aktion ist sicher ein Problem für jeden Politiker.

Ich habe ja vor etwa 8 oder 9 Tagen hier im Thread schon mal irgendwo geschrieben, als das erste Maßnahmenpaket mit Versammlungsverbot, nachmittäglichem Schließen von Cafes und Schul- sowei Universitätsschließungen beschlossen bzw. geplant worden war, dass man nun trotz zu erwartender weiterer exponentieller Ausbreitung des Virus erst mal zwei bis drei Wochen abwarten müsse, wie sich diese Maßnahmen auswirken, denn früheste Auswirkungen derartiger Maßnahmen sind halt leider frühestens nach etwa zwei Wochen zu erwarten.

Erst dann solle man entscheiden, ob man nachsteuern müsse.

Gleichzeitig hatte ich aber, wenn ich es richtig im Kopf habe auch schon meine Skepsis geäußert, dass es die Politiker in Deutschland angesichts des täglichen Handlungsdrucks, den die Presse in Verbindung mit steigenden infektzahlen erzeugt, kaum schaffen werden, tatsächlich zwei Wochen ruhig abzuwarten.
Naja, und so ist es dann halt auch gekommen. Alle paar Tage sind neue "Verschärfungen" in Kraft getreten. Durften zunächst Baumärkte und Frisöre noch weiterarbeiten, Cafes zumindest bis 15:00h noch Kaffee und Kuchen verkaufen, ist dies mittlerweile illegal.

Und wenn in wenigen Tagen endlich erste Erfolge in der exponentiellen Ausbreitungskurve von Covid-19 in Deutschland in Richtung Verflachung zu sehen sind (ganz feine Indizien dafür gibt es seit gestern! Der Trend muss sich allerdings verfestigen), dann liegt das an den allerersten Maßnahmen vom Abend des 12.Marz. Sehr viele werden es aber (fälschlich) als Erfolg der sukzessiven Verschärfung während dieser Woche interpretieren. Die Maßnahmen dieser Woche und erst recht die Ausgangsbeschränkung die seit heute nacht in Bayern und im Saarland gilt, kann sich in den infektzahlen aber frühestens ab Anfang April als Effekt zeigen.

qbz 21.03.2020 19:53

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1518870)
Sind das nicht Falschmeldungen? Die eigene Wohnung darf man vermutlich aufsuchen, oder nicht? Ich finde aber, dass man in der ersten Zeit, wo natürlich alles sehr hektisch zugeht, nicht auf jede kleinste Ausnahme gesondert eingehen kann. Dafür braucht man mehr Zeit — und die bräuchte jeder Politiker und jede Behörde, egal mit welchem Parteibuch.

Eine Berliner Bekannte von mir hat eine Zweitwohnung auf Usedom. Sie sagte mir, dass sie zur Zeit nicht da hin dürfe und abreisen musste, weil Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern den Aufenthalt aktuell verbieten. Ich habe das jetzt nicht überprüft, weiss nur, dass alle Urlauber diese Bundesländer verlassen mussten, sie auch. Dafür stehen jetzt bei uns auf dem Parkplatz an der Badestelle am See in der Uckermark (Brandenburg) die Berliner Wohnmobile, die sonst um die Jahreszeit an der Ostsee stehen würden. Auch wenn die Berliner Luft besungen wird, gesünder wäre es für meine Bekannte in Usedom am Strand, zumal ihre Frau und Mitbewohnerin als Künstlerin eine eher kontaktfreudige Person ist.

In Italien würde das auch nicht mehr gehen oder in Spanien, nehme ich an, nämlich eine Fahrt zum Zweitwohnsitz. Und das sehe ich nicht als kleinste Ausnahme an, sondern als existentiellen Teil der persönlichen Bewegungsfreiheit, die niemanden gefährdet! Insofern habe ich kein Verständnis für solche sinnfreien Ausgeh- und Fahrverbote.


Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1518870)
Ist das nicht Feldgeschrei einiger weniger Provinzpolitiker, welches man getrost ignorieren kann? Die Bundeswehr darf keine polizeilichen Maßnahmen übernehmen, und Frau AKK hat dies auch sofort klargestellt. Ein Blick ins Gesetzbuch hilft.

Die Notstandsgesetze erlauben den ordnungspolitischen Einsatz und eventuell das Infektionschutzgesetz, was ich jetzt nachschauen müsste.

Flow 21.03.2020 20:08

Da ich vorletzten Sonntag so eine fiese Abweisung (;)) meiner Betrachtung zur Letalität einstecken sollte ...
Zitat:

Zitat von Marsupilami (Beitrag 1514957)
..und da die meisten der offenen Fälle ebenfalls genesen werden, ist diese Überlegung wertlos.

Das RKI führt mittlerweile (?) die gleichen Betrachtungen an :
Zitat:

8. Fall-Verstorbenen-Anteil, Letalität

Fall-Verstorbenen-Anteil (engl. case fatality rate, CFR): Für den Fall-Verstorbenen-Anteil könnte man die Zahl der gemeldeten verstorbenen Fälle durch die Zahl der gemeldeten Fälle, z.B. in China, teilen, oder alternativ, durch die Zahl der Fälle mit bekanntem Endpunkt (genesene und verstorbene Fälle). Ersterer Quotient würde den endgültigen Anteil unterschätzen (da noch nicht von allen Patienten der Endpunkt bekannt ist und Patienten mit längerem Krankheitsverlauf häufiger tödlich verlaufen), bei letzterem Quotient würde der endgültige Anteil überschätzt werden.
(Verschiedene konkrete Zahlen finden sich dort ebenfalls)





Aus dem gleichen Kapitel für Arne :
Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1517547)
Zitat:

Zitat von Flow (Beitrag 1517542)
Je höher die Dunkelziffer, umso niedriger die Sterberate !

Ach ja?

Zitat:

Die Letalität beschreibt die Anzahl der verstorbenen Fälle als Anteil der Zahl der (tatsächlich) erkrankten Fälle. Dazu liegen keine verlässlichen Daten vor, weil die tatsächliche Anzahl erkrankter Menschen unbekannt ist und möglicherweise deutlich höher liegt als die Zahl der gemeldeten Erkrankungsfälle (siehe „Tatsächliche Anzahl Erkrankter“). Wenn tatsächlich die Zahl der erkrankten Fälle um einen Faktor 4,5–11,1 unterschätzt ist (siehe „Tatsächliche Anzahl Erkrankter“), dann beträfe das vermutlich v. a. die Zahl der (leichter) Erkrankten, die nicht durch das Überwachungssystem erfasst werden würden. Damit würde sich auch die (näher an der Wirklichkeit liegende) Letalität vermutlich um einen ähnlichen Faktor senken.
(Hvm)

JeLü 21.03.2020 20:16

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1518879)
Eine Berliner Bekannte von mir hat eine Zweitwohnung auf Usedom. Sie sagte mir, dass sie zur Zeit nicht da hin dürfe und abreisen musste, weil Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern den Aufenthalt aktuell verbieten.

Stimmt. Siehe hier: https://www.kn-online.de/Lokales/Ren...g-Eckernfoerde

dr_big 21.03.2020 20:21

Zitat:

Zitat von Hafu (Beitrag 1518829)
Bei Italien haben von Anfang an Zahl der Infizierten und Anzahl der Covid-19-Todesfälle nicht ansatzweise zusammengepasst. Die Mortalität in Italien lag am Anfang bei 4-5%, d.h. bei den von dir genannten 233 Toten am 1.3. gab es angeblich nur 5800 Infekte und mittlerweile liegt die Mortalität in Italien sogar bei 9%, was ja nach allem was man von diesem Virus weiß, selbst ohne jede medizinische Versorgung nicht stimmen kann.

Höchstwahrscheinlich gibt es in Italien längst etwa eine halbe Millionen Infekte, die von der Statistik nicht erfasst sind, denn dann würde die Anzahl der Todesfälle etwa korrekt sein.

In Deutschland passt die Anzahl der Todesfälle "lehrbuchmäßig" zur von der WHO vermuteten Letalität von 0,5% (dafür dürfte Deutschland bei 20 000 infekten) sogar 30 Todesfälle mehr haben, so dass die Dunkelziffer an Infizierten, die ungetestet sind, herumlaufen und das Virus unwissentlich weiterverbreiten, bei uns mit Sicherheit viel geringer als in den Nachbarländern ist.

Genau das kann ich nicht glauben. Deutschland testet viel zu wenig, nämlich nur Fälle mit starken Symptomen die nachweislich Kontakt zu einem Infizierten hatten oder aus einem Risikogebiet kommen, und selbst das wird nicht konsequent umgesetzt. Ich glaube, dass wir in D eine riessige Dunkelziffer haben. Andererseits ist es auch wieder positiv zu sehen, dass trotzdem nicht mehr Sterbefälle daraus resultieren.

Jörn 21.03.2020 20:21

Zitat:

Zitat von Hafu (Beitrag 1518876)
trotz zu erwartender weiterer exponentieller Ausbreitung des Virus erst mal zwei bis drei Wochen abwarten müsse, wie sich diese Maßnahmen auswirken, denn früheste Auswirkungen derartiger Maßnahmen sind halt leider frühestens nach etwa zwei Wochen zu erwarten.

Erst dann solle man entscheiden, ob man nachsteuern müsse.

Hier sind wir unterschiedlicher Meinung. Das ist ja nicht weiter schlimm.

Abgesehen von dieser Meinungsverschiedenheit empfinde ich es als problematisch, dass Du Deine Haltung (auf die Du ein Recht hast) mit Deiner medizinischen Erfahrung verbindest und sie damit plausibler erscheinen lässt, als sie tatsächlich ist. Denn hier geht es nicht um eine medizinische Erfahrung, sondern um eine (politische) Risikoabschätzung.

Deine These, man müsse nun in jedem Fall zwei bis drei Wochen (!) warten, finde ich nicht plausibel, sondern haarsträubend. Gleichzeitig betonst Du die exponentielle Ausbreitung — und das macht Deine These für mich noch unverständlicher.

Exponentielle Ausbreitung meint, dass nicht nur zwei Optionen zur Auswahl stehen (Maßnahmen verschärfen oder nicht). Sondern es meint, dass der Preis, den wir bei einer falschen Einschätzung zu zahlen hätten, enorm hoch sein wird. Man kann also nicht einfach abwarten, was am Schluss herauskommt und dann sagen: "Hoppla". Alle zwei bis drei Tage verdoppelt sich der Preis. Wer würde da abwarten wollen?

Was genau ist der Preis? Entweder Menschenleben oder Geld. Was würdest Du eher riskieren, Menschenleben oder Geld? Du als Arzt?

Die Politiker haben sich vermutlich erhofft, dass die Leute sich in eine Art "freiwillige Quarantäne" begeben. Das haben die Politiker eventuell zuerst nicht klar genug beschrieben. Daher entwickelten sich muntere Ferien-Aktivitäten in bestimmten Bevölkerungsgruppen, um nur ein Beispiel zu nennen. Es ist doch völlig klar, dass man hier sofort nachsteuern muss, sobald man davon Kenntnis erlangt, und dass man nicht einfach zwei bis drei Wochen abwartet.

Man sollte auch berücksichtigen, dass man den Politikern alle ihre Entscheidungen vorwerfen wird, wenn die Sache schief läuft. (Gerade Du tust das häufig in Deinen Postings.)

dr_big 21.03.2020 20:22

Zitat:

Zitat von abc1971 (Beitrag 1518841)
Weiß man eigentlich, wie der Cluster im Landkreis Tischenreuth entstanden ist?
Ist die Ursache auch Ski-Urlaub-Rückkehr?

Angeblich ein Starkbierfest auf dem sich viele angesteckt haben.

Klugschnacker 21.03.2020 20:27

Mich beschäftigt die Rolle Europas bei der Bewältigung der Corona-Krise. Immerhin handelt es sich um ein grenzüberschreitendes Problem – genau dafür haben wir die EU, oder?

Deutschland verfügt im Moment über mehr als genug Intensivbetten und Beatmungsgeräte. In Italien fehlen sie, und deshalb stapeln sich dort die Särge. Wäre es nicht möglich und moralisch geboten, die benötigten Kapazitäten innerhalb der EU bedarfsgerecht zu verteilen?

Ein paar große Zelte im Oktoberfest-Format haben wir doch schnell aufgetrieben und in Norditalien aufgestellt. Beatmungsgeräte, Betten und Personal bekommen wir auch zusammen, wenn wir nur wollen. Wenn in Italien das Schlimmste vorbei ist, nehmen wir die Ausrüstung wieder mit und machen in England weiter, wo sie anschließend gebraucht wird.

Auch wenn das gewiss nicht leicht ist und es viele Hürden gibt: Müssten wir das nicht wenigstens versuchen? Die Italiener sind ebenso wie die Spanier unsere Nachbarn.

Ich komme schwer damit zurecht, dass wir in unseren Nachbarländern die Menschen sterben lassen, weil wir nicht willens sind, vorübergehend unser Equipment auszuleihen. Ich meine damit nicht allein unser deutsches Equipment, sondern unsere gemeinsamen Ressourcen als Europäische Union.

Abgesehen vom humanitären Effekt gäbe es vielleicht auch einen politischen: Denn die EU ist in der Krise. Die Engländer sind raus, und die Osteuropäer kochen längst ihr eigenes Süppchen. Da wäre eine gemeinsame humanitäre Hilfsaktion, die von Land zu Land geht (Italien, Spanien usw.), sicher eine überzeugende Sache.

Wie denkt Ihr darüber?

moorii 21.03.2020 20:28

Zitat:

Zitat von Flow (Beitrag 1518867)

Mit einer Beruhigung der Lage besteht leider auch die Gefahr einer geringeren Risikowahrnehmung der Bevölkerung, einem Nachlassen der individuellen Schutzmaßnahmen und somit zu einem erneuten Aufflammen, das prinzipiell natürlich noch nahezu das identische Potential hätte, wie das erste der vergangenen Wochen.

Ich denke, dass hier genau die Chance steckt zukünftig mit Corona zu leben und zu lernen damit umzugehen. Wir sind zukünftig doch deutlich besser sensibilisiert und Maßnahmen, wie zB der Verzicht auf das Händeschütteln könnte sich etablieren. Durch die Ausweitung von Testmöglichkeiten könnte die unkontrollierte Ausbreitung sinnvoll eingegrenzt und verhindert werden. Ich gehe davon aus, dass auf absehbare Zeit aber Einschränkungen (keine grössere Veranstaltungen, Individuelle Quarantäne) ein Teil unseres Lebens sein werden. Zumindest bis es Impfungen gibt. Wir sind mE auch jetzt deutlich weiter, was die Erfahrung mit dem Virus angeht. Wie verbreitet er sich, wie können Symptome frühzeitig erkannt werden, wie sind Inkubationszeiten etc. Da können wir zukünftig auf Erfahrungswerte zurückgreifen. Ich war heute in einem Restaurant um etwas zu essen zu holen. Auf dem Weg war ich noch tanken. Alles ging problemlos, fast ohne etwas zu berühren. Zum tanken und zum Tür öffnen habe ich ein Tuch benutzt und bezahlt kontaktlos mit Apple Pay. Klar besteht immer ein Restrisiko (es hat ja auch jemand die Speisen zubereitet). Trotzdem denke ich, dass ich mich zukünftig durch solche einfachen Schutzmaßnahmen besser schützen kann. Diese kleinen Dinge, werden die Ausbreitung mE zukünftig deutlich verlangsamen können. Klar, das ist nur ein kleiner Schritt von vielen. Wenn das Virus jetzt durch die Maßnahme zurück gedrängt wird, ist es zukünftig leichter das erneute exponentielle Wachstum zu verhindern. Dazu muss halt durch oben genannte Maßnahmen die Ansteckungsrate reduziert werden.

Willi 21.03.2020 20:30

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1518889)
Ein paar große Zelte im Oktoberfest-Format haben wir doch schnell aufgetrieben und in Norditalien aufgestellt. Beatmungsgeräte, Betten und Personal bekommen wir auch zusammen, wenn wir nur wollen. Wenn in Italien das Schlimmste vorbei ist, nehmen wir die Ausrüstung wieder mit und machen in England weiter, wo sie anschließend gebraucht wird.

Der Aufbau von so einem Oktoberfestzelt dauert ungefähr zwei Monate, Arne.

ThomasG 21.03.2020 20:32

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1518889)
Mich beschäftigt die Rolle Europas bei der Bewältigung der Corona-Krise. Immerhin handelt es sich um ein grenzüberschreitendes Problem – genau dafür haben wir die EU, oder?

Deutschland verfügt im Moment über mehr als genug Intensivbetten und Beatmungsgeräte. In Italien fehlen sie, und deshalb stapeln sich dort die Särge. Wäre es nicht möglich und moralisch geboten, die benötigten Kapazitäten innerhalb der EU bedarfsgerecht zu verteilen?

Ein paar große Zelte im Oktoberfest-Format haben wir doch schnell aufgetrieben und in Norditalien aufgestellt. Beatmungsgeräte, Betten und Personal bekommen wir auch zusammen, wenn wir nur wollen. Wenn in Italien das Schlimmste vorbei ist, nehmen wir die Ausrüstung wieder mit und machen in England weiter, wo sie anschließend gebraucht wird.

Auch wenn das gewiss nicht leicht ist und es viele Hürden gibt: Müssten wir das nicht wenigstens versuchen? Die Italiener sind ebenso wie die Spanier unsere Nachbarn.

Ich komme schwer damit zurecht, dass wir in unseren Nachbarländern die Menschen sterben lassen, weil wir nicht willens sind, vorübergehend unser Equipment auszuleihen. Ich meine damit nicht allein unser deutsches Equipment, sondern unsere gemeinsamen Ressourcen als Europäische Union.

Abgesehen vom humanitären Effekt gäbe es vielleicht auch einen politischen: Denn die EU ist in der Krise. Die Engländer sind raus, und die Osteuropäer kochen längst ihr eigenes Süppchen. Da wäre eine gemeinsame humanitäre Hilfsaktion, die von Land zu Land geht (Italien, Spanien usw.), sicher eine überzeugende Sache.

Wie denkt Ihr darüber?

Man müsste es aus ethischen Gründen zumindest versuchen, aber es gehört sehr viel Mut dazu solche Aktivitäten zu veranlassen und auch zu verantworten.

qbz 21.03.2020 20:33

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1518889)
......
Wie denkt Ihr darüber?

Sehe ich genauso. Mich deprimiert das zutiefst, wie man Norditalien im Stich lässt (so empfinde ich es subjektiv und ganz unabhängig davon, dass Freunde von mir in Imperia, Ligurien leben.)

Flow 21.03.2020 20:36

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1518889)
Wie denkt Ihr darüber?

Mir graut vor womöglich sehr bald kommenden Bildern aus Afrika oder allgemein "schwächeren" Ländern, falls das Virus bei Wärme und Sonnenschein nicht schnell kaputt geht ... :(

Anonsten denke ich, daß wir in D auch selbst sehr bald an unsere Genzen kommen.
Insofern sollte tatsächlich zunächst ganz egoistisch der Schutz der eigenen Bevölkerung im Vordergund stehen, bevor selbst dringend benötigte Kapazitäten abgetreten werden.
Wenn sich die Lage stabilisiert hat, sieht das selbstverständlich anders aus.
Prinzipiell wäre ein gemeinsames europäisches Handeln natürlich auch zu begrüßen.

Klugschnacker 21.03.2020 20:40

Zitat:

Zitat von Willi (Beitrag 1518891)
Der Aufbau von so einem Oktoberfestzelt dauert ungefähr zwei Monate, Arne.

Dann nehmen wir halt eine Schule oder ein Kongresshotel. Die stehen ja aktuell ohnehin leer.

dr_big 21.03.2020 20:45

Von Frankreich werden ja schon Patienten aufgenommen und in D behandelt.

JeLü 21.03.2020 20:48

Die Analyse des RKI ist interessant. Insbesondere, dass wir immer noch eine recht hohe Bandbreite was Case-Fatility-Rate und Fatility-Rate betrachten müssen. Für Singapur habe ich in der Straitstimes gelesen, dass trotz der sehr guten Surveillance davon ausgegangen wird, dass höchstens 25% der Fälle erfasst wird, für die anderen Nationen können wir da von einer höheren Dunkelziffer ausgehen, teilweise sehr viel höher (Wer nicht testet, ...). Demnach wäre 1% FR eher Obergrenze.
Die meisten Experten gehen aber von FR von 0,5-1 aus. Nach der Analyse könnte die tatsächliche FR sogar darunter liegen.

Da ich eher im Camp der Optimisten bin und nahe bei Pueyo, möchte ich hier trotzdem deutlich machen, dass die meisten "Infectious Disease Experts" für die USA deutlich pessimistischer sind.
70% Wahrscheinlichkeit für zweiten Peak im Herbst.
200000 Tote in den USA in diesem Jahr als durchschnittliche Erwartung.
https://fivethirtyeight.com/features...to-get-either/
Interessant, wie weit die Schätzungen auseinandergehen.

Ausdauerjunkie 21.03.2020 20:55

Ich wusste nicht dass es noch eine Überkapazität an Intensivbetten gibt.
Ich habe eher gelesen dass wir fast an unseren Grenzen sind und nächste Woche selbst nicht wissen "woher nehmen"?!

JeLü 21.03.2020 20:57

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1518887)
Hier sind wir unterschiedlicher Meinung. Das ist ja nicht weiter schlimm.

Abgesehen von dieser Meinungsverschiedenheit empfinde ich es als problematisch, dass Du Deine Haltung (auf die Du ein Recht hast) mit Deiner medizinischen Erfahrung verbindest und sie damit plausibler erscheinen lässt, als sie tatsächlich ist. Denn hier geht es nicht um eine medizinische Erfahrung, sondern um eine (politische) Risikoabschätzung.

Deine These, man müsse nun in jedem Fall zwei bis drei Wochen (!) warten, finde ich nicht plausibel, sondern haarsträubend. Gleichzeitig betonst Du die exponentielle Ausbreitung — und das macht Deine These für mich noch unverständlicher.


Man sollte auch berücksichtigen, dass man den Politikern alle ihre Entscheidungen vorwerfen wird, wenn die Sache schief läuft. (Gerade Du tust das häufig in Deinen Postings.)

Das ist ein gutes Argument dafür, eher zu viel zu machen als zu wenig, allerdings muss man natürlich auch die Opportunitätskosten veranschlagen.
Wofür es kein gutes Argument ist, ist, dass Politiker ihre Entscheidung nach wenigen Tagen RATIONAL ändern können, da es hierfür neuer Evidenz bedürfte, die kann es ex hypothesi nicht geben.
Wenn wir von der Hypothese (Maßnahmen zeigen sich in den Zahlen erst nach 7-21 Tagen weggehen, würde ich darauf verweisen, dass es schon früher Evidenz gibt. Man kann früher aufweisen, wieviel Prozent der sozialen Kontakte zurückgehen und wir haben gute empirische Theorien darüber, wieviel Kontaktrückgang wir benötigen, um R unter 1 zu drücken.

qbz 21.03.2020 21:07

Zitat:

Zitat von Ausdauerjunkie (Beitrag 1518899)
Ich wusste nicht dass es noch eine Überkapazität an Intensivbetten gibt.
Ich habe eher gelesen dass wir fast an unseren Grenzen sind und nächste Woche selbst nicht wissen "woher nehmen"?!

Aber gibt es in der ganzen EU keine Ärzte, Krankenschwestern, Pfleger, die man zur Unterstützung in Norditalien motivieren, organisieren kann? Und weiterhin frage ich mich, ob nicht noch Material aufgetrieben werden kann, was dort dringend gebraucht wird.

Wenn wir hier darüber schreiben, dass in Italien das Gesundheitswesen dekompensiert, dann ist das auch ein Versagen der EU in meinen Augen.

Ich habe gerade im Netz recherchiert mit den Stichworten, Italien Corona Hife, und bekam an erster Stelle die Meldung, dass auch Russland jetzt Personal und Hilfslieferungen schickt. Über die EU-Länder bekam ich vorwiegend kritische Berichte zum Thema fehlende Hilfe.

merz 21.03.2020 21:08

Leopoldina will shutdown:



https://www.leopoldina.org/uploads/t...eutschland.pdf

m.

spanky2.0 21.03.2020 21:13

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1518855)
Dass die anderen EU-Länder sich nicht in der Lage sehen, Italien praktische Hilfe inform von Ärzten, Krankenschwestern und Material zu senden oder sich um Unterstützung der dortigen Versorgung bemühen, finde ich angesichts der dramatischen Situation in der Lombardei extrem unsolidarisch und abstossend. (Motto: Jedes Land ist sich selbst das nächste).

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1518889)
...
Deutschland verfügt im Moment über mehr als genug Intensivbetten und Beatmungsgeräte. In Italien fehlen sie, und deshalb stapeln sich dort die Särge. Wäre es nicht möglich und moralisch geboten, die benötigten Kapazitäten innerhalb der EU bedarfsgerecht zu verteilen?
.
.
Wie denkt Ihr darüber?

Kretschmann hat beschlossen, daß Baden Württemberg Corona Patienten aus Frankreich aufnehmen wird:

https://www.deutschlandfunk.de/covid...ews_id=1112679

Nach Italien wurde bislang nur Material verschickt wie zB diese Atemschutzmasken:

https://www.spiegel.de/politik/deuts...d-3518d53eabfe

Wäre nur Italien betroffen, würden die umliegenden EU Länder mit Sicherheit schnell Ärzte und Intensivbetten zur Verfügung stellen. Aber im Grunde sind fast alle EU-Länder selbst betroffen. Man hat ja gesehen wie schnell das in Italien ging - und genauso schnell kann unser Gesundheitssystem mit dem Rücken zur Wand stehen.

Im Saarland gibt es jetzt schon das dritte Krankenhaus, das keine Patienten mehr aufnehmen kann. Und das in diesem frühen Stadium der Infektionen:

https://www.sr.de/sr/home/nachrichte...iesst_100.html

Ich fürchte kein Politiker will und kann die Verantwortung übernehmen zum jetzigen Zeitpunkt Ärzte ins Ausland zu schicken. Wenn unser Gesundheitssystem ans Limit kommmen sollte, käme das auf die Politik zurück wie ein Boomerang.

abc1971 21.03.2020 21:14

Zitat:

Zitat von dr_big (Beitrag 1518888)
Angeblich ein Starkbierfest auf dem sich viele angesteckt haben.

Danke, also ähnlich der Ursache in Heinsberg

Antracis 21.03.2020 21:16

Zitat:

Zitat von Ausdauerjunkie (Beitrag 1518899)
Ich wusste nicht dass es noch eine Überkapazität an Intensivbetten gibt.
Ich habe eher gelesen dass wir fast an unseren Grenzen sind und nächste Woche selbst nicht wissen "woher nehmen"?!

Stand vorgestern hatten wir ca. 200 COVID-19 Patienten auf den Intensivstationen. Deutschland steht bei Intensivbetten sehr gut da und durch das Runterfahren der elektiven Operationen und dem Ausbau der Kapazitäten mache ich mir da um die nächsten 2-3 Wochen eigentlich keine Sorgen. Es laufen bei uns im Haus z.B. aktuell gerade ziemlich viel Personalschulungen, um Ärzte und Pflegepersonal, die gerade nicht auf der Intensivstation arbeiten, auf ARDS-Behandlung einzuarbeiten. Zusammen mit den ganzen Maßnahmen die Laufen, würde ich jetzt erwarten, dass wir mit einem blauen Auge davon kommen, wenn wir jetzt das exponentielle Wachstum der Infektionen verlangsamen. Lokal kann das natürlich eng werden.

Ich habe aber keine Ahnung, wieviele Kapazitäten es hier gibt, die man entbehren könnte. In Berlin wird ja beispielsweise gerade präventiv eine Klinik für 1000 Betten auf dem Messegelände gebaut mit dem Ziel, dass es fertig ist, wenn evt. doch eine große Welle anflutet, die das System sonst nicht aushält. Das wird sicherlich viele Kräfte von THW und Co binden, die man dann halt nicht nach Italien schicken kann und wenn man erst in 3 Wochen anfängt aufzurüsten, ist es zu spät, falls nötig.

Jörn 21.03.2020 21:27

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1518901)
dass auch Russland jetzt Personal und Hilfslieferungen schickt. Über die EU-Länder bekam ich vorwiegend kritische Berichte zum Thema fehlende Hilfe.

China wähnt sich "über den Berg". Russland fühlt sich derzeit nicht betroffen. Es ist plausibel, dort nach Geräten und Personal nachzufragen.

Ich frage mich, ob "die Deutschen" damit einverstanden wären, unsere Kapazitäten in der aktuellen Situation auszuleihen. Arne hat zwar vorgeschlagen, dies nur mit Überkapazitäten zu tun, und nur solange man anhand der Kurven abschätzen kann, dass man sie für die nächste Zeit nicht selber benötigt. Insofern unterstütze ich Arnes Vorschlag/Kritik natürlich.

Als Politiker würde ich vermutlich den Fall eines Misserfolgs einkalkulieren — oder dass es von irgendwem so hingedreht wird. Wenn alles gut läuft, dann werden die Politiker gelobt, weil sie in aller Not die europäische Idee hochgehalten haben. Aber wenn es hier wirklich hässlich werden sollte, dann wird irgendein Schmierlappen von der AfD eine Andeutung machen, dass unsere Politiker ja nichts Besseres zu tun hätten, als die Geräte ins Ausland zu verschenken, die von deutschen Steuerzahlern bezahlt wurden, die nun mit dem Tode kämpfen. Es kommt nicht darauf an, ob das stichhaltig ist.

Wenn man sich hier bereits um Klopapier streitet, wie sehr wird man wohl bereit sein, lebenswichtige Geräte auszuleihen? Die Chance, dass die Politiker hier auf eine breite Zustimmung hoffen können, könnte geringer ausfallen, als wir es uns im Forum wünschen. Hinzu kommt noch das unterirdische Niveau der sozialen Netze.


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