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the grip 11.03.2012 12:55

Christian Fürchtegott Gellert:
 
Dass oft die allerbesten Gaben

Dass oft die allerbesten Gaben
Die wenigsten Bewund'rer haben,
Und daß der größte Teil der Welt
Das Schlechte für das Gute hält;
Dies Übel sieht man alle Tage.
Jedoch, wie wehrt man dieser Pest?
Ich zweifle, daß sich diese Plage
Aus unsrer Welt verdrängen läßt.

Ein einzig Mittel ist auf Erden,
Allein es ist unendlich schwer:
Die Narren müssen weise werden;
Und seht! sie werden's nimmermehr.
Nie kennen sie den Werth der Dinge.
Ihr Auge schließt, nicht ihr Verstand:
Sie loben ewig das Geringe,
Weil sie das Gute nie gekannt.

the grip 13.03.2012 10:14

Goethe:
 
Verschiedene Drohung

Einst ging ich meinem Mädchen nach
Tief in den Wald hinein,
Und fiel ihr um den Hals, und "Ach!"
Droht' sie, "ich werde schrei'n."
*
Da rief ich trotzig: "Ha! ich will
Den töten, der uns stört!"
"Still!" lispelt sie, "Geliebter, still!
Daß ja dich niemand hört."

the grip 15.03.2012 21:20

Heinrich Heine:
 
Die Philister, die Beschränkten,
Diese geistig Eingeengten,
Darf man nie und nimmer necken.
Aber weite, kluge Herzen
Wissen stets in unsren Scherzen
Lieb und Freundschaft zu entdecken.

the grip 18.03.2012 20:11

Fridolin Tschudi:
 
Jungweibersommer

Der März ist frühreif wie ein aufgewecktes Kind
und hat Allüren oder pubertäre Launen,
die dem April gewöhnlich vorbehalten sind
und über deren Heftigkeit wir baß erstaunen.

Wir sitzen, eher zweiflerisch als lustbetont,
auf den bereits im Freien installierten Bänken.
Die laue Luft ist uns noch allzu ungewohnt,
als daß wir ohne Argwohn ihr Vertrauen schenken.

Jedoch der Frühling, der im wahren Sinn ?oriert,
damit die Gärten ihrer Blöße sich nicht schämen
und der gehemmte Mensch die Schüchternheit verliert,
ist ein ermutigendes Wohlfahrtsunternehmen.

Selbst wenn er auch nicht hält, was er bis jetzt versprach,
bin ich ihm dennoch dankbar über alle Maßen
und trage weder ihm noch ihr den Schnupfen nach,
den ich bekam, weil wir zu lange draußen saßen.

the grip 20.03.2012 09:14

Charles Bukowski:
 
Retour

Langsam werde ich wieder so
wie ich früher war – da
schraubte ich die Bodenplatte
des Telefons ab und stopfte
Lumpen rein, und wenn jemand
an die Tür klopfte, ging ich
nicht hin, und wenn sie
hartnäckig blieben, wurde ich
vulgär und schrie, sie sollten
abhauen.

Bloß ein alter Sonderling
mit goldenen Flügeln
einem wabbeligen weißen Bauch
und Augen, vor denen die Sonne
in Ohnmacht fällt.

the grip 22.03.2012 09:33

Goethe ...
 
Was klagst du über Feinde?
Sollten Solche je werden Freunde,
Denen das Wesen, wie du bist,
Im Stillen ein ewiger Vorwurf ist?

the grip 25.03.2012 14:24

Heinrich von Kleist:
 
Jünglingsklage

Winter, so weichst du,
Lieblicher Greis,
Der die Gefühle
Ruhigt zu Eis.
Nun unter Frühlings
Üppigem Hauch
Schmelzen die Ströme –
Busen, du auch!

the grip 27.03.2012 09:35

Friedrich Hebbel:
 
Neue Liebe

O Blitz, der aus dem Tiefsten springt
Und mir durch jede Faser zuckt,
Der mich mit neuer Glut durchdringt,
Die sonst mein Inn’res still verschluckt;

Ich grüße dich viel tausend Mal
Und frag‘ nicht: bringst du mir Genuß?
Denn du befrei’st mich von der Qual,
Daß ich mich selber lieben muß.


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