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qbz 08.02.2019 10:30

Zitat:

Zitat von keko# (Beitrag 1434281)
Letzteres tun sie auch. Zumindest in DE. Wir haben Bachelor auf dem Niveau eines Vordiploms. Wir haben G8 und Realschulen, auf denen zum großen Teil Hauptschüler sind und man in den ersten Jahren nicht mehr durchfallen kann (hier in BaWü). Wir haben Einwanderung vorwiegend in die unteren Bildungsschichten.
Zudem heißt eine formale Bildung nicht, dass man eigenständig denken gelernt hat. Das geht durch eine komprimierte, wirtschaftskonforme Ausbildung verloren.
Meiner Meinung nach rüstet sich DE sehr gut für die Zukunft. Unsere führenden Politiker sind alles andere als Dummköpfe.

Zu meiner Abizeit (in der Schweiz Matura) 1966 waren es ca. 12-15 % eines Jahrganges, 1990 in DE ca. 30 %, heute ca. 50 %. Damit ist IMHO eindeutig die Bildung für einen breiten Teil der Bevölkerung gewachsen, auch wenn vielleicht die Anforderungen insgesamt für das Abi niedriger wurden. Zu Beginn meines Studiums in Psychologie 1970 gab es zwar auch schon einen NC. Heute braucht man fast ein Einser Abi, um Arzt / Psychologie zu studieren, was ich persönlich für völlig überzogen (und für eine falsche Berufsselektion) halte, wenn jemand z.B. Psychotherapeut werden will. Entsprechend "karriereangepasst" verhalten sich viele Praktikanten aus diesen Studienfächern von der Uni.
https://www.zeit.de/2017/14/schulabs...tiegen-verfall

Schwarzfahrer 08.02.2019 10:40

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1434293)
Nimm als Beispiel einfach mal den Beruf des früheren Bauern im Vergleich zum heutigen Landwirt, der einen ganz anderen Bildungsumfang für seine Arbeit benötigt.

Stimmt. Und heute sind 2 % der Beölkerung in D Bauern, in 1950 waren es noch 24 %, um 1900 sogar 38 % (Jahrhundertvergleich). Neben der steigenden Produktivität hat es möglicherweise auch damit zu tun, daß weniger Bauern den notwendigen Bildungsumfang schaffen, um auf dem heute notwendigen Niveau Landwirtschaft zu betreiben. Dieses Beispiel belegt auf jeden Fall nicht, daß sich die Gauss-Kurve der Fähigkeiten nach rechts verschieben würde.

qbz 08.02.2019 10:58

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1434300)
Stimmt. Und heute sind 2 % der Beölkerung in D Bauern, in 1950 waren es noch 24 %, um 1900 sogar 38 % (Jahrhundertvergleich). Neben der steigenden Produktivität hat es möglicherweise auch damit zu tun, daß weniger Bauern den notwendigen Bildungsumfang schaffen, um auf dem heute notwendigen Niveau Landwirtschaft zu betreiben. Dieses Beispiel belegt auf jeden Fall nicht, daß sich die Gauss-Kurve der Fähigkeiten nach rechts verschieben würde.

Soll ich jetzt alle alten und neuen Berufe listen, die ein gestiegenes Qualifikationsprofil benötigen? Wir haben nachweislich viel, viel weniger Arbeitsplätze, die keine Ausbildung benötigen im Vergleich zu 50-100 Jahren.

Das Anwachsen des IQ in den letzten hundert Jahren belegt doch der von mir genannte Flynn-Effekt.
"Eine Metastudie von 2015 zeigte, dass der weltweite IQ, ermittelt aus 219 Studien aus 31 Staaten im Zeitraum von 1909 bis 2013, um volle 30 Punkte gestiegen ist.[15]"

keko# 08.02.2019 11:35

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1434297)
Zu meiner Abizeit (in der Schweiz Matura) 1966 waren es ca. 12-15 % eines Jahrganges, 1990 in DE ca. 30 %, heute ca. 50 %. Damit ist IMHO eindeutig die Bildung für einen breiten Teil der Bevölkerung gewachsen, auch wenn vielleicht die Anforderungen insgesamt für das Abi niedriger wurden. Zu Beginn meines Studiums in Psychologie 1970 gab es zwar auch schon einen NC. Heute braucht man fast ein Einser Abi, um Arzt / Psychologie zu studieren, was ich persönlich für völlig überzogen halte, wenn jemand z.B. Psychotherapeut werden will. Entsprechend "karriereangepasst" verhalten sich viele Praktikanten aus diesen Studienfächern von der Uni.
https://www.zeit.de/2017/14/schulabs...tiegen-verfall

Ich zweifel die bisherige Entwicklung auch gar nicht an. Im Fach Mathematik hat man z.B. in den vergangenen 35 Jahren das eine oder andere Thema gestrichen (auch im Schuljahr 2018/19), dafür gehen die Schüler nun kürzer in die Schule und haben zusätzliche Aufgaben (GFS, Referate, Hausarbeiten), die es bei uns in den 80er Jahren so nicht gab. Waren bei uns die guten Schüler vorwiegend die, die es einfach drauf hatten, gibt es heute gute Schüler, die einfach knallhart büffeln und ihre Schullaufbahn planen.
Mir ging es um die zukünftige Entwicklung bzgl. einer weiteren Digitalisierung. Selbstverständlich werden Spezialisten benötigt, die diese Produkte entwerfen und damit umgehen können. Doch bin ich der Überzeugung, dass wir eine sehr breite Masse reiner Konsumenten und billiger Arbeitskräfte benötigen. Insofern bin ich mit der aktuellen Migrationspolitik einverstanden. Man muss nur aufpassen, auf welcher Seite der Gesellschaft man landet. Da ich in der Entwicklung von digitalen Produkten im Bereich Industrie 4.0 arbeite, kann es mir recht sein, wenn cheap labour diese bedienen. Je dümmer die Bediener, desto mehr Hirn muss ich reinstecken und desto besser werde ich bezahlt :Cheese:

ThomasG 19.02.2019 20:09

Zitat:

Ifo-Reformvorschlag
Mehr Arbeit soll sich für Hartz-IV-Empfänger mehr lohnen

In der Debatte um Hartz IV schlägt das Ifo-Institut eine Reform der Zuverdienstregeln vor: Mehr Arbeit soll sich vor allem für Eltern deutlich mehr lohnen - und die Lebensleistung beim Schonvermögen berücksichtigt werden.

[...]

Peichl und seine Ifo-Kollegen Clemens Fuest und Maximilian Blömer wollen die Zuverdienstregeln daher deutlich ändern. Dabei sollen Haushalte mit Kindern - und hier insbesondere Alleinerziehende - immer und teils deutlich besser gestellt werden als bislang. Singles würden hingegen erst bei relativ hohen Einkommen von der Reform profitieren, ansonsten reale Einbußen erfahren:

* Für Singles soll der bisherige Freibetrag von 100 Euro entfallen - und das Einkommen bis zu einer Grenze von 630 Euro im Monat komplett auf die Grundsicherung angerechnet werden. Im Gegenzug würden von jedem Euro Einkommen über dieser Grenze nur noch 60 Cent angerechnet.
* Für Haushalte mit Kindern bleibt der Freibetrag von 100 Euro. Danach dürfen sie bis zu der Grenze von 630 Euro von jedem Euro 20 Cent behalten - wie bislang. Von jedem Euro über der Grenze von 630 Euro dürfen sie jedoch 40 Cent behalten - also mehr als bislang.

Zitatende (Textformatierung leicht verändert)

Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soz...a-1253887.html

ThomasG 22.02.2019 07:03

Mit Statistiken ist es ja bekanntlich sehr oft so eine Sache:
Es kommt sehr häufig darauf an, wer sie gef ... bzw. gemacht hat und welche Interessen er vertritt.
Katja Kipping hat sich mit der Sanktionsquote beschäftigt und kam mit den Daten des Jahres 2017 auf einen Anteil von 8,3 %.
Tja - andere meinen aber die Quote wäre ja nur bei 3 % gelegen.
Wie kommt`s ?
Guckst Du!
-> https://www.morgenpost.de/politik/ar...r-Skandal.html

Zitat:

Linke: Hartz-IV-Sanktionen sind mehr als doppelt so hoch

Linke-Chefin Katja Kipping dagegen kommt auf eine viel höhere Zahl. Nach ihrer Rechnung, die auf Daten der Bundesagentur für das Jahr 2017 basiert, die die Parteichefin erfragt hat, wurden mehr als doppelt so viele Empfänger bestraft wie die Behörde und die Bundesregierung stets angeben.

[...]

Ganz genau seien es 8,3 Prozent, sagte Kipping unserer Redaktion. „Im Jahr 2017 war fast jeder zwölfte erwerbsfähige Hartz-IV-Leistungsbeziehende von mindestens einer Sanktion betroffen“, so Kipping. Betrachte man nur die Empfänger unter 25 Jahren, liege die Quote sogar bei neun Prozent. Das sei fast jeder Elfte, dem die Leistungen gekürzt würden.

[...]

Hartz-IV-Sanktionen: So rechnet die Bundesagentur

Die Bundesagentur geht bei der Ermittlung ihrer – niedrigeren – Sanktionsquote anders vor: Sie zählt jeden Monat, wie viele erwerbsfähige Hartz-IV-Empfänger an einem bestimmten Tag von einer Sanktion betroffen waren.

[...]

„Diese stichtagsbezogene Monatsquote hat den Vorteil, dass diese differenziert und lokal für jedes Jobcenter ausgewiesen werden kann“, erklärt eine Sprecherin der Behörde. Die Zahlen seien gut vergleichbar.

Die Daten, nach denen die Linke-Chefin gefragt habe, „beantwortet dagegen die Frage, wie viele Menschen in einem bestimmten Zeitverlauf mindestens einmal von einer Sanktion betroffen waren“.

Die Antwort könne nur für ganz Deutschland ermittelt werden, erklärt die Sprecherin und räumt ein: „Für die Hochrechnung der Anwesenheitsgesamtheit für Jobcenter gibt es noch kein einheitliches Konzept.“

Quelle: https://www.morgenpost.de/politik/ar...r-Skandal.html (Ich habe lediglich den Text kopiert, aber darauf verzichtet die Schriftgröße an den Originaltext anzupassen)

qbz 29.07.2019 01:29

In diesem Interview erläutert die IG-Metall Sekretärin die Vorstellungen des DGB zum Umbau des Sozialsystems, spez. Hartz IV sowie die Konsequenzen von Hartz IV in der Praxis auf den Lohnsektor insgesamt.
Das Hartz-IV-System als Hungerpeitsche für Erwerbslose

"Erstes Ziel ist es, zu vermeiden, dass Menschen überhaupt auf eine wie auch immer gestaltete Grundsicherung angewiesen sind. Dazu müssen wir gute Arbeit und gute Löhne stärken. Das heißt: Tarifbindung erhöhen, prekäre Beschäftigung zurückdrängen, den Mindestlohn heraufsetzen und wirksam kontrollieren. Zweitens gilt es, den Schutz der Arbeitslosenversicherung auszubauen: Die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes und die Rahmenfrist müssen wieder verlängert werden. Auch der soziale Schutz für Beschäftigte, die jahrzehntelang in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben, muss verbessert werden.

Drittens müssen die Zumutbarkeitskriterien reformiert werden, damit sie nicht zu De-Qualifizierung und prekären Beschäftigungs-“Karrieren“ führen. Sowohl in der Arbeitslosenversicherung als auch im Hartz-IV-System gilt es, Weiterbildungsbemühungen massiv zu verstärken, gerade auch um den Menschen im Zuge des digitalen und ökologischen Strukturwandels Brücken in neue Beschäftigung zu bauen. Nicht zuletzt müssen wir Hartz IV durch eine Grundsicherung ersetzen, die gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht und prekären Beschäftigungsverhältnissen keinen Vorschub leistet."

ThomasG 29.07.2019 01:53

Ich freue mich immer sehr über solche veröffentlichen Interviews, wie das mit Katrin Mohr.
Die Frau hat ein starkes soziales Gewissen und macht sich viele Gedanken über andere Menschen insbesondere über diejenigen, die stark unterpriviligiert sind.
Wenn es solche Leute nicht gäbe oder kaum, hätte ich fast gar keine Hoffnung mehr.
Folgende Passagen finde ich auch sehr stark:

Zitat:

Was sind die schwersten Auswirkungen?

Die Drohkulisse, die ein solches System erzeugt, macht erpressbar: Sie nötigt Erwerbslose, nahezu jeden Job anzunehmen – auch weit unter der bisherigen Qualifikation und dem vorigen Einkommen. Aber auch Beschäftigte werden dadurch gedrängt, Abstriche bei Löhnen, Arbeitsbedingungen und Arbeitsplatzsicherheit hinzunehmen. Das Hartz-IV-System wirkt damit nicht nur als „Hungerpeitsche“ für Erwerbslose, sondern auch als Disziplinierungsinstrument für Beschäftigte. Es ist mitverantwortlich dafür, dass Deutschland mittlerweile den größten Niedriglohnsektor Europas hat. Ein Viertel der Beschäftigten arbeitet darin.
[...]

Zitat:

Wozu hat Hartz IV noch geführt?

Hartz IV – und ich nehme das als Chiffre für alle Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010 – hat die Angst vor dem eigenen Abstieg befördert und damit zu einem gesellschaftlichen Klima der sozialen Verunsicherung beigetragen, das sich bis weit in die Mittelschichten hineingefressen hat. Verunsicherung ist jedoch – das wissen wir aus einer Reihe wissenschaftlicher Studien (zum Beispiel Klaus Dörre) – eine zentrale Ursache für den Auftrieb von Rechtspopulismus. Ich denke daher, dass die Agenda-2010-Reformen, die ja neben den Hartz-Reformen als weitere wesentliche Elemente auch die Schwächung der gesetzlichen Rente und die Deregulierung von Arbeitsverhältnissen beinhalteten, sehr wohl zu diesem Klima beigetragen und damit den Aufstieg von AfD & Co. begünstigt haben.
Quelle: https://www.nachdenkseiten.de/?p=53741

qbz 05.11.2019 11:35

Bundesverfassungsgericht: Hartz IV
 
Nun kommen hoffentlich bald die dringenden Änderungen bei Hartz IV und nicht nur die Abschaffung der grundgesetzwidrigen Sanktionen.

"Der Staat darf Hartz-IV-Empfängern künftig nicht mehr so schnell und so weitreichend Leistungen kürzen wie bisher. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Grundsätzlich seien Sanktionen aber zulässig.

Sind Hartz-IV-Sanktionen mit dem menschenwürdigen Existenzminimum vereinbar? Diese Frage musste das Bundesverfassungsgericht beantworten. Die Richter kamen zu dem Ergebnis, dass die derzeitigen Regeln teilweise verfassungswidrig sind.

Mit dem Grundgesetz unvereinbar sind insbesondere die Kürzungen um 60 Prozent oder mehr, wie Vizegerichtspräsident Stephan Harbarth sagte. Um 30 Prozent dürfen die Leistungen weiter gekürzt werden."

https://www.tagesschau.de/inland/har...rteil-101.html

Schwarzfahrer 05.11.2019 14:02

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1490862)
Nun kommen hoffentlich bald die dringenden Änderungen bei Hartz IV und nicht nur die Abschaffung der grundgesetzwidrigen Sanktionen.

Grundsätzlich ist eine Überarbeitung sicherlich nicht falsch, es gibt einiges an Verbesserungspotential. Allerdings fehlt mir für den speziellen Fall des Klägers das Verständnis komplett (außer, die Berichte verschweigen wesentliche Aspekte).
Zitat:

Er hatte 2014 einen Job als Lagerarbeiter ausgeschlagen, weil er lieber in den Verkauf wollte. Auch einen weiteren Job hatte er nicht angenommen.
Mir würden als Fallbeispiel für ungerechtfertigte Sanktionen ganz andere Fälle enfallen(z.B. alleinerziehende Mutter eines schwerst-mehrfachbehinderten Kindes, die einen Ganztagsjob 40 km entfernt annehmen soll). Ich (Ingenieur) würde nach mehreren Jahren Arbeitslosigkeit jederzeit auch als Lagerarbeiter oder Hausmeister anfangen, wenn's nichts anderes gibt, bevor ich länger rumhocke und anderen auf der Tasche liege.

ThomasG 05.11.2019 21:09

Endlich hat es der Bundesverfassungsgericht geschafft eine Entscheidung zu finden und diese zu verkünden.
Ein paar Wochen bis Monate war das Thema ganz schön im Fokus der Politik, aber das ist einige Zeit her und andere Themen haben die Aufmerksamkeit auf sich gezogen.
Leute mit einem tollen, reizvollen, angesehenen und gut bezahlten Job, der Ihnen Erfüllung und Anerkennung bringt, haben leicht reden, finde ich.
Wie lange müssen sie arbeiten bis sie den aktuellen Satz zusammen haben?
Tja - und je angesehener die Arbeit ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass man wesentlich mehr Freiheiten hat und wesentlich weniger kontrolliert wird, davon bin ich überzeugt.
Wenn man beispielsweise Verkäufer ist und es ist nichts los, da steht man sich halt die Beine in den Bauch oder langweilt sich zu Tode.
Das ist schon ganz schön ...

Estebban 05.11.2019 21:24

Wenn man beispielsweise Verkäufer ist und es ist nichts los, da steht man sich halt die Beine in den Bauch oder langweilt sich zu Tode.
Das ist schon ganz schön ...[/quote]

Prinzipiell hast du sicher recht - aber der Verkauf ist das am leichtesten kontrollierbare Geschäft. Klar, dein Chef muss Dir nicht dauernd auf die Finger schauen und wenn’s läuft hast du viele Freiheiten (je nach Branche). Andererseits musst du täglich / wöchentlich / monatlich usw Zahlen liefern, wie viel hast du verkauft. Und glaub mir - der Stress wenn die Zahlen nicht stimmen und kein Kunde ist in Sicht.... „schon ganz schön“ fällt mir da nicht zu ein ;)

ThomasG 05.11.2019 21:31

Ich gehe fast täglich einkaufen und das so gut wie immer in Supermärkten.
Da sehe ich, was da immer abgeht.
Sehr viele junge Menschen, die sich so gut wie immer voll das Brett geben.
Und relativ oft gibt es noch den Typ Mensch, der nicht besonders gut damit umgehen kann, wenn man ihm eine Vorgesetztenfunktion gibt.
Ab und zu sind auch Gebietsleiter da.
Das merkt man direkt.
Dann ist der Laden oft besser besetzt als üblich und alle sind nervös und angespannt.
Sind die Teams alleine, ist der Zusammenhalt oft sehr groß und darüber freue ich mich immer sehr :-).

Meik 05.11.2019 21:39

Zitat:

Zitat von ThomasG (Beitrag 1491016)
Leute mit einem tollen, reizvollen, angesehenen und gut bezahlten Job, der Ihnen Erfüllung und Anerkennung bringt, haben leicht reden, finde ich.

Haben die leicht reden? Die meisten die ich in solchen Jobs kenne haben sich den Weg dahin aber auch mehr oder weniger hart erarbeitet. ;)

Und ob die Jobs immer so toll und reizvoll sind wenn man hinter die Kulisse guckt ...

Mir gefällt mein Job und ich verdiene recht gut dabei. Was die Neider nicht sehen: Ständig ausgefallene Mittagspausen, unbezahlte Überstunden, Wochenendarbeit, Fortbildungen am Abend oder Wochenende, Umsatzbeteiligung wo die Zeiten wo kein Kunde kommt dann doch nicht so entspannt sind, ...

Und der Weg dahin mangels reicher Eltern ein überwiegend selbst finanziertes Studium. Ich hab als Schüler schon in einer Gärtnerei gearbeitet, im Studium nachts Pakete geschleppt, LKW gefahren, ... neben Sport und Studium.

Da fällt so manches schon schwer wenn man auf seinem Weg selber Jobs gemacht hat für den sich viele zu fein sind.

Die Welt ist nicht schwarz und weiß. Die Grenze wo Sanktionen IMHO gerechtfertigt sind und wo nicht mehr ist auch nicht so scharf. Aber grundlegend ist es völlig richtig dass jemand der nicht will, nicht zu Terminen erscheint etc.. auch mit Konsequenzen zu leben hat. Traurig finde ich es dabei nur dass oft Kinder unverschuldet darunter leiden müssen. Ein Patentrezept wie man das hinbekommt habe ich auch nicht. :(

ThomasG 05.11.2019 21:46

Hast Du gut geschrieben Meik und mich zum nachdenken angeregt.
Ich kenne die Welt derjenigen nicht, die ich vielleicht leichtfertig in dem Absatz beschrieben habe, den Du zitiert hast.
Jeder hat halt so seine Vorurteile und "Feindbilder" ich natürlich auch, obwohl ich mich sehr oft ziemlich darum bemühe sie nicht zu haben.

Meik 05.11.2019 22:07

Zitat:

Zitat von ThomasG (Beitrag 1491022)
Ich kenne die Welt derjenigen nicht, die ich vielleicht leichtfertig in dem Absatz beschrieben habe, den Du zitiert hast.

Och, die Leute die zu deinen "Vorurteilen" passen gibt es sicherlich auch zu genüge, so ist das ja jetzt nicht. Man muss halt "da oben" wie "da unten" vorsichtig sein mit Pauschalisierungen. Es gibt überall solche und solche. :Blumen:

ThomasG 06.11.2019 07:38

Stimmt Meik und das merke ich ja insbesondere ja auch in diesem Forum oft, in dem sich wohl mehrheitlich höchstwahrscheinlich ziemlich gebildete Leute mit einem angesehenen und gut bezahlten Job arbeiten, aufhalten.
Jedesmal freue ich mich ganz besonders, wenn jemand, den ich so einschätze wie oben beschrieben, Mitgefühl zeigt mit Leuten, die eben Hilfeistungen in Anspruch nehmen.
Von der angesprochenen Gruppe erwarte ich das aber im Grunde auch, denn je gebildeter und intelligenter man ist, desto eher denke ich, dass man zu solchen Ansichten einfach kommen muss, wenn man zusätzlich noch das Herz am rechten Fleck trägt.
Natürlich kann ich mir nicht sicher sein, dass meine Einschätzungen stimmen, aber ich kann Menschen ganz gut einschätzen auch, wenn ich nicht so arg viel von Ihnen weiß, wenigstens empfinde ich das so und bekomme das auch öfter von anderen zu hören.
Vorurteile zu haben ist ganz natürlich.
Man sollte sich nur klar sein, wie stark sie auf das Weltbild Einfluß nehmen können und auf die Sicht der Mitmenschen und es muss eine hohe Bereitschaft da sein, sein inneres Urteil oder seine Beurteilung jederzeit zu korrigieren, zu relativieren oder zu hinterfragen.
Auch ich habe mich manchesmal gewundert, wie sehr ich mich in Menschen im Positiven wie im Negativen geirrt haben dürfte.
Niemand kann wirklich sehen, was der andere tatsächlich denkt und wie er innerlich wirklich ist.
Das kann man nicht mal, wenn man jemanden meint sozusagen in und auswendig zu kennen, weil es sehr viel und sehr intensiven Kontakt gibt bzw. über viele Jahre zuvor gab.

qbz 06.11.2019 12:30

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1490897)
Grundsätzlich ist eine Überarbeitung sicherlich nicht falsch, es gibt einiges an Verbesserungspotential. Allerdings fehlt mir für den speziellen Fall des Klägers das Verständnis komplett (außer, die Berichte verschweigen wesentliche Aspekte).
.......
Mir würden als Fallbeispiel für ungerechtfertigte Sanktionen ganz andere Fälle enfallen(z.B. alleinerziehende Mutter eines schwerst-mehrfachbehinderten Kindes, die einen Ganztagsjob 40 km entfernt annehmen soll). Ich (Ingenieur) würde nach mehreren Jahren Arbeitslosigkeit jederzeit auch als Lagerarbeiter oder Hausmeister anfangen, wenn's nichts anderes gibt, bevor ich länger rumhocke und anderen auf der Tasche liege.

Ich kenne den einzelnen Fall jetzt nicht.

Das Bundesverfassungsgericht traf eine grundsätzliche Entscheidung. Demnach hat Bestrafung, und darum handelt es sich bei der Leistungskürzung um 60 %, im Sozialgesetzbuch nichts verloren. Seit der Einführung von Hartz IV kritisierten die Linke, die Gewerkschaften, die Sozialverbände, die meisten Verfassungsjuristen die Sanktionen als nicht verfassungsgemäss und als klaren Verfassungsbruch. Das trotzdem über 15 Jahre lang die Arbeitsagenturen Menschen in die Obdachlosigkeit und ein Leben unter dem menschenwürdigen Existenzminimum gebracht haben, finde ich den eigentlichen Skandal, der von SPD, Grüne, CDU, FDP zu verantworten ist. Zum Glück muss das jetzt wenigstens sofort gestoppt werden.

KalleMalle 06.11.2019 13:03

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1491145)
... Skandal, der von SPD, Grüne, CDU, FDP zu verantworten ist.

Der Postillion bringt es mal wieder auf den Punkt:

Politikerin, die half, Hartz-IV-Sanktionen durchzusetzen, bezeichnet deren Abschaffung als ein Gebot des Respekts und der Menschenwürde

ThomasG 06.11.2019 19:38

In der Schule hat man mir jahrelang beigebracht soziale Errungenschaften zu schätzen und für äußerst wichtig für den Frieden und die Gerechtigkeit innerhalb einer Gemeinschaft zu erachten.
Eine Gemeinschaft, die was auf sich hält, bemüht sich darum diese immer mehr auszuweiten.
Jeder Aushöhlungsversuch und jede vollzogene Aushöhlung ist ihr mehr als nur peinlich.

Mirko 06.11.2019 20:24

Zitat:

Zitat von ThomasG (Beitrag 1491293)
In der Schule hat man mir jahrelang beigebracht soziale Errungenschaften zu schätzen und für äußerst wichtig für den Frieden und die Gerechtigkeit innerhalb einer Gemeinschaft zu erachten.
Eine Gemeinschaft, die was auf sich hält, bemüht sich darum diese immer mehr auszuweiten.
Jeder Aushöhlungsversuch und jede vollzogene Aushöhlung ist ihr mehr als nur peinlich.

Naja so einfach ist das nicht. Unser Arbeitslosensystem ist eine tolle Sache und ich bin froh das man darin aufgefangen wird wenn man seine Arbeit verliert.
Das System ist aber nicht dafür gedacht das Leute dauerhaft davon leben können oder sollen. Daher müssen Arbeitslose eben alles ihnen mögliche tun, um wieder in den Arbeitsmarkt zu kommen. Tun sie das nicht bekommen sie eben Sanktionen. Ich finde das richtig so.
Arbeitsunwilligen Leute durch Sanktionen zu motivieren was zu arbeiten ist für mich keine Aushöhlung und auch nicht peinlich.
Für Leute die wirklich nicht mehr arbeiten können gibt es andere soziale Errungenschaften (Pflege- und Rentenkasse).

Sicher kann den all unseren sozialen Systemen noch was verbessert werden und ganz wichtig ist das die dort arbeitenden Leute einen guten Job machen, aber grundsätzlich gibts glaub nicht sooo viele Länder in denen das besser läuft als bei uns.

ThomasG 06.11.2019 20:51

Es wird das Existenzminimum gekürzt und es ist sehr umstritten, ob das nicht viel zu niedrig angesetzt ist.
Das ist und bleibt meiner Meinung nach einfach in hohem Maße unanständig.

Mirko 06.11.2019 21:06

Zitat:

Zitat von ThomasG (Beitrag 1491315)
Es wird das Existenzminimum gekürzt und es ist sehr umstritten, ob das nicht viel zu niedrig angesetzt ist.
Das ist und bleibt meiner Meinung nach einfach in hohem Maße unanständig.

Schwieriges Thema auf jeden Fall! Es ist für mich auch unanständig die geforderten Maßnahmen des Arbeitsamtes einfach zu ignorieren und weiterhin bewusst von Steuergeldern anderer Menschen zu leben. Die Kürzungen unter das Existenzminimum kommen ja nicht grundlos! Wie gesagt, dafür ist das System nicht gedacht und gemacht.

tandem65 06.11.2019 21:17

Hi Mirko,

Zitat:

Zitat von Mirko (Beitrag 1491307)
Naja so einfach ist das nicht. Unser Arbeitslosensystem ist eine tolle Sache und ich bin froh das man darin aufgefangen wird wenn man seine Arbeit verliert.

da scheint mir ein Missverständnis vorzuliegen.
Das Hartz-IV wird zwar auch Arbeitslosengeld II genannt, hat aber mit der Arbeitslosenversicherung nichts zu tun. Es sind Sozialleistungen.
Wir definieren ein Existenzminimum, einigen uns als Gesellschaft darauf daß niemand unter diesem leben muß und dann schaffen wir Sanktionen um das doch wieder zu ermöglichen.
Das ist auf jeden Fall nicht so ganz durchdacht.;)

ThomasG 06.11.2019 21:17

Zitat:

Zitat von Mirko (Beitrag 1491321)
Schwieriges Thema auf jeden Fall! Es ist für mich auch unanständig die geforderten Maßnahmen des Arbeitsamtes einfach zu ignorieren und weiterhin bewusst von Steuergeldern anderer Menschen zu leben. Die Kürzungen unter das Existenzminimum kommen ja nicht grundlos! Wie gesagt, dafür ist das System nicht gedacht und gemacht.

Ich finde es auch nicht gut sich nicht darum zu bemühen unabhängig zu sein von Hilfeleistungen.
In einigen Supermärkten arbeiten sehr viele junge Menschen und die Fluktuation ist groß.
Vielleicht kann man solche Arbeit einfach irgendwann nicht mehr ertragen oder will sie nicht mehr ertragen.
Wenn man das beurteilen können will, muss man erst einmal selbst eine solche Arbeit entsprechend lange machen.
Es gibt noch mehr Berufe oder Branchen, wo man einen auffallend großen Anteil an jungen Leuten sieht.
Die Leute können oder wollen diese Arbeitsbedingungen größtenteils wohl einfach nicht lange ertragen.

tandem65 06.11.2019 21:24

Zitat:

Zitat von Mirko (Beitrag 1491321)
Die Kürzungen unter das Existenzminimum kommen ja nicht grundlos! Wie gesagt, dafür ist das System nicht gedacht und gemacht.

Naja, die Kürzungen sind erdacht worden um Menschen unter das Existenzminimum zu schicken oder in 1,-€ Jobs. Jedenfalls nicht um Menschen das Existenzminimum zu sichern.

ThomasG 07.11.2019 06:42

Noch einmal möchte ich hiermit daran erinnern, wie das Existenzminimum berechnet wird und warum die angewendete Berechnungsmethode so umstritten ist.
Man vergisst ja so schnell vor allem, wenn man sich relativ leicht von einem zum anderen Thema ablenken lässt und von einem zum nächsten Gedankensprung.
Genau dazu verführt sehr stark das Internet.
Drei mal Klicken und man landet u.U. weit weg von dem Thema, was einen zunächst interessiert hat.
Ich lese mir die Ausführungen jetzt noch einmal durch.
Zitat:

Zitat von ThomasG (Beitrag 1371397)
Es ist noch nicht so lange her, da habe ich angenommen die Hartz-IV-Sätze würden mit Hilfe von Warenkörben o.ä. ermittelt.
Tatsächlich ist es aber so, dass die durchschnittlichen Ausgaben des ärmsten Teiles der Bevölkerung dazu herangezogen werden.
Lutz Hausstein hat sich im Rahmen einer Studie damit beschäftigt, was sich für ein Hartz IV-Regelbedarf ergibt, wenn man den mit Hilfe der Warenkorbmethode bestimmt.
"Erst 730 Euro Hartz-IV-Satz decken das soziokulturelle Existenzminimum" (Stand Mai 2015) so haben die Nachdenkseiten seine Studienergebnisse kurz zusammengefasst und als Überschrift gewählt für ein Interview mit ihm:

https://www.nachdenkseiten.de/?p=26257
https://www.nachdenkseiten.de/upload...aucht_2015.pdf


Trimichi 07.11.2019 09:27

Zitat:

Zitat von ThomasG (Beitrag 1491356)
Noch einmal möchte ich hiermit daran erinnern, wie das Existenzminimum berechnet wird und warum die angewendete Berechnungsmethode so umstritten ist.
Man vergisst ja so schnell vor allem, wenn man sich relativ leicht von einem zum anderen Thema ablenken lässt und von einem zum nächsten Gedankensprung.
Genau dazu verführt sehr stark das Internet.
Drei mal Klicken und man landet u.U. weit weg von dem Thema, was einen zunächst interessiert hat.
Ich lese mir die Ausführungen jetzt noch einmal durch.

Gilt das für alle? Oder ist was dran an dem Vorurteil / Stereotyp: "Flüchtlinge kriegen alles was sie wollen, Hartzer werden schikaniert."

Ich lese mir die Ausführungen nicht durch, da ich hier vor Ort erfahren habe, wie Flüchtlinge hofiert, Inländer schikaniert werden. Dabei habe ich zwei mit mir befreundete Personen, sie sich nicht kennen, verglichen. Der eine wurde durchs Amt schikaniert (heute selbständig bei der Firma DATEV). Der andere, mein "Patenkind" ein lieber Geselle aus Syrien macht nun den Sprachkurs B2 und hat auch einen Job und eine Wohnung gefunden.

Wie gesagt, ich will nicht Minderheiten gegeneinander ausspielen. Auch ein mir bekannter AfD-Wähler gammelt und macht nichts, und dann kam der Spruch zu mir "Sie gefallen mir", weil ich meinte, dass er AfD wählen könne und ich als Psychologe kein Problem darin sehe. Er hatte mich gefragt wen ich gewählt hatte (Hinweis: ich wohne in Bayern, und die diese bezügliche Schwesterpartei hatte irgendwas gesagt von wegen GroKo nicht so geschmeidig, aber "im Maschinenraum wird noch gearbeitet", womöglich handelt es sich um einen STAR-TREK-Flügel innerhalb dieser Partei....-).

Die als Schikane empfunden Behandlung durch das Arbeitsamt ist nun auf maximale Schadenswirkung von -30% Kürzung begrenzt worden. Vorher waren es ja -60%. Sind -30 % zumutbar? Lässt sich nicht verallgemeinern, meine ich. Wenn zum Beispiel drei Kiddies am Start sind im Rahmen einer Patchworkfamilie und die beiden Partner Hartz IV bekommen, lässt sichs gut vom Kindergeld leben.

Aber, sind nur Nebenschauplätze. Zum Beispiel kam hier in der Gegend der Bus in aller Herrgottsfrühe und die Flüchtlinge wurden (Police war auch vor Ort) abgeholt. Angeblich zurück dahin wo sie herkommen. Dem AfD-Wähler hat es wohl gefallen, dass jetzt am Dorfplatz wieder Ordnung herrscht, bis auf ein paar wenige aus Albanien.
Allerdings glaube ich beobachtet zu haben, dass der Bus 20km im nächsten Kaff gehalten hat und man dort die Flüchtlinge untergebracht hat. Zumindest spielten dort, in dem anderen Ort, viele Kinder, die ich aus dem anderen Ort her glaube zu kennen. Denen ging es gut. Die haben gespielt und gelacht. Draußen. Also
vor einem alten Gasthof auf dem Parkplatz.

Ist eben auch eine Mentalitätsfrage. Die Hartzer wissen oft gar nicht, wie gut sie es haben. Weil eben viele Langzeitalkoholiker dabei sind. Zum Beispiel. Oder eben auch welche, die sich aus irgendwelchen Gründen verweigern kooperativ zu sein. Oder welche, sie die soziale Hängematte gemeinsam strapazieren.

Insgesamt hatte ich ja deswegen DIE LINKE gewählt. Weil ich für ein bedingungsloses Grundeinkommen war. Ich glaube heute, dass bedingungslos nicht geht, also zumindest noch nicht. Allerdings ist die Begrenzung der Schikane von -60% auf -30 % zu begrüßen. Hoffe, die Zahlen stimmen. Der Restalkohol. sorry und nur mein Senf.

ThomasG 07.11.2019 20:10

Zitat:

Zitat von Trimichi (Beitrag 1491384)
Wenn zum Beispiel drei Kiddies am Start sind im Rahmen einer Patchworkfamilie und die beiden Partner Hartz IV bekommen, lässt sichs gut vom Kindergeld leben.

Was sind wir doch für ein sozialer Staat ;-)!
Zitat:

Zitat von HartzIV.org
Kindergeld wird auf Hartz IV angerechnet

Klingt komisch und ungerecht, dass das Kindergeld auf Sozialleistungen von Hilfebedürftigen angerechnet wird, ist aber so. Dies hat auch das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 11.03.2010 (Az. 1 BvR 3163/09) entschieden. Eine Familie hatte Verfassungsbeschwerde eingelegt und ist vor dem höchsten deutschen Gericht gescheitert.

Quelle: https://www.hartziv.org/hartz-iv-und-kindergeld.html

merz 07.11.2019 20:31

Post der Woche, Danke

m.

qbz 07.11.2019 20:35

Ich finde, dieser Artikel im Freitag stellt das Urteil sehr differenziert dar. Es kommt jetzt auf politische Mehrheitsverhältnisse an, ob es gelingt, Hartz IV durch bessere, humanere, gerechtere Gesezte zu ersetzen.

"Jetzt haben wir zumindest eine gewisse Klarheit nach jahrelangem Warten auf eine Entscheidung des höchsten deutschen Gerichts. Und wenn auch die Schlagzeilen nach der Urteilsverkündung beherrscht werden von dem Hinweis auf die – teilweise – Verfassungswidrigkeit der Sanktionen im Hartz-IV-System, sollte man sich klarmachen, dass die vielen Hoffnungen und Erwartungen auf ein generelles Ende der Sanktionierung, also einer Absenkung des staatlich definierten Existenzminimums, nun bitter enttäuscht wurden. Das Bundesverfassungsgericht hat den Jobcentern die härtesten Ausformungen des Sanktionsregimes genommen, und das allein ist schon eine gute Nachricht für viele Betroffene, die sowieso schon am Rand leben und oftmals in den Abgrund gestoßen wurden, wenn sie in die Sanktionsmaschinerie gekommen sind. Das Fallbeil der Leistungskürzung wird etwas entschärft, denn mehr als 30 Prozent Kürzung gehen nicht mehr, und auch die starre dreimonatige Dauer kann verkürzt werden, wenn der Betroffene auf den „rechten Weg“ zurückkehrt oder das – wie? – glaubhaft machen kann.

Auf der anderen Seite müssen wir zur Kenntnis nehmen: Die Verfassungsrichter haben die Hoffnung auf ein Verbot des Unterschreitens des Existenzminimums abgeräumt. Wir haben nun die höchstrichterliche Bestätigung einer 70-Prozent-Existenz in unserem Land. Es gibt in der Konsequenz also ein neues, abgesenktes Existenzminimum, was eines der logischen Probleme war, mit denen sich die Richter herumgeschlagen haben. Denn ihre Vorgänger hatten noch 2010 von einem „unabdingbaren Grundrecht“ gesprochen. Gleichsam die letzten Zuckungen dieser weitreichenden Formulierung von damals finden sich im neuen Urteil in so einer an sich wunderbaren Formulierung: „Die den Anspruch fundierende Menschenwürde steht allen zu und geht selbst durch vermeintlich ‚unwürdiges‘ Verhalten nicht verloren.“ Der eine oder andere mag an dieser Stelle ein Aufblitzen der Idee des bedingungslosen Grundeinkommens zu erkennen glauben, aber das ist ein Trugschluss. Schon der nächste Satz räumt das ab: „Das Grundgesetz verwehrt es dem Gesetzgeber aber nicht, die Inanspruchnahme existenzsichernder Leistungen an den Nachranggrundsatz zu binden, also nur dann zur Verfügung zu stellen, wenn Menschen ihre Existenz nicht vorrangig selbst sichern können, sondern wirkliche Bedürftigkeit vorliegt.“

der-freitag/fallbeil-leicht-entschaerft

merz 07.11.2019 20:51

Das letzte höchstrichterliche Zitat im Zitat habe ich jetzt viermal gelesen und verstehe es nicht .... zu dumm ... derweil fährt die BILD seit Tagen welfare queen stories auf der 1, besetzen aber mit Männern, nervt

m.

ThomasG 07.11.2019 21:49

Vielleicht lese ich mir mal die ausführliche Version der Begründung der Entscheidung des Verfassungsgerichts durch.
Da wird es mir nicht besser gehen wie meinem "Vorredner".
Wahrscheinlich muss ich einige Sätze zehnmal lesen und bin mir dann immer noch nicht sicher, ob ich sie verstanden habe.
Womöglich gibt`s da gar nicht so viel zu verstehen ;-) :-O!
Ein kleiner Trost also vielleicht ;-)!
Ich bin mal gespannt, was da für Klimmzüge kommen auf der einen Seite eine Sanktionierung von 60 % für verfassungwidrig und eine von 30 % für verfassungskonform zu erklären.

qbz 08.11.2019 01:32

Ich habe es so verstanden, dass die Richter darüber schreiben, welches Mass an Strafen eventuell hilfreich für die Zielsetzung: Job sein könnte, wenn Menschen ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachkommen, um wieder einen Job auszuüben bzw. ihre Existenz durch Arbeit zu bestreiten. Da keine Studien vorliegen, welche den Erfolg der Hartz IV Sanktionen belegen, wandten sie die Küchenpsychologie bzw. ihre Erfahrungen als Eltern an. Dort glauben sie vielleicht oder haben erfahren, dass es wirkt, ihrem Kind die Kindersendung an dem Tag zu streichen, wo es die Schulaufgaben nicht macht, aber rein gar nichts nützt, die Kindersendungen der ganzen Woche pauschal zu streichen. Analog: Kompletter Essensentzug pauschal für 3 Monate bewirkt keine Mitwirkung, aber Kartoffeln ohne Hauptgericht und Nachtisch als unmittelbare Konsequenz einer Pflichtverletzung (wie z.B. zu wenig Bewerbungen, Ablehnung einer Massnahme) begrenzt bis zum Eintreten der erwünschten Handlung ("Absitzen" der Massnahme) möglicherweise schon.

Mit den Zusammenhängen gesellschaftlicher, struktureller Arbeitslosigkeit, individueller unterschiedlicher Leistungsfähigkeiten und Selektion haben sich die Richter nicht beschäftigt. Zum Beispiel bezahlen in Berlin 2/3 der Betriebe lieber Abgaben für die vorgeschriebenen Behindertenarbeitsplätze als behinderte Erwerbsfähige einzustellen.

ThomasG 08.11.2019 05:26

Zum Vergleich der finanziellen Lage von Familien, die von Hartz IV und solchen, die von Erwerbsarbeit leben, gab es einmal einen ziemlich bösartigen Vergleich, der verbreitet wurde.
Daran habe ich mich erinnert.
Glücklicherweise wurde wenigstens auch publik gemacht, was man rechnerisch angestellt hatte, damit sich ein entsprechendes Bild ergibt.
Leider dürften wesentlich mehr Leute direkt oder indirekt von bösartigen Informationen beeinflusst worden sein als von den Worten, die das aufgedeckt haben.
Zitat:

Zitat von Stefan Niggemeier für Über Medien
Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) hält es für falsch, über eine beschleunigte Erhöhung der Hartz-IV-Sätze nachzudenken. Arbeitslose würden schon heute im Vergleich zu Arbeitnehmern zu viel Geld bekommen, meint sie – und hat sich das vom sozialstaatskritischen Verein „Bund der Steuerzahler“ bestätigen lassen. Doch der rechnete falsch. Und seine fehlerhaften Zahlen finden gerade große Verbreitung.
[...]
Der Vergleich, den der Steuerzahlerbund für die FAZ angestellt hat, ist falsch – es fehlt ein entscheidendes Element: das Kindergeld. Das bekommen zwar auch Hartz-IV-Empfänger; bei ihnen wird es aber mit den sonstigen Bezügen verrechnet. Es verändert die Bilanz bei Familien deutlich zugunsten der Arbeitnehmer.

Quelle: https://uebermedien.de/26389/bringt-...alsche-zahlen/

ThomasG 08.11.2019 06:51

Wenn ich das Wort Bundesverfassungsgericht höre oder lese und die Damen und Herren in ihren noblen Roben sehe, dann denke ich immer an eine moralische Instanz.
Vielleicht ist das einfach eine ganz grundsätzliche Fehlansicht von mir ;-).

Ich möchte mal aufdecken, wie mein Bezug ist zu Sanktionierungen und dem Kontakt zu Stellen, die im Prinzip helfen sollen, aber eben halt auch bei denjenigen, die sich dort hinwenden ziemlich ungute Gefühle aufkommen lassen.
Einige Jobs hatte ich in meinem Leben, die waren nicht so dolle.
Damals kannte ich das Wort noch nicht.
Es waren prekäre Beschäftigungsverhältnisse.
Ich kam zu einem Job über eine Zeitarbeitsfirma, wurde aber später wie viele andere, bei denen das auch so war, direkt über Zeitverträge beschäftigt, die öfter verlängert wurden.
Es gab da keinen Betriebsrat.
Leute, mit denen ich in den Pausen und während der Arbeit oft zusammen war, haben sich darum gekümmert das zu ändern.
Ich war da kaum aktiv in erster Linie aus Bequemlichkeit, Egoismus (soziales Engagement kostet Zeit und Energie und die wollte ich lieber für den Sport z.B. investieren) und weil mir der Job an sich nicht so wahnsinnig wichtig war.
Relativ viele Kollegen mochte ich sehr und habe es genossen mit ihnen Zeit zu verbringen.
Wir sind öfter auch nach der Arbeit zusammen weggegangen.
Das war das, was mich an diesem Job in erster Linie gehalten hat.
Die Arbeit an sich wäre ohne die nette Umgebung nur äußerst schwer erträglich gewesen.
Wir machten es uns aber ganz schuckelig.
Wenn Rammstein im Hintergrund läuft, dann geht so manches lockerer von der Hand.
Es ist dann lustig, wenn das läuft und es kommt jemand kurz vorbei, der was zu sagen hat und man hört im "Off" gerade "Heirate mich!"*.
Keiner hat was gesagt dazu jemals und es gab auch niemals Ärger deshalb.
Sie hatten wohl Schiss ;-).
Spässle :-)!
Zurück zum Ernst des Lebens.
Ich hatte damals glaube ich die dritten Zeitvertrag und der wurde schließlich nicht mehr verlängert offiziell mit Bedauern und weil das Arbeitsvolumen zurückgegangen war.
Eigenartigerweise ging es allen so, mit denen ich häufig Kontakt hatte während der Arbeit und wie gesagt waren da einige sehr engagiert in Sachen Gründung eines Betriebsrates.
In meinem Sommerjahresurlaub erfuhr ich davon, dass mein Engagement diesmal nicht verlängert werden würde und zwar in der letzten von drei oder vier Urlaubswochen.
Bis dahin hatte ich glaube ich nie Kontakt zum Arbeitsamt (so sagte man damals noch) und bin dann trotzdem reichlich verpätet hin und meldete mich arbeitssuchend und beantragte finanzielle Unterstützung.
Es ging mir, wenn ich mich recht entsinne, in erster Linie darum weiterhin krankenversichert zu sein und das Amt übernahm die Kosten dafür nur, wenn ich das komplette Paket beantragte.
Daraufhin bekam ich eine Sperre in Bezug auf die finanzielle Unterstützung von drei Monaten, weil ich mich eben nicht rechtzeitig gemeldet hatte.
Die Geschichte geht noch weiter, denn nach einiger Zeit begann ich anderswo zu arbeiten und auch dieses Arbeitsverhältnis war auch eher prekär und einen Betriebsrat gab es selbstverfreilich auch nicht.
Mir geht aber für heute die Puste aus.
Vielleicht kommt irgendwann die Fortsetzung.
* https://www.youtube.com/watch?v=UImiGifUYT4

Nogi87 08.11.2019 08:11

Zitat:

Zitat von ThomasG (Beitrag 1491568)
Zum Vergleich der finanziellen Lage von Familien, die von Hartz IV und solchen, die von Erwerbsarbeit leben, gab es einmal einen ziemlich bösartigen Vergleich, der verbreitet wurde.
Daran habe ich mich erinnert.
Glücklicherweise wurde wenigstens auch publik gemacht, was man rechnerisch angestellt hatte, damit sich ein entsprechendes Bild ergibt.
Leider dürften wesentlich mehr Leute direkt oder indirekt von bösartigen Informationen beeinflusst worden sein als von den Worten, die das aufgedeckt haben.

Quelle: https://uebermedien.de/26389/bringt-...alsche-zahlen/

Der Vergleich ist aber trotzdem nicht so falsch. Ich ziehe aber andere Schlüsse daraus. Nicht Hartz 4 ist zu hoch, sondern die Löhne sind in vielen Fällen zu niedrig um einen Arbeitsanreiz zu schaffen.

Als Single ist der Hartz 4 Satz extrem niedrig. Etwas mehr als 400 Euro plus Wohnung. Würde ich nicht wollen und wäre extrem motiviert eine Arbeit zu finden.

Habe ich Frau + 3 Kinder erhalte ich im Moment 2.025 Euro Hartz 4, wenn ich eine Wohnung mit 1000 Euro Warmmiete anneheme, was bei 5 Personen nicht ungewöhnlich ist.

Ich erhalte im Moment mit einem Wirtschaftswissenschaftsstudium und 8 Jahren Berfserfahrung im sozialen Bereich 1900 Euro Netto. Würde dann noch 588 Euro Kindergeld bekommen, also ca 2500 Euro. Es gibt viele Leute die in der Pflege usw. arbeiten die noch deutlich weniger verdienen.

Ich weiß nicht ob ich für 450 Euro mehr im Monat so super motiviert wäre mir unbedingt einen Job suchen zu wollen. Dementsprechend sind es viele Leute die noch weniger bekommen schon gar nicht.

Es ist in der heutigen Zeit klar, dass es ein Existenzminimum geben muss, da es eben deutlich mehr Arbeitslose als offene Stellen gibt. Dieses Minimum zu bestimmen ist sehr schwierig, da es hoch genug sein muss um ein menschenwürdiges Leben zu erlauben, aber auch nicht zu hoch sein darf um Arbeitsanreize völlig abzuwürgen. Obwohl ich Sozialmanagement und Soziale Sicherung als Vertiefungsfächer im Studium hatte maße ich es mir nicht an über die Höhe zu urteilen wie leider die Meisten mit weniger Ahnung vom Thema.

qbz 08.11.2019 08:35

Zitat:

Zitat von Nogi87 (Beitrag 1491586)
Der Vergleich ist aber trotzdem nicht so falsch. Ich ziehe aber andere Schlüsse daraus. Nicht Hartz 4 ist zu hoch, sondern die Löhne sind in vielen Fällen zu niedrig um einen Arbeitsanreiz zu schaffen.

...........
Es ist in der heutigen Zeit klar, dass es ein Existenzminimum geben muss, da es eben deutlich mehr Arbeitslose als offene Stellen gibt. Dieses Minimum zu bestimmen ist sehr schwierig, da es hoch genug sein muss um ein menschenwürdiges Leben zu erlauben, aber auch nicht zu hoch sein darf um Arbeitsanreize völlig abzuwürgen. Obwohl ich Sozialmanagement und Soziale Sicherung als Vertiefungsfächer im Studium hatte maße ich es mir nicht an über die Höhe zu urteilen wie leider die Meisten mit weniger Ahnung vom Thema.

Dass die Löhne in DE zu niedrig sind, dazu kann man erstmal nur beipflichten. Alle Sozialverbände und die Linke z.B. verlangen auch einen höheren Mindestlohn, der von der Regierung und dem Bundestag beschlossen wird. Der Maßstab für die angemessene Höhe wäre unter anderem, dass jemand keine zum Mindestlohn ergänzenden Hartz IV Leistungen beziehen muss und nach 45 Jahren Berufstätigkeit eine Rente oberhalb der Grundsicherung erhält. Der Mindestlohn würde nach diesen Kriterien bei 12,63 Euro liegen müssen, im Unterschied zu 9,19 aktuell. Würde der Bundestag einen solchen Mindestlohn beschliessen, hätte das sicherlich positive Auswirkungen auf das gesamte Tarifgefüge in den Niedriglohnsektoren und auf die Hartz IV Sätze (Grundsicherung).
https://www.linksfraktion.de/themen/...t/mindestlohn/
Ich wäre auch nicht in der Lage, so etwas zu berechnen, und halte mich deswegen an Berechnungen entsprechender Fachleute (wie die der Gewerkschaften z.B.).

Ps.: Bist Du in einer Gewerkschaft? Verdi? Die "relative "Schwäche" der Gewerkschaften macht sich halt leider bei den Löhnen negativ bemerkbar, wobei die Einrichtung sovieler prekärer Beschäftigungsverhältnisse (Flexibilisierung aus Sicht der Arbeitgeber) und die Privatisierungen öffentlicher Betriebe die Mitgliederzahlen stark schrumpfen liessen. Die Einführung des Mindestlohnes wurde unter anderem ja aufgrund des Fehlens der gewerkschaftlichen Organisationen in diesen prekären Beschäftigungsverhältnissen überhaupt erst notwendig.

ThomasG 08.11.2019 21:04

Zitat:

Zitat von deutschlandradio.de
Der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Scheele, sagte im Deutschlandfunk, man habe am Tag des Urteils gemeinsam mit Bund und Ländern vereinbart, in den nächsten Wochen keine Sanktionen auszusprechen.

Quelle: https://www.deutschlandfunk.de/hartz...G 8in-xpJaLUY

Kein schlechter Anfang Herr Scheele :-O :-)!

fras13 08.11.2019 22:08

das halte ich für ein Gerücht, oder eine Fehlinterpretation eines Journalisten,
wo auch immer diese Einschätzung herkommt...:confused:

EDIT: Das Interview gelesen, ändert sich aber nichts an meiner Aussage:

An der Basis ist davon nix angekommen...


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