Zitat:
Zitat von Helmut S
(Beitrag 1542834)
Das Thema Präventionsarbeit, dass du ansprichst halte ich für sehr wichtig in der Polizeiarbeit. Dazu muss man aber nicht warten, bis es zur "Stuttgarter Krawallnacht" kommt. Wie die Präventionsarbeit auszusehen hat und wer die "Pappenheimer" sind sollte man vorher wissen. Ggf. auf Basis von empirischen Arbeiten der Wissenschaftler in Verbindung mit der Orts- und Sachkenntnis der Polizei Vor-Ort.
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Nicht nur ggf., sondern (fast) ausschließlich. Die Polizei hat naturgemäß "nur" mit Straftätern zu tun. Leitet sie aus diesem speziellen Sample nun ihre allgemeine Strategie ab, führt dies zwangsläufig zu rassistischen Strukturen.
Dabei will ich nicht unterschlagen, dass die Polizei durchaus (implizites) Wissen hat, dass in der polizeilichen Arbeit behilflich ist, um potentielle Straftäter zu identifizieren. Dies ist wohl "ganz normale" Polizeiarbeit. Durch die Debatte die hier und gesellschaftlich/medial geführt wird, wird jedoch erneut ein fast ausschließlicher Fokus auf Personen mit Migrationshintergrund gelegt und diesem Merkmal wird darüber hinaus eine herausragende Bedeutung zugesprochen.
Es gibt keine Kausalität zwischen Migrationshintergrund (möglicherweise "Kultur") und Kriminalitätspotential. Es handelt es sich dabei sicherlich um ein Merkmal, welches nicht ignoriert werden darf, allerdings darf es die Sicht nicht einschränken indem nur darauf fokussiert wird. Wozu dies führen kann, hat man bei den anfänglichen Ermittlungen zu den bekannt gewordenen NSU-Morden gesehen.
Zitat:
Zitat von Schwarzfahrer
(Beitrag 1542842)
Was spricht dagegen, möglichst schnell Erkenntnisse zu sammeln? Und ja, die Polizei kann auf Grund ihrer Erfahrung offenbar davon ausgehen, daß solche Ereignisse nicht einmalig bleiben, also sollte möglichst schnell verstanden werden, welche Gründe dahinter liegen können, um schnell gegensteuern zu können.
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Ganz so einfach ist es nun leider aber nicht. Wir haben es bei den Randalen nicht mit einem geplanten Ereignis zu tun gehabt. Es hat sich bei der Tätergruppe vermutlich nicht um ein konkret abgrenzbares Milieu gehandelt, sondern eine spezielle Dynamik vor Ort hat zu diesem Ereignis geführt. Bei einigen Jugendlichen wurde ein "Trigger" ausgelöst und sie haben eine Chance gesehen, mal "Spaß" zu haben, ein "Abenteuer" zu erleben und "denen da oben" bzw. der Polizei/Autorität eins "auszuwischen". In diesen Jugendlichen bzw. Gruppen steckt sicherlich ein Gewaltpotential, dessen Ursachen vielfältig sind und u.a. auch durch "Kultur"/Sozialisation geprägt sind.
Es funktioniert jedoch nicht alle Straftäter über einen Kamm zu scheren und zu sagen: 12 Deutsche, 12 mit Migrationshintergrund, 10 Ausländer (Zahlen fiktiv). Wie bereits mehrmals betont: es gibt hier keinen monokausalen Zusammenhang.
Solche Probleme lassen sich nur längerfristig angehen. Einige wichtige Aspekte sind u.a. vorausschauende Sozialarbeit vor Ort und "kultursensible" Kommunikation bzw. eine "bunte" Polizei. Es gibt nun einmal Ländern, in denen Menschen beim Kontakt eher mehr Probleme bekommen als bei "Selbstjustiz". Diese kulturellen/sozialisatorischen Aspekte lassen sich nicht von heute auf morgen "lösen", sondern verlangen langfristige Arbeit. Durch eine einseitige Schuldzuweisung ist hierbei niemandem geholfen.
Weiterhin braucht es langfristige politische Strategien. Gerade durch die aktuelle Corona-Krise haben wir vermehrt soziale Probleme und die soziale Spaltung wird sich in den nächsten Jahren voraussichtlich weiter verschärfen. Dazu braucht es gerechte/langfristige Chancen, gerade für im Bildungsbereich. Deutschland muss bspw. ein dediziertes Einwanderungsrecht erarbeiten, um konkrete Chancen zu schaffen. Auch der Aufstieg durch Bildung muss gefördert werden.
Zitat:
Zitat von Schwarzfahrer
(Beitrag 1542842)
Nun sind wir aber nicht mehr davor, sondern danach, und damit möglicherweise vor einem nächsten ähnlichen Ereignis. Abgesehen davon hat die Polizei auch schon zuvor ihre Erfahrungen ("empirische Arbeiten") gemacht und gemeldet. Wenn Wissenschaftler da empirisch mitarbeiten sollen, sollten sie auch mal persönlich an den Einsätzen teilnehmen, um auf Augenhöhe mit der Polizei mitdiskutieren zu können, statt gnädig nur auf ihre "Orts- und Sachkenntnisse" zurückzugreifen, wenn es gerade passt.
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Empirische Arbeit leitet sich allerdings nicht vom Einzelfall ab. Wie bereits oben angedeutet beleuchtet die Polizei ein sehr spezifisches Gesellschaftliches Feld: Kriminalität. Daraus lassen sich durchaus Erfahrungswerte ableiten, die eine polizeiliche Arbeit erst ermöglichen. Damit entwickelt man jedoch blinde Flecken und schafft Strukturen, die eine erfolgreiche langfristige Polzeiarbeit torpedieren, da Abweichungen und Ausnahmen nicht erkannt werden.