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zappa 03.06.2016 18:46

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1227058)
Nein, da bin ich ganz anderer Meinung. Weder trifft das auf den einzelnen zu, noch auf die Weltbevölkerung als ganzes. Es gibt keinerlei positiven Zusammenhang zwischen der christlichen Gläubigkeit einer Gesellschaft und ihrem Mitgefühl..

Keinerlei positiver Zusammenhang, weder bei einem einzelnen noch bei größeren Gruppen? Nun ja, bisher habe ich die größtenteils differenzierte Argumentation nachvollziehen können, hier steige ich aus.

Klugschnacker 03.06.2016 20:53

Zitat:

Zitat von zappa (Beitrag 1227066)
Keinerlei positiver Zusammenhang, weder bei einem einzelnen noch bei größeren Gruppen? Nun ja, bisher habe ich die größtenteils differenzierte Argumentation nachvollziehen können, hier steige ich aus.

Warum? Du hast eine Behauptung aufgestellt, die für Dich völlig offensichtlich wahr sein muss. Jedoch hast Du keine Belege geliefert, sondern bestehst darauf, dass wir uns Deiner Meinung ohne Belege anschließen. Falls das nicht geschieht steigst Du aus der Diskussion aus?

Machen wir es doch so: Du lieferst einen Beleg für die Behauptung, der christliche Glaube habe das Mitgefühl des Einzelnen sowie der Welt gesteigert. Ich liefere Dir einen Beleg für das Gegenteil, danach diskutieren wir weiter. Einverstanden?
:Blumen:

Vicky 03.06.2016 22:21

Zitat:

Zitat von zappa (Beitrag 1227054)
Jetzt bin ich mir nicht mehr sicher, ob noch jemand mitliest und es jemanden interessiert ...

Tststs... ich finde es wirklich böse, gemein und absolut unchristlich, dass Ihr eine solche (interessante) Diskussion während der Arbeitszeit (und Trainingszeit) führt. :Cheese: :Blumen:

qbz 03.06.2016 22:32

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1227009)
War es vielleicht nicht eher umgekehrt: Aus den Wertesystemen einer Epoche sind anschließend die religiösen Regeln entstanden? Die Menschheit hat 99,9% der Zeit auf diesem Planeten ohne Christentum gelebt, aber nicht ohne Werte im Sinne von: Regeln des Zusammenlebens.

Diese Regeln entwickeln sich auch ohne göttlichen Eingriff ganz von selbst. Menschen sind wie alle Primaten soziale Wesen, die miteinander auskommen müssen.

Unser heutiger technischer und wissenschaftlicher Entwicklungsstand basiert doch auf der früheren Unterwerfung der meisten Menschengruppen und der Konzentration von Macht, Reichtum, Wissen in regionalen Herrschaftssystemen, welche jeweils einer passenden Ideologie / Religion zur Dominanz verhalf, die meistens vorher schon in kleineren Gruppen vorhanden war. Um die Felder in Ägypten zu bewässern, Pyramiden zu bauen, Geometrie zu betreiben, Bilder zu malen, Städte zu bauen, brauchte es die Konzentration von Reichtum, Macht, Religion, Kult auf der einen, Sklaven auf der anderen Seite. All das, was in der Geschichte als "Hochkulturen" bezeichnet wird im Unterschied zu den germanischen Nomaden, Sippenvölker usf., die alle "aufgesogen" wurden von den mächtigeren, stärkeren Systemen.

So gehörte das Christentum in den Anfängen zur Religion von vertriebenen, unterdrückten Sippen im Sinai, parallel zur Herrschaft der Ägypter, und wurde später erst die Religion der Unterdrückten (Sklaven in Rom), da die Idee der Gleichheit aller Menschen (auch der Sklaven) vor Gott den Sklavensystemen widersprach und zur Verbreitung beitrug. Die Idee der Gleichheit vor Gott nährte dann später im Mittelalter gleichzeitig den Gedanken, dass die Menschen auf der Erde selbst schon gleich sein sollten, was zur Abschaffung der feudalen, mittelalterlichen Herrschaft der Kirche, Fürsten und Könige führte und zur Neuzeit. Insofern enthalten die herrschenden Ideen IMHO immer auch die Ideen des Untergangs einer Epoche.

Deine Argumentation ist eine idealistische, wertende Geschichtsbetrachtung, indem das Christentum den von Dir angenommenen alle Epochen überdauernden, natürlichen, dem Menschen inhärenten Werten gegenübergestellt wird.

Klugschnacker 03.06.2016 23:36

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1227108)
Die Idee der Gleichheit vor Gott nährte dann später im Mittelalter gleichzeitig den Gedanken, dass die Menschen auf der Erde selbst schon gleich sein sollten, was zur Abschaffung der feudalen Herrschaft der Kirche, Fürsten und Könige im Mittelalter führte und zur Neuzeit. Insofern enthalten die herrschenden Ideen IMHO immer auch die Ideen des Untergangs einer Epoche.

Danke für den interessanten Beitrag. Ich würde mich gerne mit dem oben zitierten Abschnitt kritisch auseinandersetzen. Nach meinem Verständnis hat die "Gleichheit vor Gott" nie existiert. Weder praktisch, das versteht sich von selbst, aber auch nicht als Ideal und Utopie.

Die frühen Anhänger der christlichen Religion, die bekanntlich jüdische Wurzeln hat, verstanden als ein von Gott auserwähltes Volk. Aus ethnischer Perspektive kann von einer Gleichheit vor Gott also keine Rede sein. Entsprechend sind das Alte Testament und die Tora voll von Völkermorden.

Auf der Ebene des einzelnen Menschen wurde wiederum zwischen Ungläubigen und Gläubigen unterschieden, ferner zwischen Sklave und Herr, Mann und Frau, Menschen mit gottgefälligem Lebenswandel und den anderen (Zöllner, Pharisäer, Reiche, Homosexuelle etc.).

Die Kirche war ebenso hierarchisch strukturiert wie das damalige Herrschaftssystem. Ganz oben die Könige, darunter die Fürsten, dann die Adeligen, ganz unten dann die Bauern und Soldaten. In der Kirche der Papst, darunter die Kardinäle und Bischöfe und so weiter, und zu allerunterst die Frauen, wenn sie ihre Tage haben. Von Gleichheit keine Spur.

Im Himmel haben wir ganz oben Gott selbst, mit Jesus zu seiner Rechten. Darunter die Erzengel, dann die Engel, irgendwo darunter die Heiligen. Auch diese Ordnung ist hierarchisch und zeigt keine Gleichheit unter den Bewohnern des Himmels.

Im Mittelpunkt der diesseitigen Welt stand die Erde, um die sich der gesamte Kosmos drehte. Auf ihr der Mensch, als Krone der Schöpfung, ein Ebenbild Gottes. Dessen Vervollkommnung und sein anschließender Eintritt in das ewige Jenseits ist der Sinn für die Existenz des gesamten Universums, jedoch kann der Mensch auch im ewigen Höllenfeuer landen. Diese Ungleichheit ist nun endgültiger und ewiger Natur. Es ist die größte überhaupt nur denkbare Ungleichheit, und sie dauert über alle Zeit.

Dieses äußerst hierarchische, die Ungleichheit der Menschen rechtfertigende System wurde bedroht von Menschen wie Galileo Galilei. Er behauptete, dass die Erde nicht im Mittelpunkt der Welt stünde, denn sie dreht sich um die Sonne. Giordano Bruno erkannte, dass die kleinen Fixsterne am Himmel allesamt Sonnen sind, genau wie unsere. Er starb auf dem Scheiterhaufen der Kirche, Galilei wurde ebenfalls mit dem Feuertod bedroht. Der Mensch rückte nun durch die Erkenntnisse von Wissenschaftlern in seinem Selbstverständnis aus dem räumlichen Mittelpunkt des Universums heraus.

Charles Darwin vertrieb den Menschen dann aus dem ideellen Mittelpunkt der Welt. Die Entwicklung der Arten wird über unser derzeitiges Stadium hinausreichen und weiter gehen. Wir sind die Neandertaler von morgen, und existieren in jedem Fall nur vorübergehend. Daher sind wir zwangsläufig weder der Grund, noch der Sinn des Universums. Auch aus diesem Zentrum sind wir mittlerweile vertrieben (genauer gesagt: wir waren nie dort und haben uns unsere Sonderstellung immer nur eingebildet).

Es waren daher aus meiner Sicht die Wissenschaften, die die Hierarchien und Ungleichheiten infrage gestellt haben und schließlich widerlegten. Nicht die Religion. Dass sich die Männer die Unterlegenheit des weiblichen Geschlechts stets nur eingebildet hatten, ist eine Erkenntnis der Wissenschaft, nicht der Religion. Dass Homosexualität in der Natur ein häufiges, regelmäßiges und vollkommen normales Phänomen ist, zeigte uns die Wissenschaft und nicht die Religion. Die Aufklärung hat die Sklaverei beendet, nicht der Glaube. Die Bibel enthält zahlreiche Anweisungen zum Umgang mit Sklaven, erkennt aber an keiner Stelle das damit verbundene grundsätzliche Unrecht.

Und so weiter. Sorry, ist etwas lang geraten. :Traurig:

Klugschnacker 03.06.2016 23:44

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1227108)
Deine Argumentation ist eine idealistische, wertende Geschichtsbetrachtung, indem das Christentum den von Dir angenommenen alle Epochen überdauernden, natürlichen, dem Menschen inhärenten Werten gegenübergestellt wird.

Das ist wohl ein Missverständnis. Es gibt keine den Menschen innewohnende Werte, die alle Epochen überdauern würden*. Ich behaupte gerade das Gegenteil: Menschen, Werte und Moralbegriffe unterliegen einer fortwährenden Entwicklung.

Vielleicht können wir dieses Missverständnis ausräumen, wenn Du ein konkretes Beispiel für Deine Vermutung machst.
:Blumen:

*In gewisser Weise gibt es sie schon, aber davon war bisher noch nicht die Rede. Ich vermute, Du zielst auf etwas anderes.

qbz 04.06.2016 00:24

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1227130)
.......
Es waren daher aus meiner Sicht die Wissenschaften, die die Hierarchien und Ungleichheiten infrage gestellt haben und schließlich widerlegten. Nicht die Religion. Dass sich die Männer die Unterlegenheit des weiblichen Geschlechts stets nur eingebildet hatten, ist eine Erkenntnis der Wissenschaft, nicht der Religion. Dass Homosexualität in der Natur ein häufiges, regelmäßiges und vollkommen normales Phänomen ist, zeigte uns die Wissenschaft und nicht die Religion. Die Aufklärung hat die Sklaverei beendet, nicht der Glaube. Die Bibel enthält zahlreiche Anweisungen zum Umgang mit Sklaven, erkennt aber an keiner Stelle das damit verbundene grundsätzliche Unrecht.

Und so weiter. Sorry, ist etwas lang geraten. :Traurig:

Ich stimme Dir zu, dass die Wissenschaften und die Aufklärung das moderne Weltbild der Neuzeit schufen und nicht das Christentum. Und auch das Christentum kannte Sklaven, rechtfertigte dies mit Theologen, und die Herrschaft basierte auf per Geburt vererbten Ungleichheiten / Hierachien im Feudalismus. Es galten aber alle als Menschen mit Seele (ob ungläubig, verdammt oder erlöst), auch die Heiden. Die antiken Sklaven wurden nicht mit Menschen gleichgesetzt, eher mit Haustieren. Diese allgemeinste Form der Gleichheit (Anerkennung als menschliche Seele) meinte ich, weshalb sich das Christentum in der zerfallenden Antike verbreitete, z.B. auch unter den Sklaven in Rom.

qbz 04.06.2016 00:44

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1227136)
Das ist wohl ein Missverständnis. Es gibt keine den Menschen innewohnende Werte, die alle Epochen überdauern würden*. Ich behaupte gerade das Gegenteil: Menschen, Werte und Moralbegriffe unterliegen einer fortwährenden Entwicklung.

Vielleicht können wir dieses Missverständnis ausräumen, wenn Du ein konkretes Beispiel für Deine Vermutung machst.
:Blumen:

*In gewisser Weise gibt es sie schon, aber davon war bisher noch nicht die Rede. Ich vermute, Du zielst auf etwas anderes.

"Die Menschheit hat 99,9% der Zeit auf diesem Planeten ohne Christentum gelebt, aber nicht ohne Werte im Sinne von: Regeln des Zusammenlebens.

Diese Regeln entwickeln sich auch ohne göttlichen Eingriff ganz von selbst. Menschen sind wie alle Primaten soziale Wesen, die miteinander auskommen müssen."

Ich dachte, du denkst bei den Regeln des Zusammenlebens an bestimmte humanistische Werte, die für die Zeit vor dem Christentum, alle Epochen überdauernd, existieren.

trithos 04.06.2016 10:39

Zitat:

Zitat von waden (Beitrag 1227052)
Ich habe auch nicht geschrieben, dass der Vatikan das Hauptproblem in der Frage "Religion und Menschenrechte" sei. Aber bei der Formulierung und Entwicklung der Menschenrechte hat die katholische Kirche blockiert und nicht geholfen. Die praktischen Auswirkungen sind für den Einzelnen durchaus vorhanden (nur ein Beispiel ist die Diskriminierung der Frau, z.B. wenn die Kirche der Kindergartenleiterin kündigt, weil sie sich von ihrem Mann getrennt und mit einem neuen Partner zusammen lebt.)

Dein Beispiel zeigt aber meiner Meinung nach gut die Relationen. Und bitte versteh mich nicht falsch: ich halte es für eine Frechheit, wie die Kirche mit der von Dir erwähnten Kindergartenleiterin umgeht. Und ich finde es richtig, dass darüber öffentlich diskutiert wird und dass die Kirche in der Diskussion ihr Fett weg bekommt.

In anderen Religionen schauen die Probleme, die der Einzelne bekommen kann, aber durchaus drastischer aus: Abfall vom Glauben -> Todesstrafe, Diebstahl -> Hand abhacken, Autofahren -> nicht für Frauen! Usw.

Dass die Katholische Kirche im Laufe ihre Geschichte viel Dreck am Stecken zusammengesammelt hat, bezweifle ich nicht. Für jedes heute lebende Individuum ist aber die aktuelle Situation entscheidend und nicht historische Betrachtungen. Der Verlust des Arbeitsplatzes ist zweifellos ein dramatisches Ereignis, und die Kirche (sowohl als Institution als auch als Arbeitgeber) rückt sich damit selbst in ein schlechtes Licht. Es war trotzdem eine Kündigung. Eine Steinigung wegen Ehebruchs war es nicht.

zappa 04.06.2016 11:38

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1227095)
Warum? Du hast eine Behauptung aufgestellt, die für Dich völlig offensichtlich wahr sein muss. Jedoch hast Du keine Belege geliefert, sondern bestehst darauf, dass wir uns Deiner Meinung ohne Belege anschließen. Falls das nicht geschieht steigst Du aus der Diskussion aus?

Machen wir es doch so: Du lieferst einen Beleg für die Behauptung, der christliche Glaube habe das Mitgefühl des Einzelnen sowie der Welt gesteigert. Ich liefere Dir einen Beleg für das Gegenteil, danach diskutieren wir weiter. Einverstanden?
:Blumen:

"Aussteigen" im Sinne von, ich kann die Argumentation nicht mehr wirklich nachvollziehen, dass es "keinerlei positiven Zusammenhang" geben soll. Bei solcher Absolutheit steige ich aus.

Was Du als "Behauptung" interpretierst, ist, wenn Du den Post nochmals liest, ein relativierendes Argument, ohne Anspruch auf absolute "Wahrheit". Dass ich daran nicht glaube, habe ich auch in einem anderen Post geäußert. Und es ist für mich auch nicht so, dass sich irgendjemand meiner Argumentation anschließen muss. Es ist meine Konstruktion der Welt, die ich manchmal mit anderen teil, manchmal nicht.

Wenn ich Dir jetzt "Belege" liefern soll, kann ich Dir gerne aus meiner eigenen unmittelbaren Erfahrung Beispiele einzelner und auch von Gruppen nennen, von denen ich wahrnehme, dass es christlich-religiöse Werte sind, die diese Menschen heute - auch, nicht allein - dazu bringen Funktionales, ebenso wie Dysfunktionales zu vollbringen. Du wirst das aus Deiner Wahrnehmung heraus dann anders interpretieren, weil Du die Welt in Teilen anders siehst, als ich. Umgekehrt könnte ich von Dir "Belege" einfordern, die "beweisen", dass es "keinerlei positiven Zusammenhang" gibt.

Ich selbst bin übrigens konfessionslos und nicht unbedingt ein Vertreter einer christlichen Weltanschauung, versuche aber deren "Welt" und deren (funktionale und dysfunktionale) "Beiträge" auch zu verstehen.

flaix 04.06.2016 12:08

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1227095)
Machen wir es doch so: Du lieferst einen Beleg für die Behauptung, der christliche Glaube habe das Mitgefühl des Einzelnen sowie der Welt gesteigert. Ich liefere Dir einen Beleg für das Gegenteil, danach diskutieren wir weiter. Einverstanden?
:Blumen:

Mutter Theresa vs. Francisco Pizarro

durch das Vorhandensein des Gegenteils ist aber nicht bewiesen das die Behauptung falsch ist?

Klugschnacker 04.06.2016 13:20

Zitat:

Zitat von zappa (Beitrag 1227194)
Wenn ich Dir jetzt "Belege" liefern soll, kann ich Dir gerne aus meiner eigenen unmittelbaren Erfahrung Beispiele einzelner und auch von Gruppen nennen, von denen ich wahrnehme, dass es christlich-religiöse Werte sind, die diese Menschen heute - auch, nicht allein - dazu bringen Funktionales, ebenso wie Dysfunktionales zu vollbringen.

Es genügt nicht, zu belegen, dass Menschen christlichen Glaubens Gutes tun, denn das ist nicht die Behauptung, die hier in Frage steht. Die Behauptung lautet, dass sie mehr Gutes tun, als sie ohnehin getan hätten, und dass der christliche Glaube die Ursache dafür ist.

Altruismus, Kooperation, Mitgefühl ist den Menschen angeboren, und kommt in allen Kulturen sämtlicher Glaubensrichtungen vor, genauso unter Nichtgläubigen. Auch Primaten helfen Verletzten, teilen ihre Nahrung, und bringen sich bspw. beim Angriff eines Leoparden selbst in Gefahr, um die Gruppe zu retten.

Ich warte also mit ehrlichem Interesse auf einen Beleg dafür, dass das Christentum das Mitgefühl auf der Welt gesteigert hätte. Fällt er überzeugend aus, werde ich mich gerne Deiner Meinung anschließen, warum auch nicht?
:Blumen:

Klugschnacker 04.06.2016 13:28

Zitat:

Zitat von trithos (Beitrag 1227182)
Dass die Katholische Kirche im Laufe ihre Geschichte viel Dreck am Stecken zusammengesammelt hat, bezweifle ich nicht. Für jedes heute lebende Individuum ist aber die aktuelle Situation entscheidend und nicht historische Betrachtungen.

Für mich ist die historische Betrachtung wichtig. Derzeit ist sie in der religiösen Debatte sogar mein Hauptinteresse und der Grund dafür, warum ich mir die religiösen Urtexte lesend antue.

Denn es wird behauptet, diese Schriften seien das Fundament unseres Wertesystems. Unsere Moralbegriffe kämen aus dem Alten und vor allem aus dem Neuen Testament. Ob Gott selbst existiert wird oftmals als zweitrangig angesehen, entscheidend sei das moralische Fundament aus den Schriften, das damit den Menschen gegeben worden sei.

Ich halte das für eine sehr fragwürdige These und suche dafür Belege. (Dass das ein sehr nerdiges Interesse ist, gebe ich zu).
:Traurig: :o

waden 04.06.2016 13:28

Zitat:

Zitat von trithos (Beitrag 1227182)
Dein Beispiel zeigt aber meiner Meinung nach gut die Relationen. Und bitte versteh mich nicht falsch: ich halte es für eine Frechheit, wie die Kirche mit der von Dir erwähnten Kindergartenleiterin umgeht. Und ich finde es richtig, dass darüber öffentlich diskutiert wird und dass die Kirche in der Diskussion ihr Fett weg bekommt.

In anderen Religionen schauen die Probleme, die der Einzelne bekommen kann, aber durchaus drastischer aus: Abfall vom Glauben -> Todesstrafe, Diebstahl -> Hand abhacken, Autofahren -> nicht für Frauen! Usw.

Dass die Katholische Kirche im Laufe ihre Geschichte viel Dreck am Stecken zusammengesammelt hat, bezweifle ich nicht. Für jedes heute lebende Individuum ist aber die aktuelle Situation entscheidend und nicht historische Betrachtungen. Der Verlust des Arbeitsplatzes ist zweifellos ein dramatisches Ereignis, und die Kirche (sowohl als Institution als auch als Arbeitgeber) rückt sich damit selbst in ein schlechtes Licht. Es war trotzdem eine Kündigung. Eine Steinigung wegen Ehebruchs war es nicht.

Bezüglich der Relationen hast Du natürlich recht. Die Scharia ist aktuell in jeder Hinsicht schlimmer. Bei der Betrachtung der aktuellen Situation vergleiche ich, was die katholische Kirche in Relation zu unserer freiheitlichen Grundordnung vorträgt. Und es ist immer noch so wie seit Beginn der Aufklärung: die Kirche ist auch heute keineswegs ethischer Wegbereiter, sondern Bremser. Historische Betrachtungen sind - anders als Du anmerkst - natürlich auch für heute lebende Individuen entscheidend. Die Kirche hat seit Beginn der Aufklärung das Problem, die Erkenntnisse der Aufklärung mit dem geschriebenen Wort Gottes in Einklang zu bringen, und so eine "recht verstandene Form der Aufklärung" zu postulieren, was genau genommen überhaupt nicht funktioniert. Ziel ist dabei, die Deutungshoheit zu behalten. Die Botschaft der Liebe und des Mitgefühls spielt bei diesen institutionellen Argumentationen keine Rolle, sondern es geht um Macht, die sich die Kirche im Laufe der Geschichte selbst verschafft hat.

Klugschnacker 04.06.2016 13:57

@zappa: Vielleicht könnte man schauen, ob stark christlich geprägte Länder ein besonders "mitfühlendes" Rechtssystem aufweisen. Zum Beispiel ein Vergleich zwischen dem Rechtssystem und der Kriminalitätsrate der tiefgläubigen USA mit dem Schwedens oder Norwegens.

Ich habe mich damit nicht näher beschäftigt und kann diesen Vergleich nicht seriös ziehen. Mir scheint jedoch bei oberflächlicher Betrachtung, dass stark christlich geprägte Länder (oder allgemeiner: stark religiös geprägte Länder) eher zu einem weniger mitfühlendem und weniger fortschrittlichem Rechtssystem neigen.

Im Beispiel der USA spielt beispielsweise der Rachegedanke im Rechtssystem eine Rolle. Wird ein Mensch wegen Mordes hingerichtet, dürfen die Angehörigen des Ermordeten dabei zusehen.

Bleibt man gedanklich auf der nationalen Ebene Deutschlands, würde uns allen wohl ein wenig mulmig, wenn eine (fiktive) fundamentalchristliche Regierung die Ethikkommission des Bundestages durch eine "Moralkommission" ersetzen würde, die sich an der Bibel orientiert.

Das sind natürlich nur meine persönlichen Gedanken und sie können, wie immer, auch falsch sein.

zappa 04.06.2016 14:21

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1227212)
Altruismus, Kooperation, Mitgefühl ist den Menschen angeboren, und kommt in allen Kulturen sämtlicher Glaubensrichtungen vor, genauso unter Nichtgläubigen. Auch Primaten helfen Verletzten, teilen ihre Nahrung, und bringen sich bspw. beim Angriff eines Leoparden selbst in Gefahr, um die Gruppe zu retten.

Was ist denn der Beleg für diese These? :-)

Nach meinem Kenntnisstand der Entwicklungspsychologie ist dem Menschen - neben anderen - eine Position auf einer bipolaren Verhaltensdimension angeboren, die "Verträglichkeit" genannt wird. Das eine Ende der "Verträglichkeit" ist dabei gekennzeichnet durch "wettbewerbsorientiert" und "antagonistisch" und wird auch als "Egozentrismus" bezeichnet. Das andere Ende dieser Verhaltensdimension ist demgegenüber gekennzeichnet durch "kooperativ", "freundlich" und "mitfühlend" und wird auch als "Altruismus" bezeichnet.

Der Mensch wird hier in eine bestimmte Position zwischen diesen beiden Polen hineingeboren - individuell unterschiedlich. Entlang dieser Argumentation ist eine Aussage "Altruismus, Kooperation und Mitgefühl sind angeboren" nur teilweise haltbar. Die Heritabilität, also der Anteil der Vererbung an der Position ist nach heutigem Forschungsstand mit 42% angegeben (Bouchard & McGue, 2003). Der andere Teil ist dann Umweltbedingt, wobei es da auf die jeweils individuelle Umwelt ankommt.

Umweltbedingt heißt Sozialisation in den individuell relevanten Umwelten. Und dabei gibt es dann alle möglichen Varianten: Ein eher altruistisch veranlagter Mensch kann durch und in der Umwelt in der lebt seinen Altruismus verstärken, oder größtenteils verlieren, oder weitgehend auf der Position bleiben, auf die er schon hineingeboren war. Ein eher egozentrischer Mensch kann durch und in der Umwelt in der er lebt seinen Egozentrismus verstärken, oder größtenteils verlieren, oder weitgehend auf der Position blieben, usw. Alle möglichen Richtungen und Kombinationen.

Und in der Sozialisation spielt dann eine christlich-religiöse Weltanschauung, sofern sie eine relevante Umwelt für den Menschen darstellt, eine (von vielen) Möglichkeiten dar in der die Bewegung auf der Verhaltensdimension ausgelöst, verändert, beendet oder sonst was wird.

Klugschnacker 04.06.2016 15:40

Zitat:

Zitat von zappa (Beitrag 1227231)
Und in der Sozialisation spielt dann eine christlich-religiöse Weltanschauung, sofern sie eine relevante Umwelt für den Menschen darstellt, eine (von vielen) Möglichkeiten dar in der die Bewegung auf der Verhaltensdimension ausgelöst, verändert, beendet oder sonst was wird.

Zusammengefasst: Religion kann eine Auswirkung auf das Verhalten von Menschen haben. Muss aber nicht. Falls sie Auswirkungen hat, können diese entweder in Richtung Selbstlosigkeit oder Egoismus gehen.

Noch kürzer: Religion kann Einfluss haben oder nicht. Die Richtung dieses Einflusses ist ungewiss.

Das ist, wenn ich Dich richtig verstehe, nicht gerade als Beleg für Deine ursprüngliche Position zu werten, oder?
:Blumen:

zappa 04.06.2016 16:16

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1227248)
Zusammengefasst: Religion kann eine Auswirkung auf das Verhalten von Menschen haben. Muss aber nicht. Falls sie Auswirkungen hat, können diese entweder in Richtung Selbstlosigkeit oder Egoismus gehen.

Noch kürzer: Religion kann Einfluss haben oder nicht. Die Richtung dieses Einflusses ist ungewiss.

Ja, so interpretiere ich das. Und da unterscheidet sich Religion nicht von allen anderen relevanten Umwelten und deren Einfluss. Und der Einfluss bzw. die Richtung des Einflusses kann sich in einem Leben durchaus mehrmals ändern ...

Habe ich aber auch nicht wirklich anders formuliert:

Zitat:

Zitat von zappa (Beitrag 1227029)
Es reicht wenn der- oder diejenige daran glaubt. Und das ist wieder wie bei allen anderen Überzeugungen auch. Woran ich glaube, wovon ich überzeugt bin, wird mein Handeln maßgeblich beeinflussen - ob die Ausgangsstory, das, woran ich meine Überzeugung festmache, nun "wahr" ist, oder nicht.

Glaubenssätze und Überzeugungen bilden sich eben auch durch und in den relevanten Umwelten, von denen die christliche, zumindest in einigen Regionen dieser Welt, eine nicht ganz kleine, relevante Umwelt für die Menschen ist.

Dabei gilt es zu bedenken, dass wir meistens in mehreren relevanten Umwelten (an anderer Stelle habe ich das Subsystem genannt) gleichzeitig leben und insofern selten bis gar nicht eine monokausale Sozialisation in eine bestimmte Richtung vorliegen kann. Wobei ich persönlich noch nicht mal von Kausalität, sondern von höherer oder geringerer Korrelation ausgehe.

waden 04.06.2016 16:20

Eigenschaften wie Altruismus, Mitgefühl und Liebe können innerhalb einer Religion ausgelebt werden, genauso eignen sich aber Religionen mit Anspruch des Auserwähltseins (Judentum, Islam, Christentum) auch dazu, andere Menschen auszugrenzen und insofern die ebenfalls den Menschen innewohnenden Eigenschaften Hass und Gewaltbereitschaft zu pflegen.
Für eine ethisch verantwortungsvolle Lebensführung genügt Humanismus mit Einhaltung der Menschenrechte ohne Aneendung einer Religion. Und Religionen, die diese Menschenrechte wegen des Wesenskerns ihrer Urtexte nicht anerkennen können, sind im Kern problematisch.

tandem65 04.06.2016 20:06

Hi Arne,

bei einem wichtigen Punkt gebe ich Dir vorbehaltlos Recht. Christen sind nicht besser als andere Menschen. Ein netter Spruch aus unserem Kreis ist:
Da kommt ein guter Spruch in meinen Kopf, Christen sind nicht besser, sie haben es besser. ;)

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1227130)
Die frühen Anhänger der christlichen Religion, die bekanntlich jüdische Wurzeln hat, verstanden als ein von Gott auserwähltes Volk.

Du redest von den Israeliten als Christen. Das ist für mich als Christen etwas schräg. Denn für Christen gehört die Dreifaltigkeit/Dreieinigkeit, also Gott, Jesus & Heiliger Geist tatsächlich zu den Grundsätzen des glaubens. Somit kann es den christlichen Glauben früheste seit Jesu Geburt geben. Letztlich erst nach seinem Toid/Auferstehung/Himmelfahrt. Für die Juden ist Jesus ja auch nur ein Prophet, der eigentlich ihr Messias sein sollte.

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1227130)
Aus ethnischer Perspektive kann von einer Gleichheit vor Gott also keine Rede sein. Entsprechend sind das Alte Testament und die Tora voll von Völkermorden.

Blöde Frage, hast Du wirklich den Eindruck daß die Kriege alle aus Religiösen Gründen von den Israeliten angezettelt wurden. Oder wurden nicht auch mal Kriege angezettelt weil man das Land einfach besitzen wollte und die anderen es eben einfach nicht so hergaben durch gut zureden. Sind die Israeliten nicht auch einfach mal überfallen worden und haben sich aus ganz unreligiösen Gründen verteidigt weil sie ihr Land nicht hergeben wollten? sind die Israeliten nicht einfach auch mal nach Babylon veschleppt worden für mehrere Jahrhunderte? Das ist ja oft schlicht und ergreifend Geschichte die da erzählt wird.
Hast Du schon mal Jesaja gelesen oder die anderen Propheten. Dort finden sich immer wieder konkrete Hinweise auf das erscheinen von Jesus. Das sind für Christen die wirklich spannenden Teile im AT.

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1227130)
Auf der Ebene des einzelnen Menschen wurde wiederum zwischen Ungläubigen und Gläubigen unterschieden, ferner zwischen Sklave und Herr, Mann und Frau, Menschen mit gottgefälligem Lebenswandel und den anderen (Zöllner, Pharisäer, Reiche, Homosexuelle etc.).

Ja und? Das mache ich & Du heute auch noch!
Die Frage ist doch ob der eine als besser der andere gewertet wird. Da hat Jesus sich ja mit dem Zöllner an einen Tisch gesetzt, was für die Pharisäer eben bis auf's Blut gereizt hat. Er hat ein Gebot nach dem anderen aus dem AT gebrochen. Damit hat er gezeigt daß viele Regeln aus dem AT nicht Göttlichen Willen darstellen. Sein Gebot der Nächstenliebe zeigt doch den Weg welche Regeln aus dem AT Du getrost verwerfen darfst, oder besser noch eher solltest. ;)
Gegen dieses Gebot zur Nächstenliebe verstosse ich auch hier im Forum Regelmässig mit meinen Kommentaren.
Jesus kritisiert gerade die überbordenden Regelungen der Pharisäer.
Für Jesus sind wir alle gleich, er liebt uns alle, ob wir an ihn Glauben oder nicht.
Da sind wir doch vor Gott alle gleich oder nicht?
Er sagt auch keiner kommt zum Vater denn durch mich. Viele Christen verstehen das so, daß nur wer an ihn glaubt in den Himmel zu Gott kommt.
Ich kann mir sehr gut vorstellen, daß er durch seine Liebe zu allen Menschen allen Menschen Vergebung schenken will.
Du schreibst es ja immer wieder, was wissen wir schon was das wirklich heisst. Ich glaube daran daß Jesus zur Vergebung unserer Sünden am Kreuz gestorben ist. Ob er das nur für Christen macht oder nicht. Puh woher soll ich das wissen. Ich darf als Christ jedenfalls daran glauben, daß er mir diese Vergebung schenkt.

Puh, so ausführlich und so roten Faden wie Du kann ich irgendwie nicht formulieren. Jedenfalls nicht wenn ich einen Post auch irgendwann mal abschicken will.

Vielleicht habe ich mich trotzdem halbwegs verständlich ausgedrückt.

Beste Grüße.

Mirko 04.06.2016 20:30

Zitat:

Zitat von tandem65 (Beitrag 1227289)
Hast Du schon mal Jesaja gelesen oder die anderen Propheten. Dort finden sich immer wieder konkrete Hinweise auf das erscheinen von Jesus. Das sind für Christen die wirklich spannenden Teile im AT.

Puhhh das hatte ich zu gläubigen Zeiten immer am meisten gehasst. Man sucht sich einen Satz im Alten Testament aus, auf den iiiiirgendwas von Jesus passt und reimt sich was zusammen. Die 10 Sätze davor und danach muss man allerdings komplett ignorieren.
Ich würde genauso viel Übereinstimmung mit mir selbst finden wenn ich kreativ genug wäre.

Hier so ein toller Beweiß:

Jesus als Nachkomme Jakobs:

4. Mose 24,17
Ich sehe ihn, aber nicht jetzt; ich schaue ihn, aber nicht von nahem. Es wird ein Stern aus Jakob aufgehen und ein Zepter aus Israel aufkommen und wird zerschmettern die Schläfen der Moabiter und den Scheitel aller Söhne Sets.

Toller Beweiß, aber was ist mit dem nächsten Satz:
Aus Jakob wird der Herrscher kommen und umbringen, was übrig ist von den Städten

Wie darf ich das verstehen? Wen hat er umgebracht? Offensichtlich hatte der Autor einen anderen Herrscher im Sinn wie unseren Jesus.

Mein Glaube blieb durch zuviel Bibellesen auf der Strecke...
(und zwar während dem Bachelor-Studium zum Missionar/Prediger/whatever...)

schoppenhauer 04.06.2016 20:41

Danke euch beiden.

Die Mutter meiner Tochter ist streng gläubig. Ich finds gut, dass meine Tochter einen besseren Zugang zum Glauben hat als ich.

Schwarzfahrer 04.06.2016 21:05

Zitat:

Zitat von tandem65 (Beitrag 1227289)
...Christen sind nicht besser, sie haben es besser.

Das aber auch nur, solange sie nicht z.B. in Pakistan oder Ägypten leben...

tandem65 04.06.2016 21:21

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1227294)
Das aber auch nur, solange sie nicht z.B. in Pakistan oder Ägypten leben...

Du siehst die Sache zu weltlich. ;) :Huhu: :Blumen:

Nach meinem Kenntnisstand wären allerdings Nordkoreanische Christen froh darüber in Pakistan oder Ägypten leben zu dürfen. Auf der anderen Seite scheinen in Nordkorea die Gemeinden zu wachsen.

Klugschnacker 04.06.2016 21:25

Zitat:

Zitat von tandem65 (Beitrag 1227289)
Jesus [hat] sich ja mit dem Zöllner an einen Tisch gesetzt, was für die Pharisäer eben bis auf's Blut gereizt hat. Er hat ein Gebot nach dem anderen aus dem AT gebrochen. Damit hat er gezeigt daß viele Regeln aus dem AT nicht Göttlichen Willen darstellen. Sein Gebot der Nächstenliebe zeigt doch den Weg welche Regeln aus dem AT Du getrost verwerfen darfst, oder besser noch eher solltest.

Ich halte Jesus aus meiner laienhaften Sicht durchaus für eine bemerkenswerte Figur, ebenso wie Sokrates, Gandhi, Einstein und viele andere. Es ist äußerst schade, dass man diejenigen seiner Aussagen, die man ihm historisch einigermaßen gesichert zuschreiben kann, auf eine DinA5-Seite schreiben kann. Viele seiner Worte wurden wohl durch religiöse Eiferer verfälscht, zum Teil bis in ihr Gegenteil. Ich würde mir wünschen, mehr von ihm wissen zu können.

Das Prinzip der Nächsten- oder Feindesliebe gefällt mir gut. Jesus als Kind seiner Zeit erfüllte es jedoch selbst nur zu einem geringen Grade, wenn man ihn an den heutigen Standards misst. Er war ethisch seiner Zeit voraus, jedoch unserer Zeit weit hinterher, zumindest nach meiner unmaßgeblichen Meinung. Wir sollten uns nichts darauf einbilden, denn heute hat jedes Schulkind Zugang zu einer viel weitreichenderen Bildung, als damals die größten Gelehrten; und viel mehr als Jesus selbst, der kein Gelehrter war, sondern ein einfacher Handwerker aus der Provinz. Immerhin hat er sich wohl selbst das Lesen beigebracht.

Zitat:

Zitat von tandem65 (Beitrag 1227289)
Ich glaube daran daß Jesus zur Vergebung unserer Sünden am Kreuz gestorben ist. Ob er das nur für Christen macht oder nicht. Puh woher soll ich das wissen. Ich darf als Christ jedenfalls daran glauben, daß er mir diese Vergebung schenkt.

Jesus ist nach meiner Überzeugung deshalb am Kreuz gestorben, weil ihn die Römer dazu verurteilt hatten. Sie wollten nach Johannes dem Täufer keinen Stress mit einer weiteren nervigen Sekte.

Wenn der allmächtige Schöpfer des Universums uns unsere Sünden vergeben will, dann macht er es einfach. Er vergibt sie, fertig. Es ist nicht nötig, dafür in Form eines Palästinensers auf einem Esel nach Jerusalem zu reiten und dort am Kreuz zu sterben, und diesen ohnehin geplanten Tod den Juden in die Schuhe zu schieben.

Das Menschenopfer und die Vorstellung, Schuld müsse durch Blut gesühnt werden, halte ich für eine besonders rückständige Überzeugung des Christentums. Es drückt sich darin wohl der damalige Zeitgeist aus, denn Blutopfer zur Besänftigung der Götter findet man in vielen religiösen Vorstellungen der damaligen Zeit. Hier zeigt sich kein Gott der Nächstenliebe, sondern ein archaischer Gott, der besänftigt werden muss.

Der von Gott bewirkte Kreuzestod wendet die Botschaft Jesu, die Nächstenliebe, ins Absurde. Jesus sagt, wir sollen verzeihen, ohne dem anderen zuerst ein Auge auszuschlagen oder andere Vergeltung zu üben. Gott zeigt, dass er nicht vergeben kann ohne ein grausames Blutopfer, noch dazu an einem Unschuldigen.

(Davon abgesehen hat die umfassende Vergebung aller Sünden nicht funktioniert: Noch heute müssen sich alle Menschen sehr anstrengen, um in den Himmel zu gelangen).

Wie gesagt, das ist alles nur meine persönliche Meinung. Sie kann ganz und in Teilen falsch sein. Ich wende mich gegen bestimmte Glaubensinhalte, nicht aber gegen die Gläubigen.

Klugschnacker 04.06.2016 21:38

Zitat:

Zitat von schoppenhauer (Beitrag 1227292)
Die Mutter meiner Tochter ist streng gläubig. Ich finds gut, dass meine Tochter einen besseren Zugang zum Glauben hat als ich.

Was meinst Du mit "besseren Zugang zum Glauben"? Dass sie gläubiger ist und weniger nach Argumenten oder Belegen fragt als Du? Oder dass sie mehr über das Christentum weiß?

Und, falls ich das noch fragen darf, an welchen Gott glaubt sie? Wir sind hier ja nicht alles Christen. Bitte einfach ignorieren, falls das zu persönlich ist.

Grüße, :Blumen:
Arne

Klugschnacker 04.06.2016 21:45

Ich will kurz an zwei Fragen erinnern, die aus meiner Sicht noch offen sind:

1. Welche Bibelstellen sind wörtlich zu nehmen, und welche nicht?
Gibt es jemanden, der privilegiertes Wissen darüber hat, wie die Bibel gemeint ist? Falls es mehrere gibt und sie nicht einer Meinung sind: wie entscheidet man, wer recht hat?

2. Hat der christliche Glaube zu mehr Mitgefühl geführt?
Gibt es Belege dafür, dass der christliche Glaube die Ursache für eine stärkere Empathie zwischen den Menschen oder Menschengruppen ist?

Guten Abend!
(Nach Diktat verreist) :Blumen:

tandem65 04.06.2016 21:53

Zitat:

Zitat von Mirko (Beitrag 1227291)
Hier so ein toller Beweiß:

Jesus als Nachkomme Jakobs:

4. Mose 24,17
Ich sehe ihn, aber nicht jetzt; ich schaue ihn, aber nicht von nahem. Es wird ein Stern aus Jakob aufgehen und ein Zepter aus Israel aufkommen und wird zerschmettern die Schläfen der Moabiter und den Scheitel aller Söhne Sets.

Toller Beweiß, aber was ist mit dem nächsten Satz:
Aus Jakob wird der Herrscher kommen und umbringen, was übrig ist von den Städten

Wie darf ich das verstehen? Wen hat er umgebracht? Offensichtlich hatte der Autor einen anderen Herrscher im Sinn wie unseren Jesus.

So ist es, er hatte jemand anderen im Sinn. ;) Wer hat die Moabiter so vernichtend geschlagen!? Nicht Jesus, vielleicht doch eher König David? ;)

Finde ich jetzt schon interessant. Ich rege an die Propheten mal zu lesen wie Jesaja, Jeremia und Du kommst mit einem Zitat aus dem 4. Buch Moses.

schoppenhauer 04.06.2016 21:57

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1227302)
Was meinst Du mit "besseren Zugang zum Glauben"? Dass sie gläubiger ist und weniger nach Argumenten oder Belegen fragt als Du? Oder dass sie mehr über das Christentum weiß?

Nein, sie will gar nicht wissen.

Sie schöpft ihre Kraft aus dem Glauben, die wir aus dem Sport oder der Erkenntnis schöpfen. Und sie hat mich vor allem mit ihrem anhaltenden Vertrauen in die Liebe verstört. Die haben wir Ungläubigen halt nur zu Beginn einer Beziehung.

tandem65 04.06.2016 22:17

Hi Arne,

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1227299)
Wenn der allmächtige Schöpfer des Universums uns unsere Sünden vergeben will, dann macht er es einfach. Er vergibt sie, fertig.

an dieser Stelle erinnere ich Dich an Deine Worte. Woher nimmst Du diese Erkenntnis. Das riecht nach einer göttlichen Eingebung. ;) :Blumen:

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1227299)
Es ist nicht nötig, dafür in Form eines Palästinensers auf einem Esel nach Jerusalem zu reiten und dort am Kreuz zu sterben,

Du hast Zweifellos Recht es ist nicht zwingend nötig für die Vergebung.

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1227299)
und diesen ohnehin geplanten Tod den Juden in die Schuhe zu schieben.

Auch die Pharisäer haben nur ihre Machtinteressen gefährdet gesehen durch Jesus. Das die Römer sich wahrscheinlich dessen bewusst waren ist mir schon klar. Deshalb waren sie sicherlich in der komfortablen Situation die Entscheidung der Verurteilung den Pharisäern zu überlassen.

tandem65 04.06.2016 22:23

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1227299)
(Davon abgesehen hat die umfassende Vergebung aller Sünden nicht funktioniert: Noch heute müssen sich alle Menschen sehr anstrengen, um in den Himmel zu gelangen).

Auch das riecht nach göttlicher Eingebung. Ich weiß es nicht Ich glaube daß mir durch meinen Glauben an Jesus Christus meine Sünden vor Gott vergeben werden. Ich habe es ja vorhin schon geschrieben, ich habe sogar den Verdacht daß ihr auch dort erscheinen könnt.

schoppenhauer 04.06.2016 22:27

Warum sitzt du auf dem Tandem vorne ?

tandem65 04.06.2016 22:33

Zitat:

Zitat von schoppenhauer (Beitrag 1227311)
Da muss ich nachfragen: Warum sitzt du auf dem Tandem vorne ?

Weil Frau tandem65 nicht so fett ist wie ich.
Weil Frau tandem65 keinen Bock auf bremsen, schalten & lenken hat.
Weil ich voll Bock auf bremsen, schalten & lenken habe.

Weshalb sollte ich nicht vorne sitzen?

schoppenhauer 04.06.2016 22:37

Zitat:

Zitat von tandem65 (Beitrag 1227314)

Weshalb sollte ich nicht vorne sitzen?

Weil die christliche Welt wie die islamische eine sehr männliche ist. Ganz einfach.

qbz 04.06.2016 22:40

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1227299)
......
Das Menschenopfer und die Vorstellung, Schuld müsse durch Blut gesühnt werden, halte ich für eine besonders rückständige Überzeugung des Christentums. Es drückt sich darin wohl der damalige Zeitgeist aus, denn Blutopfer zur Besänftigung der Götter findet man in vielen religiösen Vorstellungen der damaligen Zeit. Hier zeigt sich kein Gott der Nächstenliebe, sondern ein archaischer Gott, der besänftigt werden muss.

Der von Gott bewirkte Kreuzestod wendet die Botschaft Jesu, die Nächstenliebe, ins Absurde. Jesus sagt, wir sollen verzeihen, ohne dem anderen zuerst ein Auge auszuschlagen oder andere Vergeltung zu üben. Gott zeigt, dass er nicht vergeben kann ohne ein grausames Blutopfer, noch dazu an einem Unschuldigen.
.....

Dazu fallen mir spontan sofort die öffentlichen Diskussionsauftritte der mutigen, intellektuellen katholischen Theologieprofessorin Uta Ranke-Heinemann ein. Sie zählt in ihrem Glaubensbekenntnis unter anderem auf:

"7. Eine blutige Erlösung am Kreuz ist eine heidnische Menschenopferreligion nach religiösem Steinzeitmuster.[26]"

https://de.wikipedia.org/wiki/Uta_Ranke-Heinemann#Nein_und_Amen_.28Abschied_vom_traditione llen_Christentum.29

Empfehlenswert dieses Buch von ihr:
Nein und Amen: Mein Abschied vom traditionellen Christentum

Schwarzfahrer 04.06.2016 22:43

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1227304)
Ich will kurz an zwei Fragen erinnern, die aus meiner Sicht noch offen sind:

1. Welche Bibelstellen sind wörtlich zu nehmen, und welche nicht?
Gibt es jemanden, der privilegiertes Wissen darüber hat, wie die Bibel gemeint ist? Falls es mehrere gibt und sie nicht einer Meinung sind: wie entscheidet man, wer recht hat?

2. Hat der christliche Glaube zu mehr Mitgefühl geführt?
Gibt es Belege dafür, dass der christliche Glaube die Ursache für eine stärkere Empathie zwischen den Menschen oder Menschengruppen ist?

Guten Abend!
(Nach Diktat verreist) :Blumen:

Auf zwei klare Fragen meine höchst persönliche Meinung ohne Anspruch auf universelle Geltung:

1. gar keine.
Mir widerstrebe als rational denkendem Menschen grundsätzlich, solche Texte, die vor Jahrtausenden in einer uns völlig fremden Kultur mit dem Zweck der Religionsstiftung geschrieben wurden, heute noch wörtlich zu nehmen. Ich kann allerdings über die Beweggründe, warum etwas so geschrieben wurde, spekulieren.
Es gibt sicher viele, die glauben, das Wissen zu haben, wie die Bibel gemeint ist - ebenso, wie es angeblich 80 Millionen Bundestrainer gibt. Wer davon recht hat, wird keiner von uns objektiv entscheiden können - aber wir dürfen alle unsere jeweils eigene Meinung dazu haben.

2. Im Einzelfall, also bei bestimmten Personen, die den christlichen Glauben in diesem Sinne leben/lebten, sicherlich ja. Globalgalaktisch stehen sich positive und negative "Auswüchse" gegenüber. Diese kann man nicht quantitativ gegeneinander bewerten, im Sinne von "mehr".
Ich glaube aber, daß bestimmte Religionen zu einem höheren Anteil oder mit größerer Wahrscheinlichkeit zu einer empathischen Moralvorstellung führen können, als andere; da empfinde ich z.B. den Buddhismus und das Christentum gegenüber dem Islam, dem Judentum oder auch vielen Naturreligionen im Vorteil.

tandem65 04.06.2016 22:59

Zitat:

Zitat von schoppenhauer (Beitrag 1227315)
Weil die christliche Welt wie die islamische eine sehr männliche ist. Ganz einfach.

Du meinst ich sollte hinten sitzen und mich chauffieren lassen wie es sich für das Familienoberhaupt gehört?

qbz 04.06.2016 23:05

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1227304)
Ich will kurz an zwei Fragen erinnern, die aus meiner Sicht noch offen sind:

1. Welche Bibelstellen sind wörtlich zu nehmen, und welche nicht?
Gibt es jemanden, der privilegiertes Wissen darüber hat, wie die Bibel gemeint ist? Falls es mehrere gibt und sie nicht einer Meinung sind: wie entscheidet man, wer recht hat?

Das ist eine Frage, die sich in einem Forum kaum beantworten lässt, schon gar nicht für die ganze Bibel, vielleicht für einzelne Stellen mit Verweis auf einzelne Forscher, da sich mit dieser Thematik intensiv wissenschaftlich X-Gelehrte beschäftigen.

Die historisch-kritische Methode

"Die Anwendung der historisch-kritischen Methode auf die Bibel setzt voraus, dass biblische Exegese „ein Stück Geschichtswissenschaft“ (Rudolf Bultmann) ist, der Bibeltext also als ein geschichtlich geformter anerkannt wird und nicht als reine Offenbarung nur wörtlich genommen wird. Die Auslegung von Bibelabschnitten in ihrem historischen Kontext nimmt zum Beispiel wahr, dass Jesus Jude war oder dass die Regel „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ zum damaligen Zeitpunkt als ein ausdrückliches Gebot der Mäßigung verstanden werden musste."
Die_Methodenschritte_der_historisch-kritischen_Methode

qbz 04.06.2016 23:17

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1227319)
.......
Ich glaube aber, daß bestimmte Religionen zu einem höheren Anteil oder mit größerer Wahrscheinlichkeit zu einer empathischen Moralvorstellung führen können, als andere; da empfinde ich z.B. den Buddhismus und das Christentum gegenüber dem Islam, dem Judentum oder auch vielen Naturreligionen im Vorteil.

Ich finde, dass man Religionen im Zusammenhang mit den Institutionen, also der Kirche, welche die Religion verbreiten und die Inhalte (hier Bibeltexte) bestimmen, sehen muss. Da ich vorhin gerade Uta Ranke-Heinemann zitierte, bin ich bei Ihr noch auf diese interessante Interviewantwort gestossen:

"Ich werfe der Kirche besonders vor, dass sie sich von der Botschaft Jesu, die er in der Bergpredigt verkündet hat - nämlich: keine Vergeltung und den Feinden Gutes tun - vollkommen wegbewegt hat. Es ist keine Kirche der Liebe und des Verständnisses mehr, es ist eine Kirche der kalten Macht und Sexualfeindlichkeit.

Meine Probleme mit dem Christentum beginnen rund 300 Jahre nach der Geburt Jesu. Damals machte Kaiser Konstantin das Christentum zur Weltreligion und gab den christlichen Bischöfen unter anderem auch das Recht einer eigenen Gerichtsbarkeit. Konstantin hatte nämlich, so berichtet sein Biograf Eusebius vor der Schlacht an der Milvischen Brücke 312 "mit seinem Heer am Himmel ein Kreuzzeichen gesehen mit den Worten: 'In diesem Zeichen wirst du siegen!'" Er siegte dann auch in diesem Kreuzzeichen, ließ seinen Gegner Maxentius von der Milvischen Brücke stürzen und gab dem Christentum aus Dankbarkeit viele Privilegien. Militarismus ist seitdem das erste Kennzeichen des Christentums."

http://www.evangelisch.de/inhalte/21...e-ich-erreicht

Und noch ein ausführlicher Beitrag von ihr im Internet dazu hier:

http://www.magda.de/negatives-glaubensbekenntnis/

schoppenhauer 04.06.2016 23:21

Zitat:

Zitat von tandem65 (Beitrag 1227325)
Du meinst ich sollte hinten sitzen und mich chauffieren lassen wie es sich für das Familienoberhaupt gehört?

:dresche

Diese Diskussion führt halt zu nix, wie immer bei Arne.

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