Klugschnacker |
20.11.2022 11:10 |
Hatte ich auch schon, dass ich entschlossen war, einem Autofahrer eine auf die Fresse zu hauen, wenn ich ihn erwische.
Ich habe ihn erwischt und mich bis dahin aber wenigstens so weit beruhigt, dass ich ihn eine Minute lang angeschrien und beschimpft habe. Er stand 20 Meter entfernt hinter einem Zaun auf seinem Grundstück, das direkt an die Landstraße grenzte. Er ging gerade von seinem Auto zur Haustür.
Wir waren sechs oder sieben Radlerinnen und Radler. Einsame Landstraße im Elsass an einem sonnigen Sonntagmorgen, kaum ein Auto auf der Straße. Wir führen sehr zügig und in Einerreihe am rechten Fahrbahnrand. Die Führung hat gelegentlich gewechselt, sodass es innerhalb der Gruppe alle paar Minuten zu einem Überholvorgang kam.
Wir dürfen uns gegenseitig überholen – für Radfahrer besteht kein generelles Überholverbot. Aus Sicht eines sich von hinten nähernden LKWs sah es wohl so aus, als würden wir nebeneinander fahren (was auf praktisch komplett leerer Straße überhaupt kein Problem gewesen wäre). Das wollte er offenbar in erzieherischer Absicht bestrafen. Ihr kennt ja alle diese klassische Situation.
Also führ er extrem knapp seitlich an uns vorbei. Dort, wo die zwei Radler sich gerade überholten, führ er dem links fahrenden Radler beinahe ins Hinterrad, bremste dort scharf und hupte wild. Was er in seinem Furor übersah: Aus der Gegenrichtung näherte sich eine Limousine.
Um einen frontalen Zusammenstoß zu verhindern, betätigte der Fahrer der Limousine die Lichthupe, bremste stark ab und blieb schließlich sogar stehen. Der LKW-Fahrer zog noch ein Stück weiter nach rechts, wo sich aber mehrere Radler befanden – die hatte er ja gerade mit extrem wenig Seitenabstand überholt. Ich selbst war nicht unmittelbar gefährdet, "musste" mir aber diese haarsträubende Situation von hinten anschauen. Das geht dann alles so schnell, dass man nicht in der Lage ist, sich wenigstens das Kennzeichen des LKWs zu merken. Bedeutet konkret: Es gilt das Faustrecht des Stärkeren. Als Autofahrer hat man praktisch nichts zu befürchten.
Der Witz dieser Geschichte ist, dass Ihr sie ebenfalls hättet erzählen können. So etwas ist mehr oder weniger Radler-Alltag, mal mehr, mal weniger krass. Manche Autofahrer wenden mit ihren teilweise mehrere tausend Kilo schweren Karossen unmittelbare Gewalt an. Ich habe Verständnis dafür, wenn es mal zu Fällen von Gegengewalt kommt. Es ist falsch und es ist zu verurteilen, aber ich habe Verständnis dafür.
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