triathlon-szene.de |  Europas aktivstes Triathlon  Forum

triathlon-szene.de | Europas aktivstes Triathlon Forum (https://www.triathlon-szene.de/forum/index.php)
-   Politik, Religion & Gesellschaft (https://www.triathlon-szene.de/forum/forumdisplay.php?f=30)
-   -   Gernhardt-Sportgedicht der Woche ... (https://www.triathlon-szene.de/forum/showthread.php?t=666)

the grip 02.12.2010 09:16

Zugabe zum 2. Türchen am Adventskalender: Ringelnatz
 
Ein Nagel saß in einem Stück Holz

Ein Nagel saß in einem Stück Holz.
Der war auf seine Gattin sehr stolz.
Die trug eine goldene Haube
Und war eine Messingschraube.

Sie war etwas locker und etwas verschraubt,
Sowohl in der Liebe, als auch überhaupt.
Sie liebte ein Häkchen und traf sich mit ihm
In einem Astloch. Sie wurden intim.

Kurz, eines Tages entfernten sie sich
Und ließen den armen Nagel im Stich.
Der arme Nagel bog sich vor Schmerz.
Noch niemals hatte sein eisernes Herz
So bittere Leiden gekostet.

Bald war er beinah verrostet.
Da aber kehrte sein früheres Glück,
Die alte Schraube, wieder zurück.
Sie glänzte übers ganze Gesicht.
Ja, alte Liebe, die rostet nicht!

the grip 09.12.2010 08:44

Vorstadtstrassen - Erich Kästner
 
Vorstadtstrassen

Mit solchen Strassen bin ich gut bekannt.
Sie fangen an, als waeren sie zu Ende.
Trinkt Magermilch! steht gross an einer Wand,
als ob sich das hier nicht von selbst verstaende.

Es riecht nach Fisch, Kartoffeln und Benzin.
In diesen Strassen duerfte niemand wohnen.
Ein Fenster schielt durch schraege Jalousien.
Und welke Blumen bluehn auf den Balkonen.

Die Haeuser bilden Tag und Nacht Spalier
und haben keine weitern Interessen.
Seit hundert Jahren warten sie nun hier.
Auf wen sie warten, haben sie vergessen.

Die Nacht faellt wie ein grosses altes Tuch,
von Licht durchloechert, auf die grauen Mauern.
Ein paar Laternen gehen zu Besuch,
und vor den Kellern sieht man Katzen kauern.

the grip 12.12.2010 15:27

Erich Kästner
 
Wie nun mal die Dinge liegen
und auch wenn es uns missfaellt:
Menschen sind wie Eintagsfliegen
an den Fenstern dieser Welt.

Unterschiede sind fast keine,
und was waer auch schon dabei!
Nur, die Fliege hat sechs Beine,
und der Mensch hat hoechstens zwei.

the grip 12.12.2010 15:28

Vorstadtstrassen - Erich Kästner
 
Vorstadtstrassen

Mit solchen Strassen bin ich gut bekannt.
Sie fangen an, als waeren sie zu Ende.
Trinkt Magermilch! steht gross an einer Wand,
als ob sich das hier nicht von selbst verstaende.

Es riecht nach Fisch, Kartoffeln und Benzin.
In diesen Strassen duerfte niemand wohnen.
Ein Fenster schielt durch schraege Jalousien.
Und welke Blumen bluehn auf den Balkonen.

Die Haeuser bilden Tag und Nacht Spalier
und haben keine weitern Interessen.
Seit hundert Jahren warten sie nun hier.
Auf wen sie warten, haben sie vergessen.

Die Nacht faellt wie ein grosses altes Tuch,
von Licht durchloechert, auf die grauen Mauern.
Ein paar Laternen gehen zu Besuch,
und vor den Kellern sieht man Katzen kauern.

Wandergsellin 12.12.2010 16:27

Doppeltgemoppelt! :)

Aber trotzdem vielen Dank, ich mag die Kästner-Gedichte!

the grip 16.12.2010 08:29

Verhinderte Weihnachten - Erich Kästner
 
Verhinderte Weihnachten

Zunaechst verteile man die schoensten Rollen:
Der Gustav eignet sich - weil er mutiert -
zum Weihnachtsmann. Valeska baeckt die Stollen,
indem sie Semmeln mit Rosinen ziert.

Als Mutter laesst sich Frieda gut gebrauchen.
Denn sie ist dick und traegt bereits Frisur.
Und Karl muss Vater sein. Denn Karl kann rauchen.
Und ausserdem besitzt er eine Uhr.

Die andern Kinder koennen Kinder bleiben.
Sie duerfen kratzen, Nasen ziehn und schrein
und duerfen gern ein bisschen uebertreiben.
Auch heulen duerfen sie. Doch nur zum Schein.

Dann werden die Rouleaus herabgelassen,
damit es dunkel wird und draussen schneit.
Der Karl muss oefters an den Ofen fassen
und murmeln: 'O du liebe Weihnachtszeit!'

Und dann darf Gustav in das Zimmer treten.
Als Weihnachtsmann. Mit einem weissen Bart.
Und brummen muss er: 'Koennt ihr denn auch beten?
Damit ich sehe, ob ihr artig wart!'

Da muessen alle Kinder schrecklich lachen
und rufen: Gustav sei kein Weihnachtsmann!
Mit ihnen waere so was nicht zu machen!
Da geht dann Gustav wieder nebenan.

Jetzt muessen beide Eltern furchtbar zanken:
Pfui! Das erlebten sie zum erstenmal!
Und solche Eltern koennten sich bedanken!
Und solche Kinder waeren ein Skandal!

Zum Schluss muss Karl sich moeglichst ernst gebaerden,
und man muss spueren, dass er es beklagt:
'Da unsre Kinder taeglich klueger werden'
- erklaert er - 'wird die Feier abgesagt.'

the grip 16.12.2010 08:30

Zitat:

Zitat von Wandergsellin (Beitrag 505208)
Doppeltgemoppelt! :)

Aber trotzdem vielen Dank, ich mag die Kästner-Gedichte!

War doch ne Zugabe für den 3. Advent !

the grip 19.12.2010 12:25

Es laeuten die Glocken - Erich Kästner
 
Es laeuten die Glocken

Wenn im Turm die Glocken laeuten,
kann das viererlei bedeuten.
Erstens: dass ein Festtag ist.
Dann: dass du geboren bist.
Drittens: dass dich jemand liebt.
Viertens: dass dich's nicht mehr gibt.
Kurz und gut, das Glockenlaeuten
hat nur wenig zu bedeuten.


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 21:25 Uhr.

Powered by vBulletin Version 3.6.1 (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2025, Jelsoft Enterprises Ltd.