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Klugschnacker 25.10.2011 17:01

Jeden Tag verhungern 10.000 Kinder. Die allermeisten von uns leben dagegen im Überfluss. Sind wir nicht für alle verhungerten Menschen, denen wir hätten helfen können, es aber nicht taten, verantwortlich?

Und falls ja: Ist demnach nicht jeder Besitz oberhalb des Existenzminimums, und damit meine ich die Grenze des eigenen Verhungerns, unmoralisch?

Allgemeiner gesagt, bin ich für alles Leid, das ich hätte verhindern können, es aber nicht verhinderte, verantwortlich. Ich sehe da keinen Ausweg, zumindest nicht auf dieser Ebene der Betrachtung.

Andererseits ist der Erfolg aller heute lebenden Arten gleichbedeutend mit dem Misserfolg anderer. Ein Baum, der sich zur Sonne reckt, vollstreckt ein Todesurteil über die im Schatten sterbenden Arten unter ihm. Erfolgreich jagende Raubvögel schnappen einem Fuchs die Beute weg, sodass dessen Aufzucht stirbt. Ein Bauer, der seine Äcker bestellt, schickt hunderte Arten ins Nirwana. Die Aktivitäten des Menschen auf der Erde lösten ein Massenaussterben ("Faunenschnitt") anderer Arten aus. Unsere bloße Existenz als Art ist, wie bei allen anderen Arten auch, das Ergebnis eines Massakers.

Wir sind erfolgreich aus diesem Kampf hervorgegangen, als nachfahren von Siegern – nicht von Engeln! Das Anhäufen, der Egoismus und die Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal anderer Sippen und Arten sind anscheinend Teil des genetischen und kulturellen Programms, das uns erfolgreich gemacht hat. Es ist schwer, das nun abzuschütteln.

(Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich bin strikt gegen jede Form von Tierquälerei.)

Grüße,
Arne

HeinB 25.10.2011 17:06

Zitat:

Zitat von mauna_kea (Beitrag 661643)
danke für den guten Beitrag. War klar das sowas kommt.

Ok Dirk es ist angekommen, das Thema ist Dir ernst.

Prämisse: Wir können uns Bio-Fleisch leisten. Ich fahr hier jeden morgen an glücklichen Rindern vorbei, die ganz bestimmt nicht unnötig leiden müssen. Wenn ich jetzt nur noch Fleisch von diesen Rindern esse, ist das Thema "unnötiges Leid am Tier" dann nicht durch? Wem muss ich dann noch was beweisen, wofür "ein Zeichen setzen" und Vegetarier werden?

PS: Auch kein Whey Protein mehr?

HeinB 25.10.2011 17:07

Zitat:

Zitat von FinP (Beitrag 661863)
Letztens gab es doch hier diese entrüsteten Diskussionen um den Schulklasse, die einem Bauern beim Schlachten zugeguckt hat...

Der kam mit dem Huhn und Beil in's Klassenzimmer.. war es ne Grundschule?

pinkpoison 25.10.2011 17:09

Zitat:

Zitat von FinP (Beitrag 661863)
Letztens gab es doch hier diese entrüsteten Diskussionen um den Schulklasse, die einem Bauern beim Schlachten zugeguckt hat...

"verbales Massaker" ist treffender ;)

FinP 25.10.2011 17:10

Zitat:

Zitat von Tobias23 (Beitrag 661868)
Der kam mit dem Huhn und Beil in's Klassenzimmer.. war es ne Grundschule?

Ändert das irgendetwas?

War auf dem Schulhof, war angekündigt und das Beiwohnen freiwillig.

TheRunningNerd 25.10.2011 17:12

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 661864)
Allgemeiner gesagt, bin ich für alles Leid, das ich hätte verhindern können, es aber nicht verhinderte, verantwortlich. Ich sehe da keinen Ausweg, zumindest nicht auf dieser Ebene der Betrachtung.

Interessantes Argument - aber ich sehe da einen entscheidenden Unterschied, Du tust nichts aktiv dafür, das die Kinder in Afrika hungern. Du tust aber etwas aktiv dafür, das Tiere sterben & leiden, in dem Du Fleisch kaufst und damit sozusagen "Beihelfer" des Metzgers wirst. Man mag argumentieren, das wir mit unserem westlichen Lebensstil auch zum Hunger in Afrika beitragen, aber das ist doch noch ein anderer Abstraktionsgrad und wesentlich indirekter.

Zitat:

Wir sind erfolgreich aus diesem Kampf hervorgegangen, als nachfahren von Siegern – nicht von Engeln! Das Anhäufen, der Egoismus und die Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal anderer Sippen und Arten sind anscheinend Teil des genetischen und kulturellen Programms, das uns erfolgreich gemacht hat. Es ist schwer, das nun abzuschütteln.
Diese Argumentation könnte Kriege, Sozialdarwinismus, beliebige Verbrechen rechtfertigen: "ich Sieger, Du Opfer". Ich bin auch nicht von ihrer Schlüssigkeit überzeugt. Vielmehr glaube ich, das die Fähigkeit zu Vernunft und Moral (oder nennen wir's Mitgefühl) mindestens genauso sehr Teil des Programmes sind, das den Menschen als Spezies so erfolgreich gemacht hat. Abgesehen davon finde "Sieger vs. Engel" zum einen etwas martialisch und zum anderen bisserl sehr schwarz/weiss.

Klugschnacker 25.10.2011 17:17

Zitat:

Zitat von TheRunningNerd (Beitrag 661872)
Diese Argumentation könnte Kriege, Sozialdarwinismus, beliebige Verbrechen rechtfertigen - ich bin auch nicht von ihrer Schlüssigkeit überzeugt. Vielmehr glaube ich, das die Fähigkeit zu Vernunft und Moral (oder nennen wir's Mitgefühl) mindestens genauso sehr Teil des Programmes sind, das den Menschen als Spezies so erfolgreich gemacht hat. Abgesehen davon finde "Sieger vs. Engel" zum einen etwas martialisch und zum anderen bisserl sehr schwarz/weiss.

Es ist natürlich plakativ und zugespitzt, das hast Du völlig Recht. Aber wir haben eben diese beiden Seiten, das lässt sich nicht leugnen. Wer nur auf die eine Seite setzt (z.B. der Marxismus auf die Vernunft), wird den Menschen nicht gerecht.

pinkpoison 25.10.2011 17:19

Wie stehen Buddhisten zu diesen Fragen? Das buddhistische Kloster in Frankfurt a.M. schreibt dazu:

"Muss jeder Buddhist Vegetarier sein? Warum essen Buddhisten kein Fleisch?

Ein Buddhist muss nicht unbedingt auch Vegetarier sein. Man sollte auf keinen Fall selbst Tiere töten, darf aber Fleisch essen. Wenn unsere Barmherzigkeit größer wird und wir stärkeres Mitgefühl für andere Lebewesen empfinden, werden wir uns entscheiden, kein Fleisch mehr zu essen. Denn wir erkennen, dass für die Befriedigung unserer sinnlichen Begierde, Lebewesen sterben müssen.

Ein Erleuchteter hat sich bereits von jeglichen negativen Handlungen befreit, wir sind jedoch noch keine Buddhas oder Bodhisattvas. Inwieweit wir unsere Lebensweise an Buddhas Ratschlägen ausrichten, liegt daher bei uns selbst.

Buddha baute den Weg zur Befreiung stufenweise auf. Es gibt daher im Buddhismus kein muss für jeden, sondern die Handlung ist abhängig von der individuellen Entwicklung und Einsichtsfähigkeit. Buddha zeigte zwar deutlich auf, welche unheilsamen Folgen die unheilsamen Handlungen nach sich ziehen, er war sich aber auch bewusst, dass nicht jeder Mensch sofort alle negativen Handlungen einstellen kann. Daher sollte man die eigene Praxis langsam aber stetig vertiefen."

http://www.phathue.de/buddhismus/faq...um-buddhismus/

Megalodon 25.10.2011 17:43

Zitat:

Zitat von TheRunningNerd (Beitrag 661872)
Interessantes Argument - aber ich sehe da einen entscheidenden Unterschied, Du tust nichts aktiv dafür, das die Kinder in Afrika hungern.

Doch tut er, tun wir alle, weil "wir", die sogneannte "Erste Welt" ein System installiert haben, das genau dazu führt. Ein System, von dem wir profitieren und unter dem andere leiden.

OnT: Warum stellt sich eigentlich keiner die Frage, was Moral eigentlich ist? Die Beantwortung dieser Frage, impliziert nämlich per se, dass es moralisch ist, Tiere zu essen.

Ums vorwegzunehmen: Fleisch zu essen entspricht den moralischen Vorstellungen unseres aktuellen Kulturkreises.

mauna_kea 25.10.2011 17:53

@pp
schönes Beispiel mit Buddhismus.
so gesehen hab ich immerhin schonmal einen Schritt geschafft.

tobi_nb 25.10.2011 18:09

Zitat:

Zitat von Megalodon (Beitrag 661886)
OnT: Warum stellt sich eigentlich keiner die Frage, was Moral eigentlich ist? Die Beantwortung dieser Frage, impliziert nämlich per se, dass es moralisch ist, Tiere zu essen.

Herr Dr. haben sie den Kurs: "Wie ignoriere ich meine Mitmenschen an besten" erfolgreich bestanden?

"Der nächste Bitte"

Zitat:

Zitat von tobi_nb (Beitrag 661668)
Kann mich mal jemand aufklären was Moral ist, wer die definiert, und auf welche Moral wir uns beziehen? Die heutige, die von vor 1000 Jahren, oder diejenige die in 100 Jahren gilt.


pinkpoison 25.10.2011 18:19

Zitat:

Zitat von Megalodon (Beitrag 661886)

OnT: Warum stellt sich eigentlich keiner die Frage, was Moral eigentlich ist? Die Beantwortung dieser Frage, impliziert nämlich per se, dass es moralisch ist, Tiere zu essen.

:confused: Diesem Gedankengang kann ich nicht folgen. Warum impliziert die Antwort auf die Frage, dass es per se moralisch ist, Tiere zu essen?

(Unabhängig davon, dass ich es selbst ja für moralisch gerechtfertigt halte, wie weiter oben ausgeführt...mich interessiert Dein Gedankengang)

Kässpätzle 25.10.2011 19:33

Zitat:

Zitat von mauna_kea (Beitrag 661735)
Aber ich würde nie aus purem Spaß Tiere töten, quälen oder mehr als absolut nötig essen.

Die meisten Konsumenten haben doch auch keinerlei Spaß am Fleischkonsum. Wer sich vom Handy beschäftigt nebenher im Fastfoodladen was auch immer einverleibt kann das sicherlich nicht als Genuß abtun.






Zitat:

Zitat von MarcusF (Beitrag 661827)
Was ist Eurer Meinung nach nun besser: Dass ein Tier gezüchtet wird, ein paar Jahre lebt (hoffentlich auf einer saftigen Wiese mit viel Platz und nicht eingepfercht auf 3 m²) und schliesslich geschlachtet und gegessen wird oder dass das Tier gar nicht existiert ?

Schau mal einer Zuschtsau bei der Arbeit zu. Die wird ohne eine Wiese gesehen zu haben geschlachtet und das Alter mit 0, vor den Jahren angegeben.

Megalodon 25.10.2011 19:35

Zitat:

Zitat von pinkpoison (Beitrag 661895)
:confused: Diesem Gedankengang kann ich nicht folgen. Warum impliziert die Antwort auf die Frage, dass es per se moralisch ist, Tiere zu essen?

(Unabhängig davon, dass ich es selbst ja für moralisch gerechtfertigt halte, wie weiter oben ausgeführt...mich interessiert Dein Gedankengang)

Vereinfacht dargestellt:

Moralisch ist, was weder gegen geltende Gesetze verstößt noch gegen die guten Sitten und Gebräuche.

Fleischessen ist weder illegal noch unüblich. Also kanns nicht unmoralisch sein.

Massentierhaltung hingegen verstößt mE sehr wohl gegen geltende Gesetze und ist allein schon deshalb unmoralisch.

photonenfänger 25.10.2011 19:48

Zitat:

Zitat von pinkpoison (Beitrag 661895)
:confused: Diesem Gedankengang kann ich nicht folgen. Warum impliziert die Antwort auf die Frage, dass es per se moralisch ist, Tiere zu essen?

(Unabhängig davon, dass ich es selbst ja für moralisch gerechtfertigt halte, wie weiter oben ausgeführt...mich interessiert Dein Gedankengang)

Ich denke er meint, dass es nicht "per se" moralisch sein sollte, Tiere zu essen, sondern nur solche, die unter gewissen Bedingungen gehalten wurden etc...

Das denke ich übrigens auch, ich halte niemandem der Tiere isst vor, unmoralisch zu handeln, sondern habe das lediglich für mich entschieden, muss aber nicht missionieren. Man kann vieles für falsch halten, aber es tolerieren.

Meiner eigenen Erfahrung nach verteidigen Nichtvegetarier ihren Fleischkonsum oft deutlich agressiver als Vegetarier ihren Verzicht. Hier schließe ich eine gewisse Defensivhaltung nicht aus:cool:

Ein paar Posts weiter hinten wird Vegetarismus für Unfug erklärt und Vegetarier als Freaks aus einer anderen Welt bezeichnet. Nur so als Beispiel. Das resultier m.E. daraus, dass viel Leute in den Status Vegetarier implizieren, dass man sich für etwas schlaueres und moralisch besseres hält. Dass solche Glaubensfragen aber eben Glaubensfragen sind und bleiben und auch als solche, nämlich eher tolerant und zurückhaltend, behandelt werden sollten, versteht nicht jeder.....da wird dann am liebsten gleich das Haar in der Suppe gesucht und alles madig gemacht(ok, das könnte man andersherum auch vielen Vegetariern vorwerfen), von wegen Ledergürtel und Monokulturen auf Feldern. Zu den riesigen Ackerflächen sei nochmal das Argument von Veredelung erwähnt....

Schalom

Alex, der mit einer Fleischfresserin zusammen ist, was ohne größere Prügeleien funktioniert(meistens)

Gruß

Alex

mauna_kea 25.10.2011 20:06

Zitat:

Zitat von Megalodon (Beitrag 661926)
Vereinfacht dargestellt:

Moralisch ist, was weder gegen geltende Gesetze verstößt noch gegen die guten Sitten und Gebräuche.

Fleischessen ist weder illegal noch unüblich. Also kanns nicht unmoralisch sein.

Massentierhaltung hingegen verstößt mE sehr wohl gegen geltende Gesetze und ist allein schon deshalb unmoralisch.

Stimme ich grundsätzlich zu.(obwohl die Gesetze dazu ja auch nur von der Lobby gemacht sind, siehe kreative Gestaltung der Bezeichnung für "freilebend")

Das Grundproblem liegt allerdings darin, das man ja durch das Essen erstmal die Nachfrage selber schafft. Und Fleisch wird ja aus Gewinnsucht "produziert" und nicht aus Nächstenliebe.

Natürlich wäre es schonmal ein guter Schritt, wenn man sich nicht mehr einfach irgendwas reinwirft (möglichst billig) und etwas selektiver vorgeht, aber letztendlich verlagert das nur die Probleme.

Megalodon 25.10.2011 21:02

Zitat:

Zitat von tobi_nb (Beitrag 661893)
Herr Dr. haben sie den Kurs: "Wie ignoriere ich meine Mitmenschen an besten" erfolgreich bestanden?

"Der nächste Bitte"

Ich glaube, den habe ich tatsächlich mit Erfolg absolviert. Immerhin gelingt es mir inzwischen hervorragend, einiges hier im Forum einfach links liegen zu lassen oder gleich den Explorer zu schließen, ... für Wochen oder Monate wenns sein muss. ;)

Spaß beiseite, habe während der Arbeit einfach keine Zeit und Lust alles zu lesen.

In der Tat, Deine Frage kann man durchaus als eine der rhetorischen Art auffassen.

pinkpoison 25.10.2011 21:13

Zitat:

Zitat von mauna_kea (Beitrag 661940)

Das Grundproblem liegt allerdings darin, das man ja durch das Essen erstmal die Nachfrage selber schafft. Und Fleisch wird ja aus Gewinnsucht "produziert" und nicht aus Nächstenliebe.

Es wird Fleisch in erster Linie deshalb "produziert", weil dafür Nachfrage existiert. Gewinne damit zu erzielen ist der Anreiz in einer Marktwirtschaft, damit überhaupt etwas produziert wird. Gewinne gibt es allerdings nur dann, wenn der Wettbewerb nicht richtig (im Sinne eines vollkommenen Marktes) funktioniert. Auch Obst und Gemüse wird so gesehen aus "Gewinnsucht" produziert und somit ist das per se kein Argument gegen Fleisch als Gut, das auf Märkten gehandelt wird. Würde dafür keine Nachfrage existieren, dann wäre auch kein Markt dafür vorhanden.

Märkte sind logische Folge einer arbeitsteiligen Wirtschaft, weil reines Selbstversorgertum mit allen Gütern, die man konsumieren will, nicht effizient wäre. Diese Arbeitsteilung führt natürlich zwangsläufig zu einer gewissen Entfremdung vom Produkt, die es m.E. gerade bei Lebensmitteln via Aufklärung zu reduzieren gilt.

Das sollte Aufgabe des Staates sein, der jedoch von der Lobby der Lebensmittel- und Agrarwirtschaft regelmäßig so beeinflusst wird, dass keine objektive Aufklärung dabei heraus kommt.

Helmut S 25.10.2011 21:13

Ihr habt Probleme. Geht mal da hin, wo die Menschen am verrecken sind, weil sie nix oder wenig zu fressen haben. Da stellt sich keiner die Frage nach Moral. Da wird gefressen was man kriegen, fangen, fischen, jagen kann. Moral muss man sich auch leisten können.

Ich halt's (auch in der Überflussgesellschaft) mit Brecht "Erst kommt das Fressen, dann die Moral."

pinkpoison 25.10.2011 21:21

Zitat:

Zitat von Helmut S (Beitrag 661985)
Ihr habt Probleme. Geht mal da hin, wo die Menschen am verrecken sind, weil sie nix oder wenig zu fressen haben. Da stellt sich keiner die Frage nach Moral. Da wird gefressen was man kriegen, fangen, fischen, jagen kann. Moral muss man sich auch leisten können.

Ich halt's (auch in der Überflussgesellschaft) mit Brecht "Erst kommt das Fressen, dann die Moral."

Ich meine schon, dass selbst da eine "moralische Dimension" ins Spiel kommt: Die "moralische Verpflichtung zur Selbsterhaltung des Lebens, das einem geschenkt wurde". Dieser als Instinkt verankerte Teil des Selbsterhaltungstrieb macht deutlich, dass Fleischessen in einem gewissen Sinn sogar (überspitzt formuliert) als "moralische Verpflichtung ersten Ranges in Notlagen" betrachtet werden kann, wobei ich Not nicht mit drohendem Verhungern gleichsetze, sondern bereits mit drohender Mangelernährung, zu der ich Vegetarismus bekanntlich zähle.

(Den Aspekt habe ich in meinem ersten Posting in diesem Fred bereits auf die Ausgangsfrage der Moral des Fleischessens angeführt.)

tuben 25.10.2011 21:25

Hat wer am 15.10.2011, 13.55 Uhr arte geschaut ?
"Du bist, was du isst"
War ein guter Beitrag zum Thema.
Nach der These der Sendung gibt es diese Diskussion hier nur,
weil wir Fleisch essen.
Aber vieleicht liegen die ja auch völlig daneben.:confused:

pinkpoison 25.10.2011 21:31

Zitat:

Zitat von tuben (Beitrag 661994)
Hat wer am 15.10.2011, 13.55 Uhr arte geschaut ?
"Du bist, was du isst"
War ein guter Beitrag zum Thema.
Nach der These der Sendung gibt es diese Diskussion hier nur,
weil wir Fleisch essen.
Aber vieleicht liegen die ja auch völlig daneben.:confused:

Ich hab die Sendung gesehen - ging aber primär um das Kochen als Zubereitungstechnik als um den Fleischkonsum als Triebfeder der Menschwerdung, wenn wir die gleiche Sendung meinen.

Helmut S 25.10.2011 21:51

Zitat:

Zitat von tuben (Beitrag 661994)
"Du bist, was du isst"

Dann lass mal sehen: Schwein, Rind, Fisch, Pute, Huhn, Wildschein, Reh, Hirsch, Spinnen, Maden, Hunde, Ameisen, Truthan, Strauß, .... hmmmm .... ad-hoc fällt mir jetzt nicht mehr ein.

Bis auf Hirsch und Wildschein, alles auch schon selbst erlegt, aufgebrochen und wie man sagt "küchenfertig" gemacht. Die Dinge, die man einfach so z.B. aus Baumstämmen essen kann (Maden) habe ich natürlich zuerst nicht getötet, sondern einfach so gegessen ... wobei - ich glaube ich habe ihnen den Kopf abgedreht, daran sind sie wohl auch gestorben.

corn_fake 25.10.2011 22:21

Zitat:

Zitat von tuben (Beitrag 661994)
Nach der These der Sendung gibt es diese Diskussion hier nur,
weil wir Fleisch essen.

Ob diese Tatsache jetzt positiv oder negativ ist, darüber liesse sich genauso trefflich diskutieren.

Osso 25.10.2011 23:19

Schwieriges Thema, eine umfassende ethische Bewertung wäre eine sehr lange Abhandlung, in der man sich wohl umfassend mit sehr grunflegenden Fragen befassen müsste.

Nur mal ein paar kurze Gedanken:

Es empfieht sich ein Studium aktueller Veröffentlichungen zu den Themen

- Entropieproduktion zyklischer Prozesse
- Populationsmodelle/Diversität in Abhängigkeit der Austausgrößem/Mutationsraten
- Informationtheoretischer Ansatz des Lebens
- Praktische Ethik (sollte man aber um die Entwicklungsfähigkeit der kognitiven Fähigkeiten des Individuum währens seiner Lebensspanne erweitern)
(alles nicht unbedingt unumstritten, aber meiner Meinung nach die derzeit brauchbarsten Ansätze)

Wenn man die informationstheoretischen/thermodynamischen Modelle dessen betrachtet, was wir als Leben betrachten, so stellt sich heraus, dass sich eine Ökossphäre dann als am weitesten entwickelt darstellt, wenn sie die von äußerlich bestehenden Gradienten so nutzt, dass die Schwankungen der Zustandsgrößen innerhalb des Systems am geringsten ausfallen. Vereinfacht ausgedrückt: Die dem System von außen angebotene Energie wird so gut wie möglich genutzt. Die bisherigen Beobachtungen legen nahe, dass eine gewisse Biodiversität nötig ist um diese Aufgabe sogut wie möglich zu erfüllen.

In einer gut entwickelten Ökosphäre wir letztenedes jede Form von Energie durch eine Lebendform genutzt werden, welche im Gesamtzusammenhang dafür sorgt, dass die Größe "Gesamtentropie" des Systems möglichst effektiv vergrößert wird. Dies erfolgt unter anderem unter lokaler Verringerung der Entropie. Die Evolution hat sich zu dem Sinn etwas einfallen Lassen, das wir vereinfacht Nahrungskette nennen, was jedoch wiederrum nur ein Teil eines Gesamtkreislaufprozesses ist.

Wenn man jetzt eine Ethik aufbauen auf der Gleichwertigkeit allen Lebens heranziehen würde, so müsste man als Vernunftbegabter Mensch die Entscheidung treffen, mit welchem Verhalten man seine eigene Existenz sicher, als auch seine eigene Entwicklung betreiben kann. Das Ganze unter der Fragestellung, wie man dabei möglichst wenig anderes Leben behindert. Bisher haben wir Menschen unser Wachstum oft durch Maximierung der Entropie des Systems Erde bertrieben. Das ist aber eine Methode die nicht ewig funktioniert. Fleisch zu essen, ist in einem solchen Ethik von der Wertung her genau wie das Essen von Pflanzen zu bewerten.

Macht man eine Bewertung der Wertigkeit von Leben anhand der Kognitiven Fähigkeiten ihrer Individuuen, so differenziert sich das Bild dahingehend, dass man bemüht sein sollte weniger Fleisch zu essen. Das alles unter der Prämisse, dass Pflanzen keine oder nur sehr gering ausgebildete kognitive Fähigkeiten besitzen.

Meine Meinung: Der Mensch ist fähig dazu Entscheidungen zu treffen. Es spricht nicht wirklich etwas dagegen Fleisch zu Essen.

Da nach Argumenten für den Fleischverzehr gefragt wurde lehne ich mich mal weit aus dem Fenster und behaupte aus dem Gefühl heraus, das eine gemischter Konsum von Fleisch und Pflanzen mit leichtem Schwerpunkt auf Pflanzen in einem Ökosystem die größte Menge an menschlichen Individuen ermöglicht. Ob eine weiter Entwicklung der Menschheit insbesondere ihrer Gentechnologischen Fähigkeiten eine Verschiebung zu rein pflanzlicher Kost bewirken kann, bin ich mir nicht sicher.

Osso

das was jetzt alles arg verkürzt...

Klugschnacker 25.10.2011 23:24

Osso, es geht darum, dass höhere Tiere ein Bewusstsein und Gefühle haben.

Grüße,
Arne

Osso 25.10.2011 23:39

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 662094)
Osso, es geht darum, dass höhere Tiere ein Bewusstsein und Gefühle haben.

Grüße,
Arne

Hab ich in einem weiter hinten liegenden Teil angeschnitten. Das Thema ist meiner Meinung nach sehr komplex, deswegen hab ich versucht weit auszuholen, was nötig ist. Letztenendes auch der Hinweis auf die "Praktische Ethik", die sich ja bereits sehr früh (ich glaube in den späten 70er Jahren) über die Kognitionsschiene dem thema näherte. Siehe z.B.

Greate Ape Project

http://www.greatapeproject.org/

Grüßle, Osso

Helmut S 25.10.2011 23:52

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 662094)
Osso, es geht darum, dass höhere Tiere ein Bewusstsein und Gefühle haben.

Cogito ergo sum sagt das Reh und löst so die von der Wildsau gestreuten Zweifel an ihrer Nichtexistenz auf.

Grüße in die Off-Season
H.

ironing 26.10.2011 01:02

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 661723)
Leben geht immer zu Lasten anderen Lebens.

Wieso das denn? Es ist doch eher so, dass ein Leben ohne das Leben der Anderen völlig trostlos wäre.

ironing 26.10.2011 01:15

Moralische Gründe für den Fleischkonsum sehe ich ehrlich gesagt keine (es mag andere geben).

Ausser einem als Argument ziemlich erbärmlichen "das war schon immer so" und "der mensch ist nunmal ein Allesfresser" kann man da auch nicht viel vorbringen ...

Fleisch zu essen funktioniert doch für die meisten nur bei völliger Ausblendung der negativen Seiten der Massentierhaltung. Die meisten von uns würden schon daran scheitern, sich ihr Futter selbst zu erlegen - ich persönlich würde ein Kalb nicht erschiessen nur um mein Schnitzel essen zu können.

Da man mit der Realität der Fleischproduktion aber nicht viel zu hat, ist es sehr leicht, nicht daran zu denken. Es bedarf da eines aktiven Schrittes, der nicht leicht zu gehen ist. Ich selbst habe zB zwar schon mit dem Gedanken gespielt, aber noch nie ernsthaft daran gedacht, Vegetarier zu werden.

Campeon 26.10.2011 08:43

Zitat:

Zitat von pinkpoison (Beitrag 661836)
Was würdet Ihr von folgender Regel halten? :

"Du sollst ein Tier nur dann essen, wenn Du es selbst getötet hast oder wenigstens eines seiner Artgenossen einmal im Leben eigenhändig getötet hast"

Geil, da gäbe es 98% reine Vegetarier und die Krankenkassen würden Milliarden von Euro sparen!!!

Flitzetina 26.10.2011 08:48

Zitat:

Zitat von Campeon (Beitrag 662166)
Geil, da gäbe es 98% reine Vegetarier und die Krankenkassen würden Milliarden von Euro sparen!!!

Und die Psychiater würden reich :Cheese:

Campeon 26.10.2011 08:50

Zitat:

Zitat von Flitzetina (Beitrag 662170)
Und die Psychiater würden reich :Cheese:


Warum?
Wenn man ein Tier tötet ist das zwar nicht so schön wie ein gutes Glas Wein, aber dafür gleich zum Psychiater rennen, ist auch nicht nötig!

tobi_nb 26.10.2011 08:53

Zitat:

Zitat von Campeon (Beitrag 662166)
Geil, da gäbe es 98% reine Vegetarier und die Krankenkassen würden Milliarden von Euro sparen!!!

Schaut man sich an, wie schnell der Mensch sämtliche selbsternannte Ethik übern Haufen schmeißt, sobald er in 'not' gerät, könnte auch genau das Gegenteil passieren.

Flitzetina 26.10.2011 08:56

Zitat:

Zitat von Campeon (Beitrag 662172)
Warum?
Wenn man ein Tier tötet ist das zwar nicht so schön wie ein gutes Glas Wein, aber dafür gleich zum Psychiater rennen, ist auch nicht nötig!

Also ich hab mal durch Unfähigkeit den Tod einer kleinen Wachtel verschuldet und das Bild hat mich wochenlang verfolgt.
Ich kann ja nicht mal auf nen Regenwurm oder ne Nacktschnecke treten...

Fleisch ess ich trotzdem :Lachanfall:

MarcusF 26.10.2011 09:10

Zitat:

Zitat von Kässpätzle (Beitrag 661925)
Schau mal einer Zuschtsau bei der Arbeit zu. Die wird ohne eine Wiese gesehen zu haben geschlachtet und das Alter mit 0, vor den Jahren angegeben.

Wie Massentierhaltung in der Realität aussieht, ist mir schon klar. Die Frage, die ich gestellt hatte, war aber eine andere: Ist es besser, ein Tier hätte gar nicht erst gelebt als dass es lebt, um geschlachtet zu werden ?

powermanpapa 26.10.2011 09:17

ich hab mal ne Maus erschlagen--esse aber keine Mäuse
wir hatten auch mal ne Zeitlang Hühner, ein oder zwei mal habe ich denen den Kopf abgehackt und so lange fest gehalten bis die mit flattern aufhören
auf der Strasse lag mal ein angefahrenes bös verletztest Karnickel, dem habe ich den Gnadenstoss verpasst

wenn ich miterleben würde wie jemand ein Tier zum Spass quält, dann würde ich das gleich mit demjenigen tun
----------------

ich esse Fleisch
möglichst keins aus Industrie Betrieben
möglichst keine übermässige Mengen
MacDoof und Kollegen gehe ich so gut wie´s geht aus dem Weg, wenns viel ist...vielleicht 2x im Jahr

Osso 26.10.2011 09:34

Zitat:

Zitat von Jakob (Beitrag 662110)
Wieso das denn? Es ist doch eher so, dass ein Leben ohne das Leben der Anderen völlig trostlos wäre.

Reine Thermodynamik. Leben existiert nur, weil es "geordnete" Dinge zerstört. Dies ist die Triebfeder des Lebens und sein übergeordneter Zweck. Um das zu bewerkstellen haben lebende Systeme einen Stoffwechsel und können sich reproduzieren.

Um gleich noch auf dein anderes Posting zu antworten:

Eine rein vegetarische Ernährung zerstört auch lebensraum von endemischen Pflanzen und Tieren. Als Mensch muesstest du nun entscheiden, ob die Verdrängung einer Spezies (Ausrottung) moralisch vertretbarer ist als die Tötung einzelner Individuen, unter gleichzeitiger Beschränkung der Menscheit bzgl. ihrer Wachstumsmöglichkeiten. Die Ausübung von Zwang auf die Menschen, Ihre individuellen Rechte zum Wohle einer anderen Spezies aufzugeben wird ohne eine langwierige gesellschaftliche Debatte nicht möglich sein. Die moderne Agrarwitschaft hat mit dem ursprünglichen Ernährung auf pflanzlicher Basis genausowenig gemein, wie moderne Massentierhaltung mit der Jagd der Steinzeitmenschen.

Die Jagd der Steinzeitmenschen war im übrigen für die meisten Tiere alles andere als kurz und schmerzlos, wurde sie zum Teil doch über Stunden gehetzt.

Die Eigenschaft Allesfresser war mit entscheidend für den Aufstieg unserer Spezies. Das als schlechtes Argument abzutun ist nicht so einfach wie es gerne getan wird.

Gruß Osso

ps: Moral ist immer nur die Rechtfertigung des für das eigene Bestehen nötigen Handelns

TheRunningNerd 26.10.2011 11:33

Nach so vielen Beiträgen hier ist es an der Zeit mein Resumee zu ziehen: ich habe wie erwartet viele Argumente gehört, die Fleischkonsum kulturell oder ernährungstechnisch begründen. Ich habe wie erwartet ein paar Fleischesser gesehen, die sich von der Frage scheinbar angegriffen fühlen und recht unreflektiert den Vegetarismus ins Lächerliche ziehen. Ich habe einige sehr interessante, eher abstrakte philosophische Betrachtungen gelesen.

Was ich für mich persönlich nicht gefunden habe ist eine Antwort auf die Frage "warum sollte ich Leid verursachen, wenn ich die Option habe das zu vermeiden". Ob die Frage überhaupt richtig gestellt ist, ist eine andere Sache, aber rein intuitiv und "aus dem Bauch herraus" muss die Konsequenz aus meinen Überlegungen sein, das ich Vegetarier werde. Ob ich das schaffe, wird sich zeigen. Aber ich habe auch mit'm Rauchen aufgehört, nach 20 Jahren dauerqualmen, da sollte auf Fleisch verzichten eigentlich auch drin sein. ;)

tobi_nb 26.10.2011 11:39

Zitat:

Zitat von TheRunningNerd (Beitrag 662304)
Was ich für mich persönlich nicht gefunden habe ist eine Antwort auf die Frage "warum sollte ich Leid verursachen, wenn ich die Option habe das zu vermeiden".

"Fremde" haben möglicherweise eine andere Definition von "Leid erzeugen".
Daher gibt es darauf keine "richtige/falsche" Antwort eines "Fremden" sondern nur deine Eigene.


Zitat:

Zitat von TheRunningNerd (Beitrag 662304)
....aber rein intuitiv und "aus dem Bauch herraus" muss die Konsequenz aus meinen Überlegungen sein, das ich Vegetarier werde.

Da du dieses Resumee aus der Beantwortung deiner obigen Frage ziehst, musst du dir aber konsequenterweise hier die Frage stellen: "Erzeuge ich weniger Leid, wenn ich Vegetarier werde, oder sehe ich dieses Leid nur nicht mehr so direkt?"

P.S.: Du "musst" natürlich gar nichts.:Blumen:


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