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Die Herleitung universaler Werte einzig aus naturwissenschaftlichen Erkenntnissen fände ich auch interessant ... :)
Vielleicht mit einer Defintion, was man unter (moralischen/ethischen (?) ) "Werten" genau verstehen will. |
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Wenn ich seine Ansicht richtig verstehe, will er universale Werte nicht aus den Wissenschaften herleiten, aber sie sollten auf wissenschaftlichen Erkenntnissen stehen können, mit anderen Worten: nicht im Widerspruch zu ihnen stehen. Jedoch fände ich persönliche eine Herleitung universaler Werte aus wissenschaftlichen Erkenntnissen keine große Herausforderung. Wenn wir wissen, wodurch Leid verursacht wird, können wir ohne Schwierigkeiten gemeinsame Lebensregeln daraus ableiten. So kommt man vom Wissen zu den Werten. Letztlich wird das in vielen Bereichen ja auch so gemacht. |
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Aus deinem Ansatz entnehme ich "Leid -> schlecht/falsch". Worauf willst du dies physikalisch/naturwissenschaftlich gründen ? Aus physikalischer Sicht ist Leid, so man es physikalisch fassen/definieren kann, einfach nur Leid. Weder gut, böse, falsch oder richtig. Intuition, gesunder Menschenverstand, Glaube oder was auch immer, mögen Leid als "schlecht" oder "zu vermeiden" betrachten. Darauf aufbauend ließe sich dann Naturwissenschaft zu Rate ziehen, wo es tatsächlich zu finden und wie es zu vermeiden wäre. |
Ich erinnere mich an deine Schilderung :
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Für eine Wertung, ob die ganze Angelegenheit per se nun richtig oder falsch ist, sehe ich keine naturwissenschaftlichen Ansätze. Hier greifen dann wie gehabt Mitgefühl, Menschenverstand, Moralvorstellungen (worauf wiederum gegründet ?), menschengemachte Gesetze etc. |
Ich interessiere mich an dieser Stelle dafür, da ich hier oft genug den Eindruck hatte, daß lediglich naturwissenschaftlich hergeleitete Aussagen/Erkenntnisse Gültigkeit/Wertigkeit besitzen.
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Flow, Du beziehst Dich auf einen Teil der Debatte, bei der es um dieses Gebot aus der Bibel geht:
Wenn ein Mann einen störrischen und widerspenstigen Sohn hat, der nicht auf die Stimme seines Vaters und seiner Mutter hört, und wenn sie ihn züchtigen und er trotzdem nicht auf sie hört, 19 dann sollen Vater und Mutter ihn packen, vor die Ältesten der Stadt und die Torversammlung des Ortes führen 20 und zu den Ältesten der Stadt sagen: Unser Sohn hier ist störrisch und widerspenstig, er hört nicht auf unsere Stimme, er ist ein Verschwender und Trinker. 21 Dann sollen alle Männer der Stadt ihn steinigen und er soll sterben. Du sollst das Böse aus deiner Mitte wegschaffen. Ganz Israel soll davon hören, damit sie sich fürchten. QuelleDa ist also ein unfolgsamer Sohn. Die Bibel gebietet die Steinigung, an der sich alle Männer der Stadt beteiligen sollen. Warum? "Du sollst das Böse aus Deiner Mitte wegschaffen". Wendet man Wissen und Wissenschaft auf diesen Fall an, wird man erkennen, dass die Verschwendung und Trinkerei, die dem Verurteilten vorgeworfen wurde, sich auch auf anderem Wege therapieren lassen. Um "das Böse aus unserer Mitte wegzuschaffen", gibt es auch gewaltfreie Wege, die viele Vorteile bieten. Unter anderem den, dass die Eltern ihren Sohn vielleicht gar nicht steinigen, sondern lediglich sein Verhalten ändern wollen. Wir würden uns also fragen, welche Mittel gibt uns die Wissenschaft dafür an die Hand? Wie können wir helfen oder etwas zum Guten bewirken? Zugrunde liegt all diesen Erwägungen, möglichst viel Leid zu vermeiden. Dabei ist das Leid aller Beteiligten zu berücksichtigen. Eine gute Lösung ist dann eine, bei der in der Summe möglichst wenig Leid entsteht. :Blumen: |
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Wenn du eine Antwort darauf hast, freue ich mich, diese zu lesen ... :Blumen: |
Z.B. auch :
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Das Missverständnis rührt vielleicht daher, dass "Wert" oder "Gültigkeit" mit Wahrheit im Sinne einer Tatsache verwechselt werden. Hat die religiös-literarische Kunstfigur "Jesus Christus" wertvolle Dinge gesagt? Ja, vielleicht. Das kann jeder für sich selbst entscheiden. Ist er von einer Jungfrau geboren und nach seinem Tod wieder lebendig geworden? Mythologisch ja, faktisch nein. Der Wert seiner Ideen ist in gewissem Umfang unabhängig davon, ob er im literarischen oder im faktisch-naturwissenschaftlichen Sinn existiert hat. Diese Unterscheidung zwischen dem faktischen und dem literarischen Wirklichkeitsbegriff ist außerhalb der Religion überhaupt kein Problem und etwas völlig alltägliches. Hat Goethes Faust wichtige Dinge ausgesprochen? Ja, für mich persönlich durchaus. Hat er tatsächlich gelebt? Selbstverständlich nicht. Haben die Ideen von Sokrates Bedeutung für die Welt? Ja auf jeden Fall. Hat er tatsächlich gelebt? Wir wissen es nicht genau. Ist die Gleichheit aller Menschen eine Idee oder ein Fakt? Es ist eine Idee, eine idealisierte Vorstellung, die nur in unseren Köpfen existiert. Eine gute Idee, wie ich finde. Sobald sie jedoch als faktische Tatsache behauptet wird, ist sie falsch. Alle Menschen sind nun einmal verschieden und keineswegs gleich. Wer eine mythologische oder literarische Sache als Tatsache behauptet, wird von der Wissenschaft früher oder später überführt. Das bedeutet aber nicht, dass der Wert mythologischer oder literarischer Dinge verkannt würde. Ist mein Standpunkt jetzt klarer geworden? :Blumen: |
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Wenn ich beispielsweise meines Nächsten Weib lüstern anschaue, bin ich im religiösen Sinne böse und sollte mein Auge herausreißen, das mich verführt, oder meine Hand abhacken (Jesus, Bergpredigt). Jedoch ist durch diesen rein gedanklichen Vorgang der Lüsternheit keinerlei Leid für irgendjemanden entstanden – ganz im Gegenteil, ein Mensch wurde von recht angenehmen Emotionen erfüllt. Daher gibt es in der aufgeklärten Welt für solche Dinge keine Sanktionen. Statt nach Gut und Böse zu fragen, schaut man auf Glück und Leid. :Blumen: |
Ich möchte zur Diskussion nur anmerken, dass im Zitat von Dalai Lama von "scientifics findings" und nicht von "naturescientifics findings" die Rede ist, ohne jetzt damit eine Diskussion darüber beginnen zu wollen, was die Psychologie, Ethnologie, Geschichte, Soziologie als Wissenschaften z.B. vom gesunden Menschenverstand unterscheidet.
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Also auf der einen Seite gibt es "physikalische Wahrheiten". Darüber hinaus existiert aber noch weiteres, was nicht näher bewiesen werden muß, es reicht, wenn es z.B. "eine gute Idee" ist. Ja ? Besitzen solche "guten Ideen" dann unter Umständen auch allgemeine Gültigkeit oder sind sie Privatvergnügen ? |
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Nichtsdestoweniger scheint mir darin eine willkürliche Wertung zu liegen. Warum ist jemand, der Leid verursacht, schlecht und nicht gut ? Wie gehabt, wenn das nur eine private gute Idee oder auch eine kollektive Vereinbarung ist, müßte es ja nicht weiter begründet werden. Im Falle objektiver Allgemeingültigkeit eventuell schon. Ich erinnere deine Kritik am "absoluten/allgmeingültigen Wahrheitsanspruch", wenn dieser nicht bewiesen wurde. |
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Da der Dalai offensichtlich gerade anderweitig beschäftigt ist, interessiere ich mich persönlich auch gerne für die Meinung hier Anwesender. Arne hatte sich ja bereits selbst auch recht früh hinsichtlich des gesunden Menschenverstandes vom Originalzitat ein wenig distanziert ... |
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Das Leid und die Vermeidung von Leid als Richtschnur für eine Ethik zu verwenden, ist doch leichter nachzuvollziehen, als religiöse Vorstellungen aus der Antike. Man sollte IMO nicht vergessen, dass sich über religiöse Aussagen und ihre Bedeutungen keinerlei Konsens zwischen den Gläubigen herstellen lässt – von Anders- oder Nichtglaubenden ganz zu schweigen. Ist vorehelicher Sex okay oder nicht? Sind Verhütungsmittel eine Sünde? Ist Ehescheidung und Wiederheirat nach dem Willen des Schöpfers der Welt? Und dann wäre da noch das gemeinschaftliche Steinigen von ungehorsamen Söhnen: Ist das für Dich okay oder nicht? (Achtung Falle!) :) |
Ich bin noch etwas geprägt von den Unmengen unsäglichen Spottes, der hier jahrelang über christliche oder allgemein religiöse Vorstellungen ausgekippt wurde, wenn diese nicht naturwissenschaftlich belegt wurden ...
Nichtsdestoweniger scheint es nun aber solche zu geben, die auch in diesem Sinne unbewiesen Bestand und Allgemeingültigkeit haben sollen, ja ? Bleiben wir als Beispiel bei unseren geliebten Kindern. Kleine Kinder zu vergewaltigen und/oder ihnen mit Steinen die Köpfe zu zertrümmern halten wir für eine "schlechte Idee", für etwas "Verwerfliches". Wer so etwas tut, ist in unseren Augen "ein schlechter Mensch". Physikalisch/naturwissenschaftlich beweisen können wir es zwar nicht, aber wir sind uns nahezu alle darüber einig. Was wir wissenschaftlich beweisen können, ist daß dabei z.B. "Leid", "psychisch/emotionale Schäden" entstehen. Ob das aber nun "gut" oder "schlecht" ist, darüber schweigt die Naturwissenschaft. Darauf einigen wir uns einfach "nach Gefühl" und/oder ziehen philosophische oder Glaubens-Systeme zu Rate. Nichtsdestoweniger betrachten wir das Ergebnis als allgemeingültig. Es darf auch nicht weiter in Frage gestellt oder verspottet werden. |
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So bleiben mehr unbefriedigte Frauen für mich zur Auswahl ... :) Du hingegen hattest ja unbewiesen angeführt : Zitat:
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Was für mich persönlich "ok" ist, suche ich mir al gusto ohne Begründung aus. Die Notwendigkeit einer Begründund sehe ich erst, wenn ich es zu einem allgemeingültigen, gottgegebenen, nein ... naturgegebenen Prinzip, Grundsatz oder Wahrheit erheben will. |
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Das habe ich nicht gesagt und nicht gemeint. Vorstellungen wie zum Beispiel die Idee von der Gleichheit aller Menschen haben keine Allgemeingültigkeit. Sie anzuerkennen ist lediglich eine Verabredung unter den Menschen: Wir tun so, als wären wir alle gleich und gewähren uns daher die gleichen Rechte. Wir können uns über diese Verabredung hinaus nicht auf Tatsachen berufen. Beweisbar sind solche Idealisierungen ohnehin nicht. Von daher verstehe ich Deine Feststellung, fiktive Wahrheiten würden ohne Beweis anerkannt, nicht. Goethes Faust hat eine fiktive (literarische) Realität. Niemand käme auf die Idee, seine faktische Existenz oder Nichtexistenz belegen zu wollen. Sie ist von vornherein ausgeschlossen. Fiktive Dinge werden eben nicht wie Fakten behandelt. Es ist ein Problem des Christums ebenso wie anderer Religionen, dass sie fiktive Dinge (zum Beispiel jungfräulich geborene Gottessöhne) wie faktische Realitäten behandeln und als solche anerkannt haben wollen. Das kannst Du nicht auf eine Stufe stellen mit fiktiven Realitäten, die richtigerweise als Fiktionen betrachtet werden. Zitat:
Was sich überall auf der Welt an ethischen Normen herausgebildet hat, ist alles andere als unbegründet. Über diese Gründe (Ursachen) kann die Wissenschaft viel sagen. Es stimmt daher in meinen Augen nicht, dass Moral und ethische Normen unbegründet seien und nur von außen, etwa durch Götter, festgesetzt werden können. |
Flow, denke Dir mal für einen Moment den sehr speziellen Gott der Christen weg. Stelle Dir vor, es gäbe ihn nicht. Vielleicht, indem man das Grab von Jesus findest mit einer Leiche drin.
Würdest Du dann ohne moralischen Kompass dastehen? |
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Selbstverständlich hat das Christentum einen universalen Wahrheitsanspruch. Der Gott der Christen sei der Gott aller Menschen, und er wird über alle schließlich richten. Hier müsste auch aus Deiner Sicht die Begründung moralischer Normen nötig sein. |
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Wie hältst du es mit der Wissenschaft Philosophie ? In deren Teilgebiet der Ethik, in dem wir uns gerade hier bewegen, scheint man sich beliebig Grundsätz zueigen und auch allgemein machen zu dürfen, wohingegen seinerzeit in einem anderen ihrer Teilbereiche, der Ontologie, hier gleich die Disziplin als solche infrage gestellt wurde, wenn sie nicht durch die Physik ersetzt werden konnte ... :) |
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Wie gehabt erst, wenn es zur "allgemeinen Moral" oder was auch immer erhoben wird. |
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Ich möchte hier keinen Streit anfangen, doch ich fürchte, die wenigsten Christen finden die christlichen Mythen plausibel. Du beispielsweise findest den Mythos unplausibel, die eigenen ungezogenen Kinder zu steinigen und für Feindesliebe zu plädieren. Falls ich Dich richtig verstanden habe. |
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Machtverhältnisse und Funktionalität mögen zur Fest- und Durchsetzung von Gesetzen taugen, moralische Werte/Vorstellungen scheinen mir höheren Ansprüchen genügen zu müssen, um tatsächlich als solche anerkannt zu sein. |
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Vielleicht willst du dich bei Gelegenheit nochmal etwas eingehender mit den unterschiedlichen Aspekten des Wahrheitsbegriffs auseinandersetzen. Die wiederholt präsentierte Unterteilung in "literarische" und "physikalische" Wahrheit scheint mir doch etwas dünn ... :Blumen: Zitat:
Ganz allgemein, wie schon oft gesagt, interessiere ich mich für Sichtweisen anderer Menschen und hinterfrage diese gegebenenfalls auf Konsistenz. |
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Teilweise sind es biologische Faktoren, die auf unser System moralischer Werte Einfluss nehmen. Beispielsweise wird häufig die sexuelle Untreue von Männern anders bewertet als die von Frauen. Ein Mann kann, im Unterschied zur Frau, nicht sicher wissen, ob das Kind, das er aufzieht, von ihm selbst stammt. Entsprechend sanktionieren patriarchalische Gesellschaften die sexuelle Untreue von Frauen sehr stark, vor allem durch soziale Ächtung, aber auch durch Kontrolle wie Verschleierung und Einschränkung der Bewegungsfreiheit. Der Ehe wird eine Verlobungszeit vorgelagert und vorehelicher Sex tabuisiert. Das ist jetzt nur ein kurz skizziertes Beispiel. Ich möchte damit ausdrücken, dass es für die Herausbildung moralischer Normen viele sachliche Ursachen gibt. Im Gegensatz zur oft behaupteten Willkür. Moralische Bewertungen sind teilweise auch angeboren, mit anderen Worten, sie haben sich in der Evolution herausgebildet. Wir haben eine angeborene Bereitschaft zur Kooperation und damit die angeborene Fähigkeit, unsere Mitmenschen zumindest rudimentär gerecht zu behandeln. |
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Aspekte der Entwicklungsgeschichte zu kennen oder zu verstehen ist doch etwas anderes als tatsächliche "Ursachen" zu kennen. Ferner lese ich aus diesen Zeilen, "was sich über lange Zeit entwickelt und etabliert ist nicht mehr unbegründet". Naja ... Wie siehst du dies zum Beispiel in Hinblick auf ethische Normen zur Sexualität, nimm "Homosexualität". Was sich diesbezüglich über lange Zeit als ethische Norm herausgebildet hat, gilt ja mittlerweile auch als "unbegründet" und "falsch" ... Den interessanten Punkt in deinen Zeilen finde ich die Frage nach tatsächlichen Ursachen, die die Herausbildung bestimmter Phänomene im Laufe der Zeit quasi in einer bestimmten Art erzwingen, letztere somit in gewisser Weise schon immer vorhanden waren, wenn man will in Form ihrer Keime ... |
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Wenn Du den physikalischen Wahrheitsbegriff angreifen willst: nur zu! Ich werde interessiert mitlesen. Dem Wahrheitsgehalt religiöser Mythen kommst Du damit jedoch nicht näher. Mit anderen Worten: Selbst wenn Dir der Nachweis gelänge, dass alle Naturwissenschaft falsch ist, bist Du damit dem eigentlich zu führenden Beweis, dass es den christlichen Gott gibt, kein Stück näher gekommen. :Blumen: |
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Wer die Philosophie vom Kopf auf die Füsse stellte, war K. Marx. „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kömmt drauf an, sie zu verändern." |
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Ich zielte ursprünglich vielleicht etwas höher ... mir geht es sozusagen um eine fundierte Begründung von Aussagen wie "Handlung A ist gut"/"Handlung B ist schlecht". Du erklärst mir eher, wie solche Aussagen zustande kommen. Wobei deine diesbezüglichen Ausführungen natürlich erstmal plausibel erscheinen ... |
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Meine Empfehlung war eine eingehendere Beschäftigung mit den existierenden Konzepten zum Wahrheitsbegriff. |
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"Philosophie ist die Wissenschaft, über die man nicht reden kann, ohne sie selbst zu betreiben." - Carl Friedrich von Weizsäcker - |
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Vielleicht überlege ich mir eine ähnliche für die Psychologie ... :cool: Für heute erstmal allgemein danke fürs Gespräch und ¡buenas noches! ... :Huhu: Hab' noch ein bißchen zu tun ... |
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Ich sprach von den Ursachen, die zu moralischen Normen führen. Eine solche Norm wäre, alle Katholiken sind Bürger erster Klasse, Juden Bürger zweiter Klasse. So war das im Mittelalter und den meisten unserer Städte und Gemeinden. Ich kann jetzt nach den Ursachen fragen, die zu dieser Bewertung geführt haben. Es geht nicht darum, ob die Zweitklassigkeit jüdischer Bürger faktisch zutraf. In gleicher Weise kann ich nach den Ursachen fragen, die zu einem moralischen System führten, welches Minderheiten ausgrenzt, etwa homosexuelle Menschen. Es bedeutet nicht, dass die behauptete Minderwertigkeit eine Tatsache gewesen wäre. ---- Stell’ Dir zwei Gesellschaften vor, etwa Dorf 1 und Dorf 2. Beide haben unterschiedliche moralische Normen. Dorf 1 hält jede Form von Gewalt für falsch. Dorf 2 erlaubt das Töten von Bewohnern anderer Dörfer. Irgendwann werden die Bürger von Dorf 2 das andere Dorf überfallen und die meisten ihrer Einwohner totschlagen. Das moralische System von Dorf 2 überlebt und wird zur Norm. Das Dorf prosperiert und wird zur Stadt. Ringsum bilden sich neue Dörfer. Alle leben nach dem moralischen System, welches das Ermorden anderer Dorfbewohner erlaubt. Es dauert nicht lange, bis überall Mord und Totschlag herrscht, denn im Unterschied zu Dorf 1, das unbewaffnet war und auf Gewalt verzichtete, sind die jetzigen Dörfer aufgerüstet und im Kampf geschult. In jedem Konflikt gibt es bewaffnete Gegenwehr. Solche Schauplätze gibt es viele im ganzen Land. Nur einige wenige Landstriche lernen, dass sie die Gewalt beschränken müssen. Angriff ist ab sofort verboten. Erlaubt ist nur die Verteidigung. Das ermöglicht es den Bürgern, sich wieder mehr um ihre Arbeit zu kümmern. Die Gegend blüht wirtschaftlich auf, während die Dörfer vom Typ 2 sich gegenseitig abschlachten. So breitet sich ein neues moralisches System aus. Es kennt Gewalt, unterwirft die aber Regeln. Es ist erfolgreicher als die beiden anderen moralischen Systeme. Bald wird es zur Norm im ganzen Land. --- Das Beispiel soll modellhaft zeigen, wie sich moralische Systeme durch ihren Erfolg etablieren können. Es geht nicht um richtig oder falsch, wie bei Deiner Frage nach der Bewertung gleichgeschlechtlicher Liebe. Sondern um den Ausbreitungserfolg. Der Erfolg eines moralischen Systems kann biologisch-evolutionär sein, er kann kulturell sein (z.B. arbeitsteilige Gesellschaft und Kooperation versus Egoismus und Aggression) und er kann wirtschaftlicher Natur sein. So ungefähr meinte ich das. |
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Aber wie gehabt : Zitat:
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Also los: Jesus aus Nazareth wurde nach seinem Tod wieder lebendig. Er stieg aus seinem Grab, und nach 40 Tagen fuhr er gen Himmel auf, ohne eine Leiche zu hinterlassen. Weil er das tat, sind seine moralischen Ansichten für uns verbindlich. Welchen Wahrheitsbegriff legst Du hier zugrunde? Ich verstehe diese Geschichte mit dem literarischen Wahrheitsbegriff, und ich bestreite sie unter dem faktischen Wahrheitsbegriff. Was habe ich übersehen? Welcher Wahrheitsbegriff bringt uns dem Kern der Sache näher? Danke und bis Montag! :Blumen: |
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Diese moralischen Systeme haben sich entwickelt. Die Antwort, die Du suchst, ist der komplexe Mechanismus ihres Zustandekommens. Angenommen, ich fragte, warum Löwen zum Mord an Antilopen neigen. Daraufhin erklärt man mir die evolutiven Ursachen dieses Verhaltens. Ich erwidere: "Ihr sprecht von den Ursachen dieser Mordlust. Ich suche jedoch auf einer höheren Ebene nach einer Begründung. Wie begründet der Löwe, dass sein Verhalten gut ist, und nicht böse?". Sein Verhalten wurde deshalb zur Norm, weil es erfolgreich war und sich deshalb ausbreitete. Entscheidend ist der Ausbreitungserfolg. Die Begriffe Gut und Böse kommen erst nachträglich hinzu und etikettieren das moralische System, das sich erfolgreich ausbreiten konnte. Unsere Ansichten zur Sexualmoral sind so wie sie sind, weil sie sich erfolgreich in unserem Kulturkreis ausgebreitet haben. Erst nachträglich heften wir die Bewertungen gut und böse daran. Sie können sich deshalb auch ändern, teilweise bis in ihr Gegenteil. Früher war vorehelicher Sex eine Straftat, heute würde man jungen Paaren dazu raten (ich zumindest). Für Gut und Böse gibt es keine abstrakten Herleitungen, denn es sind Bewertungen im Wandel der Zeit. |
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Und da setzt die Idee "vom Kopf auf die Füsse" stellen an, das "Höhere" aus der Praxis der Menschen zu erklären, aus der Entwicklung der Produktivkräfte und Produktionsverhältnisse. Am Beispiel des Wertes Gleichheit (und auch Freiheit) lässt sich z.B. sehr gut aufzeigen, dass es bestimmte gesellschaftlich-historische Bedingungen braucht, bis die Idee von der Gleichheit aller Menschen ein allgemein selbstverständlicher Wert geworden ist (und sich auch ein Kant damit dann philosophisch beschäftigt). Die Antike mit ihren Sklaven kannte solche Umstände noch nicht, weshalb auch kein Kant´scher Imparativ in der Antike gedacht wurde. Erst die Verallgemeinerung der Warenwirtschaft verankerte nämlich den moralischen Wert von der Gleichheit aller in den Köpfen aller Menschen. "Dass ... in der Form der Warenwerte alle Arbeiten als gleiche menschliche Arbeit und daher als gleichgeltend ausgedrückt sind, konnte Aristoteles nicht aus der Wertform herauslesen, weil die griechische Gesellschaft auf der Sklavenarbeit beruhte, daher die Ungleichheit der Menschen und ihrer Arbeitskräfte zur Naturbasis hatte. Das Geheimnis des Wertausdrucks (x Ware A = y Ware B), die Gleichheit und gleiche Gültigkeit aller Arbeiten, weil und insofern sie menschliche Arbeit überhaupt sind, kann nur entziffert werden, sobald der Begriff der menschlichen Gleichheit bereits die Festigkeit eines Volksvorurteils besitzt. Das ist aber erst möglich in einer Gesellschaft, worin die Warenform die allgemeine Form des Arbeitsprodukts, also auch das Verhältnis der Menschen zueinander als Warenbesitzer das herrschende gesellschaftliche Verhältnis ist." (K. Marx, Kapital I, MEW 23, S. 74) Und um auf die Religionen zurückzukommen. Auch die ethnischen, traditionellen (Natur)Religionen entsprechen bestimmten Lebensweisen von Völkern mit wenig Handelskontakt untereinander und geringem Entwicklungsstand des Handwerks, der Produktivkräfte und Arbeitsteilung, vorzugsweise Jäger und Sammler mit einem eher unmittelbaren Verhältnis zur Natur. |
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