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Jörn 12.06.2019 16:13

Zitat:

Zitat von Trimichi (Beitrag 1457464)
Womöglich geben Religionen Sinn, Richtung und Orientierung vor? Jeder darf selbst Antworten suchen?

Widerspricht hier nicht der erste Satz dem zweiten?

Ist der Sinn nun von Gott (oder von den Religionen) bereits vorgegeben oder nicht?

Jörn 12.06.2019 16:15

Zitat:

Zitat von Trimichi (Beitrag 1457464)
Die tiefste Schicht ist demnach die Religion/Mythologie (Gründe).

Was sind also die Gründe?

Trimichi 12.06.2019 16:38

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1457467)
Widerspricht hier nicht der erste Satz dem zweiten?
Ist der Sinn nun von Gott (oder von den Religionen) bereits vorgegeben oder nicht?


Zitat:

Zitat von Trimichi (Beitrag 1457464)
Man kann die Sinnfragen doch individuell und/oder auch kollektiv klären? Oder etwa nicht. Muss sich das ausschließen? Ein Sinnsucher lebt als Asket in einer Höhe und findet auf Sinnfragen Antworten, buddhistische Mönche sitzen im Kloster bei Tee zusammen und singen und trinken Tee, finden Sinn und die christlichen Gläubigen fröhnen ihrer Religion und finden Sinn. Einverstanden? Wozu aber nun die Religionen? Womöglich geben Religionen Sinn, Richtung und Orientierung vor? Jeder darf selbst Antworten suchen? Dieses in einer religiösen Gruppe zu tun ist dabei ausgeschlossen?

Ein Mensch geht in den Wald und macht Holz. Er findet Sinn. Am nächsten Tag geht er in die Kirche mit anderen zusammen zum Gottesdienst und findet wiederum Sinn und Richtung, Orientierung und Glaube.

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1457468)
Was sind also die Gründe?

Na, ich meinte, dass Gründe subjektiv sind. Die Summe subjektiver Erlebnisse sind imho Narrative, Mythen und noch weiter abstrahiert oder regelgeleitet Religionen, wenn man so möchte.

Was Du nicht willst das man Dir tut das füg`auch keinen anderen zu. Kann sowohl auf der Individualebene als auch auf der Gruppenebene gelten. Und auch auf der intergruppen- und interkulturellen Ebene, wobei sich hier, auf der interkulturellen Ebene die Debatte entzündet hatte, insofern, dass Du alle Religion abschaffen willst. Blieben also noch Mythen und Legenden und die Narrative wie zum Beispiel die Geschichte vom Sandmännchen oder die Mär von der guten Zahnfee (die sich bei meinem letzten Zahnarztbesuch als die Geschichte von der bösen Zahnhexe entpuppt hatte).

Jörn 12.06.2019 16:49

Meine Frage war, was die "Gründe" sind (gemeint sind die Gründe für die Schöpfung), weil Du sagtest, dass allein die Religion diese tiefsinnige Fragen beantworten könne.

Deine Antwort darauf ist:

Zitat:

Zitat von Trimichi (Beitrag 1457472)
Na, ich meinte, dass Gründe subjektiv sind. Die Summe subjektiver Erlebnisse sind imho Narrative, Mythen und noch weiter abstrahiert oder regelgeleitet Religionen, wenn man so möchte.

Was Du nicht willst das man Dir tut das füg`auch keinen anderen zu. Kann sowohl auf der Individualebene als auch auf der Gruppenebene gelten. Und auch auf der intergruppen- und interkulturellen Ebene, wobei sich hier, auf der interkulturellen Ebene die Debatte entzündet hatte, insofern, dass Du alle Religion abschaffen willst. Blieben also noch Mythen und Legenden und die Narrative wie zum Beispiel die Geschichte vom Sandmännchen oder die Mär von der guten Zahnfee (die sich bei meinem letzten Zahnarztbesuch als die Geschichte von der bösen Zahnhexe entpuppt hatte).

Verstehe ich Dich also richtig, dass die Antwort auf die Frage, wozu das Universum geschaffen wurde, inklusive allen Lebens, allen Sterbens, allen Leidens, folgende ist: "Was Du nicht willst das man Dir tut das füg`auch keinen anderen zu".

Das ist also die Antwort der Religion auf das große Rätsel der Existenz von allem?

qbz 12.06.2019 18:51

Zitat:

Zitat von Trimichi (Beitrag 1457464)
Aja.


Aber gut, dann führe ich es nochmalig aus, wenn ich schon für die folgerichtige Antwort auf Deine Fragestellung abgewatscht werde. Die Psychologie sagt, wie etwas ist. Die Philosophie sagt, wie etwas sein sollte. So haben wir es gelernt an der Uni. Wie auch, dass noch tiefer als die Philosophie die Religion/Mythologie fragt. Wissenschaft, Philosophie und Religion schließen sich nicht aus, sind ineinander verschachtelt, auch als das Modell der geologischen Schichten bekannt. Wissenschaft kratzt an der Oberfläche, Philosophie dringt tiefer vor (unter die Oberfläche). Die tiefste Schicht ist demnach die Religion/Mythologie (Gründe).

Ist mir schon klar, dass Du auf die Feuerbach-Projektionstheorie hinaus willst.:Lachen2:
.......

Ausnahmsweise mal nicht, ;) sondern auf die Erläuterung des Lösungsansatz-/-vorschlages von Zarathustra zum Theodizee-Problem. Aber ich finde es auch interessant, etwas über die Bedeutung und Gegenstandsbereiche der einzelnen Wissenschaften zu lesen, wie sie Dir an der Uni vermittelt wurden. Danke Dir für Deine Mühe.

qbz 12.06.2019 23:30

Zitat:

Zitat von Trimichi (Beitrag 1457464)
Aja.

Aber gut, dann führe ich es nochmalig aus, wenn ich schon für die folgerichtige Antwort auf Deine Fragestellung abgewatscht werde. Die Psychologie sagt, wie etwas ist. Die Philosophie sagt, wie etwas sein sollte. So haben wir es gelernt an der Uni. Wie auch, dass noch tiefer als die Philosophie die Religion/Mythologie fragt. Wissenschaft, Philosophie und Religion schließen sich nicht aus, sind ineinander verschachtelt, auch als das Modell der geologischen Schichten bekannt. Wissenschaft kratzt an der Oberfläche, Philosophie dringt tiefer vor (unter die Oberfläche). Die tiefste Schicht ist demnach die Religion/Mythologie (Gründe).

Ist mir schon klar, dass Du auf die Feuerbach-Projektionstheorie hinaus willst.:Lachen2:

Obwohl es mit meiner ursprünglichen Frage zur Theodizee nichts zu tun hat, möchte ich gerne noch kurz inhaltlich darauf antworten. Zu meiner Studienzeit hätten sich Dozenten mit solchen Lehrmeinungen sehr kritische Fragen gefallen lassen müssen und wir hätten als Studentenschaft Professoren mit anderen Wissenschaftsauffassungen vom Fachbereich gefordert. Z.B.: Erklären Sie dieses Schichtenmodell und die Verschachtelung von Wissenschaft und Religion am Beispiel der immerwährenden Jungfräulichkeit Marias? Frageliste lässt sich leicht fortsetzen ... :Lachen2: :Blumen:

merz 12.06.2019 23:44

An veritas-Unis war das noch nicht üblich, immer ex cathedra, SCNR

m.

qbz 13.06.2019 07:43

Zitat:

Zitat von merz (Beitrag 1457549)
An veritas-Unis war das noch nicht üblich, immer ex cathedra, SCNR

m.

solange die Studenten mitspielten. ;) Beginn der Kritik, Hamburg 1967:


merz 14.06.2019 18:30




Sicherlich angeregt durch diesen thread hat Jürgen Habermas die Dinge mal auf den Punkt gebracht: 1700 Seiten, erscheint 09.2019 , happy reading


m.

Jörn 19.06.2019 10:28

Ab heute findet der mehrtägige "Evangelische Kirchentag 2019" in Dortmund statt:
Infos: https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsc...irchentag_2019

Ebenfalls in Dortmund gibt es eine Alternativ-Veranstaltung, nämlich den "Ketztertag Dortmund". Auch dies ist eine mehrtägige Veranstaltung mit abendlichen Vorträgen und Debatten, jeweils ab 18:30 Uhr. Die Sprecherliste ist sehr prominent besetzt.
Infos: http://www.ketzertag-dortmund.de

Ich werde vermutlich Mittwoch und Samstag dort sein.

MITTWOCH, 19. Juni 2019, 18.30 Uhr
Schöner Schimpfen mit Philipp Möller
Eine provokante und humorvolle Einführung in die Kirchenkritik

DONNERSTAG, 20. Juni 2019, 18.30 Uhr
Wie der Staat die Kirche finanziert
Vortrag von Carsten Frerk mit Diskussion
Anschließend:
Aktuelles zum Weltanschauungsrecht
Vortrag von Jacqueline Neumann mit Diskussion

FREITAG, 21. Juni 2019, 18.30 Uhr
Kirchliches Arbeits-un-recht und mehr
Vortrag von Ingrid Matthäus-Maier mit Diskussion
Anschließend:
Despoten. Demagogen. Diktatoren
Bildervortrag von Jacques Tilly mit Diskussion

SAMSTAG, 22. Juni 2019, 18.30 Uhr
Vernünftig glauben – ein hölzernes Eisen?
Streitgespräch zwischen Michael Schmidt-Salomon und Klaus von Stosch
mit anschließender Diskussion
(Klaus von Stosch ist ein Theologe, der sich in verschiedenen Debatten/Interviews als besonders gewiefter Winkeladvokat herausgestellt hat und als "harte Nuss" gilt.)

Alle Veranstaltungen zum Ketzertag finden im KINO SCHAUBURG, Brückstr. 66, 44135 Dortmund statt. Eintritt frei. Einlass ab 18.10 Uhr.

Helmut S 19.06.2019 14:31

Zitat:

Zitat von merz (Beitrag 1457842)
Sicherlich angeregt durch diesen thread hat Jürgen Habermas die Dinge mal auf den Punkt gebracht: 1700 Seiten, erscheint 09.2019 , happy reading

Danke für den Hinweis. Klingt interessant das Buch - allerdings auch nach ner "Aufgabe" ;)

Die aktuelle ZEIT (als die der letzten Woche, nicht die heutige/morgige) hat Habermas übrigens zum 90. auf dem Titel und im Inhalt.

Trimichi 19.06.2019 16:52

hallo m.,
der nächste Winter ist gerettet. Danke Dir.
1700 Seiten Lektüre, da hat man Weihnachten auch was zu tun :Lachen2:
Und morgen ist schon wieder ein Feiertag.
Immer diese Faulpelze, Christen, meinte ich.;)
M.

qbz 23.06.2019 23:36

Die evangelikale Bewegung in Lateinamerika.

"Im Jahr 2018 wurden in Lateinamerika drei Präsidenten mit überwältigender Unterstützung und zig Millionen Stimmen evangelikaler Kirchen und Sekten gewählt. In Brasilien der rechtsradikale Jair Bolsonaro, in Costa Rica der Fernseh-Prediger Fabricio Alvarado und in Mexiko selbst der Mitte-Links-Kandidat Andrés Manuel López Obrador, mit Beteiligung der evangelikal dominierten Partido Encuentro Social (Partei der Sozialen Begegnung). Ein Bericht von Frederico Füllgraf.

Eines steht fest und ist Gegenstand vielfacher Untersuchungen und Überraschungen: Die Präsenz evangelikaler Kirchen im politischen Leben der verschiedenen lateinamerikanischen Länder hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Zu den Hintergründen und Erklärungen gehört zweifellos der abnehmende Einfluss der Katholischen Kirche. In Lateinamerika verlassen stündlich 400 Menschen die seit der Conquista nahezu hegemonial wirkende Kirche Roms.

Erklärten sich im Jahr 2007 immerhin 66 Prozent aller Chilenen als praktizierende Katholiken, waren es nach Erhebungen der Katholischen Universität Chiles und des Meinungsforschungsinstituts GfK Adimark aus dem Jahr 2017 nur noch 59 Prozent. In Guatemala definieren sich bereits 30 Prozent der Bevölkerung als evangelisch. Nach Angaben des brasilianischen Instituts für Geographie und Statistik (IBGE) waren nach der jüngsten Volkszählung von 2010 von den insgesamt 210 Millionen Einwohnern des Landes etwa 42,3 Millionen – also 22,2 Prozent der Bevölkerung – Mitglieder evangelikaler Kirchen und Sekten."

Bibel, Mammon & Regime Change – Der evangelikale Feldzug in Lateinamerika – Teil 1: das Fußvolk und die Milliardäre
Bibel, Mammon & Regime Change – Der evangelikale Feldzug in Lateinamerika, Teil II: Nelson Rockefeller und die Anfänge

Trimichi 12.07.2019 15:14

heute wurde bekannt: im Leistungssport wurde (und wird???) doppelt so viel sexuell missbraucht wie in der katholischen Kirche. Schon interessant. Oder?

Klugschnacker 12.07.2019 15:33

Zitat:

Zitat von Trimichi (Beitrag 1463896)
heute wurde bekannt: im Leistungssport wurde (und wird???) doppelt so viel sexuell missbraucht wie in der katholischen Kirche. Schon interessant. Oder?

Du beziehst Dich auf die noch unveröffentlichten Studie der Uniklinik Ulm. Hier wird aus einer Stichprobe auf 200.000 Betroffene im Breitensport hochgerechnet.

Die Studie nennt außerdem 114.000 jeweils in der katholischen als auch in der evangelischen Kirche. Zusammen sind das 228.000 hochgerechnete Fälle. Die Kirchen belegen hier also klar den ersten Platz.

Diese Zahlen muss man in Beziehung setzen mit der Zahl der Menschen, die sich im Breitensport oder den Kirchen tummeln. Erst dann kommt man zu einem Bild der tatsächlichen Gefährdung, in den genannten Einrichtungen Opfer einer sexuellen Gewalttat zu werden.

In der bisher größten Studie fand man bei immerhin knapp 5% der Kleriker Hinweise auf Beschuldigungen des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger. Die betroffenen Kleriker vergewaltigten* im Durchschnitt 2,5 Kinder.

* Hier ist die Vergangenheitsform gewählt, da sich die Studie logischerweise auf die Vergangenheit bezieht. Es gibt meines Wissens nach jedoch keine Hinweise darauf, dass die Situation aktuell besser ist. Sexuelle Straftaten durch Kleriker finden auch heute statt.

Jörn 13.07.2019 07:19

Aus dieser Studie (PDF):

Alter der betroffenen Kinder:

0 bis 1 Jahre: 1 Fall
1 bis 2 Jahre: 2 Fälle
2 bis 3 Jahre: 4 Fälle
3 bis 4 Jahre: 9 Fälle
4 bis 5 Jahre: 18 Fälle
5 bis 6 Jahre: 29 Fälle
6 bis 7 Jahre: 48 Fälle
7 bis 8 Jahre: 79 Fälle
8 bis 9 Jahre: 132 Fälle

9 bis 10 Jahre: 292 Fälle
10 bis 11 Jahre: 313 Fälle
11 bis 12 Jahre: 316 Fälle
12 bis 13 Jahre: 309 Fälle
13 bis 14 Jahre: 347 Fälle
14 bis 15 Jahre: 298 Fälle

15 bis 16 Jahre: 239 Fälle
16 bis 17 Jahre: 206 Fälle
17 bis 18 Jahre: 131 Fälle
18 bis 19 Jahre: 25 Fälle

Man beachte den sprunghaften Anstieg ab 9 Jahren, und das allmähliche Absinken ab dem 15./16. Jahr. Besonders begehrt bei den Pfaffen sind also Kinder zwischen 9 und 15 Jahren. In zwei Dritteln der Fälle war das Kind bei der Ersttat 13 Jahre oder jünger.

Ganz besonders häufig betroffen sind Ministranten (969 Fälle) und Teilnehmer am Religionsunterricht (726 Fälle) und Kinder, bei denen eine "allgemeine seelsorgerische Beziehung" vorlag (718 Fälle). Zitat: "Drei Viertel aller Betroffenen stammen aus kirchlichen oder seelsorgerischen Kontexten, in denen eine maximale Autorität und Machtfülle der Beschuldigten mit einer minimalen externen Kontrolle einhergeht (Ministrantendienst, Religionsunterricht, Erstkommunions- oder Firmvorbereitung, all- gemeine Seelsorge)." (Seite 265 des Berichts.)

Trimichi 13.07.2019 15:53

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1463904)
Du beziehst Dich auf die noch unveröffentlichten Studie der Uniklinik Ulm. Hier wird aus einer Stichprobe auf 200.000 Betroffene im Breitensport hochgerechnet.

Die Studie nennt außerdem 114.000 jeweils in der katholischen als auch in der evangelischen Kirche. Zusammen sind das 228.000 hochgerechnete Fälle. Die Kirchen belegen hier also klar den ersten Platz.

Diese Zahlen muss man in Beziehung setzen mit der Zahl der Menschen, die sich im Breitensport oder den Kirchen tummeln. Erst dann kommt man zu einem Bild der tatsächlichen Gefährdung, in den genannten Einrichtungen Opfer einer sexuellen Gewalttat zu werden.

In der bisher größten Studie fand man bei immerhin knapp 5% der Kleriker Hinweise auf Beschuldigungen des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger. Die betroffenen Kleriker vergewaltigten* im Durchschnitt 2,5 Kinder.

* Hier ist die Vergangenheitsform gewählt, da sich die Studie logischerweise auf die Vergangenheit bezieht. Es gibt meines Wissens nach jedoch keine Hinweise darauf, dass die Situation aktuell besser ist. Sexuelle Straftaten durch Kleriker finden auch heute statt.

Hallo Arne, ja, ich beziehe mich auf diese Studie. Im Radio wurde gesagt, dass es doppelt so viele Fälle seien, wie in der katholischen Kirche. Zieht man nun also die evangelischen ab, so sind es genauso viele Fälle sexuellen Missbrauchs wie im Breitensport. Sehe ich das richtig? 228000 - 114000 = 114000. Davon abgesehen könnte es sein, dass im Leistungssport die Quote noch höher liegt. Liegen dazu Zahlen vor?



Hallo Jörn auch, solange keine meta-analytischen Daten vorliegen, die die Missbräuche in verschiedenen Kontexten vergleichen (Kirche, Gefängnis, Sport, Familie usw.), ist es unwissenschaftlich, irgend einem Kontext den ersten Platz zuzuweisen. Objektiv, und damit wissenschaftlich ist Dein "ranking" nicht. Es kann richtig sein. Bitte legen belastbare Zahlen aus anderen Bereichen vor, die Deine Behauptung belegen. Von jemanden, der der Wissenschaft Priorität einräumt, meine ich wagen zu dürfen dieses zu verlangen. :Blumen:

Grüße, Michi

*edit: hoffe, das von m. verlinkte Buch von Jürgen Habermas ist bald bestellbar. Freue mich schon sehr auf diese Lektüre. ;)

Jörn 13.07.2019 17:25

Zitat:

Zitat von Trimichi (Beitrag 1464039)
Hallo Jörn auch, solange keine meta-analytischen Daten vorliegen, die die Missbräuche in verschiedenen Kontexten vergleichen (Kirche, Gefängnis, Sport, Familie usw.) ...

Die Zahlen in der Studie verstehen sich relativ zu allen anderen Zahlen derselben Studie. Dadurch entsteht das Ranking der Altersgruppen.

Ich denke, das Problem ist hier nicht die exakte Analyse oder die exakte Zahlenbasis, sondern die zwanghafte Verteidigung der eigenen Religion. Würden diese Zahlen in einem Dokument über deutsche Moscheen stehen, würde die Reaktion anders ausfallen.

Kirchen und Gläubige (nicht alle) sitzen hier im gleichen Boot. Sie denken, es gäbe ein "höheres Gut", welches trotz des Leids der Kinder verteidigt werden müsste, und dies habe erste Priorität. Deswegen wird das Leid der Kinder relativiert, kleingeredet, abgestritten oder als unbestimmbar ("wir brauchen erstmal Meta-Daten!") negiert. Hauptsache, die Kirche oder der Glaube kommt unbeschadet aus der Sache heraus.

Aber die Kirche tut auch viel Gutes!

Trimichi 14.07.2019 10:38

Guten Morgen Joern,

es ging doch lediglich darum, wisssenschaflich belastbare und damit serioese Daten auszuweisen. Diese belegten auch die Missbrauchsfaelle in der Kirche und negierten selbige keinesfalls. Ich verteidige doch nicht die Kirche, indem mit der Erwaehnung der Studie deutlich wird, dass auch andere Kontexte betroffen sind. Dieses als religioeses Argument zu sehen ist wissenschaftlich nicht haltbar, bestenfalls rhetorisch. Vielmehr wird dem Lager der Atheisten Wind aus den Segeln genommen, insofern, weil der Eindruck enstanden ist, die Kirche naehme keine Sonderstellung ein. Diese kann unter Beruecksichtung der Zahlen angezweifelt werden. Nicht jedoch unter ethischer Perspektive. Priester sollen Vorbilder moralisch einwandfreien Verhaltens sein, wenn man so moechte. Dadurch wiegten die Missbrauchsfaelle innerhalb der Kirche qualitativ um so schwerer. Wie gesagt, eine Relativierung durch das quantitative Paradigma lag nicht in meiner Absicht.

Was tut die Kirche Gutes? Du ueberrascht mich! Du bremst? Nun, dann gebe ich Gas. ;) Im Westen ist sie, die Religion, zu einer politischen Institution degeneriert, da bin ich ganz bei Dir. Dieses betrifft auch den Islam, sowie den Judaismus, wobei im Judentum der Missionsbefehl fehlt. Die Religionen des Westens als Herrschaftsinstrumente? Creed, code und cult. Law and order. Nicht so die Religionen in Asien. Betrifft also, wie betont, die Religionen des Westens, nicht so die des Ostens. Ich fuerchte, Juergen Habermas' neues Buch ist unvollstaendig, obschon es 1700 Seiten umfassen wird. Behandelt wird dort der Okzident, die westliche Religion im Spannungsfeld mit der Wissenschaft. Wissen und Glauben im Westen. Nichts Neues?

Schoenen Sonntag Dir!

LG, Michi

Klugschnacker 14.07.2019 13:16

Es geht doch nur zum Teil um den "Missbrauch", auf deutsch: die Vergewaltigung von Kindern. Er ist schlimm genug, schließlich sind das schwere Straftaten.

Dass dieser Missbrauch mindestens über Jahrzehnte, wahrscheinlich aber über Jahrhunderte nicht angeprangert und bestraft wurde, ist das Ergebnis eines Netzwerks an Vertuschern und Abwieglern, zu dem nicht nur die Kleriker, sondern auch alle anderen Mitwisser gehören, also Vorgesetzte, Kirchenmitglieder, Lehrer und Eltern. Dieses Netzwerk ist weit größer als das Netzwerk der 5% aktenkundig pädokriminellen Täter innerhalb der Kirchen. Übrigens ist die Vertuschung von Straftaten ebenfalls eine Straftat, auf die bis zu 5 Jahre Gefängnis stehen.

Um es abzukürzen: Es geht auch um den Widerspruch zwischen dem hochfahrenden moralischen Anspruch und der eigenen Scheinheiligkeit der Kirchen. Man muss sich das mal vergegenwärtigen, mit welcher moralischen Arroganz sich die Kirchen sich über völlig unbescholtene Bürger erheben, wie Geschiedene, Wiederverheiratete, in "wilder" Ehe Lebende oder gleichgeschlechtlich liebende Menschen.

Jörn 14.07.2019 14:40

Die Vorfälle demonstrieren (jenen, die es sehen wollen), dass das bequeme Wir-glauben-einfach-alles-was-der-noble-Herr-Pfarrer-sagt einen Preis hat.

Der Preis kann die eigene Freiheit sein, oder die eigene intellektuelle Redlichkeit, oder die Freiheit anderer. Oder es führt zu Kindesmissbrauch, ebenso so wie zum Missbrauch von Erwachsenen, und anschließend zur Vertuschung.

Der sexuelle Missbrauch ist nur die winzige Spitze des Eisbergs. Jeder (der es sehen will) kann leicht erkennen, dass die Kirchenfunktionäre ein spezielles Völkchen sind -- natürlich nicht alle kriminell, aber ganz offensichtlich in großer Zahl mit größten psychischen "Besonderheiten". Sprich ein paar Minuten mit einem Pfarrer, und Du hast zu 80% das Gefühl: "Ein bisschen komisch ist er ja schon..."

Kein Wunder! Wo den ganzen Tag Engel und Heilige Geister gesehen und angebetet werden und wo man mit verzückten Augen von unbefleckten Jungfrauen schwärmt -- welche Leute werden sich wohl in so einem Club sammeln?



Dies alles zu ignorieren, weil man seine eigene heile Welt erhalten möchte, hat einen Preis. Die Gläubigen sollten endlich aufwachen und überprüfen, ob der noble Herr Pfarrer tatsächlich die Wahrheit sagt. Sie sollten aufwachen und prüfen, ob die Bibel die Wahrheit sagt. All die Wunder und Engel und Gebete und angeblichen Jesus-Worte: Kann das überhaupt so stimmen? Ist es nicht völlig offensichtlich, dass hier was nicht stimmt?

Niemand schöpfte Verdacht beim noblen Herrn Pfarrer und seinem "tollen Verhältnis" zu Kindern und Jugendlichen. Niemand schöpfte Verdacht beim kompletten Widerspruch der kirchlichen Lehren zu wissenschaftlichen Erkenntnissen. Wie hätte man da auch Verdacht schöpfen sollen? Der Herr Pfarrer war doch immer so höflich! Und die Geschichte mit Maria und Josef war doch immer so schön!

Gläubige mögen denken, dass der Kindesmissbrauch ein isolierter Fall ist. Das ist falsch. Der ganze Laden ist ein einziger Betrug, von vorne bis hinten.

Jeder kann sich selbst prüfen, wie er auf den letzten Satz reagiert. Ist es ein "Das darf man so nicht sagen, nein, das darf man nicht!"? Oder ist es ein "Okay, das werde ich jetzt mal untersuchen"?

Jörn 18.07.2019 05:45

Derzeit wird der 50. Jahrestags der ersten Mondlandung gefeiert. Im TV gibt‘s dazu gerade viele gute Beiträge. Ich persönlich fühle mich dieser ersten Mondlandung irgendwie verbunden, dann ich bin in dieser Woche zur Welt gekommen.

Für mich hat die Kosmologie und speziell die bemannte Raumfahrt die Menschheit weiter gebracht in der Frage, wer wir sind, welche Bedeutung wir haben, und welcher Platz uns im Universum zukommt. Das waren mal religiöse Fragen. Aber wie bei allen anderen religiösen Fragen hat die Wissenschaft schließlich die Antworten geliefert, und zwar welche, die prüfbar sind.



Der deutsche Astronaut Ulrich Walter erinnert sich in einem TV-Beitrag daran, was ihn seine Teilnahme an einer Space Shuttle-Mission gelehrt hat.
Er sagt: „Für uns auf der Erde ist die Erde das, was wir sehen. Das ist psychologisch einfach so — die nächsten hundert Meter sind meine Welt.

Wenn Sie aber einmal diesen großen Abstand haben, dann verstehen Sie... ich meine, richtig verstehen... nicht dass man‘s im Fernsehen mal angeschaut hat, sondern: selbst gesehen hat... dass der Mensch nichts ist... dass der Mensch nicht die Krone der Schöpfung ist, sondern dass er nichts ist.

Die Erde interessiert sich überhaupt nicht dafür, ob wir da sind oder nicht. Wenn Sie das mit eigenen Augen gesehen haben, dann haben Sie das richtig verstanden.“
Er sagt das nicht, um die Menschen verächtlich zu machen. Sondern er will uns begreiflich machen, dass weder wir noch unsere Götter irgendwen im Universum interessieren. Wir sollten aufhören zu denken, dass wir oder unsere Götter im Mittelpunkt stehen. Sondern wir sollten heilfroh sein, dass wir diesen kostbaren kleinen blauen Diamanten im Weltall als unser Zuhause betrachten dürfen, denn das ist alles, was wir haben. Die Welt braucht uns nicht. Die Welt braucht auch unsere Götter nicht. Wenn beides vergehen sollte, wird die Welt nichtmal mit den Schultern zucken.

Nobodyknows 18.07.2019 07:59

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1465009)
...
Für mich hat ... speziell die bemannte Raumfahrt die Menschheit weiter gebracht in der Frage, wer wir sind, welche Bedeutung wir haben, und welcher Platz uns im Universum zukommt. Das waren mal religiöse Fragen. Aber wie bei allen anderen religiösen Fragen hat die Wissenschaft schließlich die Antworten geliefert, und zwar welche, die prüfbar sind.

Hat die Geschichtswissenschaft nicht auch die prüfbare Antwort geliefert, dass die bemannte Raumfahrt zu Beginn zum größten Teil ein Schwanzlängenvergleich zwischen USA und UdSSR war?

Ich kann mir schon gut vorstellen, dass Ulrich Walter Spaß bei seinem Job hatte...und er daher etwas verklärt zurückblickt. ;)

Aber den Abstand den er im All fand um seine Winzigkeit zu erkennen, kann man mit etwas bemühen und denken auch an einer Bushaltestelle finden.

Gruß
N. :Huhu:

Klugschnacker 18.07.2019 08:57

Früher gab’s halt keine Bushaltestellen, deshalb kam der Mensch nicht umhin, sich für den Mittelpunkt der Welt zu halten. Die Welt sei die Kulisse, und der Mensch verleihe ihr einen Sinn.

Kosmologische Erkenntnisse haben dazu wesentlich beigetragen, dass diese verständliche Haltung uns aus heutiger Sicht als Größenwahn erscheint. Allein die Ausdehnung des Universums erwies sich als dermaßen gigantisch, dass es wohl kaum allein unseretwegen erschaffen sein konnte.

Noch zu Zeiten Einsteins hielt man unsere Heimatgalaxie, die Milchstraße mit ihren 100 Milliarden Sonnen, bereits für das gesamte Universum. Dann zeigte sich, dass ein verschwommen erscheinender Stern gar keiner war, sondern ebenfalls eine Galaxie mit wiederum 100 Milliarden Sonnen. Und dann fand man bis heute cirka 300 Milliarden (!) weiterer solcher Galaxien. Und das nur im für uns sichtbaren Teil des Universums.

Einen vergleichbaren Anteil an der Korrektur unseres Selbstbildes erreichte bekanntlich Charles Darwin, vermutlich an einer Bushaltestelle, der die Zufälligkeit unserer Existenz nachwies. Und dass wir Primaten sind. Peinlicherweise sehr spezielle Primaten, von denen sich ein beträchtlicher Teil als Ebenbilder Gottes wahrnimmt.

Einen ähnlichen Wandel des Zeitgeistes erleben wir möglicherweise gerade jetzt. Die Erde scheint uns ohne mit der Wimper zu zucken loszuwerden, wenn wir noch ein paar Generationen lang so weiter machen wie bisher. Sich die Erde oder gar die ganze Welt untertan zu machen – dieser Gedanke ist heute ein bitterer Witz, wegen der grotesken Verkennung der wahren Verhältnisse. Wir gehen an den Fürzen unserer Rinder und Schweine zugrunde, falls wir uns nicht im Streit über Öl, Wasser oder Götter in die Luft sprengen. Der Welt, die 99,9993 Prozent ohne Menschen auskam, ist das völlig egal.

trithos 18.07.2019 09:34

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1465009)
… er (=der Astronaut, Anm.) will uns begreiflich machen, dass weder wir noch unsere Götter irgendwen im Universum interessieren. Wir sollten aufhören zu denken, dass wir oder unsere Götter im Mittelpunkt stehen. Sondern wir sollten heilfroh sein, dass wir diesen kostbaren kleinen blauen Diamanten im Weltall als unser Zuhause betrachten dürfen, denn das ist alles, was wir haben. Die Welt braucht uns nicht. Die Welt braucht auch unsere Götter nicht. Wenn beides vergehen sollte, wird die Welt nichtmal mit den Schultern zucken.

Bin ich der Einzige im Universum, den dieser Vergleich ein wenig ratlos zurücklässt? ;)

Natürlich braucht eine "Welt" im astronomischen Sinn uns nicht. Sie braucht die Menschen nicht, sie braucht keine Götter. Wie sollte sie auch? Sie ist ein (oder ganz viele) Steinehaufen ohne Persönlichkeit und Bewusstsein. Sie braucht niemanden. Nicht mal sich selbst.

Die Erhabenheit und Schönheit des Universums und der Welt ist doch nichts anderes als die menschliche Interpretation der diversen im Universum herumschwebenden Steinklumpen.

Die Welt, wie wir Menschen sie im allgemeinen Gebrauch des Begriffs verstehen, ist aber doch etwas ganz anderes. Das weiß doch jeder, der gerade das Gefühl hat, die Welt breche zusammen.

Eine herbeifantasierte bzw. rhetorisch vorgetäuschte "Persönlichkeit" des Universums als Argument gegen Götter heranzuziehen, scheint mir doch ein wenig fragwürdig. Oder um es etwas weniger wohlwollend zu formulieren: als recht billiger rhetorischer Trick.

Klugschnacker 18.07.2019 10:08

Zitat:

Zitat von trithos (Beitrag 1465030)
Eine herbeifantasierte bzw. rhetorisch vorgetäuschte "Persönlichkeit" des Universums als Argument gegen Götter heranzuziehen, scheint mir doch ein wenig fragwürdig. Oder um es etwas weniger wohlwollend zu formulieren: als recht billiger rhetorischer Trick.

Das halte ich für ein Missverständnis. Das Universum hat keine Persönlichkeit, keine Absichten oder Ziele. Genau darin besteht ja das Argument, wie Du am Anfang Deines Postings ganz richtig zusammenfasst.

Die "Welt" eines Menschen ("die Welt bricht zusammen", "er lebte in seiner eigenen Welt") ist etwas ganz anderes. Das ist ein Sammelbegriff für seine persönlichen Verhältnisse. Die Welt eines Schafs könnte beispielsweise eine Wiese sein plus seine Herde. Wir Menschen bemühen uns seit einiger Zeit, diesen Weltbegriff etwas zu objektivieren und geraten dadurch in Konflikt mit religiösen Aussagen.
:Blumen:

trithos 18.07.2019 11:06

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1465038)
Das halte ich für ein Missverständnis. Das Universum hat keine Persönlichkeit, keine Absichten oder Ziele. Genau darin besteht ja das Argument, wie Du am Anfang Deines Postings ganz richtig zusammenfasst.

Die "Welt" eines Menschen ("die Welt bricht zusammen", "er lebte in seiner eigenen Welt") ist etwas ganz anderes. Das ist ein Sammelbegriff für seine persönlichen Verhältnisse. Die Welt eines Schafs könnte beispielsweise eine Wiese sein plus seine Herde. Wir Menschen bemühen uns seit einiger Zeit, diesen Weltbegriff etwas zu objektivieren und geraten dadurch in Konflikt mit religiösen Aussagen.
:Blumen:

Das stimmt alles und so hab ich das auch gemeint! :Blumen:

Aber das war nicht der Punkt. Um meine Argumentation vielleicht ein bisschen verständlicher zu machen: Mir geht es darum, dass Jörn (zumindest habe ich ihn so verstanden) sinngemäß sagt: "Die Welt braucht keine Götter" und das als Argument gegen Götter versteht. "Welt" verwendet er dabei aber im astronomischen Sinn. Die Welt im astronomischen Sinn braucht aber überhaupt nichts und niemanden. Dass die Welt keine Götter braucht, kann daher kein Argument für irgendwas sein, es ist eine leere Phrase. Denn wenn die astronomische Welt nichts und niemanden braucht, dann natürlich auch keine Menschen, keine Götter, kein Bankkonto, kein E-Bike, keinen Neopren, kein Mobiltelefon, … oder was auch immer.

@Jörn: entschuldige bitte meine Unhöflichkeit, dass ich hier über Dich rede und nicht mit Dir. Aber es ist ja eine Antwort auf Klugschnacker.

Jörn 18.07.2019 15:23

Zitat:

Zitat von trithos (Beitrag 1465030)
[Die Welt] ist ein (oder ganz viele) Steinehaufen ohne Persönlichkeit und Bewusstsein.

Das ist ja der Witz. Wir sind Affen auf einem Steinhaufen.

Wir halten uns jedoch für das Ebenbild der Götter. Wir halten uns für das Zentrum des Universums und sogar für den Daseinsgrund des Universums. Wir wissen es sogar mit "allerhöchster Glaubensgewissheit" (Ratzinger): Gott schuf das Universum als notwendiges Vehikel, um uns Menschen in die Existenz zu bringen.

Dies ist nichts anderes als die Perspektive von Affen auf einem Steinhaufen. Genau das ist der Punkt.

Aber bereits in 30.000 km Höhe (das ist für die Kosmologie nichtmal ein Katzensprung) zeigt sich ein anderes Bild: Alles, was die Menschen an großartigen Bauwerken und an beachtlichen Zivilisationen geschaffen haben, wird unsichtbar. Gäbe es all das nicht, sähe die Welt von außen genauso aus. Das schmälert nicht unser Bemühen um Zivilisation. Es zeigt jedoch die Verhältnisse. Wir sind eine Randfigur, und das ist noch übertrieben. Wir sind Trittbrettfahrer, die einen günstigen Moment der Geschichte nutzen durften. So wie wir gekommen sind, werden wir auch wieder gehen. Niemand wird von unserem kurzen Gastspiel Notiz genommen haben.

-----

Nehmen wir an, es gäbe Götter. Nehmen wir weiter an, die Götter würden irgendwann wieder verschwinden. Was würde sich durch ihr Verschwinden ändern?

Nichts. Denn ebenso wie wir dem Steinhaufen "Erde" egal sind, sind die Götter dem Universum egal. Der Lauf der Welt ändert sich dadurch nicht um einen Millimeter. Ist das richtig oder falsch?

Unsere Götter, sofern es sie geben sollte, sind Provinzgötter -- eifersüchtige Wichtigtuer am Rand eines riesigen Spektakels. Sie lassen sich anbeten von Affen, solange diese das Spektakel nicht gesehen oder verstanden haben. Es sind Affengötter. So wie die Affen auf einem Steinhaufen sitzen, sitzen auch die Affengötter auf dem Steinhaufen.

Rund um die Erde ist kein Himmel, kein Jenseits, kein Wohnsitz der Götter. Rund um die Erde ist Nichts.

Zitat:

Zitat von trithos (Beitrag 1465030)
Eine herbeifantasierte bzw. rhetorisch vorgetäuschte "Persönlichkeit" des Universums als Argument gegen Götter heranzuziehen, scheint mir doch ein wenig fragwürdig. Oder um es etwas weniger wohlwollend zu formulieren: als recht billiger rhetorischer Trick.

Es sind die Christen, die der Erde etwas andichten. Nämlich, sie habe einen Zweck, eine Bestimmung, die sie zu erfüllen hätte: Als Heimat der Menschen und als Wirkungsstätte der Götter, als die große Bühne für die Großartigkeit des Schöpfers.

Aber nun stellt sich heraus, dass die Erde keinen Zweck und keine Bestimmung hat. Diese beiden Begriffe sind dem Universum fremd.

Zitat:

Zitat von trithos (Beitrag 1465052)
"Welt" verwendet er dabei aber im astronomischen Sinn.

Genau. Die Erkenntnis besteht darin, dass die Erde ein Körper der Astronomie ist. Es ist ein Stück Materie.

Der andere "Sinn" der Erde ist frei erfunden.

Humanisten sind Christen in diesem Punkt voraus, weil sie erkannt haben, dass wir einen Sinn nur untereinander, unter uns Lebewesen, finden können, und dass wir ansonsten in einer sinnfreien Welt leben.

trithos 18.07.2019 18:25

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1465099)
Das ist ja der Witz. Wir sind Affen auf einem Steinhaufen.

Wir halten uns jedoch für das Ebenbild der Götter. Wir halten uns für das Zentrum des Universums und sogar für den Daseinsgrund des Universums. Wir wissen es sogar mit "allerhöchster Glaubensgewissheit" (Ratzinger): Gott schuf das Universum als notwendiges Vehikel, um uns Menschen in die Existenz zu bringen.

Dies ist nichts anderes als die Perspektive von Affen auf einem Steinhaufen. Genau das ist der Punkt.

Aber bereits in 30.000 km Höhe (das ist für die Kosmologie nichtmal ein Katzensprung) zeigt sich ein anderes Bild: Alles, was die Menschen an großartigen Bauwerken und an beachtlichen Zivilisationen geschaffen haben, wird unsichtbar. Gäbe es all das nicht, sähe die Welt von außen genauso aus. Das schmälert nicht unser Bemühen um Zivilisation. Es zeigt jedoch die Verhältnisse. Wir sind eine Randfigur, und das ist noch übertrieben. Wir sind Trittbrettfahrer, die einen günstigen Moment der Geschichte nutzen durften. So wie wir gekommen sind, werden wir auch wieder gehen. Niemand wird von unserem kurzen Gastspiel Notiz genommen haben.

-----

Nehmen wir an, es gäbe Götter. Nehmen wir weiter an, die Götter würden irgendwann wieder verschwinden. Was würde sich durch ihr Verschwinden ändern?

Nichts. Denn ebenso wie wir dem Steinhaufen "Erde" egal sind, sind die Götter dem Universum egal. Der Lauf der Welt ändert sich dadurch nicht um einen Millimeter. Ist das richtig oder falsch?

Unsere Götter, sofern es sie geben sollte, sind Provinzgötter -- eifersüchtige Wichtigtuer am Rand eines riesigen Spektakels. Sie lassen sich anbeten von Affen, solange diese das Spektakel nicht gesehen oder verstanden haben. Es sind Affengötter. So wie die Affen auf einem Steinhaufen sitzen, sitzen auch die Affengötter auf dem Steinhaufen.

Rund um die Erde ist kein Himmel, kein Jenseits, kein Wohnsitz der Götter. Rund um die Erde ist Nichts.



Es sind die Christen, die der Erde etwas andichten. Nämlich, sie habe einen Zweck, eine Bestimmung, die sie zu erfüllen hätte: Als Heimat der Menschen und als Wirkungsstätte der Götter, als die große Bühne für die Großartigkeit des Schöpfers.

Aber nun stellt sich heraus, dass die Erde keinen Zweck und keine Bestimmung hat. Diese beiden Begriffe sind dem Universum fremd.



Genau. Die Erkenntnis besteht darin, dass die Erde ein Körper der Astronomie ist. Es ist ein Stück Materie.

Der andere "Sinn" der Erde ist frei erfunden.

Humanisten sind Christen in diesem Punkt voraus, weil sie erkannt haben, dass wir einen Sinn nur untereinander, unter uns Lebewesen, finden können, und dass wir ansonsten in einer sinnfreien Welt leben.

Zu dieser "Antwort" hab ich eigentlich schon nach Deinem ersten Posting alles gesagt. Du siehst Dich zwar als Vertreter der Naturwissenschaft, schreibst aber literarische Texte, in dem Du der Welt zum Beispiel Persönlichkeitseigenschaften zuschreibst (Stichwort Schulterzucken oder Interesse an irgendwas also quasi ein Bewusstsein). Oder jetzt: "wir sind Affen". Das mag schon sein, aus einer literarischen Perspektive bzw. in einem übertragenen Sinn. Gleichzeitig argumentierst Du damit aber so, als wäre das eine wissenschaftliche "Wahrheit".

In Deinem Argumentationssystem mit dem von Dir immer wieder ins Spiel gebrachten naturwissenschaftliche Anspruch müsste ich Dir jetzt vehement widersprechen: Menschen sind keine Affen! Aber willst Du wirklich eine solche Diskussion führen?

Oder: Rund um die Erde ist Nichts? Ich hab gedacht, da ist das ganze unendliche expandierende Universum? Also was jetzt?

Mein persönlicher Eindruck ist: Deine Texte sind meistens lang, gelegentlich anregend, manchmal unterhaltsam, aber selten präzise. Du verwendest Worte in unterschiedlichen Bedeutungsebenen, wie es Dir gerade in den Sinn kommt. Damit gibst Du mir das Gefühl, dass Du mich absichtlich nicht verstehst.

Das ist Dein gutes Recht. Aber es ist mir ehrlich gesagt zu mühsam. Ich habe zu dem Thema gesagt, was ich wollte, so gut ich es konnte. Das ist mir genug.

Trimichi 18.07.2019 18:42

Zitat:

Zitat von trithos (Beitrag 1465052)

Aber das war nicht der Punkt. Um meine Argumentation vielleicht ein bisschen verständlicher zu machen: Mir geht es darum, dass Jörn (zumindest habe ich ihn so verstanden) sinngemäß sagt: "Die Welt braucht keine Götter" und das als Argument gegen Götter versteht. "Welt" verwendet er dabei aber im astronomischen Sinn. Die Welt im astronomischen Sinn braucht aber überhaupt nichts und niemanden. Dass die Welt keine Götter braucht, kann daher kein Argument für irgendwas sein, es ist eine leere Phrase. Denn wenn die astronomische Welt nichts und niemanden braucht, dann natürlich auch keine Menschen, keine Götter, kein Bankkonto, kein E-Bike, keinen Neopren, kein Mobiltelefon, … oder was auch immer.

Leider verstehen das die "Ungläubigen" nicht. Wenn die astronomische Welt überhaupt nichts und niemanden braucht, keine Menschen, keine Götter, kein Bankkonto, kein E-Bike, keinen Neopren, kein Mobiltelefon...., warum ist die Welt dann überhaupt, wie Ludwig Wittgenstein schon fragte? Darauf kennen die Atheist keine Antwort, wissen aber, woher auch immer, dass es keinen Gott gibt. Der Urknall wars. ;) :Blumen:

qbz 18.07.2019 18:44

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1465099)
....
Genau. Die Erkenntnis besteht darin, dass die Erde ein Körper der Astronomie ist. Es ist ein Stück Materie.

Der andere "Sinn" der Erde ist frei erfunden.

Humanisten sind Christen in diesem Punkt voraus, weil sie erkannt haben, dass wir einen Sinn nur untereinander, unter uns Lebewesen, finden können, und dass wir ansonsten in einer sinnfreien Welt leben.

Die Existentialisten bezogen ihr Lebensgefühl quasi aus einer "kosmischen Verlorenheit" und "Fremdheit. Für Sartre besass die menschliche Existenz keinen "vorgängigen Sinn". Sie bzw. das Leben scheint sinnlos und absurd (Becket) zu sein. Deswegen sieht der Katholizismus diese Philosophie auch als konträr an und kritisiert sie regelmässig. (wie Trimichi z.B. ;) :Blumen: )

Helmut S 18.07.2019 19:22

Zitat:

Zitat von Trimichi (Beitrag 1465124)
...., warum ist die Welt dann überhaupt

Das ist einfach: die Welt ist, weil du sie oder Teile davon in Sachverhalten verfasst. Verfasst du die Welt nicht, ist sie für dich nicht. Verfasst sie niemand, ist sie für niemanden. Eine Welt die für niemanden ist, ist nicht. Denn für sich kann die Welt nicht verfasst sein. Wäre die Welt für sich verfasst hätte sie einen Zweck, nämlich den für sich verfasst zu sein ein. Da sie aber keinen Zweck hat, ist sie nicht.;) :Blumen:

Jörn 18.07.2019 19:28

Zitat:

Zitat von trithos (Beitrag 1465121)
Du verwendest Worte in unterschiedlichen Bedeutungsebenen

Das stimmt und das ist üblich.

"Es war einmal eine Hexe, und die..." hat eine andere Bedeutungsebene als die Formulierung "der Mount Everest ist 8848 Meter hoch".

Wenn Du selbst unter Mühen nicht verstehen kannst, was die Formulierung bedeutet: "Der Erde sind die Menschen einerlei", und wenn für Dich daraus folgt, dass man damit der Erde eigene Gedanken oder Gefühle zuschreiben wolle, dann nehme ich das zur Kenntnis. Die Debatte findet dann eben an dieser Stelle ihr Ende.

Ebenso das Zitat von Trimichi (Wenn die Erde keinen Sinn hat, warum ist sie dann da?) ist von dieser Art.

Ich finde, ein Astronaut wie Walter Ulrich hat uns Menschen etwas zu sagen. Er hat Einblicke (oder mindestens Denkanstöße), die man zur Kenntnis nehmen sollte. Wenn man aber nicht imstande ist, den Satz "Der Erde sind wir egal" zu verstehen, dann entgeht einem womöglich eine wichtige Erkenntnis.

Ich verstehe gut, was Walter Ulrich damit sagen möchte. Ich glaube nicht, dass er sich auf eine Debatte einlassen würde in der Art "Häh, wollen Sie damit etwa sagen, dass die Erde denken kann??".

qbz 18.07.2019 19:38

Zitat:

Zitat von Helmut S (Beitrag 1465131)
... Eine Welt die für niemanden ist, ist nicht. ....

Da trennen sich die philosophischen Geister aber :Blumen:
Für die historisch-materialistischen Gespenster existieren das Universum und die Erde unabhängig und ausserhalb von unserem menschlichen Bewusstsein. ;)

Helmut S 18.07.2019 19:53

Die übersehen dabei, dass „sein“ eine menschliche Kategorie der Modalität ist. :Blumen:

Flow 18.07.2019 20:06

Zitat:

Zitat von Helmut S (Beitrag 1465131)
Das ist einfach: die Welt ist, weil du sie oder Teile davon in Sachverhalten verfasst. Verfasst du die Welt nicht, ist sie für dich nicht. Verfasst sie niemand, ist sie für niemanden. Eine Welt die für niemanden ist, ist nicht. Denn für sich kann die Welt nicht verfasst sein. Wäre die Welt für sich verfasst hätte sie einen Zweck, nämlich den für sich verfasst zu sein ein. Da sie aber keinen Zweck hat, ist sie nicht.;) :Blumen:

1. Von wem hast du das ?
2. Entspricht das auch deiner eigenen Auffassung ?
3. Grüße ... :Huhu:

Helmut S 18.07.2019 20:16

Zitat:

Zitat von Flow (Beitrag 1465140)
1. Von wem hast du das ?
2. Entspricht das auch deiner eigenen Auffassung ?
3. Grüße ... :Huhu:

1) Von niemandem. Stark beeinflusst von Wittgenstein, sicher auch etwas von Kant und sonst noch n paar wie zB Metzinger. Aber an sich auf eigenem Mist gewachsen. Is so wie bei nem eigenen Song. Du spielst den Song, weiß aber eigentlich nicht mehr genau wo die Licks her sind, die sind über die Jahre einfach in dich übergegangen. Klingt aber irgendwie nach Hendrix. :Cheese:

2) Ja.

3) Grüße zurück. :Huhu:

Flow 18.07.2019 20:24

Zitat:

Zitat von Helmut S (Beitrag 1465141)
1) Von niemandem. Stark beeinflusst von Wittgenstein, sicher auch etwas von Kant und sonst noch n paar wie zB Metzinger. Aber an sich auf eigenem Mist gewachsen. Is so wie bei nem eigenen Song. Du spielst den Song, weiß aber eigentlich nicht mehr genau wo die Licks her sind, die sind über die Jahre einfach in dich übergegangen. Klingt aber irgendwie nach Hendrix. :Cheese:

2) Ja.

3) Grüße zurück. :Huhu:

Danke, klingt erstmal plausibel genug ... :Cheese:

Kant ist bei mir der Nächste ... KdrV liegt jungfäulich neben mir ... da muß man wohl durch ...
Auf Wittgenstein freue ich mich schon lange.

Flow 18.07.2019 20:25

Zitat:

Zitat von Helmut S (Beitrag 1465138)
Die übersehen dabei, dass „sein“ eine menschliche Kategorie der Modalität ist. :Blumen:

Das hält alle Auswege offen ... :Cheese:

Helmut S 18.07.2019 20:31

Zitat:

Zitat von Flow (Beitrag 1465143)
Das hält alle Auswege offen ... :Cheese:

:Cheese: An den Rändern is es immer irgendwie unscharf ;)

Leg dir den Eisler neben Kant. :Blumen:


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