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Klugschnacker 26.04.2019 12:36

Zitat:

Zitat von Flow (Beitrag 1448361)
Wenn ich es recht erinnere, hast du, Arne, weiter vorne die Heisenbergsche Unschärfe vor allem (ausschließlich?) auf den Meßprozeß bezogen. "Ein in Ruhe gelassenes System folgt einem festen Ablauf, erst durch die Messung kommt "eine Unschärfe" ins Spiel".

Interpretiere ich dich da richtig?

Nicht ganz. :Blumen:

Die Unschärfen existieren auch unabhängig von Messungen. Letztlich kommen wir da mit unseren Alltagsbegriffen an Grenzen, etwa, was genau "der Aufenthaltsort" eines Elektrons sein soll. Das macht auch die Vorstellung eines Determinismus, bei dem alle Phänomene wie ein Uhrwerk ablaufen, schwierig.

schoppenhauer 26.04.2019 13:07

Zitat:

Zitat von Flow (Beitrag 1448371)
Du meinst, Physik kann am besten der Physiker, Metaphysik am besten der Philosoph, Theologie am besten der Theologe ?
Und wo sich die Gebiete berühren, bietet es sich im Sinne der Polarisierung an, die vermeintlich interdisziplinäre Materie komplett aufs eigene Terrain zu ziehen, und den mitgeschleppten Teil, zu dem einem mit den eigenen Methoden der Zugang und gelegentlich damit auch das Verständnis fehlt, pauschal für irrelavant und unsinnig zu erklären, und möglichst laut darüber zu spotten, in Ignoranz, daß es die eigene Beschränktheit des Verstehens oder Interesses ist, die man so stolz zur Schau stellt ?
:liebe053::Blumen: :bussi:

Herrlich!

Flow 26.04.2019 14:37

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1448382)
Nicht ganz. :Blumen:

Die Unschärfen existieren auch unabhängig von Messungen. Letztlich kommen wir da mit unseren Alltagsbegriffen an Grenzen, etwa, was genau "der Aufenthaltsort" eines Elektrons sein soll. Das macht auch die Vorstellung eines Determinismus, bei dem alle Phänomene wie ein Uhrwerk ablaufen, schwierig.

Erstmal danke für die Antwort !
Ich würde darauf bei Gelegenheit gerne noch tiefer eingehen, insbesondere interessiert mich dabei auch deine persönliche Meinung, sprich deine Interpretation der bekannten Ergebnisse, sowie die daraus resultierenden metaphysischen Ansichten.
Wie gehabt, möchte ich zuvor gerne nochmal die letzten Seiten nachlesen, nicht zuletzt auch um doppelte Diskussion zu vermeiden.

Können wir für den Moment festhalten, daß wir unter den "Begriffen" und der "Realität" unterscheiden ? Oder willst du das zunächst nur auf "Alltags"begriffe beziehen ?

Grüße ... :Huhu:

Klugschnacker 26.04.2019 14:48

Zitat:

Zitat von merz (Beitrag 1448352)
Was hier der Knackpunkt zu sein scheint, ist der Abschied vom "Materialismus" als Weltbild aus ineinander greifenden "hard stuff" (Zahnräder, Billardkugeln, diese Dinge).

Ja, das stimmt. Der Begriff des Feldes ersetzt zunehmend den der Materie. Beide gehören jedoch zur materiellen Welt.
:Blumen:

Zarathustra 26.04.2019 14:58

Zitat:

Zitat von MattF (Beitrag 1448161)
Wieso sollte allerdings für Gott ein andere Wertemasstab gelten als für uns?
...

Weil das Wort 'gut' nicht eine einzige Eigenschaft bezeichnet, die Dingen oder Funktionen verschiedener Art in gleicher Weise zukommt, sondern jeweils ein spezifisches Gutsein ausdrückt.


Zitat:

Zitat von MattF (Beitrag 1448161)
...

Experimentiert der Gott mit uns? Probiert er anderes aus?
...

Weiß ich nicht.


Zitat:

Zitat von MattF (Beitrag 1448161)
...
Wieso sollte er uns dann überhaupt interessieren?

Auch um in deinem Bild zu bleiben die Antilope interessiert es nicht...

Also auch in dem Bild bleibt Gott für mich komplett irrelevant.
...

Der Vergleich diente (nur) der Veranschaulichung des attributiven Gebrauchs des Wortes 'gut'. Die Frage, inwiefern Gott für uns relevant sei, sollte damit nicht behandelt werden. Denn dazu müßte man erst einmal zu klären versuchen, was 'gut' in Bezug auf Gott überhaupt bedeuten könnte...


Zitat:

Zitat von MattF (Beitrag 1448161)
U]

Würdest du dein Leben ändern, wenn es einen Beweis gäbe, dass es Gott nicht gibt?

Nein, würde ich nicht. Warum? Weil meiner Ansicht nach der rel. Glaube nicht auf Beweisen beruhen kann, genauso übrigens wie der Unglaube.

Zarathustra 26.04.2019 15:05

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1448164)
Ich nehme gerne zur Kenntnis: Es geht um kein Eingreifen in fachwissenschaftliche Evolutionstheorien...
...

Gut. Genaugenommen hätte er, um Mißverständnisse zu vermeiden, natürlich so formulieren müssen: „Folglich sind diejenigen philosophischen Interpretationen von Evolutionstheorien nicht mit der philosophischen bzw. religiösenWahrheit über den Menschen vereinbar...“
Warum er das nicht getan hat, müssen wir, wenn es nach mir geht, nicht unbedingt weiter erörtern.


Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1448164)
Wo unterscheiden sich religiöse von philosophischen Beurteilungen von Evolutionstheorien?

Zunächst einmal wird ja gar nicht der wissenschaftliche Gehalt beurteilt, sondern diejenigen Extrapolationen, die von diesem ausgehend über denselben hinausgehen, sowie die vorwissenschaftlichen Grundannahmen; beides Fragestellungen, die man gewöhnlicherweise der Metaphysik als einem Teilgebiet der Philosophie zurechnet.
Religiöse Beurteilungen setzen die Wahrheit der Lehren einer bestimmten Religion voraus. Diese Lehren können aber zumindest zum Teil (sofern sie nicht ausschließlich auf Offenbarung beruhen) philosophisch begründet werden.


Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1448164)
Dass Biologen, Psychologen, Fachwissenschaftler bisher kein Eingreifen Gottes bei der Entwicklung des Psychischen entdeckten, bedeutet eben nicht, dass diese Forscher alle von ihrer Weltanschauung her Materialisten sind oder zwangsläufig sein müssen.
...

Das stimmt natürlich und insofern sind sie von der Kritik auch nicht berührt.

merz 26.04.2019 15:54

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1448411)
Weil das Wort 'gut' nicht eine einzige Eigenschaft bezeichnet, die Dingen oder Funktionen verschiedener Art in gleicher Weise zukommt, sondern jeweils ein spezifisches Gutsein ausdrückt.
(...)
Der Vergleich diente (nur) der Veranschaulichung des attributiven Gebrauchs des Wortes 'gut'. Die Frage, inwiefern Gott für uns relevant sei, sollte damit nicht behandelt werden. Denn dazu müßte man erst einmal zu klären versuchen, was 'gut' in Bezug auf Gott überhaupt bedeuten könnte...

sehr gut, man merkt den Nachhall der Nikomachische Ethik :)

Versuchen wir es mal: "gut" hier im Sinne von "moralisch perfekt".
Warum: Gott wird im Christentum als handelnde Person (mit Absichten, Entscheidungen, Willen, Werturteilen etc.) aufgenommen. Moral kann da schon ein Thema sein. Er irrt nie in moralischen Fragen, er sündigt nicht, es kann kein sündhafter Mangel bestehen.

Geht es so weiter?

m.

Jörn 26.04.2019 18:49

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1448413)
Religiöse Beurteilungen setzen die Wahrheit der Lehren einer bestimmten Religion voraus.

Wenn sie die Wahrheit einfach voraussetzen, dann ist es erstens ein Zirkelschluss und zweitens eine Immunisierung. Da haben wir sie wieder: die beiden Grundzutaten religiöser "Argumentation".

Die ganze philosophische Spitzfindigkeit, die den Eindruck besonders ausgeprägter Exaktheit und Gründlichkeit erwecken soll, bricht beim religiösen Glauben zusammen. Wenn man ein paar Minuten daran herumkratzt, kommt zuverlässig heraus: "Tja, man muss halt glauben". Wir setzen es eben voraus.

Besonders interessant ist das Voraussetzen der Wahrheit dann, wenn dabei unterschiedliche "Wahrheiten" herauskommen. Christen, Juden, Moslems, Hindus usw. kommen alle zu anderen "Wahrheiten". Aber das ficht sie nicht an, an ihrer Grundannahme zu zweifeln -- oder an ihrer Selbstherrlichkeit, diese einfach mal vorauszusetzen.

Es ist anscheinend auch einerlei, dass man keine zwei Personen auf dem Planeten finden kann, die darin übereinstimmen, was denn überhaupt "die Lehre einer bestimmten Religion" sein soll. Egal.

Warum egal? Weil: "Man muss halt glauben". Wir setzen es nämlich voraus.

Auf dieser grandiosen "Grundlage" werden dann wissenschaftliche/rationale Argumentationen von oben herab beurteilt und benotet.

Trimichi 26.04.2019 19:09

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1448451)
Warum egal? Weil: "Man muss halt glauben". Wir setzen es nämlich voraus.

Glaube doch einfach mal, nicht egal. Mach' ein, Dein persönliches Experiment. Glauben kostet brainpower. Aktion => Reaktion. Einfache Physik im Prinzip. Eben, dass ist die Prämisse, nach der Du gesucht hast.

Jörn 26.04.2019 19:20

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1448413)
Diese Lehren können aber zumindest zum Teil (sofern sie nicht ausschließlich auf Offenbarung beruhen) philosophisch begründet werden.

Dann ist es gescheitert.

Philosophische Denk-Konstrukte kann man so viele erfinden, wie man möchte. Entscheidend ist, herauszufinden, welche davon zutreffen. Wenn dafür keine Methode vorhanden ist, ist der Beitrag, den die Philosophie in dieser Frage liefern kann, recht gering.

Hier versteckt sich übrigens ein Trick, den ich Deinen Beiträgen oft vorfinde. Nämlich die Suggestion, die gesamte christliche Lehre hätte keine Berührungspunkte mit der Realität, wäre folglich rein philosophisch fassbar und damit der wissenschaftlichen Prüfung entzogen.

Erstens gibt es viele Behauptungen der christlichen Religion über die Realität, und diese kann man prüfen. Wird diese Möglichkeit der Prüfung achtlos vom Tisch gewischt, handelt es sich um eine Immunisierung.

Zweitens: Den Beweis dafür, dass die Philosophie irgendetwas über Religionen zutreffend aussagen könnte (abgesehen von bereits bekannten Banalitäten), bleibst Du schuldig.

Es ist nach meiner Meinung eine berechtigte Frage, warum nun ausgerechnet die Philosophie die Frage klären kann, ob Götter in unsere Welt eingreifen; vor allem dann, wenn zuvor im Handstreich die komplette Wissenschaft als unzureichend abgewatscht wurde. Dieses erstaunliche Selbstbewusstsein müsste nach meiner Auffassung demnächst begründet werden.

LidlRacer 26.04.2019 19:23

Zitat:

Zitat von Trimichi (Beitrag 1448457)
Glaube doch einfach mal, nicht egal. Mach' ein, Dein persönliches Experiment. Glauben kostet brainpower. Aktion => Reaktion. Einfache Physik im Prinzip. Eben, dass ist die Prämisse, nach der Du gesucht hast.

Wofür soll das gut sein?

Findest Du es nicht plausibel, dass praktisch jeder religiöse Glaube falsch sein MUSS, da es so viele verschiedene gibt und jeder meint, den einzig richtigen zu haben, was offensichtlich nicht sein kann?

Trimichi 26.04.2019 19:32

Lidlracer: beleidigst Du just eben Deine eigene Intelligenz? Oder willst Du den Sinn von Experimenten abstreiten?

Jörn 26.04.2019 19:38

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1448411)
Denn dazu müßte man erst einmal zu klären versuchen, was 'gut' in Bezug auf Gott überhaupt bedeuten könnte...

Aber wer fragt danach? Nach meiner Beobachtung kümmert sich niemand darum, was für die Götter "gut" sein sollte.

Wir wissen aber ausreichend exakt, was für die Menschen gut ist. Das genügt für die Debatte.

Hier wird erneut versucht, einen Begriff so lange umzudefinieren, bis er seine eigentliche Bedeutung und Argumentationskraft verloren hat. Mir scheint es so, dass die Frage danach, was für Götter gut sei, niemals beantwortet werden kann -- und eben deshalb schwenkt die Debatte darauf ein. Denn solange niemals ein Ergebnis dingfest gemacht werden kann, ist es für die religiöse Immunisierung bestens geeignet.

Man beachte dabei, dass hier menschliche Ansprüche gegen göttliche Ansprüche abgewogen werden: Zwar könnte es für die Menschen mit Leid verbunden sein, aber für die Götter wäre es vielleicht gut? Wie sollte man den Göttern dann einen Vorwurf machen?

Diese Sklaven- und Unterwerfungshaltung, die sich am "Wohl der Götter" orientiert, ist nach meiner Meinung einer der verwerflichsten moralischen Standpunkte des Christentums (und am leichtesten zu missbrauchen).

Der Christen-Gott ist nun seit dreitausend Jahren dauerbeleidigt wegen irgendwelcher läppischer Kleinigkeiten. Er wirft sich wütend wie ein kleines Kind auf den Boden und strampelt mit den Füßen, weil irgendwer gegen seine Gebote verstoßen hat. Wer soll das noch ernst nehmen? Das Theater ist an Lächerlichkeit kaum zu überbieten. Es kann uns völlig einerlei sein, was für irgendwelche Götter gut ist. Das ist nicht unser Problem.

Jörn 26.04.2019 20:12

Zitat:

Zitat von Flow (Beitrag 1448353)
unsere diesbezüglichen Wahrnehmungen in (mathematisch) wohlgeordnete Systeme und Modelle zu fassen, ist die eine Sache, das "Wesen", den Kern dieser Dinge wenigstens zu definieren, eine andere.
Wenn man so will, der Unterschied zwischen "Wie verhält sich das, was ich sehe ?" und "Was IST das wirklich?"

Ich fasse den Gedanken erstmal zusammen, damit alle Mitleser, die sich wenig für griechische Philosophie interessieren, nicht den Schwung verlieren.
Die Unterscheidung zwischen dem "Wesen" einer Sache und ihrer Darstellung (oder Gestalt) ist eine sehr alte Idee der griechischen Philosophie. Beispiel: Ein Baum ist ein Baum, egal wie er konkret aussehen mag; wenn man einen Ast abschneidet, ist es immer noch ein Baum. Daraus schlossen verschiedene griechische Philosophen, dass das Wesen von der Gestalt zu unterscheiden wäre.

Ebenso schloss man, dass "das Leben" (später bei den Christen: der Geist, die Seele) sich vom Körper unterscheiden müsse, denn ein totes Eichhörnchen sieht genauso aus wie ein lebendiges Eichhörnchen, also muss es ein weiteres Element geben, welches den Körper (die Materie) belebt.

Seitdem versucht man, den "Kern" oder das "Wesen" einer Sache zu erfassen. Und man unterschiedet zwischen der "Materie" und dem geheimnisvollen Rest.
Hier ist mein Einwand: Was rechtfertigt es, diese Thesen weiterhin zu untersuchen? Warum kann man behaupten, sie formten heute noch ein valides Argument? Die Thesen sind alt und ehrwürdig, das stimmt. Aber sonst?

Ich sehe bei Dir, Flow, ein ehrliches Interesse an diesen Dingen. Nach meiner Beobachtung wägst Du die Dinge hin und her, stößt dabei aber auf viele Ungewissheiten und Widersprüche. Warum überprüfst Du nicht Deine Grundannahmen? Wenn die Grundannahmen einfach nicht passen wollen, dann sind sie vielleicht falsch? Ab einem gewissen Punkt, wenn es vorne und hinten nicht passen will, muss man die Grundannahmen infrage stellen.

Warum verwirfst Du die griechischen Spekulationen über Materie und ihr "Wesen" nicht komplett? Es ist nicht schwierig, herauszufinden, dass Aristoteles und Platon nichts von der Materie wussten und nichts wissen konnten. Warum ist es so schwer, diese Ideen über Bord zu werfen?

Nach meiner Meinung haben jene Denker und Forscher die größten und schnellsten Fortschritte erzielt, die am ehesten bereit waren, alten Krempel über Bord zu werfen. Dies gilt umso mehr, je älter der Krempel war.

Im christlichen Umfeld werden diese vorwissenschaftlichen Ideen gerne zitiert, und zwar nach meiner Meinung deshalb, weil sie vorwissenschaftlich sind. Das ist der ganze Punkt. Es passt ins altertümliche Weltbild und klingt gut.

Man überhört allzu leicht die Lächerlichkeit, die in Sätzen steckt wie: "Schon Aristoteles lehrte uns, dass der Geist und die Materie..." Wenn man bedenkt, was wir in den letzten 100 Jahren über Materie herausgefunden haben, und wenn man weiterhin bedenkt, dass zu Zeiten von Aristoteles bereits eine Schubkarre eine fantastische Weltsensation gewesen wäre, ist eine Bezugnahme auf seine alten Spekulationen schon etwas albern. Wen interessiert das noch? Derlei Rhetorik wird nur noch verwendet, um die Zuhörer einzuseifen.

LidlRacer 26.04.2019 20:40

Zitat:

Zitat von Trimichi (Beitrag 1448463)
Lidlracer: beleidigst Du just eben Deine eigene Intelligenz? Oder willst Du den Sinn von Experimenten abstreiten?

Ich will den Sinn DIESES Experiments abstreiten.
Zumindest in meinem Fall ist es schlicht und einfach unmöglich, es durchzuführen.
Ich kann auch experimentell nicht an etwas glauben, von dem ich auf Basis jeder Menge logischer Argumente felsenfest überzeugt bin, dass es nicht existiert.

Ok, angenommen, ich könnte diese Unmöglichkeit vergessen, und doch irgendetwas glauben. In der Folge habe ich eine Vision, dass Gott mit mir spricht, ich habe eine Erleuchtung o.ä.
Was beweist das? Nix. Gar nix.

Weiterhin sehe ich nicht, dass die Gläubigen irgendetwas haben, das mir fehlt.

Also bleibt meine Frage:
Wofür soll das gut sein?

Trimichi 26.04.2019 21:26

Zitat:

Zitat von LidlRacer (Beitrag 1448477)
Ich will den Sinn DIESES Experiments abstreiten.
Zumindest in meinem Fall ist es schlicht und einfach unmöglich, es durchzuführen.
Ich kann auch experimentell nicht an etwas glauben, von dem ich auf Basis jeder Menge logischer Argumente felsenfest überzeugt bin, dass es nicht existiert.

Ok, angenommen, ich könnte diese Unmöglichkeit vergessen, und doch irgendetwas glauben. In der Folge habe ich eine Vision, dass Gott mit mir spricht, ich habe eine Erleuchtung o.ä.
Was beweist das? Nix. Gar nix.

Weiterhin sehe ich nicht, dass die Gläubigen irgendetwas haben, das mir fehlt.

Also bleibt meine Frage:
Wofür soll das gut sein?

Na, man könnte Dich z.B. an einen Lügendedektor anschließen und ein bißchen foltern. Nur ein bißchen. Die richtigen Fragen stellen, meine ich. Ich glaube schon, dass Du dann anfängst zu glauben. Unter Folter gesteht so ziemlich jeder so ziemlich alles. Wie die Verbrechensaufklärungsrate der chinesischen Polizei von 99% belegt. Wofür soll das gut sein? Könnte ich Dich genauso fragen.

Jörn 26.04.2019 21:35

Zitat:

Zitat von Trimichi (Beitrag 1448457)
Glaube doch einfach mal (...) Mach' ein, Dein persönliches Experiment.

Ein Experiment ist nur dann sinnvoll, wenn etwas daraus folgt. Und zwar etwas, das vorab festgelegt wurde. Beispielsweise: "Sollte dies-und-jenes herauskommen, führt es uns zu dieser-und-jener Schlussfolgerung".

Trimichi, ich bin gerne bereit zu einem Experiment nach Deiner Anleitung, sofern Du vorab festlegst, was daraus folgt. (Dies soll nachträgliche Ausflüchte verhindern und eine für alle Leser nachvollziehbare Logik sicherstellen.)

- Was soll ich tun?
- Welche Beobachtung meinerseits führt zu welcher Schlussfolgerung und Konsequenz?
- Was genau müsste ich beobachten, um Dich zu der Schlussfolgerung zu führen, dass der ganze Götterglaube nur Einbildung oder Betrug ist?

Trimichi 26.04.2019 22:40

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1448487)
Trimichi, ich bin gerne bereit zu einem Experiment nach Deiner Anleitung, sofern Du vorab festlegst, was daraus folgt. (Dies soll nachträgliche Ausflüchte verhindern und eine für alle Leser nachvollziehbare Logik sicherstellen.)


Was genau müsste ich beobachten, um Dich zu der Schlussfolgerung zu führen, dass der ganze Götterglaube nur Einbildung oder Betrug ist?

Jörn, hängt davon ab woran Du glauben willst. Gott zwingt Dich zu nichts. Der Wille ist frei. Ich kann auch nicht in Deinen Kopf hineinsehen und würde es davon abgesehen auch nicht wollen und es mir unter gegeben Umständen auch selbst verbieten. Daher weiss ich nicht was du willst, will es auch nicht wissen. Für so ein Experiment bei einem Menschen noch dazu bei Deinem Intellekt übernehme ich nie und nimmer die Verantwortung und ich lehne diese daher strikt ab.

Was Du beobachten könntest ist (D)eine ganz persönliche Erfahrung, die womöglich so persönlich ist, dass Du sie vermutlich nicht ins Forum eintippen möchtest. Wie gesagt, ich kann und will nicht in Deinen Kopf hineinsehen, und weiss auch nicht ob Du so eine Erfahrung dann eintippen wolltest, würdest Du sie machen. Du wärst ja dann dazu verpflichtet im Erfolgsfall (s.oben). Kannst Du eintippen oder auch nicht oder wie auch immer Du den Erfolgsfall ggf. handhaben möchtest. Was Du genau beobachten müsstest ginge nur Dich etwas an, falls Du etwas beobachten müsstest.

Jörn 26.04.2019 23:19

Trimich, Du antwortest nicht auf meine drei Fragen.

Ich wollte mit meiner Zusage zu Deinem Experiment folgendes deutlich machen:

Ein Experiment lehrt uns einerseits etwas über den beobachteten Gegenstand. Andererseits lehrt es uns auch etwas über den Beobachter. Die Art, wie der Beobachter das Experiment anlegt, offenbart seinen derzeitigen Wissensstand. Beispiel: Wenn eine vermeintliche Hexe daraufhin untersucht wurde, ob sie drei Minuten unter Wasser überlebt (Hexenprobe), dann sagt uns das etwas über das wissenschaftliche oder religiöse Verständnis dieser Zeit.

Außer dem Gegenstand und dem Beobachter gibt es noch ein drittes Element: die Absicht. Die Absicht der Wissenschaft wäre, einen Sachverhalt eindeutig zu klären. Eine Absicht könnte aber auch darin bestehen, eine Klärung zu verhindern. Je nach Absicht wird das Experiment gestaltet. Über die Gestaltung erkennt man die Absicht.

Meine These (und Beobachtung) ist: Religiöse "Experimente" werden von vornherein so gestaltet, dass sie eine Sache nicht klären, sondern verwirren. Sobald einer religiösen Behauptung eine eindeutige Klärung droht, wird das Experiment abgebrochen oder für ungültig oder für undurchführbar erklärt. Oder es wird so angelegt, dass das Ergebnis beliebig interpretiert werden kann. Durch diese Gestaltung erkennt man die Absicht.
Ein Beispiel aus den letzten Seiten: Die Tatsache, dass wir Leid empfinden (was niemand bestreiten kann), ist Teil eines Experiments. Nämlich des Experiments, ob wir die nicht steigerbare Allgüte des Herrn empfangen. Prompt erscheint Zarathustra und gibt zu bedenken, dass wir ja nicht wüssten, was das Wort "gut" überhaupt bedeutet, im göttlichen Kontext. (Jedoch weiß niemand, was göttlicher Kontext sein soll, und genau das ist die Absicht.) Das Experiment wird so lange verwirrt, bis wir noch nicht einmal sagen können, ob Leid tatsächlich Leid ist, und ob "schlecht" womöglich "gut" ist. Wir können im Grunde überhaupt nichts sagen. Es wird so lange gedreht, bis nichts mehr geklärt werden kann. Aber: Dadurch verrät sich eben auch die Absicht.
Mein Vorschlag an die religiöse Fraktion im Thread wäre, sich zu fragen, ob das zutrifft und warum. Macht es "die Gläubigen" nicht stutzig, dass einer Klärung stets ausgewichen wird? Ist da nicht was faul? Hat es jemanden überrascht, dass das Experiment von Trimichi verworfen wurde, sobald es konkret zu werden drohte? Findest Du, Trimichi, das nicht selber etwas seltsam? Immerhin hast Du das Experiment selber vorgeschlagen.

Als Beispiel für eine Selbst-Überprüfung könnte die Wirksamkeit von Gebeten dienen. Dies ist eine Art "Experiment", dessen Ausgang sehr einfach untersucht werden kann, von jedem einzenen. Warum unterbleibt diese Untersuchung? Warum wird sie, falls sie droht, sofort ins Nebulöse verschwurbelt?

Trimichi 27.04.2019 07:21

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1448501)
Trimich, Du antwortest nicht auf meine drei Fragen.

Ich wollte mit meiner Zusage zu Deinem Experiment folgendes deutlich machen:

Ein Experiment lehrt uns einerseits etwas über den beobachteten Gegenstand. Andererseits lehrt es uns auch etwas über den Beobachter. Die Art, wie der Beobachter das Experiment anlegt, offenbart seinen derzeitigen Wissensstand. Beispiel: Wenn eine vermeintliche Hexe daraufhin untersucht wurde, ob sie drei Minuten unter Wasser überlebt (Hexenprobe), dann sagt uns das etwas über das wissenschaftliche oder religiöse Verständnis dieser Zeit.

Außer dem Gegenstand und dem Beobachter gibt es noch ein drittes Element: die Absicht. Die Absicht der Wissenschaft wäre, einen Sachverhalt eindeutig zu klären. Eine Absicht könnte aber auch darin bestehen, eine Klärung zu verhindern. Je nach Absicht wird das Experiment gestaltet. Über die Gestaltung erkennt man die Absicht.

Meine These (und Beobachtung) ist: Religiöse "Experimente" werden von vornherein so gestaltet, dass sie eine Sache nicht klären, sondern verwirren. Sobald einer religiösen Behauptung eine eindeutige Klärung droht, wird das Experiment abgebrochen oder für ungültig oder für undurchführbar erklärt. Oder es wird so angelegt, dass das Ergebnis beliebig interpretiert werden kann. Durch diese Gestaltung erkennt man die Absicht.
Ein Beispiel aus den letzten Seiten: Die Tatsache, dass wir Leid empfinden (was niemand bestreiten kann), ist Teil eines Experiments. Nämlich des Experiments, ob wir die nicht steigerbare Allgüte des Herrn empfangen. Prompt erscheint Zarathustra und gibt zu bedenken, dass wir ja nicht wüssten, was das Wort "gut" überhaupt bedeutet, im göttlichen Kontext. (Jedoch weiß niemand, was göttlicher Kontext sein soll, und genau das ist die Absicht.) Das Experiment wird so lange verwirrt, bis wir noch nicht einmal sagen können, ob Leid tatsächlich Leid ist, und ob "schlecht" womöglich "gut" ist. Wir können im Grunde überhaupt nichts sagen. Es wird so lange gedreht, bis nichts mehr geklärt werden kann. Aber: Dadurch verrät sich eben auch die Absicht.
Mein Vorschlag an die religiöse Fraktion im Thread wäre, sich zu fragen, ob das zutrifft und warum. Macht es "die Gläubigen" nicht stutzig, dass einer Klärung stets ausgewichen wird? Ist da nicht was faul? Hat es jemanden überrascht, dass das Experiment von Trimichi verworfen wurde, sobald es konkret zu werden drohte? Findest Du, Trimichi, das nicht selber etwas seltsam? Immerhin hast Du das Experiment selber vorgeschlagen.

Als Beispiel für eine Selbst-Überprüfung könnte die Wirksamkeit von ...... personal power......dienen. Dies ist eine Art "Experiment", dessen Ausgang sehr einfach untersucht werden kann, von jedem einzenen. Warum unterbleibt diese Untersuchung? Warum wird sie, falls sie droht, sofort ins Nebulöse verschwurbelt?

Also gut, nach Rücksprache mit meiner besten Freundin, deren Name ich hier nicht eintippe, schildere ich Dir eine Erfahrung und Beobachtung. Eine vollständige Erklärung kann ich nicht abgeben, da mein Aufenthalt auf den Philippinen, was das technologische Know-How und der damit verbundene Auftrag der Geheimhaltung unterliegt. Nur soviel: die deutsche Telekom hat viel Geld verdient.

As ich also auf den Philippinen war gings relativ rund. D.h. ich befand mich im Dschungel in einer Art Gefängnis. So wurde ich um 10.00 Uhr Abend von Uncle Miljet eingesperrt. Um 4:30 Uhr morgen schloss selbiger die "Lodge" im Jungle wieder auf. Ich befand mich in einer - nach philippinischem Recht - rechtlichen Grauzone und war, was das Überleben anbelangt mehr oder weniger auf mich alleine gestellt. Die USA mit Stützpunkt Guam hatten Hilfe angekündigt, das philippinische Militär hatte mir einen Countdown gestellt. Kirche usw. half nichts mehr. Meine Zeit lief quasi ab. Allerdings wurden die Regeln des Fairplays gewährleistet. D.h. ich konnte nach einem Ausweg suchen. Meine beste Freundin (Halbphilipina) sorgte nun dafür, dass ich nicht verrecken müsse und stellte den Countdown wieder neu ein, insofern, dass ich nur die Philippinen aus eigener Kraft verlassen müsse. Also machte ich es mir gemütlich und knobelte ganz üble Dinge aus. Üble Dinge: zum Beispiel nahm ich Kontakt zur den Rebellen auf oder hatte auch schon zuvor ein paar Filippinos "verprügelt". Einer lag im Krankenhaus und wurde ins Koma versetzt. Einer, ein philippinischer Militär-Polizist, hatte mich mit einer Pistole bedroht. Und deswegen saß ich ja in dem Quasi-Gefängnis im Dschungel. Soweit alles gut.

Eines nachmittags, es waren so zwischen 38 und 42 Grad Celsius im Schatten, und ich lag also in meiner Hängematte, da dachte ich an nichts und war tiefen entspannt. Plötzlich, d.h. aus heiterem Himmel, flog ein rundes, komplett schwarzes Objekt in der Größe eines Handballs mit einer Art Stachel in 2,5 Meter Höhe an und über mir vorbei und verschwand irgendwo im Inneren des Gebäudes, indem ich schlief. Zu dem Moment wusste ich nur eines: keine falsche Bewegung, keinen Mucks, nichts. Ich schloss mit allem ab und dachte mir, ok, wenn es mich tötet, dann habe ich es wohl so verdient. Auf der anderen Seite hatte ich mir nichts vorzuwerfen und konnte ruhigen Gewissens ruhig bleiben und hatte keine Angst. Nach einer halben Stunde interpretierte ich diese Erscheinung des schwarzen Objekts, das auf Grund seiner Größe kein mir bekanntes Insekt sein konnte (die Tracheenatmung definiert die Größe von Insekten auf ein gewisses Maximum), d.h. auf Grund der Größe kein Insekt sein konnte. Was war das? Ich beschloss nicht weiter darüber nachzudenken, interpretierte diese Erscheinung als Warnung. Und von daher gesehen verließ ich die Hängematte und begab mich in das Innere des Gebäudes. Das unbekannte Objekt sah ich nicht wieder.

ENDE dieser Märchenstunde. Ziehe die Schlussfolgerungen selbst. Nur soviel: the magic happens outside of your comfort-zone.

Jörn 27.04.2019 07:43

Interessant! Danke für das Posting.

Die Frage war: Wieso wird eine anstehende Prüfung (eines religiösen Experiments) stets ins Nebulöse verschwurbelt?

Die Frage davor lautete, wie das Experiment, das Du mir empfahlst, gestaltet werden sollte:

- Was soll ich tun?
- Welche Beobachtung meinerseits führt zu welcher Schlussfolgerung und Konsequenz?
- Was genau müsste ich beobachten, um Dich zu der Schlussfolgerung zu führen, dass der ganze Götterglaube nur Einbildung oder Betrug ist?

Jörn 27.04.2019 07:54

Noch eine rasche Rückfrage. Das schwarze fliegende Objekt weist nach meiner Meinung einwandfrei auf den Atheismus hin. Es ist ein dringlicher Hinweis, sofort jeden Götterglauben einzustellen.

Anscheinend wertest Du das schwarze Objekt genau gegenteilig. Warum?

Trimichi 27.04.2019 07:59

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1448517)
Interessant! Danke für das Posting.

Die Frage war: Wieso wird eine anstehende Prüfung (eines religiösen Experiments) stets ins Nebulöse verschwurbelt?

Die Frage davor lautete, wie das Experiment, das Du mir empfahlst, gestaltet werden sollte:

- Was soll ich tun?
- Welche Beobachtung meinerseits führt zu welcher Schlussfolgerung und Konsequenz?
- Was genau müsste ich beobachten, um Dich zu der Schlussfolgerung zu führen, dass der ganze Götterglaube nur Einbildung oder Betrug ist?


Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1448518)
Noch eine rasche Rückfrage. Das schwarze fliegende Objekt weist nach meiner Meinung einwandfrei auf den Atheismus hin. Es ist ein dringlicher Hinweis, sofort jeden Götterglauben einzustellen.

Anscheinend wertest Du das schwarze Objekt genau gegenteilig. Warum?



Bitte. Bitte zügle Deine Neugier was diese Anekdote betrifft. Nun sind imho wieder andere an der Reihe in der Debatte und/oder Diskussion.

Ich wünsche Dir einen schönen Tag.

Helmut S 28.04.2019 18:07

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1448155)
Desweiteren kann man mit Kant der Ansicht sein, daß uns einige der Einsichten, die in den Prämissen behauptet werden aufgrund der Grenzen unserer Vernunft und unseres Verstandes prinzipiell verwehrt bleiben müssen (Danke an Helmut S für den Hinweis!).

Ich fühle mich nicht sehr wohl beim Lesen der Zeilen. :( Ich möchte also etwas detaillieren:

Mein Hinweis bezog sich (vor dem Hintergrund der Diskussion hier um die "Rechtfertigung Gottes vor dem Übel in der Welt") lediglich auf eine späte, nachkritische Schrift von Kant mit dem Titel:

"Über das Misslingen aller philosophischen Versuche in der Theodizee"


Die Ehre bezüglich einen Hinweises darauf, dass uns einige der Einsichten aufgrund der Grenzen unseres Verstandes und unserer Vernunft prinzipiell verwehrt beleiben müssen, gebührt mir nicht. Ich sehe das auch nicht in der Gänze so, vor allem nicht, wenn ich mich an Kant orientiere.

Ich bin der Meinung, dass man hier aufpassen muss, dass man Kant nicht falsch versteht. Auch Kant hat sich über die Zeit entwickelt und teilweise verändert oder ggf sogar Widersprochen. Vereinfacht gesagt, muss man also m.E. aus aus folgendem Grund aufpassen:

Er gebraucht den Begriff der Vernunft manchmal im engeren Sinne und manchmal im weiteren Sinne. Das ist verwirrend. Im weiteren Sinne umfasst die Vernunft bei Kant auch den Verstand.

Im engeren Sinne ist bei Kant die Vernunft die Fähigkeit Urteile a priori zu treffen. A priori bedeutet, Urteile zu treffen (also Erkenntnis zu gewinnen) ohne vorher eine sinnliche Erfahrung gemacht zu haben, d.h. nur mit Hilfe der Begriffe und ihrer Bedeutung. Der Verstand dagegen ist das Vermögen Urteile a posteriori zu treffen, d.h. Urteile z.B. aufgrund von Erfahrung (phänomenal als Sinneseindruck des Dings an sich) zu treffen. Alle empirische Erkenntnis entspringt einem Urteil a posteriori. Anmerkung: Kant dröselt die Arten der Urteile noch weiter auf - is hier aber m.E. unerheblich.

Was die Theodizee betrifft, so lehnt Kant (in der genannten Schrift) meinem Verständnis nach aus logischen Gründen bzw. Gründen der Möglichkeiten des Verstandes (a posteriori) alle Versuche ab, Gott trotz des Übels der Welt zu rechtfertigen. Schon gar nicht - das sagt er ausdrücklich - sind die Theodizeeversuche Gottesbeweise. Ein Existenzbeweis muss, soll er wissenschaftlich sein, immer a posteriori sein. Da sich Gott aber dem Verstand (mangels sinnlicher Erfahrung als Phänomen des Dings an sich) entzieht, ist kein Beweis möglich.

Kant ist aber damit Einverstanden, dass die Vernunft (genauer: praktische Vernunft) einen Gottesbegriff postuliert, um das sittliche Handeln zu rechtfertigen. Die Vernunft im engeren Sinne ist der Quell von Begriffen, von Ideen. Die Existenz eines Begriffs, eine Idee ist aber noch kein Beweis für die Existenz eines Dings an sich, dessen Phänomen wir mit dem Begriff bezeichnen. Kant sagt, man kann so tun "als ob" es einen Gott gibt (um die höchste Einheit der Erkenntnis der Vernunft herzustellen) . Der Begriff "Gott" (bzw. das so "tun als ob") muss sich dann aber der Moral unterordnen. Man kann aber auch so tun "als ob" die Moral von Gott kommt. Das ist aber alles nicht wirklich objektiv.

Man kann mit Kant also m.E. nicht der Ansicht sein, daß uns einige der Einsichten, die in den Prämissen behauptet werden aufgrund der Grenzen unserer Vernunft und unseres Verstandes prinzipiell verwehrt bleiben müssen. Was uns verwehrt bleiben muss, so Kant, ist der Beweis oder die Rechtfertigung, denn die Begriffe sind dem Verstand insofern nicht zugänglich, als dass er sie mit Erfahrung füllen könnte. Das ist insofern ein Unterschied, weil die Nichtzugänglichkeit nicht an der Göttlichkeit bzw Menschlichkeit o.ä. liegt, sondern an der logischen Unmöglichkeit.

Wichtig: Kant sieht m.E. Gott in dieser späten Phase auch nicht als moralisches Wesen, als moralischen Akteur, das bzw. der dem Sittengesetz unterworfen wäre, sondern er meint im obigen Sinne, dass man so tun könnte "als ob" es einen Gott gibt, der dann aber der Moral unterworfen sein müsste. Um so zu tun "als ob" muss es aber den Begriff "Gott" geben, die Idee "Gott". Damit behauptet er aber nicht, dass es einen Gott gibt. Insbesondere - selbst wenn es einen gäbe - könnte man aus der Existenz nichts ableiten, weil Existenz kein Prädikat ist, dass man in Beziehung zu etwas setzen könnte um neue Erkenntnis (Erweiterungsurteil) zu gewinnen. Übrigens wurde aus diesem Grunde m.W.n. in der Mathematik der Existenzquantor eingeführt. Vorher war man der Meinung, Existenz könne man als Prädikat ausdrücken. :Blumen:

waden 28.04.2019 18:46

Danke Helmut S. Das finde ich wirklich sehr spannend - und ich verstehe, dass Du bei dieser Sorgfalt nicht mehr so häufig schreibst. Ich bin dankbar, dass Du diese Beschreibung "vereinfacht" vorgenommen hast :) So verstehe ich wenigstens fast alles.

Die Trennung von Erkenntnissen mit und ohne Sinneseindrücken (a priori/a posteriori), wenn ich das so vereinfacht formulieren darf, erscheint mir problematisch. Dieser Dualismus geht nach meiner Erinnerung wenigstens bis auf Platon zurück. Ich erlaube mir, gegen diese Geistesgiganten an zu vermuten, dass das nicht zutrifft, weil keine unserer Erfahrungen und Erkenntnisse losgelöst von unserem Körper stattfindet.

Helmut S 28.04.2019 20:19

Die Unterscheidung a priori und a posterieori bei Kant hat ja nix mit Dualismus zu tun oder damit, dass wir, wenn wir denken in unserem Körper denken oder gar körperlich substanzlos denken würden. Ausdrücklich lehnt Kant den Substanzdualismus ja ab. Es geht lediglich darum, dass wir lt Kant a priori Erkenntnisse gewinnen können, ohne zu sehen, zu hören, zu riechen oder zu fühlen - also nicht empirisch. A priori sind Erkenntnisse wie z.B. in der Mathematik, die durch reines nachdenken entstehen. Das hinterher solche Erkenntnisse ggf. empirisch bestätigt werden is dem ja nicht schädlich. Allerdings: Auch Kant ist selbstverständlich nicht völlig unumstritten.

Man braucht Kant aber ehrlich gesagt nicht zur Religionskritik mMn. Und vieles was man da recht kompliziert liest ist heute erkentnisstheoretisches Commodity - sind ja doch fast 300 Jahre vergangen und andere haben auch nachgedacht ;) Kant mag besonders wichtig sein, weil er für eine Wende in der Philosophie steht. Ich kann deshalb was zu Kant sagen, weil ich mich dafür aus versch. Gründen interessiere und nicht weil ich glaube, er würde die Welt ENDLICH(!!) erklären oder hätte ein Letztantwort oder sonstwas. Und das die Philosophie in der Disziplin Metaphysik nicht wirklich erfolgreich ist, spricht übrigens auch nicht dafür, sie zur Religionskritik zu verwenden. Übrigens ist dieser Umstand auch als "Skandal der Philosophie" bekannt.

Ich wollte da halt nur was dazu schrieben, weil mein Nick von Z in einem etwas Missverständlichen Zusammenhang gebraucht wurde, dessen Inhalt ich noch dazu nicht so sehe.

:Blumen:

merz 28.04.2019 22:05

diese (krassen) nachkritischen Sachen hatten ich überhaupt nicht auf dem Schirm, danke für den Hinweis

Aber was bleibt denn jetzt bei unserem Ausflug nach Königsberg:

- Kant braucht eine Gottesidee zum Abschluss seiner Ethik, diese Idee ist nicht notwendig christlich und diese Ethik muss man auch nicht fahren (ich vereinfache die Dinge, das es sogar mir schon fast weh tut, aber es muss ein)
- auch im Spätwerk bleibt das Problem der Theodizee (das ist dieses Rätsel der Rechtfertigung der Rede von (einem existenten) Gott angesichts des Übels in der Welt, auf Philosophisch) ungelöst.

- "Denknotwendigkeiten" (nicht Kant'sch, aber irgendwie so), siegt über das schreiende Problem der Theodizee

Also nichts zu holen bei Kant?
Schade, aber ist wohl so.

m.

Flow 28.04.2019 23:05

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1444941)
Mag sein oder auch nicht. Du stellst damit implizit die Behauptung auf, dass es neben der naturwissenschaftlich erklärbaren Welt noch eine weitere gibt. Diese Voraussetzung ist allerdings genau das, was erst noch zu beweisen ist.

Das liest sich für mich so, als fordertest du den naturwissenschaftlichen Beweis der Existenz etwas naturwissenschaftlich nicht Beweisbaren, bevor du es glauben oder zumindest für möglich halten willst.
Das mutet etwas seltsam an ... :)

(Sieh mir nach, falls dieser Punkt auf den folgenden Seiten klarer beleuchtet wurde ... ich lese noch ...)

Jörn 29.04.2019 00:58

Zu Kant (aber nicht nur): Unterm Strich geht es um a) Erkenntnisse und b) Rechtfertigungen.

Erkenntnisse kann man "einfach so" haben, ohne dass etwas daraus folgt. Man kann aus irgendeiner Erkenntnis heraus verabreden, so zu tun, als gäbe es Gott, oder auch nicht. Solange nichts daraus folgt, ist es ein akademisches Gedankenspiel. In diesem Sinne ist es einerseits interessant, was Kant dazu sagt, andererseits aber auch einerlei.

Rechtfertigungen dienen dazu, konkrete Handlungen zu legitimieren. Etwa: Weil es einen Gott gibt (oder wir es uns mal philosophisch so vorstellen), fordern wir von Dir dies-und-jenes. Beispielsweise dürfen Christen keine Juden heiraten, weil (XY). Eine Rechtfertigung braucht eine viel höhere Plausibilität als irgendein rein gedachtes Konstrukt, weil sie eine Zustimmung benötigt (außer bei Sklaverei).

Für eine Rechtfertigung bringen mir alle philosophischen Denk-Experimente nicht genügend Gewicht auf die Waage. Im Grunde bringen sie überhaupt kein Gewicht auf die Waage. Ich könnte beispielsweise einwenden, dass stets angenommen werden muss, dass es mehrere Götter geben könnte, die gelegentlich unterschiedlicher Auffassung sind. Allein diese These macht alle Spekulationen über Wille, Eigenschaften und Absichten von "Gott" bedeutungslos, denn eventuell gibt es mehrere.

Ich könnte weiterhin einwenden, dass der einzige Gott nach Gutdünken seine Meinung ändert. Man mag dem entgegnen, dass es ziemlich albern sei, dass Gott seine Meinung ändern würde. Ich könnte antworten, dass es ziemlich albern sei, dies einfach auszuschließen, und man möge mir bitte diese Annahme sauber herleiten.

Mit diesen Einwänden möchte ich meine Auffassung illustrieren, dass hier ein riesiges Gewicht an einem winzigen Scharnier aufgehängt wird. Aus Kleinigkeiten (dass es nur einen Gott gibt, dass dieser nie seine Meinung ändert) werden riesige und weitreichende Schlussfolgerungen gezogen. Aber schon winzige Änderungen in den Annahmen ändert alles.

Ein solches winziges Scharnier ist auch die Annahme, dass wir die Götter nicht geistig erfassen könnten, weil es ein für uns unfasslicher Bereich sei. Das wird einfach mal so angenommen, und an diesem kleinen Scharnier hängt man riesige Konstrukte auf. Ich halte diese Annahme aber für frei erfunden.

Am Ende erreichen alle diese Überlegungen und Gedankenspiele die Schwelle nicht, ab der man Rechtfertigungen ableiten könnte. Es könnte alles stimmen, aber es könnte auch alles falsch sein. Daher ist es egal, ob es die Götter gibt oder nicht.

Ob Götter einer Moral unterworfen oder der Moral überlegen sind: Wen kümmert's? Wenn Gott höchstpersönlich anordnen würde, jeden Tag ein Kaninchenbaby zu töten, würden wir es trotzdem nicht tun. Gottes Moral ist uns egal, denn wir haben unsere eigene Moral. Deswegen ist es bedeutungslos, ob Gott über oder unter der Moral steht. Es mag als Erkenntnis oder als Gedankenspiel unterhaltsam sein, aber es wird kein vernünftiger Mensch ein süßes Kaninchenbaby umbringen, weil irgendein Philosoph eine Schlussfolgerung zieht.

Damit möchte ich sagen, dass wir selbst dann, wenn wir zu einem zweifelsfreien Ergebnis kämen, dieses ignorieren würden, wenn es uns nicht in den Kram passte.

Zarathustra 29.04.2019 03:15

Zitat:

Zitat von Helmut S (Beitrag 1448766)
Ich fühle mich nicht sehr wohl beim Lesen der Zeilen. :(
...

Hallo Helmut, der Dank an Dich war für den Hinweis auf Kant und sollte Dich nicht für meine (möglicherweise falsche oder unpräzise) Wiedergabe von dessen Gedanken verantwortlich machen.

Aus Deinem Beitrag lese ich, wenn ich Dich richtig verstehe, in der Hauptsache drei Kritikpunkte (meiner Wiedergabe Kants) heraus:
1. habe ich die Grenzen der Vernunft zu eng gesetzt; und
2. habe ich eine menschliche Unzulänglichkeit anstelle einer logischen Unmöglichkeit gesetzt.
3.'und'


zu 1: Das stimmt, denn gemeint war natürlich die theoretische Vernunft. (Um Kants praktische Vernunft oder gar weitere systematische Zusammenhänge einzuführen, schien mir das Diskussionsklima bei weitem nicht reif genug. Es drohen jederzeit schwerwiegende Unterstellungen von vermeintlichen Zirkelschlüssen und Immunisierungsstrategien...)

zu 2: Soweit ich sehe, habe ich mich in meinem Beitrag weder für das Eine noch für das Andere ausgesprochen.

zu 3: Das 'und' war so gemeint: Einige der Prämissen übersteigen das Vermögen unseres Verstandes (Bsp.: 'Gott ist vollkommen gut.'), einige das Vermögen unserer Vernunft (Bsp.: 'Wenn es Böses/Schlechtes in der Welt gibt, dann muß er es anders machen wollen.'); Überschneidungen sind möglich.

____

Die Zielrichtung des von Dir zitierten Aufsatzes ist im Übrigen anders als sie es in meinem Beitrag und allgemein in der vorangegangenen Diskussion hier war. J. Brachtendorf (Kant-Studien 2002) argumentiert sogar für eine Deutung des Aufsatzes als eine 'Neufundierung philosophischer Theodizee'.


Gute Nacht!

Jörn 29.04.2019 04:58

Wie weit kann eine durch Philosophie gewonnene "Erkenntnis über die Existenz Gottes" maximal tragen?

Nehmen wir an, die Philosophie würde uns ohne jeden Zweifel darlegen, dass es einen einzigen wahren Gott tatsächlich gibt: Was weiter könnten wir daraus ableiten? Könnten wir daraus ableiten, was dieser Gott von uns will?

Gibt es, theoretisch, die Möglichkeit, seinen Willen und seine Forderungen an uns abzuleiten? Oder ist die schiere Existenz das Äußerste, was wir überhaupt (prinzipiell) ableiten könnten?

Ich behaupte, dass jede weitere Schlussfolgerung (über die schiere Existenz hinaus) unmöglich ist. Ich folgere meinerseits daraus, dass sogar eine so epochale Erkenntnis wie die tatsächliche Existenz eines Gottes letztlich folgenlos bleibt. Was dieser Gott will, denkt, mag, glaubt, verachtet, fordert, bestraft oder belohnt, bleibt prinzipiell außer Reichweite.

• Kann die Philosophie, prinzipiell, eine Aussage darüber treffen, ob Gott überhaupt von unserer Existenz im Weltall weiß?

• Kann die Philosophie, prinzipiell, herausfinden, ob Gott einen Unterschied sieht zwischen uns und Tieren?

• Kann die Philosophie ein Urteil darüber abgeben, ob wir die von Gott bevorzugte Spezies sind? Und nicht etwa Bakterien? Immerhin sind wir Nahrung für Bakterien. Ganz besonders nach dem Tod.

Ich habe den Eindruck, als würde hier mit größter Mühe ein Unterfangen betrieben, welches prinzipiell nicht in der Lage ist, bedeutungsvolle Antworten zu geben, selbst dann, wenn der logische Nachweis eines Gottes gelänge. Warum wird dieses Unterfangen trotz dieser mürben Aussichten dennoch betrieben? Eine Möglichkeit wäre, dass die Philosophie lediglich vor den Karren der Religion gespannt wird, für jene, denen der Weihrauch und die Engel zu primitiv sind und daher lieber über Kant und Wallenstein reden. Die Religion wäscht sich womöglich mit dem Ansehen der Philosophie rein.

Fakt ist (und jeder kann es nachprüfen): Die Philosophie konnte in 3.000 Jahren nicht den winzigsten Beitrag dazu leisten, um herauszufinden, wer oder was Gott ist, ob es ihn gibt, und was er von uns will.

Ich bin nicht davon überzeugt, dass die Philosophie, soweit sie Gott betrifft, zu irgendwelchen Handlungsanweisungen oder moralischen Geboten kommen kann, die auf dem Willen eines Gottes basieren. Ich behaupte, das kann sie nicht, und zwar prinzipiell nicht.

Trimichi 29.04.2019 07:06

Zitat:

Zitat von Helmut S (Beitrag 1448766)
Übrigens wurde aus diesem Grunde m.W.n. in der Mathematik der Existenzquantor eingeführt. Vorher war man der Meinung, Existenz könne man als Prädikat ausdrücken. :Blumen:

Sehr interessanter Punkt !

Ich denke, hier könnte Klugschnacker als Physiker ansetzen, zumal dessen Widerspruch sehr gut verständlich herausgearbeitet wurde: Klugschnacker will mit naturwissenschaftlichen Methoden beweisen, was erwiesenermaßen mit naturwissenschaftlichen Methoden nicht bewiesen werden kann. An dieser Stelle mein Dank auch an waden. Sehe ich auch so, dass die körperliche (sinnliche) Erfahrung eine Rolle spielt, will nicht in den Sensualismus verzweigen.
Danke für Deinen Beitrag, hat mir gut getan.

Der Existenzquantor spielt meiner Meinung nach eine wichtige Rolle bei dem Thema. Oder wie Heraklit sagte und ich dessen Worte auch gerne nochmalig eintippe: panta rhei.

Ok, das wars auch schon. Wollte nur nicht das der fettmarkierte Begriff untergeht. Daher möge man mir meinen "reminder" nachsehen. Also dann, guten Wochenstart einstweilen.

Jörn 29.04.2019 07:37

Zitat:

Zitat von Trimichi (Beitrag 1448836)
will mit naturwissenschaftlichen Methoden beweisen, was erwiesenermaßen mit naturwissenschaftlichen Methoden nicht bewiesen werden kann

Ich finde es interessant, mit welchem Fleiß dieses Missverständnis immer wieder aufgetischt wird, obwohl es schon so oft beantwortet und klargestellt wurde.

Zudem ist die Wissenschaft ja gar nicht in der Beweispflicht, da sie nichts behauptet. Sondern die Religion ist in der Beweispflicht.

Nun scheitert die Religion nicht erst an einem "Beweis", sondern zuvor schon daran, eine einheitliche Behauptung aufzustellen, weil sich jeder Gläubige empört dagegen verwahrt, sein vorzüglicher Glaube hätte etwas mit dem kruden Aberglauben der anderen zu tun.

Von mir aus können religiöse Behauptungen, wenn sie denn endlich mal klar definiert würden, mit irgendwelchen Methoden bewiesen werden -- von mir aus mit schwarzer Magie. Das wird jedoch nicht gelingen.

Alles, was bis jetzt präsentiert wurde, ist nur eine Verpackung für: "Tja, öh... man muss halt glauben".

qbz 29.04.2019 09:30

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1448827)
...........
• Kann die Philosophie, prinzipiell, eine Aussage darüber treffen, ob Gott überhaupt von unserer Existenz im Weltall weiß?

• Kann die Philosophie, prinzipiell, herausfinden, ob Gott einen Unterschied sieht zwischen uns und Tieren?

• Kann die Philosophie ein Urteil darüber abgeben, ob wir die von Gott bevorzugte Spezies sind? Und nicht etwa Bakterien? Immerhin sind wir Nahrung für Bakterien. Ganz besonders nach dem Tod.

Ich habe den Eindruck, als würde hier mit größter Mühe ein Unterfangen betrieben, welches prinzipiell nicht in der Lage ist, bedeutungsvolle Antworten zu geben, selbst dann, wenn der logische Nachweis eines Gottes gelänge. Warum wird dieses Unterfangen trotz dieser mürben Aussichten dennoch betrieben? Eine Möglichkeit wäre, dass die Philosophie lediglich vor den Karren der Religion gespannt wird, für jene, denen der Weihrauch und die Engel zu primitiv sind und daher lieber über Kant und Wallenstein reden. Die Religion wäscht sich womöglich mit dem Ansehen der Philosophie rein.

Fakt ist (und jeder kann es nachprüfen): Die Philosophie konnte in 3.000 Jahren nicht den winzigsten Beitrag dazu leisten, um herauszufinden, wer oder was Gott ist, ob es ihn gibt, und was er von uns will.

Ich bin nicht davon überzeugt, dass die Philosophie, soweit sie Gott betrifft, zu irgendwelchen Handlungsanweisungen oder moralischen Geboten kommen kann, die auf dem Willen eines Gottes basieren. Ich behaupte, das kann sie nicht, und zwar prinzipiell nicht.

Im Foyer der Berliner Humboldt Universität steht folgender bedenkenswerter Satz:



Aus den Thesen über Feuerbach

Helmut S 29.04.2019 10:45

Da vom Laufen meine rechte A-Sehne schmerzt und vom radeln mein linkes Knie ... verbringe ich meine Zeit halt anders ...

Zitat:

Zitat von merz (Beitrag 1448814)
Also nichts zu holen bei Kant?

Ein klares Jein. Was hat Kant versucht?

Er wollte eine wissenschaftliche Metaphysik entwickeln um Rationalismus und Empirismus zusammen zu bringen. Ergebnis: Zonk!

Er wollte eine letztgültige Pflichtethik begründen. Ergebnis: Zonk!

Was hat er aber erreicht? Wir sprechen im Prinzip in der Erkenntnistheorie über eine Zeit vor Kant und eine Zeit nach Kant. Man nennt das auch "kopernikanische Wende in der Philosophie". Er stellt das Subjekt in das Zentrum der Erkenntnis (im Gegensatz zu vorher das Objekt). D.h. er sagt: Wir tragen bereits durch Anschauung und Nachdenken Eigenschaften in die Dinge hinein, die die Dinge an sich nicht haben und was wir zunächst den Dingen nicht ansehen. Das ist diese Sache mit "Wir können nichts über das Ding an sich wissen". Darüber is man sich auch einig, das is aber kein Problem, auch nicht für die Empiristen, den ein wesentliches Kriterium im Naturwissenschaftlichen ist die Intrasubjektivität von Phänomenen. Und irgendwie scheint die Evolution in uns die Prinzipien der Fähigkeit zur Anschauung und zum Nachdenken gleich angelegt zu haben. Also alles gut.


Typische, einsichtige Analogie zu dem was Kant meint: Farben. Man ist sich heute einig, dass Farben keine Eigenschaften des Dings an sich sind (sondern sog. sekundäre Qualitäten), sondern in uns durch Wechselwirkung der Oberfläche des Dings, dem Licht und unseren Rezeptoren. Der Mensch ist Trichromat (drei Rezeptoren), es gibt aber auch Tetrachromate (z.B. mit UV Licht Rezeptoren) Tiere. Übrigens kann man die Anlaogie "Farbe" auch gut (vielleicht etwas holprig, ok ;) ) dazu verwenden um zu verstehen was Kant mit "a priori" meint: Wenn euch n Kumpel anruft und sagt, ich habe mir ein neues Auto gekauft, dann fragt ihr nicht: "Hat das Auto eine Farbe?" sondern ihr fragt: "Welche Farbe hat das Auto?" Ihr wisst a priori, dass Autos Farben haben. Dazu müsst ihr das Auto nicht sehen und das muss logisch auch nicht geprüft werden.

Kant hat jedenfalls mit der subjektzentrierten Erkentnisstheorie eine große Veränderung herbeigeführt. Moderne Bewusstseinsphilosophen (wie Metzinger), die interdisziplinär arbeiten und empirische Belege für das Phänomenale liefern (ich habe vor einem oder zwei Jahren mal das Buch "Der Ego Tunnel" von Metzinger empfohlen) profitieren heute davon.


Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1448826)
Aus Deinem Beitrag lese ich, wenn ich Dich richtig verstehe, in der Hauptsache drei Kritikpunkte (meiner Wiedergabe Kants) heraus:
1. habe ich die Grenzen der Vernunft zu eng gesetzt; und
2. habe ich eine menschliche Unzulänglichkeit anstelle einer logischen Unmöglichkeit gesetzt.
3.'und'
[...]

Vor allem das "und" hat mich gestört, setzt es doch eine Unterscheidung und impliziert deshalb die engere Sichtweise von Vernunft (wie du in 1. ja anmerkst). Wo ich ebenfalls sehr große Schwierigkeiten hatte, war, dass sich mir der Verdacht aufdrängte, dass keine saubere Unterscheidung des Begriffes "Gott" als Idee und dem "Ding" Gott gemacht wird.

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1448824)
Man kann aus irgendeiner Erkenntnis heraus verabreden, so zu tun, als gäbe es Gott, oder auch nicht

Ich weiß nicht genau, was du mit "verabreden" meinst? Wenn Du zum Beispiel meinst, dass ich mich mit Keko darauf verabrede, dass es einen Gott gibt und wir nun deshalb am Sonntag in die Kirche gehen um zu ihm zu beten, dann stimme ich dir zu.:Blumen:

Wenn "verabreden" meint "behaupten im erkentnisstheoretischen Diskurs", kann man das leider nicht, zumindest nicht lange ;) Denn das würde sofort widerlegt werden. Man kann so tun als gäbe es den Gottesbegriff. Freilich.

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1448824)
Rechtfertigungen dienen dazu, konkrete Handlungen zu legitimieren.

Nunja. Es ging um die Rechtfertigungen der Behauptung ("Rede") der All-Eigenschaften eines existierenden Gottes gegenüber dem Übel in der Welt (Theodizee). Rechtfertigung im philosophischen Sinne meint da schon was anderes als im Sinne eines wie auch immer gearteten Regelwerks/Gesetzes. Es meint eine Begründung, keine Legitimation von Handlungen.

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1448824)
Für eine Rechtfertigung bringen mir alle philosophischen Denk-Experimente nicht genügend Gewicht auf die Waage. Im Grunde bringen sie überhaupt kein Gewicht auf die Waage.

[... Rede über die Eigenschaften von Gott oder Göttern uw.]

Es ist völlig korrekt, dass die philosophischen Argumente bezüglich göttlicher Eigenschaften nicht nur wenig, sonder gar kein Gewicht auf die Waage bringen. Um philosophisch über Eigenschaften von etwas zu debattieren, muss erst bewiesen werden, das etwas auch ist. Man kann freilich rein formal über den Begriff diskutieren, weil den können wir denken.

Mal ehrlich: Mir persönlich ist nicht bekannt, dass irgendein lebender, ernst zunehmender Philosoph (ausgenommen Religionsphilosophen wahrscheinlich, von denen ich aber nichts weiß) auch nur Ansatzweise der Meinung sei, einen Beweis für die Existenz Gottes zu kennen. Im Gegenteil: M.E. ist das Thema sowas von durch.

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1448827)
"Erkenntnis über die Existenz Gottes" maximal tragen?

Nehmen wir an, die Philosophie würde uns ohne jeden Zweifel darlegen, dass es einen einzigen wahren Gott tatsächlich gibt: Was weiter könnten wir daraus ableiten?

Ja gar nix. Ich habe oben ja schon geschrieben, dass Existenz keine Eigenschaft ist. Aus ihr kann man gar nix ableiten. Deshalb wird die Existenz z.B. in der Mathematik als Existenzquantor geschrieben und nicht als Prädikat.

Was mir wichtig erscheint: Möchte man selbst diese Dinge denken, hilft es sehr, dass man weiß, welche Gedanken schon einmal gedacht wurden, sich die Argumentation ansieht um dann zu sehen, ist es Wert nochmal in diese oder jene Richtung zu denken oder ob das vielleicht schon erledigt ist. Was mir heute für die Philosophie wichtig scheint ist, dass sie in der Praxis ankommt. Das sie raus geholt wird aus den Elfenbeintürmen (der Sprachphilosophie) rein in die Gesellschaft. Hier bin ich der Meinung - Vorwurf des philosophischen Populismus hin oder her - hat gerade Richard David Precht viel geleistet. Keine Ahnung ob es philosophische Bücher gibt, die mehr gelesen wurden als seine. :Cheese: Mir persönlich ist das unmittelbar im Leben mehr Wert als viele große Gedankengebilde, mögen sie noch so wichtig sein.

Was mich persönlich betrifft: Die Diskussion darum ob es einen Gott gibt oder nicht, holt mich nicht mehr hinter dem Ofen hervor. Es gibt Stand heute mit extrem hoher Wahrscheinlichkeit schlicht Keinen. Schon gar nicht finde ich die Frage spannend, ob man Gott beweisen kann oder nicht. Spätestens seit Popper ist auch diese Frage längst beantwortet mit: Nein, kann man nicht. Auch nicht die Frage ob das was in der Bibel steht wahr ist oder nicht: Einen besseren Blick auf das Offensichtliche als das zu analysieren gibt es kaum.Natürlich stimmt das so nicht wie das da steht. Das ist frei verfügbares und belastbares Wissen.

Die wirklich interessante Frage ist m.E. doch, warum gibt es immer noch (gebildete und intelligente) Menschen, die das alles trotzdem Glauben oder anderer Meinung sind?

Jörn hat irgendwann mal gefragt, warum denn die religiösen Aussagen nicht einfach mal vernünftig geprüft werden? Er fragt, wenn man immer und immer wieder auf Widersprüche stößt, muss man doch mal an den Annahmen zweifeln? Dem stimme ich völlig zu. Insbesondere meine ich auch: Wenn man sieht, dass alles argumentieren nicht zum Ziel führt und trotz der Wahrheit und Korrektheit der Argumente der Gesprächspartner nicht überzeugt werden kann, dann muss man sich doch mal fragen, an was das liegt? Liegt es evtl. am Wesen des Menschen? ;) Hier schneiden wir dann Themen an, die den Menschen direkt betreffen wie z.B. positives Selbstbild, kognitive Dissonanz und kognitive Verzerrungen.

Ich bin übrigens auch der Meinung, dass Religionskritik im (teilweise) säkularisierten Staat nur eine Seite der Medaille ist. Die andere Seite muss Staatskritik sein. Das Kirchen wie besessen um den Machtanspruch und gegen den Machtverlust kämpften und kämpfen ist klar. Das kann man ihnen streng genommen nicht mal verübeln meine ich. Wer gibt seine Macht freiwillig auf? Die Frage ist doch nun, wie kann der Staat in 2019 immer noch zulassen, dass die Kirchen Macht und Einfluß haben? Muss nicht der Staat den Weg der Säkularisierung konsequent weiter gehen? Er hat mit den Staatsgewalten alle Werkzeuge in der Hand. Und: Alles was dann im Machterhaltungskampfe an Handlungen unternommen wird soll und muss einer Prüfung durch eine einzige Instanz standhalten. Diese Instanz m.E. ist der Rechtsstaat.

In diesem Sinne :Blumen:

Helmut S 29.04.2019 10:59

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1448869)
Im Foyer der Berliner Humboldt Universität steht folgender bedenkenswerter Satz:



Aus den Thesen über Feuerbach

Dem ersten Teil des Satzes stimme ich zu. Dem "aber" und dem zweiten Teil nicht. Ich denke hier springt Marx zu kurz und am Ursächlichen vorbei.

Man muss nicht die Welt sondern das Denken der Menschen und deren Verhaltensweisen verändern. Das Thema haben wir ja auch bei der Klimawandeldiskussion.

Was soll diese Welt von der Marx spricht eigentlich sein? Die Welt ist alles was der Fall ist, oder was? :Cheese:

:Blumen:

qbz 29.04.2019 11:57

Zitat:

Zitat von Helmut S (Beitrag 1448893)
Dem ersten Teil des Satzes stimme ich zu. Dem "aber" und dem zweiten Teil nicht. Ich denke hier springt Marx zu kurz und am Ursächlichen vorbei.

Man muss nicht die Welt sondern das Denken der Menschen und deren Verhaltensweisen verändern. Das Thema haben wir ja auch bei der Klimawandeldiskussion.

Was soll diese Welt von der Marx spricht eigentlich sein? Die Welt ist alles was der Fall ist, oder was? :Cheese:

:Blumen:

Ich habe schon mit Absicht den Link auf die Feuerbachthesen gesetzt, wo der Satz ja thesenartig ausgeführt ist und Marx den Unterschied zwischen seinen Ansichten und zu Feuerbach erläutert: "Aber das menschliche Wesen ist kein dem einzelnen Individuum innewohnendes Abstraktum. In seiner Wirklichkeit ist es das Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse."

Er analysiert halt die Philosophien im Zusammenhang mit den sozialen Verhältnissen und den Eigentumsverhältnissen, in denen die Menschen leben, und mit den Wechselwirkungen zwischen den sozialen Verhältnissen und den Bewusstseinsformen. Indem die Menschen die Welt verändern (Produktivkräfte sowie Produktionsverhältnisse), verändern sie sich auch selbst mit und ihr Bewusstsein. Marx denkt nicht in einer zeitlichen Konsequenz im Sinne wie "erst Bewusstsein"-"dann Wirklichkeit" oder umgekehrt, sondern analysiert, wie beides zusammenwirkt. (Arbeitsteilung-Warenproduktion-Markt-Waren-/Geldfetisch etc.)

Meines Wissens sind in ärmeren Gegenden der Erde Religionen deutlich stärker in der Bevölkerung verbreitet als in den reicheren und gebildeteren Regionen, d.h. die unsichere Existenz und der geringere Grad der Bildung wirken sich auf die religiösen Überzeugungen bei weiten Teilen der Bevölkerung aus. Weniger Einfluss haben die Religionen, sobald sich die ausgebeuteten Menschen eine gesicherte Existenz erkämpfen und nicht durch Philosophie im Unterricht (um mal die Gedanken von Marx auf ein vereinfachtes Beispiel zu übertragen).

Helmut S 29.04.2019 12:11

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1448909)
Weniger Einfluss haben die Religionen, sobald sich die ausgebeuteten Menschen eine gesicherte Existenz erkämpfen und nicht durch Philosophie im Unterricht (um mal die Gedanken von Marx auf ein konkretes Beispiel zu übertragen).

Ja, das hat auch der Berthold Brecht erkannt: "Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral" ;) :Cheese:

Jörn 29.04.2019 23:49

Zitat:

Zitat von Helmut S (Beitrag 1448890)
Wenn man sieht, dass alles argumentieren nicht zum Ziel führt und trotz der Wahrheit und Korrektheit der Argumente der Gesprächspartner nicht überzeugt werden kann, dann muss man sich doch mal fragen, an was das liegt? Liegt es evtl. am Wesen des Menschen? ;) Hier schneiden wir dann Themen an, die den Menschen direkt betreffen wie z.B. positives Selbstbild, kognitive Dissonanz und kognitive Verzerrungen.

An was liegt es? Warum glauben Menschen?

Für mich ist das die Frage aller Fragen. Es ist insofern eine schwierige Frage, als dass gläubige Menschen in der Regel nicht bereit sind, an ihrer Beantwortung mitzuwirken. Es ist also ein Bereich, bei dem man nicht mit den Gläubigen spricht, sondern über sie. Das ist natürlich für eine öffentliche Forumsdebatte nicht sehr schön, weil man ja hier vor allem miteinander reden sollte.

Aber ich kann vielleicht von mir selbst und meiner eigenen Odyssee durch zahlreiche Debatten berichten. Seit dem religiösen Terror (9/11, Charlie Hebdo) habe ich für mich beschlossen, dass Religionskritik öffentlich hörbar sein sollte, und dass eine öffentliche Debatte über religiöse Dinge erlaubt sein müsste. Diese Debatte hat natürlich Chancen in beide Richtungen, aber für mich ist dabei die Richtung "weg vom Glauben" interessant.

Die Frage lautet dann für mich: Wo ist der Hebel, den man in der Debatte bewegen müsste, um Gläubige vom Glauben wegzubringen (oder sie zum Glauben hinzuführen)? Ich habe dabei über die Jahre verschiedene Theorien probiert, weil ich nicht wusste, was funktionieren würde.

• Meine erste Theorie war, dass es an den Inhalten der Religionen liegt. Das hat sich als völliger Reinfall erwiesen. Den Gläubigen sind die Inhalte meistens nicht bekannt. Nicht nur das: Sie haben auch keinerlei Interesse daran. Es geht sogar noch weiter: Mit nichts kann man Christen so sehr verärgern, als wenn man sie mit den Details des Christentums konfrontiert.

Meine umfangreiche Beschäftigung mit christlichen Schriften, ihrer Auslegung und ihrer Historie, hat sich für die Debatte als nutzlos erwiesen. Zwar kann man damit Leute beeindrucken, die unentschieden sind. Aber man kann bereits Gläubige damit nicht beeindrucken. An den Inhalten liegt es nicht.

• Meine nächste Theorie war, dass es an Werten, Sinn und Moral liegt. Das war der größte Reinfall von allen. Die Debatte verstummt sofort, sobald sie auf dieses Thema einschwenkt. Vor allem dann, wenn es um die Grundlagen (um ihre Begründung) in den christlichen Schriften geht. Nach meiner Beobachtung ist niemand ein Christ, Moslem oder Jude, weil er bestimmte Werte teilt. Es ist die falsche Denkrichtung. Die Richtung ist nicht: "Ich finde bestimmte Werte gut, diese werden im Christentum vertreten, also mache ich dort mit". Sondern die Richtung ist: "Ich bin Christ. Welche Werte muss ich folglich vertreten?"

Werte, Sinn und Moral lösen sich in den Religionen auf zu "Folgsamkeit". Die Werte werden nicht begründet, sondern verordnet. Eine Debatte über Sinn und Moral wird von vielen Gläubigen in der Regel als Angriff auf ihre Loyalität gewertet. Sie geraten in einen Loyalitätskonflikt zwischen dem, was verordnet wurde, und dem, was sie selbst für richtig halten. Wenn dann noch ein Atheist in dieser Wunde herumstochert, wird es zu viel. Das Thema wird gemieden. Über Werte wird zwar gerne von Kanzeln und auf Parteitagen gesprochen, aber nur deswegen, weil Widerspruch und Debatte nicht zu befürchten sind.

• Meine nächste Theorie war (und ist), dass es psychologische und historische Gründe hat. Bestimmte Eigenschaften unseres Denkapparats und unserer Psyche lassen sich missbrauchen. Die Ausbeutung dieser Entdeckung hat sich in Jahrtausenden evolutionär perfektioniert. Evolutionär im Sinne von: Was gut funktioniert hat (und profitabel war), schaffte es ins nächste Jahrzehnt. Es ist so, als hätte sich ein Hütchen-Spieler dreitausend Jahre lang perfektioniert. (Man zeige mir eine einzige große Religion, die nicht profitabel ist.)

Nach meiner derzeitigen Hypothese besteht Glaube aus verschiedenen (wenigen) Immunisierungsstrategien, die auf ein paar Fehlschlüssen basieren, die wiederum durch Rhetorik verschleiert werden. Das Einfallstor sind Sehnsüchte, für die wir vor allem in den ersten Lebensjahren anfällig sind, weil sie mal evolutionär vorteilhaft waren. Etwa das dringende Bedürfnis, als kleines Kind von seinen Eltern geliebt und versorgt zu werden. Oder die Angst, vom Vater bestraft zu werden. Diese Ängste und Sehnsüchte werden von der jeweiligen Priesterkaste nicht etwa besänftigt oder abgebaut, sondern kultiviert, oft ins Absurde übersteigert (grenzenlose Liebe, grenzenlose Strafe) und zum unverzichtbaren Zentrum erhoben. Weil es das Zentrum ist, kann es weder infrage gestellt noch abgeschüttelt werden.

Flow 30.04.2019 19:29

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1446682)
Erklären wir mal den Unterschied zwischen Naturwissenschaften u. Metaphysik an einem einfachen Beispiel, für alle verständlich:
[...]
Liefern wir alle Autos mit einem Christophorus Schutzpatron Anhänger aus, sinken dann die Unfallzahlen? Nein. Der Metaphysiker hingegen glaubt, weiss, behauptet, der Christophorus Anhänger schützt ihn vor einem Unfall.

Das läßt mich an der Stelle ja schon etwas stutzen ... ist das tatsächlich dein Verständnis von (theoretischer) Philosophie ?

Grüße ... :Huhu:


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