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Klugschnacker 10.02.2019 18:26

Schwarzfahrer & Jörn: Eure Standpunkte sind nah beieinander. Die kleine Unterschiede sind jetzt deutlich geworden, finde ich.

Vielleicht sollten wir nochmals diskutieren, wie einerseits Religion und andererseits Kritik an Religion sich legitimieren. Warum es okay ist, religiös zu sein, warum es aber auch okay ist, Religionen zu kritisieren.

Vielleicht können wir auf einen Konsens in dieser Frage kommen und danach entspannter diskutieren.
:Blumen:

merz 10.02.2019 19:45

sehr kluge und spannende Zusammenführung, Danke.

Wobei ich auf Jörns Statement zu "warum es okay ist, religiös zu sein", sehr gespannt bin

m.

(Ich nehme an, die beide Punkte gehen zur Stellungsnahme an beide "Lager" :))

Jörn 11.02.2019 13:51

Warum es ok ist, religiös zu sein.

Es ist ok, religiös zu sein, weil es ok ist, zu denken und zu glauben, was man will.

Dies mag wie ein läppischer Allgemeinplatz klingen. Jedoch ist die Freiheit, sich eine beliebige Religion zu wählen und diese auch wieder zu verlassen, eine relativ junge Errungenschaft der Aufklärung; genauer gesagt die Rück-Eroberung eines selbstverständlichen Rechts der Antike. Bekämpft und missachtet wurde diese Freiheit von den monotheistischen Religionen.

So bedrohen die Zehn Gebote gleich an erster Stelle die Religionsfreiheit: "Du sollst keine anderen Götter neben mir haben", gefolgt von einer Schilderung der Gewalttaten, die jenen widerfahren werden, die sich nicht daran halten. Der weitaus größte Teil der Bibel widmet sich der Illustration dieses Gebots und seiner Konsequenzen.

Heute, nachdem wir das Zeitalter der Aufklärung durchlaufen haben, betrachten wir Religion als ein Freiheitsrecht. Aber der Bibel sind diese Freiheitsrechte völlig unbekannt. Die Bibel beschreibt den Menschen als rechtlos. Seine Religiosität ist eine Schuld, die er zu begleichen hat, und über die zu verhandeln ihm nicht zusteht.

Die Aufklärung hingehen beschreibt den Menschen als souveränen Akteur, der seine Entscheidungen frei fällt und ein Recht dazu hat. Es ist also keine inhaltliche Frage, sondern ein allgemeines Prinzip: Der freie Mensch kann eine Religion haben oder nackt im Eismeer baden. Entscheidend ist, dass er ebenso frei wieder herauskommt wie er hereinkam.

Deswegen würde ein Atheist, der den Gedanken der Aufklärung vertritt, logischerweise sagen: „Ja, es ist ok, religiös zu sein“. Aber mit dieser Freiheit verbindet er auch die Freiheit, diese Entscheidung wieder zu revidieren, ohne bedroht zu werden.

Die monotheistischen Religionen haben die Absicht, dem Menschen diese Freiheit zu nehmen oder deren Inanspruchnahme durch Drohungen zu verhindern. Auch das Verbreiten unwahrer Behauptungen oder das Errichten sozialer Zwänge oder das geschickte Ausnutzen psychologischer Schwächen beschneidet die Freiheit, eine souveräne Entscheidung zu treffen. (Wer mit der Hölle bedroht wird, fällt keine souveräne Entscheidung.) Wenn ich also für die Freiheit plädiere, Religionen frei ausüben zu dürfen, dann gilt das nicht für die Freiheit, anderen eben diese Freiheit mit allerlei Tricks wieder zu nehmen.

Das ist der Grund, warum ich das Recht des Einzelnen auf seine Religion (und seine Abkehr davon) achte und schätze. Aber jene, die dieses Recht missbrauchen und verfälschen, mit der Absicht, die Freiheit in ein Joch zu verwandeln und andere vor ihren Karren zu spannen, stoßen auf meine Kritik.

Freiheit ist ein sehr hohes Gut, das gegen die Religionen und vor allem gegen die Kirchen erfochten wurde. Freiheit ist jedoch kein Freibrief für Scharlatanerie.

Schwarzfahrer 11.02.2019 18:45

Nun gut, dann bin ich wohl jetzt dran mit Warum es ok ist, religiös zu sein..
Danke für den ersten Absatz, den könnte ich glatt übernehmen.
Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1434730)
Es ist ok, religiös zu sein, weil es ok ist, zu denken und zu glauben, was man will. …
ist die Freiheit, sich eine beliebige Religion zu wählen und diese auch wieder zu verlassen, ...die Rück-Eroberung eines selbstverständlichen Rechts der Antike.

Religion ist aber auch o.k. (oder besser: kann o.k. sein) weil es dem Bedürfnis vieler Menschen entgegenkommt, eine "endgültige" Instanz zu haben, der die Verantwortung für all das trägt, was uns in diesem Leben belastet und unerklärlich ist. Das können unverstandene Naturphänomene sein, Häufung von Unglück, Krankheit, oder einfach die Frage nach einem Sinn unseres Lebens. Nicht jeder hat die Kraft und Energie, eine eigene Antwort auf diese Fragen zu suchen, oder die Gelassenheit, sich abzufinden, daß es keine endgültige Antwort gibt. Ein Glaube, der nicht mehr hinterfragt werden muß, kann dann die Sicherheit geben, positiv dem Leben gegenüberzustehen. Und es gibt Religionen, bei denen dieser Glaube tatsächlich als Motivation und Antrieb für eine besonders menschenfreundliche, altruistische Haltung dienen kann.
Auch ist die Zugehörigkeit zu einer Religion für viele Menschen identitätsstiftend, d.h. das grundsätzlich soziale Wesen Mensch definiert dadurch breite soziale Gruppen, zu denen man durch seine Religion vorbehaltlos und ohne besonderen eigenen Beitrag dazugehört, in der man sich geborgen fühlt. Das kann natürlich auch pervertiert werden, besonders durch die monotheistischen Religionen mit ihrem Alleinherrschaftsanspruch, aber vom Grundsatz ist es ein an sich positiver Aspekt für mich.
Desweiteren kann Religion hilfreich sein, einer Gesellschaft einen moralischen Rahmen zu definieren (war wohl bei der Entstehung der meisten Religionen ein wesentlicher Aspekt, wenn auch oft pervertiert und durch Machtinteressen mißbraucht).
Zitat:

Bekämpft und missachtet wurde diese Freiheit von den monotheistischen Religionen.
Stimmt, und zwar ursprünglich von allen gleich. Wobei ich die unterschiedliche Entwicklung der drei Großen interessant finde, weil dadurch die Bewertung der aktuellen Ausprägung der jeweiligen Religion stark bestimmt wird: Alle drei bauen im Wesentlichen aufs Alte Testament, in dem Gott ein auserwähltes Volk in die neue Heimat führt, und sie alle andersgläubigen ausrotten läßt, damit sie dort siedeln können.
Die Juden als Volk haben sich davon im Laufe der Jahrtausende ziemlich entfernt, und pflegen seit langem eine Religion einer selbstbewußten, sich als elitär wahrnehmenden Minderheit ohne Missionsansprüche - der Rest der Welt kann ihnen gestohlen bleiben, was Religion angeht. Die Christen haben sich vom Feuer-und-Schwert Missionseifer zu einer Religion der Nächstenliebe hinbewegt (mache ich an der Praxis der Gläubigen, nicht an der Amtskirche fest), die die Agressivität weitgehend hinter sich ließ, und sogar immer weniger tut/tun kann, um auch nur die eigenen Glaubensgenossen zu schützen (Stichwort Christenverfolgung weltweit), geschweige denn andersgläubige zu bedrängen. Nur bei den Moslems ist noch sehr viel von der ursprünglichen Exklusivität des biblischen Monotheismus erhalten geblieben, mit einer breiten Unterstützung von Thesen wie: der Islam soll Weltreligion werden, Andersgläubige sind minderwertig, vom Glauben Abfallen verdient die Todesstrafe. Man kann nur hoffen, daß sich das in weiteren Jahrhunderten auch entschärft.

Zitat:

Die Aufklärung hingegen beschreibt den Menschen als souveränen Akteur, der seine Entscheidungen frei fällt und ein Recht dazu hat. Es ist also keine inhaltliche Frage, sondern ein allgemeines Prinzip: Der freie Mensch kann eine Religion haben oder nackt im Eismeer baden. Entscheidend ist, dass er ebenso frei wieder herauskommt wie er hereinkam.
Genau. Die Freiheit der Religion ist auch die Freiheit, diese zu wechseln oder ganz darauf zu verzichten. Das geht natürlich grundsätzlich gegen das Prinzip der meisten Religionen, besonders der monotheistischen, warum die Religionsfreiheit ein grundsätzlich etwas problematisches Konzept ist.

Darum würde ich noch formulieren: Religion ist o.k. wenn durch die Ausübung der Religion keine anderen Menschen (weder der eigenen, noch einer anderen Religion) zu Schaden kommen oder in ihrer Freiheit eingeschränkt werden, wenn die Einhaltung religiöser Regeln nie über die Gesetze, oder auch über die Gebräuche der Umgebung gestellt werden, wenn also die konstruktive, positive soziale Interaktion nie durch religiöse Vorschriften eingeschränkt wird. D.h. ich finde Religion als eine Geisteshaltung, als eine Lebensphilosopie und seelische Unterstützung voll o.k., nicht aber als ein das Leben in alltäglichen Details und Handlungen bestimmender Zwang zur Abgrenzung von Andersgläubigen.

Jörn 11.02.2019 20:33

Gut. Ist es erlaubt, darauf nochmal zu antworten?

Der erste Absatz beschreibt die Nützlichkeit der Religion, nämlich durch Befriedigung von Bedürfnissen:

Zitat:

weil es dem Bedürfnis vieler Menschen entgegenkommt, [zahlreiche Beispiele]
Nun ist aber auch die Sklavenhaltung nützlich, nämlich für den Sklavenhalter. Diebstahl ist nützlich, nämlich für den Dieb. Ich halte das Argument der Nützlichkeit daher für nicht stichhaltig.

Eine minimale Erfordernis wäre, die Nützlichkeit für den Gläubigen zu beweisen. Eine lediglich behauptete Nützlichkeit reicht nicht aus.

Warum soll es für Oma Schmidt nützlicher sein, an einen Schöpfergott zu glauben als an die Evolution? Die Evolution ist zudem leichter zu verstehen als die Dreifaltigkeit, und insofern entfällt auch das Argument, dass religiöse Antworten für schlichte Gemüter eben leichter zu begreifen wären.

Ich würde behaupten, dass den Leuten das Bedürfnis nach einem Schöpfergott lediglich eingeredet wurde, und dass dieses Bedürfnis per se überhaupt nicht vorhanden ist. Ansonsten müsste man es den Leuten nicht so mühsam einreden, sondern sie kämen von selber drauf. Das ist aber nicht der Fall.


Zitat:

Religion ist o.k. wenn durch die Ausübung der Religion keine anderen Menschen (weder der eigenen, noch einer anderen Religion) zu Schaden kommen oder in ihrer Freiheit eingeschränkt werden, wenn die Einhaltung religiöser Regeln nie über die Gesetze, oder auch über die Gebräuche der Umgebung gestellt werden, wenn also die konstruktive, positive soziale Interaktion nie durch religiöse Vorschriften eingeschränkt wird. D.h. ich finde Religion als eine Geisteshaltung, als eine Lebensphilosopie und seelische Unterstützung voll o.k., nicht aber als ein das Leben in alltäglichen Details und Handlungen bestimmender Zwang zur Abgrenzung von Andersgläubigen.
Du schreibst, Religion wäre ok, wenn folgende Bedingungen erfüllt seien:

- kein Schaden für sich selbst und andere
- keine Einschränkung der Freiheit
- keine Verletzung von Gesetzen oder Bräuchen
- keine Beeinträchtigung des sozialen Lebens
- keine Abgrenzung von Andersgläubigen.

Darf ich mich erkundigen, welche fantastische Religion diese Kriterien erfüllt?

Es klingt für mich so, als wolltest Du suggerieren, dass ausgerechnet das Christentum diese Kriterien erfüllt? Um diesen erstaunlichen Spagat hinzubekommen, müsstest Du die Fakten schon sehr dehnen. Ich hege den Verdacht, dass es Dir genau darauf ankommt. Denn praktisch alle Deine früheren Argumente waren Relativierungen: Ist nicht so wild, interessiert mich nicht, bin nicht betroffen, war früher schlimmer, ist im Islam noch schlimmer, und so weiter. Darauf folgen weitere Relativierungen:

- Kirchen harmlos (interessiert keinen)
- Klerus harmlos (hört keiner mehr zu)
- Katechismus harmlos (liest keiner)
- Bibel harmlos (veraltet).

In diesem Sinne reden wir auch aneinander vorbei. Meine Kritik hat ihren Ausgangspunkt darin, dass Deine Liste an Bedingungen (kein Schaden anrichten, ..., siehe oben) vom Christentum nicht erfüllt wird.

Ich behaupte nicht, dass dies die einzige Möglichkeit der Argumentation darstellt. Aber ich beschäftige mich sehr intensiv mit dem Christentum, und ich erkenne es in Deiner Argumentation nicht wieder.


Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1434774)
Desweiteren kann Religion hilfreich sein, einer Gesellschaft einen moralischen Rahmen zu definieren

Einverstanden. Religion kann einen moralischen Rahmen definieren.

Aber ich gehe doch sehr davon aus, dass wir meine Moral als verbindlich für alle ausrufen?

Wie einigt sich eine Gesellschaft auf eine verbindliche Moral? Es werden ja wohl nicht plötzlich alle Leute einer Meinung sein, oder doch? Wie gelingt es also einer Kirche, die Moral festzulegen und als verbindlich zu erklären? Warum diese und keine andere? Warum muss sie verbindlich sein?

Dieser ach-so-gloreiche "moralische Rahmen" basiert in Wahrheit auf Betrug und Gewalt. Betrug deswegen, weil eine göttliche Urheberschaft vorgegaukelt wird, die nicht existiert. Gewalt deswegen, weil keine Moral von allen akzeptiert werden wird, schon gar nicht, wenn sie religiös begründet wird. Sie wird allenfalls durchgesetzt. Nichts hat mehr Widerspruch und Gewalt hervorgerufen als Religion. Und gegen nichts wurde mehr verstoßen als gegen religiöse "Moral" (vor allem von den Gläubigen selbst).

Echter gesellschaftlicher Konsens entsteht durch eine freie Debatte, durch Demokratie, durch möglichst große Freiräume und durch die Vorläufigkeit der Ergebnisse, die jederzeit (wenn auch oft mit Mühen und Geduld) verändert werden können.

Ich stimme vielleicht nicht mit der Moral oder Weltsicht der CDU/CSU überein, aber immerhin habe ich mit eigenen Augen die demokratische Abstimmung verfolgt, der eine enorm ausführliche Wahldebatte vorausging, und bei der ich mich beteiligen konnte. Nur deswegen akzeptiere ich die Ergebnisse, auch wenn sie nicht völlig meiner Meinung entsprechen. Hingegen: Die Moral des Papstes ist mir völlig schnuppe.

Daran kann man sehen: Der moralische Frieden einer Gesellschaft entsteht durch Teilhabe, und nicht durch Verkündigung.

Im Übrigen ist die Moral der Bibel und der kath. Kirche grauenvoll. Beispiele wurden im Thread ausführlich dargestellt.

Schwarzfahrer 11.02.2019 23:06

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1434791)
Gut. Ist es erlaubt, darauf nochmal zu antworten?

Das mußt Du mit dem Hausherrn ausmachen :Lachen2: Lassen wir es drauf ankommen.
Zitat:

Der erste Absatz beschreibt die Nützlichkeit der Religion, nämlich durch Befriedigung von Bedürfnissen:...Eine minimale Erfordernis wäre, die Nützlichkeit für den Gläubigen zu beweisen. ...Warum soll es für Oma Schmidt nützlicher sein, an einen Schöpfergott zu glauben als an die Evolution? Die Evolution ist zudem leichter zu verstehen als die Dreifaltigkeit, und insofern entfällt auch das Argument, dass religiöse Antworten für schlichte Gemüter eben leichter zu begreifen wären.
Du hast offenbar keine solchen tiefgläubigen Menschen getroffen, wie ich. Die abstrakt-logische Evolution kann doch nie das gleiche bieten, wie ein allmächtiger, allwissender Herr, der alle Verantwortung auf sich nimmt, dem man Anteilnahme oder was auch immer zuschreiben (nenne es fantasieren) kann, den man um Beistand bittet, o.ä.. Mir hat so jemand mal explizit auf Fragen wie Deine gesagt, daß sie ohne die Vorstellung von einem Gott an der Welt verzweifeln müsste. Diese Vorstellung gab ihr den Trost und die seelische Sicherheit, mit dem Leben zurechtzukommen. Und ich kenne auch unreligös erzogene Leute, die mit 30 den Buddhismus entdeckt haben, und damit einen Sinn in ihrem Leben fanden, eine Lücke füllen konnten. Ich kann beides nicht nachvollziehen, aber ich akzeptiere es.
Zitat:

Ich würde behaupten, dass den Leuten das Bedürfnis nach einem Schöpfergott lediglich eingeredet wurde, und dass dieses Bedürfnis per se überhaupt nicht vorhanden ist. Ansonsten müsste man es den Leuten nicht so mühsam einreden, sondern sie kämen von selber drauf. Das ist aber nicht der Fall.
Ich traf in meinem Leben mehrere solche Leute, das gibt es also sehr wohl. Auch wurde nicht allen Baghwan-Anhängern von klein auf das gleiche eingeredet.

Zitat:

Darf ich mich erkundigen, welche fantastische Religion diese Kriterien erfüllt?
Nicht eine bestimmte Religion erfüllt dies, sondern Menschen, die ihre Religion auf diese Weise leben, wie ich so manche kennenlernen durfte.
Zitat:

Es klingt für mich so, als wolltest Du suggerieren, dass ausgerechnet das Christentum diese Kriterien erfüllt?
Nein, allerdings traue ich es heutigen europäischen Christen und manchen Buddhisten eher zu, zu einer solchen Einstellung zu kommen, als den meisten anderen mir bekannten Religionen (von den Antiken Griechen vielleicht abgesehen...).
Zitat:

Denn praktisch alle Deine früheren Argumente waren Relativierungen:
Nun, wenn ich das Christentum nicht so in Bausch und Bogen verurteile, wie Du, liegt daran, daß ich darin primär nicht das biblisch-dogmatische, sondern die von einzelnen Menschen gelebte Möglichkeit, wie das von z.B. meiner Großtante gelebte Christentum sehe, und ansonsten immer gerne verschiedene Religionen vergleiche, da mich das Phänomen Religion als solches interessiert.
Zitat:

In diesem Sinne reden wir auch aneinander vorbei. Meine Kritik hat ihren Ausgangspunkt darin, dass Deine Liste an Bedingungen (kein Schaden anrichten, ..., siehe oben) vom Christentum nicht erfüllt wird.
Tja, nicht vom dogmatischen, von der Amtskirche vertretenen, aber sehr wohl von vielen einzelnen Christen (und anderen) in ihrem Alltag.
Zitat:

Ich behaupte nicht, dass dies die einzige Möglichkeit der Argumentation darstellt. Aber ich beschäftige mich sehr intensiv mit dem Christentum, und ich erkenne es in Deiner Argumentation nicht wieder.
Und ich beschäftigte mich öfter mit religiösen Menschen, und ich erkenne die positiven Beispiele unter ihnen in Deiner Argumentation nicht wieder :) . So unterschiedlich können Perspektiven und Erfahrungen sein.
Zitat:

Wie einigt sich eine Gesellschaft auf eine verbindliche Moral?
Religion war in der frühen Menschheitsgeschichte wesentlicher Träger und Vermittler von Moralvorstellungen, die eine Gesellschaft zusammenhielten. Diese Rolle ist kaum strittig, glaube ich.
Zitat:

Es werden ja wohl nicht plötzlich alle Leute einer Meinung sein, oder doch?
Natürlich nicht; Religion konnte aber wirken, weil alle eher eine nicht ganz greifbare "höhere Autorität" akzeptieren, als die Vorgaben eines noch so mächtigen Menschen. Religion ist in diesem Sinne ein "Erziehungsvehikel", um die Menschliche Schwächen auszutricksen - zum Wohle der Allgemeinheit. Wenn dann die Religion sich nicht mit der Entwicklung der Gesellschaft modernisiert, wird es zum Anachronismus und rückständig.
Zitat:

Dieser ach-so-gloreiche "moralische Rahmen" basiert in Wahrheit auf Betrug und Gewalt.
Kann man so hart ausdrücken - aber das gilt dann ähnlich überspitzt auch für manche unserer Gesetze, bei denen auch "vernünftige" Argumente vorgeschoben werden, um Partikulärinteressen durchzusetzen oft zum Nachteil der Mehrheit. Gesetze werden auch "durchgesetzt", weil die Menschen nun mal nicht freiwillig auf ihren Vorteil verzichten.
Zitat:

Im Übrigen ist die Moral der Bibel und der kath. Kirche grauenvoll. Beispiele wurden im Thread ausführlich dargestellt.
Stimmt, aber nicht die von vielen Christen, die etwas anderes aus der Bibel für sich ableiten.

qbz 12.02.2019 09:46

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1434811)
..........
Religion war in der frühen Menschheitsgeschichte wesentlicher Träger und Vermittler von Moralvorstellungen, die eine Gesellschaft zusammenhielten. Diese Rolle ist kaum strittig, glaube ich.

Als eine wesentliche Funktion der indigenen, ethnischen Religionen (Naturreligionen) bezeichnen Ethnologen in der Regel die Abgrenzung des eigenen Stammes von anderen Stämmen und Gruppen sowie die Funktion der Identitätsstiftung. Praktisch jeder Stamm, jede Gruppe verfügt(e) über eigene Kulte, seine Geister, mit denen die Natur beseelt wird, und eigenen rituellen Körperschmuck. Es gab eine riesige Vielfalt. Diese im Alltag verankerten und auf die bessere Bewältigung des Diesseits ausgerichteten Formen gehörten habituell zur ethnischen Gruppe und man wollte diese nie auf andere, fremde Stämme weitergeben, die wiederum ihre eigenen Merkmale hatten.

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1434811)
Natürlich nicht; Religion konnte aber wirken, weil alle eher eine nicht ganz greifbare "höhere Autorität" akzeptieren, als die Vorgaben eines noch so mächtigen Menschen. Religion ist in diesem Sinne ein "Erziehungsvehikel", um die Menschliche Schwächen auszutricksen - zum Wohle der Allgemeinheit. Wenn dann die Religion sich nicht mit der Entwicklung der Gesellschaft modernisiert, wird es zum Anachronismus und rückständig.

Im Unterschied zu den indigenen Völkern formulierten die monotheistischen Religionen ein die Ethnien übergreifendes verschriftlichtes Weltbild. Diese Religion erfüllt dann auch nicht mehr die Funktion der Stammesabgrenzung und ethnischen Identitätsstiftung. Die ursprünglich indigenen Völker erhielten alle zwangsweise das gleiche Taufbekenntnis und lebten evtl. ihre identitätsstiftenden Riten, falls notwendig, lokal weiter. Offenbar eignete sich das frühe Christentum für ein Imperium wie Rom als Staatsreligion.

Mit der einzigen und höchsten Autorität (Gott) legitimierten sich später die Herrschaftsansprüche des Klerus (1. Stand, professionalisierte Religion) und des Adels (2. Stand) im Heiligen Römischen Reich gegenüber den Bauern (90 % der Bevölkerung im Mittelalter, 3. Stand), Handwerkern und Kaufleuten und den missionierten Völkern im Kolonialismus oder die Herrschaft des Klerus in den heutigen Gottesstaaten.

Damit teilte sich eigentlich das Christentum seit der Verkündung der Staatsreligion bis zum Beginn der Neuzeit auf in eine riesige Mehrheit von Getauften, die von einer kleinen Minderheit von Getauften unterdrückt, geknechtet, erniedrigt und ausgebeutet wurde. Und es stellt sich mir die ernsthafte Frage, was das kulturell Gemeinsame im alltäglichen Leben von den extrem früh sterbenden Bauern und Leibeigenen im Mittelalter und dem Adel und Klerus war, der vom Zehnten der Bauern, von Leibeigenen und Frondiensten lebte oder später von den versklavten Völkern. Für den Besuch der Gottesdienste am Sonntag fehlten den Bauern die Kirchen in der Nähe und die Zeit. Liebesehen gab es weder bei den Adligen noch bei den niederen Ständen. Ehen hingen davon ab, wie man damit am besten den Besitz vermehrte bzw. bei den Bauern überlebte.

Wie die Bauern und gemeinen Stände damals Religion auffassten, äusserte sich vielleicht am ehesten schriftlich in den Zielen der Bauernaufstände, die sich gegen den Klerus, die Klöster und den Burgadel (Zerstörung der Burgen) richteten, aber nicht gegen Christus/Gott. Dafür wurden sie von den Stellvertretern Gottes ermordet, ca. 70 000-100000, weil sie die weltliche Ordnung Gottes und die Obrigkeiten verändern wollten. Mit solchen Assoziationen im Hintergrund fällt es mir halt immer etwas schwer, "Religion als Erziehungsvehikel zum Wohle der Allgemeinheit" zu verstehen, auch wenn einzelne christliche Menschen wie Deine Grosstante seit jeher in allen Schichten bewundernswert karitativ tätig sind.

Jörn 12.02.2019 11:28

@schwarzfahrer
Es ist schwer darauf zu antworten, denn meinen Einwand der ständigen Relativierungen habe ich ja bereits vorgetragen, und es nützt ja nichts, wenn ich es laufend wiederhole.

- könnte sein..
- kenne einige Leute, die...
- meine Großtante hat...
- wäre in Zukunft denkbar...
- habe jemanden getroffen...
- mir hat jemand gesagt...
- die Leute meinen...

Zudem finde ich es schwierig, mit Anekdoten zu argumentieren, die nicht allen zur Prüfung offenstehen, beispielsweise Erzählungen über Deine Großtante oder über irgendwelche Leute, die Du getroffen hast.

Ich kann natürlich gerne haufenweise Anekdoten von irgendwelchen anderen Leuten erzählen, die genau das Gegenteil belegen. Aber diese Form der Debatte ist sehr mühsam.

Ich beschränke mich daher auf andere Bereiche, in der Hoffnung, dass es neue Aspekte beleuchtet.

-------


1. Aberglaube

Zitat:

Mir hat so jemand mal explizit auf Fragen wie Deine gesagt, daß sie ohne die Vorstellung von einem Gott an der Welt verzweifeln müsste. Diese Vorstellung gab ihr den Trost und die seelische Sicherheit, mit dem Leben zurechtzukommen.
Jemand kommt also mit dem Glauben besser im Leben zurecht. Tja, dann habe ich für diesen "jemand" schlechte Nachrichten, denn er hängt einem Aberglauben nach. Das ist sein gutes Recht. Und weiter?

Die Frage ist nicht, ob es legitim ist, abergläubisch zu sein. Sondern die Frage ist, ob es legitim ist, anderen Leuten einen Aberglauben einzureden, um davon zu profitieren. Auf der Anklagebank sitzt nicht dieser "jemand", sondern der betreffende Priester oder die Kirche.

Deine Anekdoten von "irgendjemand" oder Deiner Großtante treffen also nicht den Kern meiner Kritik, da ich, wie schon so oft wiederholt, keine Kritik an den Gläubigen übe, sondern an den Verkündern.


2. Perspektive

Ich erzähle Deine Geschichte mal aus der Perspektive des Verkünders. Ich verwende dazu exakt Deine Worte: "[Ich rede den Leuten ein,] dass sie ohne die Vorstellung von einem Gott an der Welt verzweifeln müssten. Diese Vorstellung gibt den Leuten den Trost und die seelische Sicherheit, mit dem Leben zurechtzukommen."

Oder aus der Perspektive des Nachbarn von Deinem "jemand": "[Da war heute so ein komischer Typ im Treppenhaus, der wollte den Leuten einreden,] dass sie ohne die Vorstellung von einem Gott an der Welt verzweifeln müssten. Diese Vorstellung sollte den Leuten den Trost und die seelische Sicherheit geben, mit dem Leben zurechtzukommen."

Eine letzte Variante, diesmal mit einem anderen Text: "Ich hab' heute wieder einen Haufen Versicherungen verkauft und gut daran verdient. Die Versicherungen bestehen aber nur aus Altpapier, und die Firma gibt's überhaupt nicht. Aber die Leute fühlen sich dadurch sicher und beschützt."

Man sieht daran, dass die Geschichte vom treuherzigen Gläubigen, der an seinem einfachen Götterglauben hängt, schnell Risse bekommt, wenn man die Geschichte aus der Perspektive der Wahrsager, Kartenleser oder Priester erzählt.


3. Fehlschluss

Außerdem unterliegt dieser Aberglaube einem Fehlschluss. Denn der wesentliche Teil dieses Aberglaubens besteht darin, dass man ohne ihn an der Welt verzweifeln müsse. Wenn aber der Aberglaube verschwindet, verschwindet ebenso die Verzweiflung, die er vergegaukelt hat.

Die Kunst der Priester ist, solche Fehlschlüsse unters Volk zu bringen und deren Aufdeckung mit lauter Brimborium zu verhindern.

Im Thread rief mal jemand aus voller Überzeugung: "Wenn Jesus gar nicht für unsere Sünden gestorben ist... dann.. dann... sind wir ja alle verloren!" -- Nein, sind wir nicht. Denn mit dem Aberglauben an die Errettung verschwindet auch der Aberglaube an die Verdammung.


4. Quark

Zitat:

ein allmächtiger, allwissender Herr, der alle Verantwortung auf sich nimmt, dem man Anteilnahme oder was auch immer zuschreiben kann, den man um Beistand bittet (...) an der Welt verzweifeln (...) Trost und die seelische Sicherheit
Dieses Suhlen in abergläubischem Quark beeindruckt mich nicht. Soll das ein Argument sein? Falls ja, wie ist es belegbar? Ein Argument ohne Beleg ist keins.

Sorry, ich halte dieses Wortgeklingel nur für den Versuch, irgendwie spirituell zu klingen, in der Hoffnung, dass niemand widerspricht. Diese Worte bedeuten nichts. Weder nimmt irgendein Gott eine Verantwortung auf sich (welche soll das sein? gegen wen verantwortet er sich?), noch nimmt er Anteil (woher willst Du das wissen und wie wirkt es sich aus?), noch leistet er Beistand in der Not oder gibt irgendwelche Sicherheiten (wenn er Sicherheit gibt, wieso braucht man dann Beistand in der Not?).

Ich muss Dir leider auch sagen, dass sich alle diese Behauptungen nicht aus der Bibel belegen lassen. Dass Gott an irgendwas Anteil nimmt und Beistand leistet oder Sicherheit bietet, ist katholisches Geschwurbel. Wer behauptet, Gott nähme Anteil, der behauptet, dass er wüsste, was Gott denkt. Es ist lupenreine Scharlatanerie.

Du sprichst von "Sicherheit, Beistand, Trost oder Anteilnahme". Gottes auserwähltes Volk wurde von den Nazis in Öfen verbrannt. Von "Sicherheit, Beistand, Trost oder Anteilnahme" war nichts zu bemerken. Tut mir leid, wenn ich derart drastische Beispiele nenne. Aber das sind die Tatsachen des Lebens. Man kann den Gläubigen durchaus zumuten, sich mit der Realität zu befassen.

Deswegen: Du sagst, die Gläubigen würden mit ihrem Glauben nicht an der Realität verzweifeln. Der Holocaust ist eine solche Realität. Macht der Götterglaube diese Realität also weniger verzweifelt? Etwa in dem Sinne: "Naja, für irgendwas wird's schon gut gewesen sein, lobet den Herrn"?

Wenn Gläubige heute und mit aktuellem Wissen von "Anteilnahme, Trost, Beistand und Sicherheit" reden, dann ist das erklärungsbedürftig. Es besteht der Verdacht eines verengten Weltbildes und einer gewissen Selbstgerechtigkeit.



5. Großtante

All die Geschichten von "irgendwelchen Leuten", Großtanten oder netten Nachbarn haben, abgesehen von der geringen Aussagekraft, einen entscheidenden Webfehler, auf den ich mich hier konzentrieren möchte.

Wer entscheidet eigentlich über den Glauben der Großtante?

Es kommt mir so vor, als würde eine Kommission über die Verteilung der afrikanischen Kolonien verhandeln. Am Tisch sitzen ein paar Priester, ein paar Gelehrte, ein paar Historiker, und so weiter, und verhandelt wird darüber, was gut für die Großtante wäre.

Aber wieso sitzt die Großtante nicht ebenfalls mit am Tisch? Und wieso gibt es überhaupt einen Tisch? Wer hat all die anderen Leute eingeladen?

Das Abwägen darüber, was für die "einfachen Leute" wohl am besten wäre, missachtet das Recht der Leute, selbst zu entscheiden. Zur Entscheidung gehören zuerst korrekte Informationen. Genau diese werden aber am Verhandlungstisch hin- und her geschoben. Was soll man der Tante sagen? Was würde ihr einleuchten? Die Evolution oder die Genesis? Zu welchem Ergebnis würde welches Märchen führen?

Ich vermute, dass Du Deine Großtante als nobles Beispiel genannt hast, und ich werde auch nur noble Dinge über Deine Tante sagen. Aber wurde die Tante wirklich nobel behandelt, als man sie anlog? Wäre es nicht nobel, der Tante die Wahrheit zu sagen? Sie könnte sich dann immer noch entscheiden, abergläubisch zu sein.

Es ist nämlich ein Unterschied, ob man abergläubisch ist, weil man es selber wollte, oder ob man abergläubisch ist, weil jemand anderes es wollte.

Alle Deine noblen Geschichten von noblen abergläubischen Leuten sind zuvorderst Geschichten von Leuten, die betrogen wurden. Sie wurden zweifach betrogen: Erstens gaukelte man ihnen falsche Informationen vor; und zweitens nahm man ihnen damit die Selbstbestimmheit. Selbstbestimmung ist jedoch ein Menschenrecht, jedenfalls sehe ich es so. Warum soll es das Recht eines Pfaffen sein, über andere Leute zu bestimmen? Er kann gefälligst über sich selbst bestimmen.

Ich kann redlicherweise auf diese Geschichten nicht anders reagieren, als sie zurückzuweisen. Ich schlage vor, den Leuten die Wahrheit zu sagen, damit sie selbst und frei entscheiden können. Erst dann bin ich bereit, darin etwas Nobles zu sehen. Ansonsten wäre es nur eine Glorifizierung von Betrug.

Schwarzfahrer 12.02.2019 11:30

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1434845)
Als eine wesentliche Funktion der indigenen, ethnischen Religionen (Naturreligionen) bezeichnen Ethnologen in der Regel die Abgrenzung des eigenen Stammes von anderen Stämmen und Gruppen sowie die Funktion der Identitätsstiftung.

Genau, das ist der psychologische Effekt, den ich mit Zugehörigkeit zu /geborgenheit in einer Gruppe auch gemeint habe.
Zitat:

Im Unterschied zu den indigenen Völkern formulierten die monotheistischen Religionen ein die Ethnien übergreifendes verschriftlichtes Weltbild.
Das gilt für Christentum und Islam wie Du es beschreibst. Der alttestamentarische Gott der Juden war nur für sein auserwähltes Volk da, von Missionierung war da keine Spur.
Zitat:

Offenbar eignete sich das frühe Christentum für ein Imperium wie Rom als Staatsreligion.
In der Blütezeit von Rom galt bzgl. Religion eine recht gelassene Laisser-Faire Haltung, jedem wurde seine Religion gegönnt - und es funktionierte prächtig. Das Christentum kam erst als Staatsreligion in der Zeit des Niedergangs auf - vielleicht auch nur als Versuch, den Verfall aufzuhalten durch eine stärkere Zentralisierung.

Jörn 12.02.2019 11:38

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1434845)
(...)

Besten Dank für die interessanten Ausführungen!

qbz 12.02.2019 17:02

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1434861)
.......
Das gilt für Christentum und Islam wie Du es beschreibst. Der alttestamentarische Gott der Juden war nur für sein auserwähltes Volk da, von Missionierung war da keine Spur.
.....

Nachdem was ich gelesen habe, stufen wohl Religionswissenschaftler die jüdische Lehre auch als universalistisch ein, in der konkreten Praxis hingegen als grosse Volksreligion, gebunden an das jüdische Volk und ohne Missionierung, wie Du schreibst.
"Jahwe ist nicht der Gott eines bestimmten Stammes, sondern der Gott der gesamten Menschheit."
https://de.wikipedia.org/wiki/Universalismus_(Religionswissenschaft), Israel

Da es mir aber um beide Aspekte ging, Lehre wie Praxis, gehörte die jüdische Religion da nicht rein.

Jörn 12.02.2019 18:16

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1434954)
"Jahwe ist nicht der Gott eines bestimmten Stammes, sondern der Gott der gesamten Menschheit."

Dieses Zitat entstammt einer jüdischen Illustrierten, nämlich der "Illustrierten Monatsschrift für das gesamte Judentum" aus dem Jahr 1917. Mir scheint, dass man den Artikel bis zum Beweis des Gegenteils als "Schmarrn" bezeichnen darf. Leider wurden ein paar Sätze davon in Wikipedia aufgenommen.

Es ist ein schwärmerischer Aufsatz über die Großartigkeit des Judentums und des Monotheismus. Der Aufsatz begründet seine Thesen damit, dass deren Urheber sie gefühlt hätten. Hier ein paar Zitate:

Zitat:

"Ihre Größe [die der späteren Propheten, nach Moses] liegt vielmehr in der Entschiedenheit und Klarheit, mit der sie aus der religiös-ethischen Grundkonzeption des Mose intuitiv die letzten Schlüsse ziehen."

"Ihre Genialität ist also nicht logischer Natur, sondern ist eine Genialität des Fühlens."

"So enthüllt sich ihrem Herzen die seelische Verwandtschaft, die wesenhafte Gleichartigkeit der verschiedenen Völker, und sie erkennen in den Heiden ihre Brüder. "

"Der Begriff der Menschheit, der so entsteht, erschließt sich ihnen nicht als Folge eines logischen Raisonnements, nicht als Ergebnis folgerichtigen Denkens, sondern er ist der unmittelbare Ausdruck ihres menschheitlichen Fühlens, der Empfindung (...)."
Die Bibel beschreibt zwar die Entstehung des "jüdischen Volks", jedoch im Rückblick und mit der klaren Absicht einer Verklärung, nämlich der Verklärung als das treue Volk Jahwes, das schon immer monotheistisch geprägt gewesen wäre. Es geht hier um eine der Gründungs-Mythen, die viele Völker haben. Man denke an die Nibelungen-Sage.

Das "jüdische Volk" war nicht von Anfang an monotheistisch, und die Juden waren nicht von Anfang an das Volk Jahwes. Das Wort "Israel" bezeugt dies. "Isra-El" bedeutet so viel wie "Kämper für El", und El war eine Gottheit. Diese Gottheit war sogar verheiratet, und zwar mit Aschera. Es war also nicht monotheistisch.

In der Bibel gibt es sehr viele Stellen, die eine Konkurrenz zu Baal beschreiben, einer damals populären Gottheit.

Als sich dann später Jahwe und der Monotheismus durchsetzten, wurde "El" einfach als einer der vielen Namen von Jahwe vereinnahmt, und man sagte, naja, es wäre ja eigentlich schon immer Jahwe gewesen. Die Frau von El, Aschera, wurde in der Not zuerst mit Jahwe verheiratet und später ganz gestrichen. In der Bibel steht sie noch drin.

Zitat:

Richter 6, 25: "In jener Nacht sagte der HERR zu ihm: Nimm den Stier von den Rindern, die deinem Vater gehören, und zwar den siebenjährigen Prachtstier, reiß den Altar des Baal nieder, der deinem Vater gehört, und die Aschera daneben hau um!"
All dies beweist, dass eine Missionierung stattgefunden haben muss. Zwar nicht im dem Sinne, dass die Juden durch die Welt zogen und predigten. Aber doch in dem Sinne, dass es in den eigenen Reihen eine Missionierung gab, die zum Ziel hatte, die damals populären Vorstellungen zu ersetzen.

Ob Jahwe wirklich auch die anderen Völker liebte, kann jeder selbst nachlesen:

Zitat:

[Jahwe spricht zu Mose:] "Und ich [Jahwe] fange heute an, den Völkern überall unter dem Himmel Schrecken und Furcht vor dir ins Gesicht zu zeichnen. Wenn sie von dir nur hören, zittern sie. Sie winden sich vor Angst, wenn sie dich sehen."

[Moses zieht also wie geheißen in die Schlacht und berichtet das Ergebnis:] "Wir vollzogen an ihrer ganzen Bevölkerung den Bann, auch die Frauen samt Kindern und Alten; keinen ließen wir überleben." 5. Mose 2, 25,34

qbz 12.02.2019 18:27

Danke für die Erläuterung des Zitates und der Infos zu den Ursprüngen des jüdischen Ein-Gott-Glaubens. Mir fiel auch die fragliche Quelle des Zitates von 1917 auf, machte mir aber leider die Mühe, die durchzulesen.

Schwarzfahrer 12.02.2019 20:04

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1434974)
...Es ist ein schwärmerischer Aufsatz über die Großartigkeit des Judentums und des Monotheismus.

Ob die Chasaren im 9. Jahrhundert auch wegen solcher schwärmerischen Propaganda zum Judentum konvertierten? Ich glaube, das ist in der Geschichte ein einmaliges Ereignis, daß ein ganzes, wohlhabendes Land eine neue Religion, zumal von einem Volk ohne Land und ohne Macht, ohne äußeren Zwang einführt - bleibt mir für immer ein Rätsel.

Jörn 12.02.2019 20:40

Ja. Es kann sich dabei nur um ein Wunder handeln. Die Geschichte ist jedenfalls wahr.

merz 16.02.2019 09:04

konservative katholische Kernaussagen auf vier Seiten, das kommt nicht von den Rändern, das kommt aus dem Kern der hl. kath. Kirche, hier allerdings als Kampfschrift in einer Kontroverse, - vll. ganz interessant wenn einem nicht parat ist wie es da zugeht:

http://document.kathtube.com/47411.pdf

m.

Klugschnacker 16.02.2019 09:52

Zitat:

Zitat von merz (Beitrag 1435418)
konservative katholische Kernaussagen auf vier Seiten, das kommt nicht von den Rändern, das kommt aus dem Kern der hl. kath. Kirche, hier allerdings als Kampfschrift in einer Kontroverse, - vll. ganz interessant wenn einem nicht parat ist wie es da zugeht:

http://document.kathtube.com/47411.pdf

Darin steht:
Die Kirche ist kein von Menschen gegründeter Verein... sie ist göttlichen Ursprungs. ... Die Mahnung des Apostels gilt bis heute, dass verflucht sei, wer ein anderes Evangelium verkündet, "auch wenn wir selbst es wären oder ein Engel vom Himmel" (Gal 1,8).
Ich bin demnach verflucht. Du, lieber merz, bist auch verflucht. Die evangelisch glaubenden Menschen sind verflucht, weil sie ein anderes Evangelium verkünden. Alle Menschen der islamischen Welt sind verflucht, denn sie haben einen anderen Glauben. Alle Inder, die ihre hinduistischen Götter anbeten, sind verflucht. Alle Indianer und Naturvölker sind verflucht. Und das gälte bis heute.

Diese fanatische Ideologie bestärkt mich in der Überzeugung, dass es wichtig ist, für Toleranz, Menschenrechte und Vernunft zu streiten. Ich verstehe nicht, warum die gläubigen Katholiken der aufgeklärten Welt solche Hetzer nicht aus ihren Kirchen werfen.

FlyLive 16.02.2019 13:10

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1435420)

Ich bin demnach verflucht......

.... Ich verstehe nicht, warum die gläubigen Katholiken der aufgeklärten Welt solche Hetzer nicht aus ihren Kirchen werfen.

Ich bin auch verflucht. Es stört mich aber nicht im geringsten, das es so ist. :Lachen2:

Wie wirkt sich der Fluch bei Dir aus ?

Ich denke, weil das Verflucht sein so unbedeutend ist, wird es auch in den allermeisten Fällen schweigend hingenommen. Ich würde fast wetten, das die meisten Menschen gar nichts wissen von ihrem Verfluchtsein.

Ich möchte es aber auch nicht weiter vertiefen, da hier im Thread, Welten aufeinander treffen und ich mehr als persönliche Beobachtungen und Erfahrungen, nicht beisteuern kann. :Blumen:

Jörn 16.02.2019 14:44

Ich würde gerne den "theologischen Kontext" dieses PDFs erläutern. Wer sich für Kirchenpolitik nicht interessiert (also alle), möge dieses Posting überspringen.

Der Text ist notwendigerweise lang, aber, nochmals: Wen es nicht interessiert, der möge es überspringen.

1. Wer wird angesprochen?

Der Autor sagt, viele "Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien" hätten ihn um eine Klarstellung gebeten, also quasi der Querschnitt der Kirche, quer durch alle Ränge. Der Absender der Botschaft sind also jene, die die Kirche darstellen. Aber wer ist dann der Adressat? An wen richtet sich die Botschaft? In der Auflistung der "Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien" fehlt ausgerechnet der Papst. Ist das nicht verblüffend?

Er sagt, diese Richtigstellung sei notwendig wegen der sich "ausbreitenden Verwirrung im Glauben". Aber wer verbreitet diese Verwirrung?

Außerdem: Warum wird hier das Wort "Verwirrung" verwendet? In der Kirchensprache ist Satan der große Verwirrer. Gemeint ist damit, dass er die Menschen mit schönen Worten auf eine falsche Fährte lockt.

Dieses Schreiben richtet sich gegen den Papst. Kardinal Müller gehört zu einer durchaus großen Gruppe von Bischöfen und Kardinälen, die dem Papst einen Abfall vom rechten Glauben vorwerfen und dies auch schlüssig begründen können.


2. Wer ist der Autor, Kardinal Müller?

Müller war bis vor kurzem Präfekt der Glaubenskongregation. Das ist jene Abteilung des Vatikans, die festlegt, was der rechte Glaube ist, und was nicht. Es ist die Nachfolge-Abteilung der "Heiligen Inquisition". Es ist zugleich das (theologisch gesehen) höchste Amt im Vatikan, noch vor dem Papst. Zwar muss der Papst die Beschlüsse der Abteilung unterschreiben, jedoch ist er dazu verpflichtet, wenn nicht sehr schwerwiegende Gründe dagegen sprechen.

Der Papst führt die Kirche. Aber was geglaubt wird, bestimmt diese Abteilung. Das bedeutet, dass Kardinal Müller als einer der höchsten Autoritäten gilt, um festzulegen, was der rechte Glaube ist. Sein Wort hat Gewicht.

Diese Position hielt unter Papst Johannes Paul II. ein Mann namens Joseph Ratzinger inne, der später selbst Papst wurde. Es gibt also eine sehr, sehr lange Kontinuität in diesem Amt und in seinen Verkündigungen. Seit Generationen wurde dieses Amt mit eiserner Hand geführt. Beispielsweise verloren durch Ratzinger jene Professoren ihr Amt, die andeuteten, dass die Jungfräulichkeit von Maria eventuell nicht wörtlich zu verstehen sei.


3. Der Konflikt

Vor einiger Zeit wurde Kardinal Müller von Papst Franziskus aus diesem Amt entlassen. Franziskus hat zudem angeregt, einige strenge Kirchenregeln etwas zu lockern.

Es stellt sich hier die Frage nach der Legitimation. Kann der Papst einfach das Kirchenrecht oder gar den Glauben ändern? Was ist, wenn er den Worten der Bibel widerspricht?

Franziskus hat in seiner Schrift "Amoris Laetitia" (über die Liebe in der Familie) eine Fußnote angefügt, in der er meinte, dass es in gut begründeten Einzelfällen dem örtlichen Priester gestattet sein sollte, nach seinem Dafürhalten auch "wiederverheiratete Geschiedene" zum Gottesdienst (zu den Sakramenten) zuzulassen. Dies ist ein sehr grober Bruch des Kirchenrechts.

Seitdem wurde Franziskus offiziell und öffentlich aufgefordert, diese Irrlehre zu widerrufen. Dazu gibt es ein amtliches Prozedere, vergleichbar mit einer Abmahnung. Aber Franziskus hat auf diese Vorgänge nicht reagiert.

Zudem hat Franziskus angedeutet, dass am Ende alle Menschen in den Himmel kommen werden (womöglich über den Umweg des Fegefeuers), sofern sie sich bemühen -- also auch Hindus oder sogar Atheisten, wenn sie sich bemühen, ein gutes Leben zu führen. Denn warum sollte jemand wie Gandhi in der ewigen (!) Hölle landen? Etwas Fegefeuer wird wohl ausreichen. Aber auch das ist ein klarer Verstoß gegen Lehren, die eindeutig in der Bibel überliefert wurden.

Kardinal Müller steht mit seiner Kritik nicht alleine, gerade in diesem Punkt. Papst Benedikt hat sich in praktisch allen seinen Reden während seines Deutschland-Besuchs "gegen den Relativismus" gewandt. Damit meinte er, dass man die Klarheit und die Härte des Glaubens nicht verwässern dürfe. Zu diesen Härten gehört es, dass am Ende eben nicht alle in den Himmel kommen. Und das müsse man den Leuten auch klipp und klar sagen, auch wenn das hart ist.


4. Was folgt aus all dem?

Papst Franziskus hat nach Ansicht vieler Katholiken seine Legitimation verloren und wird der Irrlehre geziehen. Das mag klingen wie eine wirre Verschwörungstheorie von einigen wenigen Spinnern. Aber das ist nicht der Fall. Unter den "aktiven Katholiken" (jenen, die sich überhaupt darum kümmern), dürfte es die Mehrheitsmeinung darstellen. Ein Blick auf kath.net belegt das. Dort tobt ein Sturm der Entrüstung.

Kardinal Müller zählt deswegen auf, was eine legitime Kirchenführung beachten muss, und warum sie nicht einfach tun kann, was sie möchte:

- Die Heirat von Geschiedenen bleibt daher auf ewig verboten, ebenso die Frauen-Ordination (Frauen als Priester).

- Es gibt eine ewige Hölle, in der keine Vergebung möglich ist. Eine Vergebung ist nicht möglich, wenn der rechte Glaube nicht angenommen wurde oder wenn gegen den Heiligen Geist gelästert wurde.

- Die Kirche darf sich nicht dem Zeitgeist oder aktuellen ethischen Strömungen beugen, sondern muss auf der Lehre bestehen, so wie sie in den Büchern und im Katechismus steht. Alles andere ist nicht legitim und führt die Anhänger schnurstracks in die Hölle. Dies bezieht sich auf Ehe, Eheleben, Sexualität, Homosexualität und andere Dinge, die heute allgemein anders bewertet werden als im Mittelalter.

- Es bleibt allein der Kirche gestattet und vorbehalten, den rechten Glauben festzulegen, und sie kann das nur im Einklang mit den Schriften tun. Weder dem Papst noch dem einzelnen Gläubigen steht dieses Recht zu. Diese unumstößliche Regel ist auch im Katechismus festgeschrieben.

Klugschnacker 16.02.2019 18:39

Zitat:

Zitat von FlyLive (Beitrag 1435423)
Ich denke, weil das Verflucht sein so unbedeutend ist, wird es auch in den allermeisten Fällen schweigend hingenommen.

Wenn Dir in der zivilisierten Welt jemand an den Kopf wirft, Du und alle anderen seien verflucht, die nicht seiner Meinung sind, dann wirst Du ihn wahrscheinlich bitten, er möge sich etwas zusammenreißen.

Das ist doch im Jahr 2019 keine akzeptable Art, mit anderen Ansichten umzugehen.
:Blumen:

merz 16.02.2019 22:13

Zitat:

Zitat von FlyLive (Beitrag 1435423)
Ich bin auch verflucht. Es stört mich aber nicht im geringsten, das es so ist. :Lachen2:

Wie wirkt sich der Fluch bei Dir aus ?

Ich denke, weil das Verflucht sein so unbedeutend ist, wird es auch in den allermeisten Fällen schweigend hingenommen. Ich würde fast wetten, das die meisten Menschen gar nichts wissen von ihrem Verfluchtsein.

(...)

das ist gut,weil aufgeklärt, aber in einer katholischen Welt etwas anderes:

Deine Seele ist dem Heilsgeschehen verlustig gegangen (ich benutzte absichtlich etwas unmodernes Deutsch), - das bedeutet, daß Du am Ende der Welt (die Auferstehung der Toten aus dem Glaubensbekenntnis) nicht gerettet wirst, was nun die ewige Hölle/Verdamnis für Dich/Deine Seele, bedeutet. So ist das.

konkret in unserer Welt bedeutet es den Ausschluss aus der Gemeinde, mit allem was
sozial daraus folgt (eher: folgen würde, wenn alle es ernst nehmen würden)


m.

FlyLive 17.02.2019 10:10

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1435440)
Wenn Dir in der zivilisierten Welt jemand an den Kopf wirft, Du und alle anderen seien verflucht, die nicht seiner Meinung sind, dann wirst Du ihn wahrscheinlich bitten, er möge sich etwas zusammenreißen.

Das ist doch im Jahr 2019 keine akzeptable Art, mit anderen Ansichten umzugehen.
:Blumen:

Ich kann mir die Situation nicht mal ein wenig, realistisch vorstellen. Aber wenn mir einer ernsthaft, mein Verfluchtsein diktiert, würde ich mich situationsbedingt entweder darüber belustigen oder es ignorieren.

Inwieweit es akzeptabel ist, anderer Leute Meinung anzuerkennen, ist ja gerade ein ganz heißes Thema. Ich habe gelernt, das es auf die Verhältnismäßigkeit ankommt.
Wenn Du es demnach inakzeptabel findest, das Dir jemand sagt, Du seist verflucht, fehlt es Dir vermutlich an Akzeptanz für seine Ansicht. ;)

FlyLive 17.02.2019 10:20

Zitat:

Zitat von merz (Beitrag 1435455)
das ist gut,weil aufgeklärt, aber in einer katholischen Welt etwas anderes:

Deine Seele ist dem Heilsgeschehen verlustig gegangen (ich benutzte absichtlich etwas unmodernes Deutsch), - das bedeutet, daß Du am Ende der Welt (die Auferstehung der Toten aus dem Glaubensbekenntnis) nicht gerettet wirst, was nun die ewige Hölle/Verdamnis für Dich/Deine Seele, bedeutet. So ist das.

konkret in unserer Welt bedeutet es den Ausschluss aus der Gemeinde, mit allem was
sozial daraus folgt (eher: folgen würde, wenn alle es ernst nehmen würden)


m.

Sicher, wenn man sich in Kreisen bewegt, in denen streng geglaubt wird, dann ist so eine Ansage nicht mehr egal. Der gewöhnliche Europäer kann sich solchen Gruppierungen aber entziehen und wird mit hoher Wahrscheinlichkeit, keine Menschen treffen der ihn persönlich verflucht ( vielleicht die eigene Ehefrau ;) ).
Menschen die sich diesen Gruppen anschließen, denken in der Regel selbst so streng und akzeptieren wahrscheinlich auch das Verfluchtsein, wenn es denn so sein soll.

Jörn 17.02.2019 13:39










Jörn 17.02.2019 13:53








phonofreund 17.02.2019 18:09

Wenn ich diese Selbstdarsteller mit ihrer Profilneurose sehe, dann vergeht es mir echt.

FlyLive 17.02.2019 19:35

Zitat:

Zitat von phonofreund (Beitrag 1435522)
Wenn ich diese Selbstdarsteller mit ihrer Profilneurose sehe, dann vergeht es mir echt.

Ja !
Aber solche Sonderlinge findet man überall. Kompressionssockenträger, Lederhosenbayern, Lack und Lederparaden, Fasching, Hochzeiten, Gerichte und so weiter.
Jedem das Seine.

Jörn 17.02.2019 20:41

Ja, jedem das Seine:

- Jemand betrachtet die Bilder und sieht seltsame Kleidung.
- Jemand anderes betrachtet die Bilder und sieht Betrug.

Jedem das Seine: Man kann in den Bildern sehen, was man möchte.

Falls man Betrug sieht, funktioniert der Spruch "Jedem das Seine" nicht mehr. Denn bei Betrug gibt es nicht nur "das Seine", also das, was man sich selbst antut. Sondern dann gibt es auch noch den Betrogenen. Also den, der nicht betrogen werden wollte, jedoch betrogen wurde.

"Jedem das Seine" betont die eigene Freiheit, aber es berücksichtigt nicht den Betrug von anderen.

Wenn einzelne Gläubige sich komisch kleiden würden, hätte ich nichts dagegen.

FlyLive 17.02.2019 20:49

Du, Jörn, hast ja ausnahmslos Bilder mit dieser auffällig langen Schleppe eingestellt.
Für mich war es demnach eindeutig, das es um diese spezielle Kleidung geht.
Betrügereien erkenne ich anhand der Bilder nicht.

Jörn 17.02.2019 21:20

Die "Cappa Magna", so nennt man die lange Schleppe, besteht vollständig aus kostbarer Moiree-Seide und ist je nach Epoche zwischen 6 und 12 Meter lang.

Im Winter wird sie innen mit Hermelin-Pelz gefüttert. Hermelin galt allgemein als Pelz der Kaiser und Könige. Die weiße Farbe des Hermelins unterstrich die Reinheit und Ehrlichkeit der Bischöfe, sodass es für alle sichtbar wurde.

Ermöglicht wurden die kostbaren Gewänder durch die Freigiebigkeit der Bevölkerung.


FlyLive 17.02.2019 21:38

https://www.zeit.de/gesellschaft/201...rederic-martelZeit Online

qbz 20.02.2019 15:41

10 Jahre lang klagte ein Chefarzt durch alle Instanzen (incl. EUGH) gegen das Erzbistum Köln und bekam jetzt Recht. Aufgrund des Urteils müssen künftig die kirchlichen Arbeitgeber ihre Sonderrechte bei der sog. Loyalitätspflicht zum Glück für die Arbeitnehmer endlich einschränken.

Bundesarbeitsgericht: Kündigung von katholischem Chefarzt nach Wiederheirat unwirksam

"Sein Fall betrifft die Sonderrechte der Kirche als Arbeitgeber von 1,4 Millionen Menschen in Deutschland: Seit zehn Jahren wehrt sich ein geschiedener katholischer Arzt gegen seine Kündigung. Nun hat er recht bekommen.

Ein Chefarzt eines katholischen Krankenhauses hat erfolgreich gegen seine Kündigung nach einer Scheidung und erneuten Heirat gekämpft. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt entschied, der Mediziner sei von seinem kirchlichen Arbeitgeber gegenüber nicht katholischen Kollegen unzulässig benachteiligt worden. Dem Chefarzt am St. Vinzenz-Krankenhaus in Düsseldorf war 2009 gekündigt worden, weil ihm die Kirche einen schwerwiegenden Loyalitätsverstoß vorwarf. Er hatte nach der Scheidung von seiner ersten Frau ein zweites Mal standesamtlich geheiratet.
.......
Die Richter entschieden: Die Kündigung des Mannes könnte eine "verbotene Diskriminierung wegen der Religion darstellen". In ihrer Entscheidung heißt es: Die Akzeptanz des von der katholischen Kirche befürworteten Eheverständnisses scheine für die Tätigkeit des Mediziners keine "wesentliche Anforderung der beruflichen Tätigkeit zu sein". Schließlich seinen ähnliche Stellen auch Ärzten anvertraut worden, "die nicht katholischer Konfession sind"


Hoffentlich findet damit diese Form der beruflichen Disziplinierung ein Ende.

phonofreund 20.02.2019 15:51

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1435969)
10 Jahre lang klagte ein Chefarzt durch alle Instanzen (incl. EUGH) gegen ein katholisches Krankenhaus und bekam jetzt Recht. Aufgrund des Urteils müssen künftig die kirchlichen Arbeitgeber ihre Sonderrechte bei der sog. Loyalitätspflicht zum Glück für die Arbeitnehmer endlich einschränken.

Bundesarbeitsgericht: Kündigung von katholischem Chefarzt nach Wiederheirat unwirksam

"Sein Fall betrifft die Sonderrechte der Kirche als Arbeitgeber von 1,4 Millionen Menschen in Deutschland: Seit zehn Jahren wehrt sich ein geschiedener katholischer Arzt gegen seine Kündigung. Nun hat er recht bekommen.

Ein Chefarzt eines katholischen Krankenhauses hat erfolgreich gegen seine Kündigung nach einer Scheidung und erneuten Heirat gekämpft. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt entschied, der Mediziner sei von seinem kirchlichen Arbeitgeber gegenüber nicht katholischen Kollegen unzulässig benachteiligt worden. Dem Chefarzt am St. Vinzenz-Krankenhaus in Düsseldorf war 2009 gekündigt worden, weil ihm die Kirche einen schwerwiegenden Loyalitätsverstoß vorwarf. Er hatte nach der Scheidung von seiner ersten Frau ein zweites Mal standesamtlich geheiratet.
.......
Die Richter entschieden: Die Kündigung des Mannes könnte eine "verbotene Diskriminierung wegen der Religion darstellen". In ihrer Entscheidung heißt es: Die Akzeptanz des von der katholischen Kirche befürworteten Eheverständnisses scheine für die Tätigkeit des Mediziners keine "wesentliche Anforderung der beruflichen Tätigkeit zu sein". Schließlich seinen ähnliche Stellen auch Ärzten anvertraut worden, "die nicht katholischer Konfession sind"


Hoffentlich findet damit diese Form der beruflichen Disziplinierung ein Ende.

Die Amtskirche wird sich bestimmt noch andere Gemeinheiten einfallen lassen. Die haben noch Reserven....

waden 20.02.2019 19:22

Zitat:

Zitat von phonofreund (Beitrag 1435975)
Die Amtskirche wird sich bestimmt noch andere Gemeinheiten einfallen lassen. Die haben noch Reserven....

Das mag sein. Postitiv finde ich, dass ein staatliches Gericht, das Bundesarbeitsgericht, die aus religiösen Gründen motivierte Diskriminierung für rechtswidrig erklärt. Dass das für den Betroffenen 10 Jahre dauerte, zeigt, dass das nicht so einfach und selbstverständlich war.

Klugschnacker 20.02.2019 19:29

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1435969)
10 Jahre lang klagte ein Chefarzt durch alle Instanzen (incl. EUGH) gegen das Erzbistum Köln und bekam jetzt Recht. Aufgrund des Urteils müssen künftig die kirchlichen Arbeitgeber ihre Sonderrechte bei der sog. Loyalitätspflicht zum Glück für die Arbeitnehmer endlich einschränken.

Ich finde das gut. Krankenhäuser, Kindergärten, Schulen, Altenheime etc. sollten meiner Meinung nach generell nicht als Orte religiöser Verkündigung anerkannt werden, denn sie dienen vorrangig anderen Zwecken. Eine Kirche ist ein Ort der Verkündigung, aber ein Operationssaal nicht.

Vielleicht wird mein Argument deutlicher, wenn wir uns für die Zukunft eine zunehmende Zahl muslimischer Einrichtungen in Deutschland vorstellen. Muslimische Krankenhäuser, Schulen, Kindergärten und Altenheime in praktisch allen Städten und Gemeinden. Dort hätten wir dann ein Arbeitsverbot für Juden, Christen, Homosexuelle, Ungläubige – bei letzteren mit Ausnahme jener, die während des Ramadans arbeiten müssen – in dieser Zeit ist es den Muslimen verboten, zu arbeiten. Wollen wir das so?

Ich fände es daher besser, die Verkündigung auf die Kirchen, Moscheen und Synagogen zu beschränken. Dort gehört sie hin. Das sind ja keine prekären Einrichtungen, sondern meist wunderschöne Gebäude in den Herzen unserer Gemeinden. Ich denke, damit sollten die Religionsgemeinschaften gut leben können.
:Blumen:

Jörn 21.02.2019 22:41

Was für die Kirchen keine Rolle spielte:

- Die Belange der Patienten
- Die Qualität der Behandlungen
- Die Schaffung bestmöglicher Arbeitsbedingungen
- Die Qualifikation des betreffenden Mitarbeiters

- Das menschliche Bedürfnis nach Familie, Ehe und Gestaltung des Privatlebens (alle drei sind Menschenrechte, und deren Verweigerung ist sowohl illegal als auch barbarisch).

Sich in das Eheleben eines Mitarbeiters einzumischen (das in völlig üblichen Bahnen verlief), sind Methoden der Inquisition. Es ist Terror und Schnüffelei. Hier wird unbescholtenen Bürgern geschadet.

Ein Vorteil dieser bizarren Vorschriften ist indessen nirgends zu sehen. Es ist den Patienten nämlich erstens unbekannt und zweitens völlig egal, ob der Chefarzt der Klink verheiratet ist oder zur Beichte geht. Hierbei handelt es sich nicht um ein sachlich gerechtfertigtes Anliegen, sondern um reines Affentheater.

Warum in einem öffentlichen Krankenhaus überhaupt "katholisches Recht" angewendet werden kann, ist mir rätselhaft. Eine Klink ist keine Kirche.

Ich bin sowieso für die Abschaffung von "Kirchenrecht". Das öffentliche Recht sollte für alle ausreichen. Wie kann sich eine Religionsgemeinschaft derart herunterwirtschaften, dass es für sie unmöglich geworden ist, sich an geltendes Recht zu halten? Ich glaube nicht, dass das die Gläubigen wollen. Die Mainstream-Gläubigen wären mit dem öffentlichen Recht völlig zufrieden.

qbz 22.02.2019 17:06

Missbrauchsgipfel in Rom (Karrikatur von Klaus Stuttmann)

Klugschnacker 27.02.2019 08:06

Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass Halal-Fleisch kein Bio-Label tragen kann.

Fleisch wird als "halal" bezeichnet, wenn es nach den islamischen Glaubensregeln erlaubt ist. Die meisten Menschen kennen das Verbot, Schweinefleisch zu essen; Schweinefleisch wäre demnach nicht halal. Der Islam schreibt jedoch auch strikte Regeln für die Schlachtung vor: Den Tieren wird ohne Betäubung die Kehle durchgeschnitten, sodass sie mit schlagendem Herzen bei vollem Bewusstsein verbluten.

Da sich das Bio-Label am Tierwohl orientiere, käme das Bio-Label für Halal-Fleisch nicht länger in Frage, so die Richter des EuGH.

Ich freue mich über dieses Urteil, da ich mich persönlich für das Wohl von Tieren engagiere. Ich gönne jedem seinen privaten Glauben an Götter, doch darf man nach meiner Überzeugung deswegen keine unnötigen und mutwilligen Grausamkeiten an Tieren verüben. Ich lehne das auch im nichtreligiösen Kontext ab, etwa bei der Massentierhaltung, bei spanischen Stierkämpfen oder der weltweiten Quälzucht von Schoßhündchen und so weiter.

Ich poste die Nachricht vom EuGH-Urteil in diesem Thread, weil mir die religiöse Motivation des Halal-Schlachtens entscheidend zu sein scheint. Im Unterschied zur monetären Motivation der Massentierhaltung, die ich an anderer Stelle kritisiert habe.

merz 27.02.2019 09:37

die gesamte Halal-Thematik ist ja evidenterweise recht interessant (ggf. gilt das auch für koscher?), weil man dabei nochmal über die Grenzziehung von Religion als Privatsache nachdenken kann.

m.

P.S.: Es geht hier wohl um konkret über das betäubungslose Schlachten und auch die Interpretationsfrage, ob das wirklich "geboten" ist - um mal in die blutigen Details zu gehen.

Rälph 27.02.2019 09:42

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1436819)
Ich freue mich über dieses Urteil, da ich mich persönlich für das Wohl von Tieren engagiere. Ich gönne jedem seinen privaten Glauben an Götter, doch darf man nach meiner Überzeugung deswegen keine unnötigen und mutwilligen Grausamkeiten an Tieren verüben. Ich lehne das auch im nichtreligiösen Kontext ab, etwa bei der Massentierhaltung, bei spanischen Stierkämpfen oder der weltweiten Quälzucht von Schoßhündchen und so weiter.

Spontan würde ich auch sagen: positiv! Ich frage mich aber bei weiterer Überlegung, ob es nicht doch sinnvoll wäre, eine Art "Bio-Halal" anzubieten. Ein gläubiger Moslem wird sich vermutlich im Zweifelsfall immer für Halal entscheiden, ungeachtet der Haltungsform. Wenn "Bio" und "Halal" sich prinzipiell ausschließen, dann fördert das mMn eher die schlechten Haltungsformen.

Rälph (seit 24 Jahren fleischlos (nur machnmal (geangelten) Thunfisch))


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