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qbz 08.02.2019 19:46

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1434370)
Der Druck das Kind zu taufen oder kirchlich zu heiraten kommt m.M.n. vor allem aus dem jeweiligen familiären Umfeld mehr als von "der Kirche", und basiert meist eher auf Tradition (es war schon immer so) als auf Glauben. Außerhalb der Familie interessiert es meist keinen, ob man kirchlich geheiratet hat, oder die Kinder getauft hat - die gesellschaftlichen Konsequenzen, wenn man es nicht tut, sind vernachlässigbar.

Würde die Kirchen ab morgen z.B. alle Taufen ab 14 oder 18 fordern und durchführen, weil die Kirchenmitgliedschaft und das Bekenntnis zu Gott einer eigenen Entscheidung Heranwachsender / Volljähriger bedürfen sowie die kirchliche Lehrmeinung vertreten, dass ungetaufte verstorbene Kinder einen Platz im Paradies erhalten, würden sich das Taufalter und die familiäre Tradition in kurzer Zeit ändern, weil sich die kirchliche Tradition / Praxis ändert. Davon bin ich überzeugt.

Ich selber hätte gerne auf meine Taufe und die Kirchenmitgliedschaft verzichtet!

Für praktizierende Katholiken ist natürlich die kirchliche Heirat vor Gott als eines der Sakramente wichtig. Stimmt der konfessionslose Ehepartner z.B. einer Kindestaufe nicht zu, wäre die Ehe aus katholischer Sicht auch nicht gültig, weil damit ein Ehehindernis besteht. Meine Mutter z.B. musste damals noch zum Katholizismus konvertieren für die kirchliche Heirat, die für meinen Vater bedeutsam war. Die Konversion ist zum Glück heute nicht mehr notwendig.

qbz 08.02.2019 19:55

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1434371)
Das Christentum ist die Grundlage unserer Kultur, nicht die Amtskirche; die war höchstens ein wesentlicher politischer Akteur in unserer (länger vergangener) Geschichte, und hat natürlich zur Verankerung und Dominanz des Christentum in Westeuropa kräftig beigetragen. Aber die Kultur wurde schon immer durch das gelebte Christentum geprägt, nicht durch die Dogmen.
.......

Es handelt sich um eine über die Jahrhunderte betrachtet vom Wesen her sehr blutige, furchtbare Geschichte und Kultur des praktizierten Christentums, nach innen Repression, Raub, Unterdrückung, geistig, kulturell, militärisch, nach aussen Eroberung, Missionierung, Raub und Mord. Es wurde in diesem Thread darüber in vielen Facetten geschrieben.


Zwingli, Reformator und Bürgermeister von Zürich. Gestützt auf sein Schwert und die Zwingli-Bibel. Gefallen in der Schlacht bei Kappel 1531.


Johannes Calvin, Reformator und Bürgermeister von Genf. 1509-1564.

Zwingli liess die Täufer verfolgen, vertreiben, foltern und ertränken. Unter Calvin wurden Andersgläubige verfolgt, gefoltert, hingerichtet, verbrannt. Luther gratulierte Calvin schriftlich zur Hinrichtung von Häretikern.

Jörn 08.02.2019 20:01

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1434371)
Das Christentum ist die Grundlage unserer Kultur

Die Zurückdrängung des Christentums ist Grundlage unserer aktuellen Kultur.

Wesentliche Merkmale unserer Kultur sind

- Gleichberechtigung von Mann und Frau
- Religions- und Bekenntnisfreiheit
- Abschaffung der Sippenhaft
- Begrenzung von vormals absolutistischer Macht
- Abschaffung von Tieropfern
- Rechtsstaatlichkeit
- Gewaltentrennung
- Abschaffung der Sklaverei

All dies widerspricht den biblischen Schriften und auch der gelebten kirchlichen Tradition.



Quelle: AWQ.de

Rälph 09.02.2019 08:00

Zitat:

Zitat von merz (Beitrag 1434244)
Die dann aber auch - man verzeihe mir die Sprache zu später Stunde - irgendwie hohl und unspezifisch ist, da ist nichts mehr was man nicht woanders besser bekommt .....

m.

Ich würde sagen, es ist tatsächlich eine Gemeinschaft um der Gemeinschaft willen. Ich habe es früher so wahrgenommen, dass es außer einem mehr oder weniger ausgeprägtem Glaube an etwas, kein wirkliches gemeinsames Thema gab. Trotzdem, oder gerade deshalb, waren wir so eine tolle Gruppe. Man musste nichts besonderes können, wissen oder erreichen wollen. Es wurde auch kein Glaube auf den Prüfstand gestellt. Wir teilten viel Zeit miteinander auf Lagern, Touren und in Gruppenstunden, weil wir uns mochten, weil jeder auf seine Weise toll war.
Ich habe meine Zweifel, ob man das so woanders besser bekommt.


Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1434248)
Am Schluss läuft es auf die Frage hinaus, ob Jesus für einen Gott oder einen Menschen gehalten wird. Oder mit anderen Worten: Ist er von den Toten auferstanden, ja oder nein? An dieser Frage kommt man nicht vorbei. Das sagte bereits Paulus: "Ist aber Christus nicht auferweckt worden, so ist unsre Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich."
:Blumen:

Sorry Paulus, das sehe ich ein bisschen anders.
Nur weil der Glaube an etwas möglicherweise keinen Einfluss auf die Zeit nach dem Ableben hat, ist er noch lange nicht vergeblich. Der Glaube entfaltet ja bereits eine, für viele Gläubigen positiv wahrgenommene, Auswirkung im Diesseits.
Ich würde sogar soweit gehen und sagen, es ist fast egal, ob die Story stimmt. Wenn jemand etwas Positives für sich und seine seine Mitmenschen daraus mitnehmen kann, dann passt das doch.

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1434249)
Auch Moslems?

Die Frage mag klingen, als sei sie nicht ernst gemeint. Aber wenn eine Glaubensgemeinschaft sagt, es gäbe keine Vorbehalte, dann würde man doch vermuten, dass hier nicht die Haarfarbe gemeint ist, sondern der Glaube; dass also jeder ungeachtet seines Glaubens teilnehmen darf und nicht ungeachtet seiner Haarfarbe.

Oder ist es genau umgekehrt? Dass also jeder teilnehmen darf, egal welche Haarfarbe er hat, solange er nur dem vorgeschriebenen Glauben folgt?

Auf den Punkt gefragt: Welche Kriterien sind fest vorgeschrieben und wo nimmt man es nicht so genau? Wenn der Glaube frei ist: Ist es dann überhaupt eine Glaubensgemeinschaft? Und wenn lediglich die Haarfarbe variabel ist: Wäre das nicht etwas läppisch?

Zum Vergleich: Humanistische Vereine, politische Parteien, Sportvereine oder Freizeitgruppen nehmen ganz selbstverständlich alle Menschen auf (eventuell unter Beachtung einer gesetzlichen Altersgrenze). Das gilt auch für Fanclubs, Lesezirkel, Wandergruppen oder Schulen: Sie stehen jedem offen. Deswegen kann man mit Fug und Recht behaupten, dass in diesen Gruppen "jeder ohne irgendwelche Vorbehalte teilhaben darf".

Deine christliche Gemeinde scheint sich aber doch gerade darin von den oben genannten Gruppen zu unterscheiden, dass nicht jeder teilhaben darf, und dass es Vorbehalte (Bedingungen) gibt -- und es würde mich doch sehr wundern, wenn's die Haarfarbe wäre.

Ich würde vermuten, dass Deine christliche Gemeinde sich vielleicht sogar ausschließlich darüber definiert, wer teilhaben darf und welche Vorbehalte es gibt.

Was ist mit Menschen, die in dieser Gemeinde kirchlich heiraten, sich scheiden lassen und danach erneut heiraten? Sind diese Menschen zum Gottesdienst und speziell zur Eucharistie zugelassen? Gibt die Gemeinde ihren offiziellen Segen, in Form einer erneuten kirchlichen Heirat? Oder gibt es Vorbehalte?

Was ist mit Pfarrern dieser Gemeinde, die eine Frau heiraten? Kann der Pfarrer dann weiterhin ohne irgendwelche Vorbehalte teilhaben? Oder wird er rausgeschmissen? Falls er rausgeschmissen würde, scheint mir das ein eindeutiger Vorbehalt zu sein, oder ist das spitzfindig?

Nehmen wir an, der Pfarrer will keinen Ärger und verzichtet auf die Heirat. Aber er hat eine feste Freundin und steht dazu. Wird er rausgeschmissen?

Was ist mit Religionslehrern, die von dieser Kirchengemeine zum Unterricht bestimmt wurden, und die den Schülern mitteilen, dass sie die Geschichte von der jungfräulichen Maria für albern und erfunden halten? Behalten diese Lehrer ihre Anstellung? Oder gibt es Vorbehalte?

Ich habe bewusst das Wort Vorbehalte und nicht (Vor)Bedingung benutzt.
Das bedeutet, dass es zunächst einmal keiner besonderen Anforderungen oder Eigenschaften bedarf. Das ist in anderen Gruppen durchaus so.
- Nimmt man einen Querschnittsgelähmten in ein Fußballteam?
- Einen Linken in einer rechte Partei auf?
- Kann ein kognitiv schwach begabter Mensch wirklich jede Schule besuchen?
...Man könnte die Liste endlos fortsetzen.

Es gäbe dort zumindest einmal beträchtliche Vorbehalte unter den Mitgliedern.

Ich habe die Kirche so erlebt, dass es zunächst keine Vorbehalte gegen andere Menschen gab. Das liegt daran, dass es nur ein sehr diffuses Grundthema (Gott) gibt, mit dem eigentlich keiner so wirklich etwas anfangen kann.
Dass man schlussendlich getauft sein/werden muss, um offiziell dabei zu sein, versteht sich von selbst.


Eigentlich habe ich aber gar keine große Lust, die kath. Kirche zu verteidigen. Ich sehe lediglich auch die positiven Seiten, die es für mich zweifelsfrei gibt.

Schwarzfahrer 09.02.2019 08:37

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1434377)
Ich selber hätte gerne auf meine Taufe und die Kirchenmitgliedschaft verzichtet!

Ersteres ist schließlich nur etwas Wasser auf dem Kopf, hat man bei jedem Duschen. Und auf die Mitgliedschaft kannst Du doch jederzeit verzichten, ohne die geringsten Konsequenzen fürchten zu müssen (habe ich längst getan) - wo ist das Problem? Ich wäre auch gerne kein Pionier gewesen in Rumänien, und habe mich auch als Pionier nicht mit dem Kommunismus identifiziert, trotz der Teilnahme an all dem formalen Unsinn, was dazugehört hat. Austreten hätte dort z.B. den Verzicht auf eine Berufsbildung bedeutet (also keine Lehre oder Studium). Und ich glaube, ein Schüler, der heute nicht mit Greta die Schule schwänzt bekommt mehr Druck vom Umfeld, als wenn er sich aus dem Religionsunterricht ausklinkt. M.M.n. überschätzt Du die Bedeutung der Kirche im Alltag für die Mehrheit der Menschen. Aber die subjektive Wahrnehmung mag bei jedem unterschiedlich sein.

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1434378)
Es handelt sich um eine über die Jahrhunderte betrachtet vom Wesen her sehr blutige, furchtbare Geschichte und Kultur des praktizierten Christentums, nach innen Repression, Raub, Unterdrückung, geistig, kulturell, militärisch, nach aussen Eroberung, Missionierung, Raub und Mord. Es wurde in diesem Thread darüber in vielen Facetten geschrieben.

Stimmt alles, aber es ist eben nicht nur das; Arne hat schon erkannt, daß es mir darum geht, im heute praktizierten Christentum auch das positive für die Menschen zu sehen, nicht nur das Furchtbare, was in Bibel und Geschichtsbüchern steht. Was heute ist, ist nun mal relevanter für uns, als was irgendwann mal war. Übrigens wurde und wird im Namen des Christentums nicht mehr gegen die Menschlichkeit verbrochen, als im Namen vieler anderen Religionen und Ideologien - das sind alles nur Rechtfertigungsversuche für die schlimmsten Taten von Menschen, getrieben von Gier, Haß, Verblendung, Rechthaberei, Macht.

Schwarzfahrer 09.02.2019 08:47

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1434379)
Die Zurückdrängung des Christentums ist Grundlage unserer aktuellen Kultur.

Warum so einseitig? Es ist eben beides Teil unserer Kultur, nicht voneinander zu trennen. Oder sind all die Werke der Europäischen Kunst und Architektur, die allein durch religiöse Inspiration und kirchliche Auftraggeber (sei es Kathedralen, Malerei, Musik) entstanden sind, nicht teil unser Kultur? Prägen biblische Geschichten und Bilder nicht immer wieder Literatur und Alltagsprache? Kultur ist mehr als nur die aktuell gültige moralische Norm, Kultur umfasst viel mehr, und das alles ist engstens mit über 1000 Jahren Christentum engstens verwoben, im Guten wie im Schlechten. Die Aufklärung hat diese Kultur natürlich in der letzten, vergleichsweise kurzen Zeit wesentlich umgestaltet - trotzdem sahen sich wohl die meisten Aufklärer ohne Frage als Christen. Und auch die vorchristliche germanische Kultur ist teil unserer Kultur, auch wenn heute keiner mehr Odin oder Thor anbetet. Ich halte es für sinnlos, Wurzeln der eigenen Kultur zu verleugnen, bloß weil Teile davon nicht mit der heutigen Moralvorstellung konform gehen. Akzeptieren wir eben, daß all das geformt hat, was es heute gibt - das heißt ja nicht, daß man alles auch gut finden muß.

Ansonsten schließe ich mich Rälph an:
Zitat:

Zitat von Rälph (Beitrag 1434410)
Eigentlich habe ich aber gar keine große Lust, die kath. Kirche zu verteidigen. Ich sehe lediglich auch die positiven Seiten, die es für mich zweifelsfrei gibt.


Jörn 09.02.2019 08:53

Zitat:

Zitat von Rälph (Beitrag 1434410)
Ich habe die Kirche so erlebt, dass es zunächst keine Vorbehalte gegen andere Menschen gab.

Es ist durchaus möglich, dass Du es so erlebt hast. Aber Dein eigenes Erleben muss nicht objektiv die Realität widerspiegeln.

Du erzählst von Pfadfinderlagern und Wandertouren, und das beschreibt eine besondere Situation. Erstens scheint es sich um eine Gruppe besonders junger Menschen zu handeln (Teenager?), und in diesem Alter stellt sich leicht eine Gemeinschaft ein. Viele Konflikte des Alltags und des Erwachsenenlebens stellen sich noch nicht.

Ich habe Dir solche Konflikte genannt: Ein Pfarrer hat eine Freundin, ein Ehepaar lässt sich scheiden und heiratet erneut. Du bist auf diese Konflikte nicht eingegangen. Den netten Pfarrer aus Deinem Pfadfinderlager hätte die Kirche rausgeschmissen, wenn er eine Freundin gehabt und dies zugegeben hätte. Die Eltern Deines besten Freundes hätten sie rausgeschmissen, wenn diese sich hätten scheiden lassen.

Nun kannst Du vermuten, dass der nette Pfarrer keine Freundin wollte, und dass auch bei den Eltern Deiner Freunde alles in Ordnung war. Aber wie realistisch ist das? Vielleicht haben sich alle etwas vorgespielt.

Ich mache Dir daraus keinen Vorwurf, da Du offenbar aus Deiner Teenager-Zeit erzählst. Aber jetzt, als Erwachsener, könntest Du durchaus etwas hinter die Fassade blicken und Dir überlegen, ob der heilige Schein wirklich so heilig war. Vielleicht hätte Dein netter Herr Pfarrer auch gerne eine Familie oder einen Sohn wie Dich gehabt, wer weiß? Aber die schiere Bösartigkeit einiger Leute hat das verhindert.


Zitat:

Zitat von Rälph (Beitrag 1434410)
Ich sehe lediglich auch die positiven Seiten, die es für mich zweifelsfrei gibt.

Ja, es gibt sicherlich positive Seiten, und diese sollte man auch nennen. Deswegen ist es gut, wenn Du dies meiner starken Kritik gegenüber stellst, damit sich ein komplettes Bild ergibt.

Ich habe zwei Einwände gegen diese "positiven Seiten". Erstens scheint es sich dabei um Dinge zu handeln, die mit der kirchlichen Lehre entweder nichts zu tun haben, oder es sind Allgemeinplätze. Beispiel: Ein Ferienlager mit Kindern (hat mit dem Christentum nichts zu tun) oder das Sammeln für Bedürftige (ist ein gesellschaftlicher Allgemeinplatz).

Zweitens wird den ahnungslosen Kindern mit dem Lockmittel des Ferienlagers eine Weltsicht beigebracht, die objektiv und beweisbar falsch ist, und von der sie sich später als Erwachsene nur sehr schwer wieder lösen können.

Die Kirchen haben nach meiner Ansicht ein großes Talent, schöne Dinge (Ferienlager, Singen im Chor) zu missbrauchen für Zwecke, die höchst zweifelhaft sind.

Ich war selbst zweimal als Kind in einem Ferienlager und beide Male war es toll. Es waren keine kirchlichen Veranstaltungen.


Zitat:

Zitat von Rälph (Beitrag 1434410)
Ich würde sogar soweit gehen und sagen, es ist fast egal, ob die Story stimmt. Wenn jemand etwas Positives für sich und seine seine Mitmenschen daraus mitnehmen kann, dann passt das doch.

Ja, wenn jemand etwas Positives daraus gewinnen kann: Was soll daran schlecht sein?

Aber dieses Argument unterschlägt die negativen Seiten. Man muss beide Seiten betrachten und gegeneinander aufwiegen. Auch die Nazis veranstalteten schöne Ferienlager für Kinder und schufen für die Erwachsenen ein großes Gemeinschaftsgefühl -- so sehr, dass man sich heute noch daran erinnert. Es gab Urlaubsreisen für alle ("Kraft durch Freude"), sicherlich ein positiver Aspekt. Aber wir würden es heute nicht tolerieren, wenn jemand sagen würde: "Wenn jemand etwas Positives für sich und seine seine Mitmenschen daraus mitnehmen kann, dann passt das doch".

Ich sage nicht, dass irgendwer ein Nazi sei. Sondern ich sage, dass die Betrachtung nur der positiven Aspekte, und nur betreffend des eigenen Vorteils, nicht zu einer wahrhaftigen Beurteilung einer Sache führt.

Übrigens hat auch der Glaube an den Nikolaus positive Aspekte (Kinder räumen einmal im Jahr ihr Kinderzimmer selbst auf), aber niemand würde vorschlagen, dass es daher klug wäre, an den Nikolaus zu glauben.

qbz 09.02.2019 09:11

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1434416)
Ersteres ist schließlich nur etwas Wasser auf dem Kopf, hat man bei jedem Duschen. Und auf die Mitgliedschaft kannst Du doch jederzeit verzichten, ohne die geringsten Konsequenzen fürchten zu müssen (habe ich längst getan) - wo ist das Problem?
............

Ich trat nach Volljährigkeit mit 18 aus dem Verein aus, noch in der Pfarrei, wo man mich taufte. Heute ginge das ab 14 Jahren.

Kinder, Grundrechte, Religionsfreiheit

Jörn 09.02.2019 09:11

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1434419)
Warum so einseitig? Es ist eben beides Teil unserer Kultur, nicht voneinander zu trennen.

Du verwechselst vielleicht Kultur und Kulturgeschichte?

Natürlich ist die christliche Kultur ein Teil unserer kulturellen Geschichte; wer würde das bestreiten?

Aber die christlichen Werte (nachzulesen in der Bibel und im heute aktuellen Katechismus, verfasst im Jahr 2005) sind keinesfalls ein Teil unserer aktuellen Kultur. Das Anhören eines Bach-Konzerts mit christlichen Texten bedeutet nicht, dass wir heute diese Werte teilen würden. Sondern wir erfreuen uns an der Musik.

Interessant ist dabei gerade auch der geschichtliche Werdegang. Denn wie sind unsere aktuellen zivilisatorischen Werte entstanden? Sie entstanden mühsam durch das Zurückdrängen der christlichen Werte. Jeder Erfolg auf diesem Weg war eine Niederlage für die Kirchen. Mir ist keine Ausnahme bekannt.

Du kannst Bibel und Katechismus auf die eine Seite legen, und unser Grundgesetz oder die Menschrechte auf die andere Seite. Du wirst mühelos erkennen, dass die eine Seite ziemlich exakt das Gegenteil der anderen Seite verkündet.

Aber der Unterschied besteht nicht nur "juristisch", in Form von Rechten oder Pflichten. Sondern Bibel und Katechismus stehen für Auffassungen, die man heute als "barbarisch" einstufen würde. Sie sind nicht nur "alt" oder "unmodern", sondern barbarisch. Das unterscheidet sie z.B. von alten griechischen Texten.

Ich weiß, dass dies für gläubige Christen schwer zu schlucken ist, und das tut mir auch leid. Aber wer die Bibel wirklich mit eigenen Augen und von vorne liest, wird die Argumentation vermutlich nachvollziehen können.

Es ist nicht zutreffend, dass Kirchen und Gesellschaft gemeinsam in die Zukunft schritten. Sondern die Kirchen sind stehengeblieben. Angepasst haben sie sich dort, wo das Gesetz es erzwingt (etwa durch das Gewaltmonopol des Staates). In allen anderen Fragen besteht kein Unterschied zur Zeit vor der Aufklärung. Der Katechismus von 2005 ist quasi identisch mit dem Katechismus von vor ein paar hundert Jahren. Die Texte von Papst Benedikt unterscheiden sich nicht von den Texten seiner Vorgänger.

Um ein Beispiel zu nennen: Nirgendwo existiert ein kirchliches Dokument, welches sich von Hexen distanziert. Man ist lediglich untröstlich über deren Verfolgung. Dass es gar keine Hexen gibt, wurde nie verkündet. Papst Franziskus spricht in seinen Vorträgen andauernd über Satan, Dämonen und Geister. Dies ist keine vergangene Geschichte, sondern das ist aktuell. Ich würde aber doch vermuten, dass Dämonen und Geister nicht zu unserer Kultur gehören.

Übrigens, Papst Benedikt hat im Jahr 2000 eine Rede gehalten, in der er die Hexenverfolgung als notwendig ansah, um die Wahrheit zu schützen; lediglich die angewandten Methoden sah er als übertrieben an:

Zitat:

"dass auch Menschen der Kirche im Namen des Glaubens und der Moral in ihrem notwendigen Einsatz zum Schutz der Wahrheit mitunter auf Methoden zurückgegriffen haben, die dem Evangelium nicht entsprechen" - Joseph Ratzinger, 2000

Klugschnacker 09.02.2019 10:24

Zitat:

Zitat von Rälph (Beitrag 1434410)
Sorry Paulus, das sehe ich ein bisschen anders.
Nur weil der Glaube an etwas möglicherweise keinen Einfluss auf die Zeit nach dem Ableben hat, ist er noch lange nicht vergeblich. Der Glaube entfaltet ja bereits eine, für viele Gläubigen positiv wahrgenommene, Auswirkung im Diesseits.
Ich würde sogar soweit gehen und sagen, es ist fast egal, ob die Story stimmt. Wenn jemand etwas Positives für sich und seine seine Mitmenschen daraus mitnehmen kann, dann passt das doch.

Falls Jesus nicht auferstanden ist, wäre die Bibel nicht wahr. An Jesu Auferstehung hängen ja viele weitere Begebenheiten, von denen die Bibel detailliert berichtet. Sie alle wären gelogen, und mit ihnen wären die theologischen Ableitungen, die in den folgenden Jahrhunderten in den Klöstern und Universitäten erdacht wurden, unsinnig. Falls Jesus kein Gott war, sondern ein sterblicher Mensch, sind auch all seine Auskünfte über Gott, die er angeblich mitteilte, fraglich. Wenn er ein Mensch war, wusste er so viel über die Götter wie wir alle, nämlich gar nichts.

Die Frage, die Paulus andeutet, und die für uns Menschen des aufgeklärten Zeitalters im Raum steht, ist doch: Warum sollte man etwas glauben, das sich als unwahr erwiesen hat?

Du beantwortest diese Frage mit der Nützlichkeit des Glaubens, mit seinen positiven Auswirkungen auf die Glaubenden. Ich akzeptiere dieses Argument, jedoch muss man ihm die möglichen negativen Auswirkungen auf die Glaubenden gegenüber stellen. Denn Glaube hat ja nicht nur positive Auswirkungen, sondern auch ausgesprochen schlechte.
:Blumen:

qbz 09.02.2019 11:36

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1434419)
Warum so einseitig? Es ist eben beides Teil unserer Kultur, nicht voneinander zu trennen. Oder sind all die Werke der Europäischen Kunst und Architektur, die allein durch religiöse Inspiration und kirchliche Auftraggeber (sei es Kathedralen, Malerei, Musik) entstanden sind, nicht teil unser Kultur?
.......

Gerade zur Malerei und zu Malern hatten die monotheistischen Religionen traditionell ein sehr gespaltenes Verhältnis. Es wechselten sich im Christentum Bilderverbot bis Bildersturm mit anderen Phasen ab. Nur weil die Kirchen religiöse Geschichten wie das jüngste Gericht, die Kreuzigung, die Geburt Jesu etc. dem des Lesens unkundigen Volk nahebringen wollten (als Herrschaftsideologie), beauftragte man Maler und Bildhauer mit bildlichen Darstellungen in mehr oder weniger engen künstlerischen Freiheitsgraden.


Das jüngste Gericht über dem Eingang des Münsters in Bern.

Freud deutete das Bildverbot Moses einerseits als Schutz vor magischem Missbrauch, andererseit als Fortschritt in der Religionsentwicklung der Menschheit: "Aber wenn man dieses Verbot annahm, mußte es eine tiefgreifende Wirkung ausüben. Denn es bedeutete eine Zurücksetzung der sinnlichen Wahrnehmung gegen eine abstrakt zu nennende Vorstellung, einen Triumph der Geistigkeit über die Sinnlichkeit, strenggenommen einen Triebverzicht mit seinen psychologisch notwendigen Folgen. […] Es war gewiß eine der wichtigsten Etappen auf dem Wege der Menschwerdung.“
der-mann-moses-und-die-monotheistische-religion-914/3

Solche Widersprüche zwischen Volksglaube, der Abbildungen von Gott, Engeln und Heiligen braucht, und strenger Lehre begleiteten IMHO das Christentum bis in die Neuzeit.

spanky2.0 09.02.2019 11:52

Zitat:

Zitat von Rälph (Beitrag 1434410)
Eigentlich habe ich aber gar keine große Lust, die kath. Kirche zu verteidigen. Ich sehe lediglich auch die positiven Seiten, die es für mich zweifelsfrei gibt.

Hi Rälph,
lass es lieber. Es wird nur zu einem weiteren 'gefundenen Fressen' für die beiden Herren, sich seitenweise darüber auszulassen. Nichts Neues, was man auf den vorherigen 1000 Seiten nicht schon hundertfach lesen konnte. Immer dieselbe Predigt, ähhm Leier. :Cheese:

Rälph 09.02.2019 14:48

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1434420)
Ich habe Dir solche Konflikte genannt: Ein Pfarrer hat eine Freundin, ein Ehepaar lässt sich scheiden und heiratet erneut. Du bist auf diese Konflikte nicht eingegangen. Den netten Pfarrer aus Deinem Pfadfinderlager hätte die Kirche rausgeschmissen, wenn er eine Freundin gehabt und dies zugegeben hätte. Die Eltern Deines besten Freundes hätten sie rausgeschmissen, wenn diese sich hätten scheiden lassen.

Nun kannst Du vermuten, dass der nette Pfarrer keine Freundin wollte, und dass auch bei den Eltern Deiner Freunde alles in Ordnung war. Aber wie realistisch ist das? Vielleicht haben sich alle etwas vorgespielt.

Ich mache Dir daraus keinen Vorwurf, da Du offenbar aus Deiner Teenager-Zeit erzählst. Aber jetzt, als Erwachsener, könntest Du durchaus etwas hinter die Fassade blicken und Dir überlegen, ob der heilige Schein wirklich so heilig war. Vielleicht hätte Dein netter Herr Pfarrer auch gerne eine Familie oder einen Sohn wie Dich gehabt, wer weiß? Aber die schiere Bösartigkeit einiger Leute hat das verhindert.

Tatsächlich haben sich meine Eltern genau zu dieser Zeit scheiden lassen und meine Mutter, nun alleinerziehend mit immerhin fünf Kindern, wurde nicht rausgeworfen und auch von der Gemeinde nicht im Stich gelassen. Ganz im Gegenteil sogar! Und das war vor 30 Jahren...

Der damalige Schein war nicht heilig, er war zum überwiegenden Teil ganz einfach menschlich. Klar, sehe ich Dinge heute mit anderen Augen. Wenn ich z.B. höre, dass unser damaliger Pfarrer selbst heute als alter Mann noch in einem kleinen Häuschen auf dem Land mit seiner "Haushälterin" zusammen lebt, dann tut mir das schon Leid für ihn, dass er (Mutmaßung) so ein Versteckspiel treiben musste und muss. Auf der anderen Seite hat er sich diesem Beruf ausgesucht und sicherlich auch nicht schlecht damit gelebt insgesamt.
Sicherlich wäre ihm aber beides gegönnt gewesen.

Schwarzfahrer 09.02.2019 15:21

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1434425)
Du verwechselst vielleicht Kultur und Kulturgeschichte?

Keineswegs. Kultur beinhaltet alles was tradiert aus der Geschichte übertragen wurde. Wer das leugnet, dem fehlt m.M.n. ein wesentlicher Aspekt der Kultur: das Wissen um die Herkunft, um die Wurzeln, die die Identität und auch den Umgang mit der Gegenwart wesentlich mitbestimmen.
Es gibt aber auch Menschen, die hiervon offenbar keinerlei Vorstellung haben und denen auch das Bedürfnis danach abgeht, wie unsere vormalige Integrationsbeauftragte, die sowas wie deutsche Kultur gar nicht erkennen oder sich vorstellen konnte...:(

Zitat:

Aber die christlichen Werte (nachzulesen in der Bibel und im heute aktuellen Katechismus, verfasst im Jahr 2005) sind keinesfalls ein Teil unserer aktuellen Kultur.
Gut, hier kommt wieder der Unterschied zwischen unserer Sichtweise raus: für Dich sind christliche Werte allein im Katechismus "richtig" definiert und nur so Teil unserer Kultur (oder nicht) Für mich sind aktuell relevante christliche Werte primär durch das Agieren der Gläubigen in den Gemeinden definiert und gestalten unsere Kultur stetig mit; die Meinung und Dogmen der Amtskirche haben für mich (wie oben schon erwähnt) nur marginale gesellschaftliche Relevanz, weniger sogar als Parteiprograme.
Damit prügelst Du auf etwas ein, was ich nicht verteidige, weil ich es für irrelevant halte, und Du hältst das, was ich für wesentlich halte, für unwichtig. Beide haben wir unseren Punkt gemacht, näher kommen wir vermutlich nicht zueinander. :Blumen:

Jörn 09.02.2019 15:52

Zitat:

Zitat von Rälph (Beitrag 1434445)
Tatsächlich haben sich meine Eltern genau zu dieser Zeit scheiden lassen und meine Mutter, nun alleinerziehend mit immerhin fünf Kindern, wurde nicht rausgeworfen und auch von der Gemeinde nicht im Stich gelassen.

Hallo Rälph, warum kann die Kirche nur "inoffiziell" gut sein, nicht jedoch offiziell?

Du schreibst, dass die Leute einfach menschlich waren und sich deswegen nicht mit offiziellen Vorschriften aufhielten. Hier bin ich völlig einverstanden. Aber warum können die Vorschriften nicht ebenso gut sein? Was hält die Kirche davon ab? Man hat fast den Eindruck, dass man die Vorschriften der Kirche ignorieren muss, um gut zu sein.

Ich sehe einen großen Unterschied zwischen dem guten Verhalten der Leute in Deiner Erzählung und den bösartigen Vorschriften der Kirchen. Um das zu verdeutlichen, skizziere ich hier mal die offiziellen Vorschriften, die im Falle einer Ehescheidung gelten (also auch für Deine Mutter):
Erneut zu heiraten (oder mit einem neuen Partner zusammenzuleben) ist eine Todsünde. Es ist dem Pfarrer untersagt, solche Leute zur Andacht/Eucharistie zuzulassen. Für aktive Kirchenmitglieder kommt es einer öffentlichen Ächtung gleich. Sie sind vom Sonntags-Gottesdienst ausgeschossen und bekommen auch beim nahenden Tod keine Sakramente gespendet. Sie sterben in Sünde.
Du schreibst, Deine Mutter hätte man nicht im Stich gelassen. Das ist gut. Aber ließ man sie auch erneut heiraten oder eine Partnerschaft eingehen? Das ist nämlich der springende Punkt.

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Findest Du nicht, dass man möglichst unterscheiden sollte zwischen "den Leuten" und den Funktionären mit ihren oft zweifelhaften Vorschriften? Mir scheint, dass Du diesen Unterschied einforderst, aber genau das ist auch mein Punkt. Ich kritisiere nicht die privaten Gläubigen, sondern die Vorschriften und die Funktionäre.

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Noch ein Wort zu Deinem Herrn Pfarrer. Dass er ein Versteckspiel mit seiner "Haushälterin" spielen muss, tut mir ehrlich leid. Andererseits hat er vermutlich Geschiedenen, Homosexuellen und einem Haufen anderer Leute mit seinen Lügengeschichten das Leben schwer gemacht. Aber nun gönnt er sich selbst ein feines Leben im Ruhezustand mit seiner Frau. Ist das nicht verlogen? Wenn er sich selbst nicht an seine Regeln halten will, dann sollte er es auch nicht von anderen verlangen.

Es gibt andere Priester, die ihre Berufung zugunsten ihrer Liebe aufgegeben haben. Hier sehe ich wenigstens eine gewisse Ehrlichkeit, vor der ich Achtung empfinde.

Jörn 09.02.2019 16:15

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1434449)
für Dich sind christliche Werte allein im Katechismus "richtig" definiert und nur so Teil unserer Kultur (oder nicht) Für mich sind aktuell relevante christliche Werte primär durch das Agieren der Gläubigen in den Gemeinden definiert

Deine Argumentation basiert darauf, dass es keine klare Definition des Christentums gibt. Zwar schreibst Du, die Definition ergäbe sich aus dem Handeln der Gläubigen. Aber aus diesem Handeln lässt sich alles mögliche ableiten (und dessen Gegenteil), sodass sich keinerlei Aussage oder Kritik formulieren lässt.

Das ist natürlich eine sehr einfache Methode, der Kritik aus dem Weg zu gehen.

Das Christentum hatte 2.000 Jahre lang Zeit, bis ins kleinste Detail zu definieren, was das Christentum ist. Das Ergebnis steht in den offiziellen kirchlichen Texten und Lexika. Du sagst nun, das würde alles nicht gelten.

Zwei Fragen an Dich:

- Warum soll ausgerechnet Deine Definition gelten?

- Wie bewertest Du jene Handlungen der Gläubigen, die ja angeblich das wahre Christentum definieren, wenn diese Handlungen den Worten von Jesus Christus widersprechen? Etwa das Armutsgebot von Jesus: "Eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr, als dass ein Reicher das Himmelreich erlangt" - aus dem Gedächtnis zitiert. Oder das Keuschheitsgebot von Jesus aus der Bergpredigt, an das sich offensichtlich niemand hält? Würde das nicht bedeuten, dass "die Leute" besser wissen als Jesus Christus, was das Christentum ist? Man würde ja eigentlich vermuten, dass das Christentum etwas mit Christus zu tun hätte?

Schwarzfahrer 09.02.2019 16:30

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1434452)
Deine Argumentation basiert darauf, dass es keine klare Definition des Christentums gibt.

ich meine nur, daß es keine für immer und über Jahrhunderte gültige Definition des Christentums geben kann, sondern sich diese aus der Art, wie es die Mehrheit der Gläubigen lebt, ergibt. Starre, unwandelbare Definitionen führen zu Dogmatismus, Fanatismus und Menschenfeindlichkeit; Amtskirchen mögen es versuchen, aber Gott sei dank haben sie in unserer Welt keinen wesentlichen Einfluß mehr - im Gegensatz zu z.B. islamistischen Predigern.
Zitat:

Zwar schreibst Du, die Definition ergäbe sich aus dem Handeln der Gläubigen. Aber aus diesem Handeln lässt sich alles mögliche ableiten (und dessen Gegenteil), sodass sich keinerlei Aussage oder Kritik formulieren lässt.
natürlich kann man Kritik formulieren - man muß nur die Zielgruppe unterscheiden, Gläubige sind nicht die Amtskirche, und Gläubige in Deutschland sind sicher anders als Gläubige in Zentralafrika oder Irland.
Zitat:

Das Christentum hatte 2.000 Jahre lang Zeit, bis ins kleinste Detail zu definieren, was das Christentum ist. Das Ergebnis steht in den offiziellen kirchlichen Texten und Lexika. Du sagst nun, das würde alles nicht gelten.
s. oben. Ich halte nur nichts von ewig gültigen Definitionen.
Zitat:

- Warum soll ausgerechnet Deine Definition gelten?
Meine Definition ist mein Verständnis. Ich erhebe keinen Anspruch auf universelle Gültigkeit, und andere mögen es anders sehen, aber es ist das, wie ich Religion, Kirche und Gläubige wahrnehme und erlebe.
Zitat:

- Wie bewertest Du jene Handlungen der Gläubigen, die ja angeblich das wahre Christentum definieren, wenn diese Handlungen den Worten von Jesus Christus widersprechen? ...Würde das nicht bedeuten, dass "die Leute" besser wissen als Jesus Christus, was das Christentum ist? Man würde ja eigentlich vermuten, dass das Christentum etwas mit Christus zu tun hätte?
Das bedeutet, daß das Christentum dieser Menschen das ist, wozu es sich in 2000 Jahren in diesem Land entwickelt hat, das ist, wie sie heute die Texte Christi (mag sein selektiv und gegenüber dem Original abgewandelt) interpretieren. Mir fehlt jegliches Verständnis für alle, die an Jahrhundertealten Dogmen egal welcher Kirche oder Religion festhalten, ohne eine der jeweiligen Zeit angemessene Entwicklung und Wandlung zuzulassen. Und meiner Meinung nach haben es Europas Christen weitgehend geschafft, sich von der Bevormundung einer dogmatischen Amtskirche zu emanzipieren, und deren Macht aus dem öffentlichen Raum weitgehend zu verdrängen - und das ist gut so.

Jörn 09.02.2019 16:55

Gut, dann sind wir uns ja eigentlich in vielen Punkten einig.

Du mahnst an, man solle die Zielgruppe der Kritik unterscheiden. Genau das tue ich. Ich beziehe mich nicht auf die einzelnen Gläubigen. Es ist mir einerlei, woran Oma Schmidt glaubt und wie sie das in ihrem Alltag umsetzt. Ich bin mir beinahe sicher, dass ich das schon mal angedeutet hätte.

Wir sind unterschiedlicher Auffassung darüber, welchen Einfluss die Amtskirchen in der Gesellschaft haben. Ich finde, man kann das an Zahlen ungefähr ablesen, um einen Anhaltspunkt zu haben. Dabei stelle ich fest, dass keine andere Gruppe derartige Privilegien, Verkündigungsmöglichkeiten, Zuschüsse oder Mitarbeiterzahlen hat -- außer der Staat selbst.

Beispielsweise würde man sich empören, wenn die CDU sich mehrere regelmäßige TV-Sendungen genehmigen würde. Dies nur als Beispiel dafür, wie ungewöhnlich privilegiert die Amtskirchen sind, und wie weit es über das hinaus geht, was man für "normal" hält. Egal welchen Maßstab Du anlegen möchtest: Anzahl der Mitarbeiter, Einnahmen, Vermögen, Grundbesitz -- egal was: Die Kirchen sind immer einsame Spitze.

Daraus zu schlussfolgern, dies wäre alles bedeutungslos, finde ich nicht plausibel.

In einem weiteren Punkt stimmen wir nicht überein. Zwar teile ich Deine Abneigung gegen alte Dogmen. Aber der Katechismus ist kein altes Dogma. Er stammt aus den 1990ern und aus dem Jahr 2005 (das sog. Kompendium). Die Autoren leben noch. Es ist nicht so, dass es Schriften aus dem Mittelalter wären.

Tatsächlich ist es die aktuellste Fassung des Christentums, die uns überhaupt vorliegt. Wenn ich nicht einmal die aktuellste Fassung in meiner Argumentation verwenden darf, dann stimmt da was nicht. Ich finde, Du müsstest mir schon zugestehen, mich auf irgendwelche schriftlichen Dokumente beziehen zu können.

Ein letzter Punkt: Deine Idee, man dürfe die alten Texte ruhig neu interpretieren und daraus ein jeweils aktuelles Christentum schaffen, finde ich interessant. Ich stimme zu, dass auf diese Weise ein Fortschritt möglich ist.

Aber das Christentum hat einen Wahrheitsanspruch. Es erhält seine Autorität dadurch, dass der Schöpfer der Welt ganz bestimmte Gebote persönlich erlassen hat. Man kann diesem Schöpfer der Welt nicht plötzlich andere Worte oder andere Bedeutungen in den Mund legen und weiterhin die gleiche Autorität beanspruchen. Die Motivation dafür mag nobel sein, aber dennoch wäre es blanke Scharlatanerie. Es gaukelt eine Autorität vor, die nicht (mehr) existiert.

Wenn sich die Worte der Bibel oder der Kirchen als antiquiert erweisen, sodass es notwendig wird, davon abzuweichen, dann sollte man das zugeben. Dann hören wir eben nicht mehr dem Papst zu, sondern jemand anderes, der bessere und modernere Ideen hat. Aber der Papst kann nicht einfach seine eigenen Worte als göttlich ausloben. Ebensowenig kann es "die Gesellschaft". Die Gesellschaft weiß nicht, "was Jesus wollte", und sie kann seine angeblichen Anordnungen nicht modernisieren. Wenn Jesus seine Worte modernisieren möchte, dann soll er erscheinen und es selbst erledigen.

qbz 09.02.2019 17:17

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1434454)
.......
Und meiner Meinung nach haben es Europas Christen weitgehend geschafft, sich von der Bevormundung einer dogmatischen Amtskirche zu emanzipieren, und deren Macht aus dem öffentlichen Raum weitgehend zu verdrängen - und das ist gut so.

Diese Auffassung lässt sich nun wirklich bei ernsthafter Betrachtung der rechtlichen Stellung der Kirchen und ihrer Grösse in unserer Gesellschaft überhaupt nicht aufrechterhalten.

1.
Es handelt sich bei den Kirchen um den zweitgrössten Arbeitgeber neben dem öffentlichen Dienst, mit ca. 1,3 Millionen Beschäftigten, für die ein Sonderarbeitsrecht gilt (kein Streikrecht z.B., spezielle Loyalitätspflicht). Noch 2018 wurden Klagen wegen Diskriminierung von Beschäftigten vor dem EUGH entschieden.
https://www.arbeitsrechte.de/kirchliches-arbeitsrecht/

2.
Die beiden grossen Kirchen erhalten pro Jahr ca. 1/2 Milliarde vom Staat zur freien Verfügung per Gesetz. Als Begründung dient: Im 18./19. Jahrhundert enteignete der Staat Teile der Kirchenländereien. Die geforderte Einsetzung einer Expertenkommission Der Linke zu dieser Frage und zur Erarbeitung alternativen Lösungen wurden von der SPD / CDU abgelehnt.

3.
Die katholische Kirche ist in DE heute noch der grösste, private Grundstücksbesitzer.

Alles irrelevant Deiner Meinung nach. Ich halte es kurz, weil wir gerade das Thema des Sonderarbeitsrechtes hier schon ausführlichst diskutierten, die mich als Gewerkschafter von VERDI natürlich besonders interessiert angesichts der vielen Beschäftigten und Geringverdiener in diesen Bereichen.

Klugschnacker 09.02.2019 17:40

Zitat:

Zitat von spanky2.0 (Beitrag 1434437)
Hi Rälph,
lass es lieber. Es wird nur zu einem weiteren 'gefundenen Fressen' für die beiden Herren, sich seitenweise darüber auszulassen. Nichts Neues, was man auf den vorherigen 1000 Seiten nicht schon hundertfach lesen konnte. Immer dieselbe Predigt, ähhm Leier. :Cheese:

Ich finde es schwierig, auf Dein Posting einzugehen. Ich habe Verständnis dafür, wenn es Dir, wie mir scheint, lieber wäre, religionskritische Debatten würden nicht geführt. Mir ist es auch nicht immer angenehm, auf andere Meinungen und Weltanschauungen zu treffen, zum Beispiel in aktuellen politischen Diskussionen.

Andere werden unsere Religions-Debatte vielleicht hilfreich finden, um eigene Überzeugungen zu prüfen und mit anderen auszutauschen.

Hatten aus Deiner Sicht die Befürworter des Katholizismus oder des Protestantismus zu wenig Raum, ihre Sicht darzustellen? Ich hatte bisher den Eindruck, dass niemandem hier eine Grenze gesetzt wurde, nehme aber in diesem Punkt gerne Deine Sichtweise entgegen. Auch wenn ich von Dir als einer der Herren mit der immer gleichen Leier bezeichnet werde, möchte ich trotzdem gerne dazu beitragen, dass Du Deine Sichtweise einbringen kannst.

Schreibe doch mal, was Du denkst, und ich verspreche Dir, dass ich dem nichts entgegnen werde. Vielleicht schließt sich Jörn diesem Angebot an, sodass Du vor beiden Herren und ihrer immer gleichen Leier sicher wärest.

Falls ich einen Wunsch äußern darf: Mich interessiert vor allem der Wahrheitsaspekt. Warum denkst Du, dass das Christentum wahr ist? Was überzeugt Dich davon, dass es einen Schöpfer des Weltalls gibt, der vor zweitausend Jahren uns Menschen unsere Sünden vergeben wollte, und zu diesem Zweck seinen Sohn, der gleichzeitig er selbst ist, ans Kreuz nageln und später wieder auferstehen ließ? Mir scheint, diese Geschichte betrifft einen wesentlichen Kern des christlichen Glaubens, deshalb frage ich danach. Weshalb hältst Du sie für glaub-würdig?

Falls Deine Gedanken eher in eine andere Richtung gehen, oder der Wahrheitsaspekt für Dich insgesamt nebensächlich ist, ignoriere meine Frage aus dem letzten Absatz und schreibe, was Dir persönlich wichtiger ist. Wie gesagt, ich werde nichts dazu sagen.
:Blumen:

Rälph 09.02.2019 18:26

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1434450)
Ich sehe einen großen Unterschied zwischen dem guten Verhalten der Leute in Deiner Erzählung und den bösartigen Vorschriften der Kirchen. Um das zu verdeutlichen, skizziere ich hier mal die offiziellen Vorschriften, die im Falle einer Ehescheidung gelten (also auch für Deine Mutter):
Erneut zu heiraten (oder mit einem neuen Partner zusammenzuleben) ist eine Todsünde. Es ist dem Pfarrer untersagt, solche Leute zur Andacht/Eucharistie zuzulassen. Für aktive Kirchenmitglieder kommt es einer öffentlichen Ächtung gleich. Sie sind vom Sonntags-Gottesdienst ausgeschossen und bekommen auch beim nahenden Tod keine Sakramente gespendet. Sie sterben in Sünde.
Du schreibst, Deine Mutter hätte man nicht im Stich gelassen. Das ist gut. Aber ließ man sie auch erneut heiraten oder eine Partnerschaft eingehen? Das ist nämlich der springende Punkt.

...


Noch ein Wort zu Deinem Herrn Pfarrer. Dass er ein Versteckspiel mit seiner "Haushälterin" spielen muss, tut mir ehrlich leid. Andererseits hat er vermutlich Geschiedenen, Homosexuellen und einem Haufen anderer Leute mit seinen Lügengeschichten das Leben schwer gemacht. Aber nun gönnt er sich selbst ein feines Leben im Ruhezustand mit seiner Frau. Ist das nicht verlogen? Wenn er sich selbst nicht an seine Regeln halten will, dann sollte er es auch nicht von anderen verlangen.

Es gibt andere Priester, die ihre Berufung zugunsten ihrer Liebe aufgegeben haben. Hier sehe ich wenigstens eine gewisse Ehrlichkeit, vor der ich Achtung empfinde.

Meine Mutter war zur damaligen Zeit und auch in den folgenden Jahren nicht mehr gebunden. Was geschehen wäre, wenn sie erneut geheiratet hätte? Ich habe ehrlich keine Ahnung. Ich bin kein Experte für Bösartigkeiten der Kirche, denn ich habe immer nur das andere Ende des Spektrums erlebt.
Vielleicht hätte man sie von der Kommunion, aus dem Gottestdienst, aus der Kirche und der Gemeinde ausgeschlossen. Vielleicht hätte man sie auch als Hexe verbrannt; der Kirche ist so einiges zuzutrauen, oder?

Vielleicht hätte aber auch genau der oben beschriebene Pfarrer, der sich selbst nicht an die Regeln halten will (Mutmaßung), überhaupt kein Problem damit gehabt? Vielleicht hätte er, wie er es immer tat, alle Menschen, inklusive meiner Mutter, zum Gottesdienst eingeladen.

---

Ich war neulich, seit vielen Jahren, mal wieder in einem Gottesdienst. Es ist schon ulkig, was da vor sich geht.
Nämlich gar nichts.
Es ist, so lange ich denken kann, immer gleich und es passiert immer nichts. Die Predigt des Pfarrers war noch das Beste, aber selbst die war öde. Ich kann jeden gut verstehen, der der Kirche fern bleibt*, denn es ist wirklich furchtbar langweilig.


*ich mach mal den Jöarne. Der sonntägliche Besuch des Gottesdienstes ist für jeden kath. Christen eine Pflicht. Nachzulesen im Katechismus:


Das Sonntagsgebot

2180 „Am Sonntag und an den anderen gebotenen Feiertagen sind die Gläubigen zur Teilnahme an der Meßfeier verpflichtet" ( [link] CIC, can. 1247). „Dem Gebot zur Teilnahme an der Meßfeier genügt, wer an einer Messe teilnimmt, wo immer sie in katholischem Ritus am Feiertag selbst oder am Vorabend gefeiert wird" ( [link] CIC, can. 1248, § 1).

2181 Die sonntägliche Eucharistie legt den Grund zum ganzen christlichen Leben und bestätigt es. Deshalb sind die Gläubigen verpflichtet, an den gebotenen Feiertagen an der Eucharistiefeier teilzunehmen, sofern sie nicht durch einen gewichtigen Grund (z. B. wegen Krankheit, Betreuung von Säuglingen) entschuldigt oder durch ihren Pfarrer dispensiert sind [Vgl. [link] CIC, can. 1245]. Wer diese Pflicht absichtlich versäumt, begeht eine schwere Sünde.



Na toll, jetzt komm ich in die Hölle...:( :Peitsche:

Rälph 09.02.2019 18:31

Zitat:

Zitat von spanky2.0 (Beitrag 1434437)
Hi Rälph,
lass es lieber. Es wird nur zu einem weiteren 'gefundenen Fressen' für die beiden Herren, sich seitenweise darüber auszulassen. Nichts Neues, was man auf den vorherigen 1000 Seiten nicht schon hundertfach lesen konnte. Immer dieselbe Predigt, ähhm Leier. :Cheese:

Danke für den Tipp, aber ist kein Problem! Ich trink mit dem Arne mal wieder n Koppelbierchen, dann vertragen wir uns wieder:Cheese: :Prost:

Jörn 09.02.2019 19:03

Zitat:

Zitat von Rälph (Beitrag 1434480)
Vielleicht hätte aber auch genau der oben beschriebene Pfarrer, der sich selbst nicht an die Regeln halten will (Mutmaßung), überhaupt kein Problem damit gehabt? Vielleicht hätte er, wie er es immer tat, alle Menschen, inklusive meiner Mutter, zum Gottesdienst eingeladen.

Ja, vielleicht. Aber Du kannst ja mal bei Google nachforschen, ob es weltweit einen Fall gibt, bei dem "wiederverheirateten Geschiedenen" einfach so die Sakramente gespendet wurden (ohne dass eine päpstliche Kommission aktiv wurde). Daran kannst Du abschätzen, wie wahrscheinlich es ist, dass Dein Pfarrer diese Regeln außer Kraft setzen konnte. Ich würde sagen, es ist vielleicht das Unwahrscheinlichste in der kath. Kirche überhaupt.

Zum Gottesdienst kann man jeden einladen, auch Pferde*. Das ist nicht der Punkt. Der Punkt sind die Sakramente. Ich kann Dir versichern, dass Deine Mutter, die vermutlich viel in die Kirchengemeinde eingebracht hat, trotzdem die Sakramente nicht bekommen hätte, wenn sie eine neue Partnerschaft eingegangen wäre. Es scheint mir wichtig, auf die Schäbigkeit dieses Sachverhalts hinzuweisen. Ehrlich gesagt kann ich von Jesus (falls es ihn gab) nicht so niedrig denken, dass er das gewollt haben könnte.

Ich kann verstehen, wenn Du Dir hier ein Stückchen "heile Welt" bzw. gute Erinnerungen bewahren möchtest und lieber nicht an der Oberfläche kratzt. Allerdings wäre dies notwendig, um Deinen Argumenten eine gewisse Schärfe zu geben. Im Moment sagst Du ja nicht mehr, als dass dies alles keine Rolle für Dich gespielt hat. Ich respektiere das, aber es hat wenig Aussagekraft über die Kirche als gesellschaftliches Phänomen (also über den Einzelnen hinausgehend.)

----

*Segnungen von Pferden, Kühen und Hunden sind in der Kirche üblich, dies ist keine Polemik. Papst Benedikt hat sogar Autos gesegnet.

Schwarzfahrer 09.02.2019 19:48

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1434459)
Diese Auffassung lässt sich nun wirklich bei ernsthafter Betrachtung der rechtlichen Stellung der Kirchen und ihrer Grösse in unserer Gesellschaft überhaupt nicht aufrechterhalten.

Ich stimme zu, daß die Privilegien der Kirche nicht rational zu rechtfertigen sind. Aber bis auf die gelegentlichen medial bekannt gewordenen arbeitsrechtlchen Klagen kenne ich niemanden, der irgendeine Entscheidung in seinem Leben wegen des Einflusses der Kirche geändert hätte, oder gar Nachteile durch die Macht der Kirche erdulden mußte. Ungerechte Arbeitsverträge sind übrigens keine Spezialität der Kirche, das gibt es flächendeckend in allen Bereichen. Daß Religionsunterricht nicht in die Schule gehört, ist auch meine Meinung, aber dafür ist primär der Staat verantwortlich, da er die Macht hat, dies zu ändern. Aber mein Eindruck bleibt: trotz den ungerechtfertigten kirchlichen Privilegien in den von Dir genannten Bereichen , auf das Leben der Menschen ist ihre Wirkung weitgehend irrelevant.

Schwarzfahrer 09.02.2019 20:06

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1434458)
Gut, dann sind wir uns ja eigentlich in vielen Punkten einig.

finde ich auch. :Blumen:

Zitat:

Wir sind unterschiedlicher Auffassung darüber, welchen Einfluss die Amtskirchen in der Gesellschaft haben.
Dazu s. mein Post eins höher. Es hängt sicher von den persönlichen Erfahrungen ab, wie hoch man den Einfluß einschätzt. Und ich bin selber extrem abgeneigt, mich durch irgendwelche Autoritäten irrational beeinflussen zu lassen (egal ob Kirche, Chef, Klimaschützer, Vorgesetzter Offizier, Homöopath oder Polit-Propaganda), und deshalb empfinde ich die "Macht" der Kirche auch weniger relevant.

Zitat:

...Daraus zu schlussfolgern, dies wäre alles bedeutungslos, finde ich nicht plausibel.
Vielleicht sollte ich präzisieren: die gesellschaftliche Wirkung empfinde ich überproportional gering im Vergleich zur finanziellen und formalen Macht der Kirche. Vielleicht merken sie es auch gerade, und satteln deshalb stark in ihrer Propaganda auf Themen um, die politisch "in" sind, ohne mit ihrer eigentlichen Mission wirklich etwas zu tun zu haben (Klimaschutz, Flüchtlingsrettung, …), um dadurch gesellschaftlich mehr wirken zu können.

Zitat:

Aber der Katechismus ist kein altes Dogma. Er stammt aus den 1990ern und aus dem Jahr 2005 (das sog. Kompendium). Die Autoren leben noch. Es ist nicht so, dass es Schriften aus dem Mittelalter wären.
Für mich ist das alles alter Wein in neuen Schläuchen. Die Kirche ist nicht in der Lage, sich in dem Tempo zu ändern, wie die gelebte Wirklichkeit ihrer Gläubigen. Und genau das Festhalten an den alten Dogmen ist eine Ursache ihrer tatsächlich geringen gesellschaftlichen Wirkkraft. Die Kirche unterliegt einer Illusion, daß sie definiert, was Christentum ist, und nicht die Praxis der Menschen. Das ist ebenso sinnlos, wie der Versuch, Sprache per zentrale Entscheidung zu gestalten und vorzuschreiben - die Sprache entwickelt sich stetig unlenkbar weiter. Oder der Versuch der SPD, zu bestimmen, was für die Wähler wichtig sein muß - der Niedergang der SPD ist nur schneller, als der der Kirchen - obwohl weiterhin viele Menschen an der Sozialdemokratie glauben.

Und zum Thema Wahrheitsanspruch: jede Religion hat diesen, sowohl die Transzendenten (Christentum, Islam, etc.) wie die ideologischen (Kommunismus, Neoliberalismus, Klimarettung, …) - was für mich in das zuvor diskutierte Komplex der Axiome gehört: einer logischen, rationalen Prüfung sind alle nicht gewachsen und wollen sich auch nicht stellen - da steht die christliche Kirche den anderen in nichts nach.

Jörn 09.02.2019 21:40

Wann durfte je ein berühmter Wissenschaftler im Bundestag eine Gastrede halten? Oder ein Friedensnobelpreisträger? Überhaupt nie.

Aber Papst Ratzinger wurde eingeladen. Warum?

Wie gering der Einfluss seiner Kirche auf die Gesellschaft auch sein mag (hier sind wir unterschiedlicher Meinung) — er ist jedenfalls höher als der Einfluss der Wissenschaft.

Als er zum Papst gewählt eine Reise durch Deutschland unternahm, war Deutschland im Ausnahmezustand. Autobahnen wurden komplett gesperrt, Lufträume abgeriegelt, ganze Wohnbezirke lahmgelegt. Das Fernsehen überschlug sich, jede kleineste Äußerung live zu übertragen. Politiker drängten sich im Sonntagsanzug vor die Kameras. Mehrere hunderttausend Menschen pilgerten zu seinen Gottesdiensten. Edmund Stoiber bekam vor laufender Kamera einen Heiligenschein.

Der BR sendete einen Tag und eine Nacht quasi nonstop, lediglich mit einer zweistündigen Unterbrechung. Also vom Abend bis zum nächsten Morgen.

Kein Sportler, kein Politiker, kein Wissenschaftler, kein Popstar, kein Astronaut vermag in Deutschland eine derartige Raserei auszulösen. Du kannst den Krebs besiegen, den Mars besiedeln oder das Internet erfinden — und Du wirst 30 Sekunden in der Tagesschau bekommen, danach wird Dein Name wieder vergessen. Weißt Du, wer das WWW erfunden hat? Wer hat die Pille entwickelt? Wer baute den ersten Mikrochip?

Angesichts der Anzahl der Götter und Religionen ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass Herr Ratzinger kein Scharlatan ist. Allein die Statistik spricht in erdrückender Weise gegen ihn. Ich hätte nichts gegen die Präsenz der Religionen in den Medien, wenn die Gegenposition in gleicher Weise vertreten wäre. Aber hat es auch nur eine einzige Minute Sendezeit für die Gegenposition gegeben? Gab es ein Streitgespräch mit einem Wissenschaftler, Historiker oder Atheisten? Fehlanzeige.

Man merkt das an diesem Thread. Die Gegenpositionen sind den Gläubigen und den „Mitläufern“ (die sich nur am Rande dafür interessieren) quasi unbekannt. Entsprechend fühlen sie sich vor den Kopf gestoßen und reagieren vor allem emotional, weil ihnen die sachlichen Argumente nicht geläufig sind. Dass diese Argumente (kontra Religion) eine jahrhundertealte Tradition haben, und entsprechend ausgefeilt und abgesichert sind, und teilweise von den klügsten Köpfen ihrer Generation stammen, haben sie nie gehört. Sigmund Freud war Atheist? Nie gehört. Goethe fand Jesus albern? Nie gehört. Einstein fand Religionen primitiv? Nie gehört.

Es mag durchaus sein, dass die Kirchen an Einfluss verloren haben, aber sie erzeugen eine Art „Grundstimmung“ und sorgen dafür, dass diese tabuisiert (also nicht hinterfragt) wird. Beispielsweise ist es geradezu abartig, die Existenz von Jesus öffentlich anzuzweifeln, obwohl er nur eine von tausenden Göttergeschichten ist, für die jeder historische Beweis fehlt. Die Kritiker kommen nicht öffentlich zu Wort.

Darin liegt ein großer Teil der Macht der Kirchen und Religionen. Weniger, was sie konkret verkünden, sondern dass außer ihnen keiner etwas über Religion sagen darf, jedenfalls nicht in der größeren Öffentlichkeit.

Schwarzfahrer 09.02.2019 22:50

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1434514)
Wann durfte je ein berühmter Wissenschaftler im Bundestag eine Gastrede halten? ...Aber Papst Ratzinger wurde eingeladen. Warum?

Immerhin ist er auch Staatschef vom Vatikan - das ist ein normaler Grund für so eine Rede . Daß er Deutscher war, hat sicher auch gezählt. Und die katholische Kirche ist eine der größten weltweit agierenden Organisationen, dessen Oberhaupt allein wegen der Größe des "Unternehmens" ernst genommen wird. Sehe ich immer noch gelassener, als Reden von Terroristenchefs vor dem EU-Parlament oder der UNO.
Zitat:

Wie gering der Einfluss seiner Kirche auf die Gesellschaft auch sein mag (hier sind wir unterschiedlicher Meinung) — er ist jedenfalls höher als der Einfluss der Wissenschaft.
Ja, da bleiben wir unterschiedlicher Meinung.
Zitat:

Als er zum Papst gewählt eine Reise durch Deutschland unternahm, war Deutschland im Ausnahmezustand. …
Immerhin wurde ein Deutscher Papst - das ist fast so toll wie Fußball-Weltmeister sein :Lachen2: . Für mich war es aber eine etwas stärker ausgeprägte Version der medial gehypten Massenpsychose um Promis, wie es ständig vorkommt (Royal Wedding in England, Obama zu Besuch, Greta in Davos u.ä.). Und für die Gläubigen war es eben besonders, den Papst aus dem eigenen Volk zu haben - war bei den Polen zuvor nicht anders.
Zitat:

Angesichts der Anzahl der Götter und Religionen ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass Herr Ratzinger kein Scharlatan ist.
Ebenso wie alle anderen kompromißlosen Vertreter jeder Religion oder Ideologie. Mir fehlt einfach die Einsicht, was am Christentum und an der katholischen Kirche wirklich so viel schlimmer ist, daß es einen Kampf wie Du ihn zu führen scheinst, rechtfertigt. Mir machen andere Ideologien in unserer Zeit viel mehr Sorge, im Sinne daß sie bleibenden und ernsthaften Schaden anrichten, während die christlichen Kirchen einfach als Anachronismus weiterexistieren ohne einzusehen, daß ihre Zeit abgelaufen ist.

Zitat:

Allein die Statistik spricht in erdrückender Weise gegen ihn. Ich hätte nichts gegen die Präsenz der Religionen in den Medien, wenn die Gegenposition in gleicher Weise vertreten wäre. Aber hat es auch nur eine einzige Minute Sendezeit für die Gegenposition gegeben? Gab es ein Streitgespräch mit einem Wissenschaftler, Historiker oder Atheisten? Fehlanzeige.
Dies liegt meiner Ansicht nach nicht an der Macht der Kirche, oder an Tabuisierung, sondern einfach an der Tatsache, daß einzelne Religionen und Ideologien, da sie auf Axiomen basieren, nicht wirklich durch Diskussion und Argumenten angreifbar sind - es lohnt sich einfach nicht. Entweder man glaubt daran, oder man ignoriert es, da es für nicht gläubige einfach irrelevant ist. Das Bedürfnis, jemandem die Fehlerhaftigkeit seines speziellen Glaubens zu beweisen haben meistens Menschen, die ihrerseits ihren Glauben dem anderen Aufzwingen oder zumindest nahebringen wollen. Wem der Missionarische Eifer fehlt, der läßt die Gläubigen in ihrem Glauben, und geht seines Weges, solange die anderen dies ebenso handhaben.
Grundsätzliche Religionskritik ist für mich etwas anderes, da geht es nicht um die Richtigkeit von einzelnen Darstellungen, sondern darum, wie Religion und Ideologien den Menschen das unabhängige Denken abgewöhnen (oder ihm abnehmen, was viele sogar angenehm finden), und den Menschen zu Verhalten verleiten, das sich gegen andere Menschen richtet - das muß sich dann aber übergreifend gleichermaßen auf alle Religionen beziehen. Und ich finde es schade, wenn jemand die Religion, die die eigene Kultur maßgeblich mitbestimmt hat, so einseitig negativ und undifferenziert sieht.

Zitat:

Darin liegt ein großer Teil der Macht der Kirchen und Religionen. Weniger, was sie konkret verkünden, sondern dass außer ihnen keiner etwas über Religion sagen darf, jedenfalls nicht in der größeren Öffentlichkeit.
Ich habe noch nie erlebt, daß hierzulande jemand, der sich noch so negativ oder verächtlich über die christliche Religion geäußert hat, relevante Nachteile erfahren mußte. Das kenne ich nur in Verbindung mit dem Islam (s. die lächerliche Mohammed-Karikatur-Geschichte, oder Salman Rushdie, etc.). Solange kein Kritiker des Christentums Angst haben oder gar unter Personenschutz leben muß, finde ich solche Vorwürfe etwas absurd in einer Zeit, wo andere Religionen mit großer Aggressivität agieren.

Jörn 09.02.2019 23:34

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1434519)
Immerhin ist er auch Staatschef vom Vatikan - das ist ein normaler Grund für so eine Rede

Irrtum. Wenn er nicht gewählt ist, hat er kein Rederecht im Bundestag, schon gar nicht als "Staatschef".

Hat Frau Merkel ein Rederecht im Britischen Parlament? Oder Kardinal Marx?

Aber ich sehe schon. Du hast für alles eine Ausrede.

Jörn 09.02.2019 23:39

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1434519)
Wem der Missionarische Eifer fehlt, der läßt die Gläubigen in ihrem Glauben, und geht seines Weges, solange die anderen dies ebenso handhaben.

Wenn es jene Leute nicht gegeben hätte, die den Mut zum Widerspruch hatten, säßen wir heute noch im Mittelalter fest.

Und wir brauchen gar nicht bis ins Mittalter zu gehen. Frauen-Wahlrecht, Gleichberechtigung, Ehe für alle, Zusammenleben ohne Trauschein: All das basiert auf dem Mut, den Aberglauben der Mehrheit infrage zu stellen. Das hat der Gesellschaft nicht geschadet, sondern genützt.

Klugschnacker 09.02.2019 23:41

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1434519)
Und ich finde es schade, wenn jemand die Religion, die die eigene Kultur maßgeblich mitbestimmt hat, so einseitig negativ und undifferenziert sieht.

Wen meinst Du damit konkret, dass er das Christentum undifferenziert sähe?

Jörn 09.02.2019 23:44

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1434519)
Und ich finde es schade, wenn jemand die Religion, die die eigene Kultur maßgeblich mitbestimmt hat, so einseitig negativ und undifferenziert sieht.

Das sind persönliche Anwürfe, und ich würde es begrüßen, wenn Du es unterlassen würdest.

Dass unsere aktuelle Kultur maßgeblich vom Christentum mitbestimmt würde, bestreitest Du mal, und behauptest es ein anderes mal.

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1434519)
Ich habe noch nie erlebt, daß hierzulande jemand, der sich noch so negativ oder verächtlich über die christliche Religion geäußert hat, relevante Nachteile erfahren mußte. Das kenne ich nur in Verbindung mit dem Islam (s. die lächerliche Mohammed-Karikatur-Geschichte, oder Salman Rushdie, etc.). Solange kein Kritiker des Christentums Angst haben oder gar unter Personenschutz leben muß, finde ich solche Vorwürfe etwas absurd in einer Zeit, wo andere Religionen mit großer Aggressivität agieren.

Es geht doch gar nicht darum, ob Kritiker im Knast landen. Die Nachteile, die sich konkret im Leben der Leute abspielen, sind ganz anderer Art und wurden von mir und anderen AUSFÜHRLICH dargestellt. Zuletzt in den letzten Postings betreffs der Frage, ob die Kirche sich in Partnerschaften/Ehen einmischt und diese ev. zu verhindern trachtet.

Die Debatte wäre einfacher, wenn Du Deine Äußerungen mit Fakten belegen würdest (und nicht nur mit Deiner persönlichen Meinung).

Dein öfters wiederholtes Argument der Relativierung (nicht so schlimm, interessiert mich nicht, anderswo ist es noch schlimmer) habe ich verstanden. Es trägt jedoch nicht so weit, jegliche Religionskritik zum Verstummen zu bringen.

Jörn 10.02.2019 00:14

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1434519)
liegt meiner Ansicht nach nicht an der Macht der Kirche, oder an Tabuisierung, sondern einfach an der Tatsache, daß einzelne Religionen und Ideologien, da sie auf Axiomen basieren, nicht wirklich durch Diskussion und Argumenten angreifbar sind - es lohnt sich einfach nicht.

Es lohnt sich nicht, Kritik an Religionen, Aberglauben oder Kirchenfürsten zu üben? Und das sei der Grund, warum es für diese Kritik keine Sendezeit gibt, wohl aber für die Religionen? Weil es sich nicht lohnt?

Aha.

Naja, das kann ich ja aufklären. Es gibt eine Menge kluger Leute, die gerne etwas Sendezeit hätten, um ihre Kritik vorzutragen. Teilweise schrieben diese Leute Bestseller -- unbeachtet vom Mainstream, gefeiert von der intellektuell interessierten Leserschaft. Von diesen Leuten habe ich noch nie gehört, dass es sich nicht lohnen würde. Vielleicht lass' sie das einfach selber entscheiden, ob es sich für sie lohnt?

LidlRacer 10.02.2019 01:07

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1434522)
Irrtum. Wenn er nicht gewählt ist, hat er kein Rederecht im Bundestag, schon gar nicht als "Staatschef".

Ein Rederecht hat er nicht einfach so.
Aber er ist bei weitem nicht der Einzige, dem es ausnahmsweise gewährt wurde:
Reden ausländischer Gäste im Plenum des Deutschen Bundestages

Ansonsten stimme ich Dir weitestgehend zu.

Jörn 10.02.2019 06:29

Mein Punkt ist nicht, dass er unerlaubt in den Bundestag gekommen und einfach eine Rede gehalten hätte. Sondern meint Punkt ist, dass dazu besondere Vorkehrungen nötig sind, die selten vorgenommen werden. Für welche Gäste macht man sich also die Mühe, und wem lässt man diese Ehre zuteil werden? Von wem erhofft man sich eine erhellende Rede?

Etwa von einem Wissenschaftler? Von einem Friedensnobelpreisträger? Einem berühmten Philosophen?

Dies ist nur ein Datenpunkt unter vielen. Ich will dem also nicht zu viel Gewicht beimessen. Die religiöse CDU hat die Gelegenheit beim Schopfe gepackt, als der Papst nun schon mal in Deutschland war; das ist für mich nachvollziehbar.

Nicht nachvollziehbar ist für mich, dass die Kritik, die es durchaus gibt, keinen öffentlichen Raum bekommt. Die Papst-Rede hätte ja auch ein Anlass sein können, Debatten zu führen. Aber das ist tabu.

Ein kurzes Beispiel: Es ist in Deutschland erlaubt und üblich, die Entstehung der Erde nach wissenschaftlichem Kenntnisstand darzustellen, etwa in TV-Dokumentationen. Aber es ist völlig tabu, hinzuzufügen: "Dies widerlegt die Darstellung der Bibel" oder "in diesem Punkt ist also die Bibel falsch". Man wird diese Worte niemals im TV hören. Warum nicht?

Der Grund ist, dass Religion nicht frontal widersprochen werden darf. Nur die Vertreter der Religionen dürfen sich zur Religion äußern, alle anderen müssen den Mund halten. Ein Wissenschaftler, der einen Bericht über die Entstehung der Erde drehen möchte, wird von einem Redakteur darauf hingewiesen: "Also Sie können hier nicht der Genesis widersprechen, das müssen wir irgendwie anders formulieren". Zur Erinnerung: Es geht darum, wie lang der Arm der Kirchen in unserer Gesellschaft immer noch ist.

Kardinal Marx wird in Interviews in letzter Zeit kritisch befragt aufgrund der Sex-Skandale. Das ist neu. Aber er kann sich völlig darauf verlassen, dass ihm niemand öffentlich nachweist, dass er im Grunde ein Hütchenspieler ist, der die Leute hinters Licht führt. Dabei ist es nicht schwierig, diesen Nachweis zu führen. Es gibt auch genügend Leute, die das gerne tun würden. Aber Kardinal Marx weiß, dass diese Leute keine Öffentlichkeit bekommen.

Rälph 10.02.2019 08:15

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1434486)
Ich kann verstehen, wenn Du Dir hier ein Stückchen "heile Welt" bzw. gute Erinnerungen bewahren möchtest und lieber nicht an der Oberfläche kratzt. Allerdings wäre dies notwendig, um Deinen Argumenten eine gewisse Schärfe zu geben. Im Moment sagst Du ja nicht mehr, als dass dies alles keine Rolle für Dich gespielt hat. Ich respektiere das, aber es hat wenig Aussagekraft über die Kirche als gesellschaftliches Phänomen (also über den Einzelnen hinausgehend.)

Manchmal lohnt es sich, die Perspekitve zu wechseln. Vielleicht bist du es ja, der an der Oberfläche kratzt? Eine Oberfläche, die sich nur mit Regeln, Ge- und Verboten, Dogmen und uralten Schriften beschäftigt. In die Tiefe einer Gemeinschaft wird man aber dadurch nicht vordringen können.

Welche scharfen Argumente erwartest du denn? Ich habe keine, ich habe lediglich ein paar positive, eigene Erfahrungen aus alten Zeiten. Nenne es von mir aus "heile Welt". Deine Kritik teile ich in vielen Punkten.

Schwarzfahrer 10.02.2019 10:10

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1434525)
Das sind persönliche Anwürfe, und ich würde es begrüßen, wenn Du es unterlassen würdest.

Sorry, das ist mein persönlicher Eindruck aus der Art, wie Du durch unversöhnliches Beharren auf dem einzigen Punkt "Wahrheit" das Christentum als Ganzes zu verurteilen scheinst, den Papst als Scharlatan siehst und den Anteil des Christentums an unserer Kultur ablehnst. Ansonsten finde ich es einfach schade, und habe sonst keine Wertung über Dich ausgesprochen, also kein Grund, sich beleidigt zu fühlen.:Blumen:

Zitat:

Dass unsere aktuelle Kultur maßgeblich vom Christentum mitbestimmt würde, bestreitest Du mal, und behauptest es ein anderes mal.
Nein, dazu stehe ich - abgelehnt hast Du es:
Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1434379)
Die Zurückdrängung des Christentums ist Grundlage unserer aktuellen Kultur.

Zitat:

Die Nachteile, die sich konkret im Leben der Leute abspielen, sind ganz anderer Art und wurden von mir und anderen AUSFÜHRLICH dargestellt.
Unbestritten, so ist es. Unsere Meinungen gehen nicht über die Fakten auseinander, sondern über ihre Bewertung und Gewichtung - und das ist nun mal Frage der persönlichen Meinung und Priorisierung.

Ich kann nochmal zusammenfassen, wie ich es sehe: mir fehlt die Denkweise eines Gläubigen vollkommen, ich kann dieses Bedürfnis nach Glaube nicht nachempfinden - aber ich weiß, daß es für viele Menschen essentiell ist. Religionen sind weder durch Verbote noch durch rationale Erziehung komplett zu beseitigen, dafür ist dieses Bedürfnis wohl zu tief in den Menschen drin. Dazu kommt, daß Glaube vielen Menschen zu einem "guten Leben" motiviert, und damit gut fürs soziale Miteinander sein kann.
Ich weiß auch, daß jeder Glaube auch zu Diskriminierung, Schikanen bis zu schlimmsten Verbrechen gegen Mitmenschen motivieren kann, wie jede Ideologie, was ein Hauptgrund ist, daß ich der Ansicht bin, daß keine Religion oder Ideologie eine staatliche Unterstützung welcher Art auch immer erhalten soll. Ich wäre für ein vollkommen laizistischen Staat, in dem die Kirchen ihre Existenz allein aus der Unterstützung ihrer Gläubigen beziehen (in meiner Heimat lebte der Pfarrer ausschließlich davon, was seine Gemeinde zusammengespendet hat - das ist mein Idealbild). Dann würde jede Kirche ganz schnell auf ein reales Maß zusammenschrumpfen, und ihre "Dogmen" auch an die Entwicklung der Menschen und der Gesellschaft anpassen müssen.
Bei uns hat die Kirche leider (dank der Unterstützung des Staates) keinen solchen Druck der Modernisierung -nichtsdestotrotz entwickeln sich die Menschen weiter. Darum sehe ich weniger Gefahr in der Macht der Kirchen, als Du. Ich mag mich irren, weil ich als extrem Ungläubiger in keiner Weise beeinträchtigt fühle - aber ich sehe auch z.B. im Religionsunterricht nicht die Indoktrination oder Lügen, sondern (wenn richtig gemacht) das Kennenlernen von wichtigen Grundlagen-elementen unserer Kultur.

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1434534)
Ein Wissenschaftler, der einen Bericht über die Entstehung der Erde drehen möchte, wird von einem Redakteur darauf hingewiesen: "Also Sie können hier nicht der Genesis widersprechen, das müssen wir irgendwie anders formulieren". Zur Erinnerung: Es geht darum, wie lang der Arm der Kirchen in unserer Gesellschaft immer noch ist.

Das klingt, als ob man öffentlich nur Weltbilder der Kreationisten ausprechen dürfte -das meinst Du wohl nicht wirklich? Sowas kenne ich nur aus den USA - schlimm genug. Ich glaube, wenn überhaupt, wird schon aus Respekt vor den Gläubigen vermieden, explizit zu sagen: was in der Bibel steht, ist gelogen und falsch. Wenn wir konsequent jede Unwahrheit in der Religion offen aussprechen würden, müßten wir z.B. auch Juden und Moslems sagen, es gibt keine "Unreinen" Tiere, ihr sollt essen was auf den Tisch kommt. Man kommt ihnen trotzdem entgegen, nicht weil sie Recht haben, sondern weil es Respekt vor ihrer Religion ist.

Ich gönne Dir Deinen Kampf gegen die Amtskirchen, halte aber weiterhin den Versuch, über "Wahrheiten" zu argumentieren, für ins Leere laufend, wenn es um Glaube geht. Wünsche noch ein entspanntes Wochenende.:Blumen:

Klugschnacker 10.02.2019 11:21

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1434556)
Ich gönne Dir Deinen Kampf gegen die Amtskirchen, halte aber weiterhin den Versuch, über "Wahrheiten" zu argumentieren, für ins Leere laufend, wenn es um Glaube geht. Wünsche noch ein entspanntes Wochenende.:Blumen:

Ich wünsche Dir auch ein entspanntes Wochenende. :Blumen:

Allerdings halte ich das Bemühen um Wahrheit für sehr wesentlich. Glaube bedeutet ja nicht immer nur blinder, bedingungsloser Glaube, sondern Glaube bedeutet oft auch "etwas für wahr halten". Es geht daher auch im Glauben um Wahrheit und ein Interesse an Wahrheit. Das umfasst auch überprüfbare Wahrheit, also Fakten.

Wir halten heute manche Darstellungen der Bibel nicht mehr für Fakten, weil unser Wissen zugenommen hat. Ein aufgeklärter Mensch kann die Storys von der Arche Noah, dem Garten Eden oder der Himmelfahrt Marias nicht mehr anders sehen, denn als Metaphern und Sinnbilder. Das zeigt, dass das Wissen durchaus den Glaube beeinflusst. Täte es das nicht, handelte es sich um Aberglauben. Glaube setzt Glaubwürdigkeit voraus.

Jesus aus Nazareth hat sich geirrt. Das von ihm noch zu seinen Lebzeiten erwartete Gottesreich kam nicht. Na und, hat er sich halt geirrt – manches von dem, was er möglicherweise sagte und wollte, war trotzdem nachdenkenswert. Erst die Überkleisterung seiner Person mit Heiligem Geist, Hölle, Jungfrauengeburt und Wiederauferstehung macht eine Beschäftigung mit seinen Ansichten schwer. Was soll der Quatsch, er sei über Wasser spaziert?

Die Auseinandersetzung mit Jesus würde davon profitieren, wenn man sich mehr an die Wahrheit hielte. Insofern ist eine kritische Auseinandersetzung mit kirchlicher "Wahrheit" durchaus im Sinne spirituellen Lebens.
:Blumen:

Jörn 10.02.2019 12:38

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1434556)
Religionen sind weder durch Verbote noch durch rationale Erziehung komplett zu beseitigen, dafür ist dieses Bedürfnis wohl zu tief in den Menschen drin.

Gibt es dafür einen Beleg? Ist dieses Bedürfnis tatsächlich so "tief in den Menschen drin"?

Denn in allen mir bekannten Fällen geht zuerst ein Betrug voraus. Den Leuten wird von Kindesbeinen an und mit hohem Aufwand vorgegaukelt, es wäre eine magische Welt, und erst dadurch glauben sie daran.


Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1434556)
Dazu kommt, daß Glaube vielen Menschen zu einem "guten Leben" motiviert, und damit gut fürs soziale Miteinander sein kann.

Der Glaube motiviert mit schlechte Gründen zu guten Taten, wo gute Gründe durchaus vorhanden wären. Man könnte den Leuten einfach gute Gründe nennen. Und, seltsamerweise, bei vielen "guten Taten" wird der Klerus am Ende ein Stück reicher, und die Gläubigen ein Stück ärmer.

Die Darstellung, der Glaube würde eine Gesellschaft zu guten Taten verleiten, ist ein reines Märchen. Bring mal Fakten! Die am wenigsten religiösen Gesellschaften des Westens sind gleichzeitig die friedlichsten und die freigiebigsten. Nämlich die skandinavischen Länder, wo Religion nur von einer kleinen Minderheit ausgeübt wird. Weitere Infos dazu findest Du mühelos bei Google.

Wenn Deine Behauptung zutreffen würde, dann wären Gesellschaften umso besser (mehr gute Taten), je religiöser sie wäre. Es ist aber völlig offensichtlich, dass dies nicht stimmt.

Je gläubiger eine Gesellschaft ist, desto gewalttätiger ist sie, und desto schlechter geht es den Leuten, vor allem auch den Bedürftigen. Je ärmer eine Gesellschaft ist, desto religiöser ist sie. (Quelle)

Religiosität ist kein Zeichen für die Güte einer Gesellschaft, sondern für die Rückständigkeit einer Gesellschaft. Religion tut nichts anderes, als bestimmte Meinungen als unantastbar auszurufen. Es stoppt den Prozess, die beste Lösung zu finden. Es zementiert den Irrtum.


Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1434556)
halte aber weiterhin den Versuch, über "Wahrheiten" zu argumentieren, für ins Leere laufend, wenn es um Glaube geht.

Glaube ist Wahrheit. Die Leute glauben nur, was ihnen als Wahrheit verkauft wurde, oft unter Zuhilfenahme von Tricks. Es geht nicht darum, ob man die Farbe Blau schöner findet als die Farbe Grün. Das ist quasi "Glaubenssache". Aber beim christlichen Glauben geht es um Tatsachenbehauptungen, und entweder sind sie zutreffend oder nicht.

Wenn Du am Straßenrand ein paar zwielichtige Gestalten siehst, die einen ahnungslosen Touristen mit dem Hütchen-Spiel hereinlegen: Würdest Du dem Touristen einen Tipp geben oder einfach weitergehen? Ich würde ihm einen Tipp geben. Ich würde nicht auf die Idee kommen, ihm "seinen Glauben zu lassen". Ja, ich lasse ihm seinen Glauben, aber erst nachdem ich ihm den Tipp gegeben habe.

Der Tourist hält die ganze Szene des Hütchenspiels für wahr: Den Spieler, die umstehenden Passanten, die laufenden Gewinne der Passanten. Was er nicht ahnt ist, dass die Passanten ebenfalls zum Spieler gehören und die Gewinne nur vorgegaukelt sind. Die ganze Szene ist ein Inszenierung, um den Touristen davon zu überzeugen, er könne mühelos Geld erspielen. Selbst wenn er sein Geld verliert, wird er die Szene immer noch für wahrhaftig halten. Er ahnt nicht, dass alles nur Tricks waren.

Ich will den Leuten ihren Glauben nicht nehmen, das ist Privatsache. Ich will nur auf die Tricks aufmerksam machen. Mir geht es um die Hütchenspieler.

Deine ganze Argumentation richtet ihren Fokus auf den Touristen, also auf den einzelnen Gläubigen. Mir jedoch geht es um die Hütchenspieler, den Klerus. Mir geht es nicht um "Glauben", sondern um Tricks.

Wenn ich sage, dieser oder jener Priester sei vermutlich ein Scharlatan, dann meine ich damit nicht, dass er einen anderen Glauben hat. Sondern dann meine ich, dass er ein Trickbetrüger ist. Was er glaubt, ist mir einerlei.

Schwarzfahrer 10.02.2019 16:55

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1434563)
Ich wünsche Dir auch ein entspanntes Wochenende. :Blumen:

Danke, konnte zumindest schöne windige 10 km laufen, bevor der Regen kam. :Lachen2:
Zitat:

Allerdings halte ich das Bemühen um Wahrheit für sehr wesentlich. Glaube bedeutet ja nicht immer nur blinder, bedingungsloser Glaube, sondern Glaube bedeutet oft auch "etwas für wahr halten". Es geht daher auch im Glauben um Wahrheit und ein Interesse an Wahrheit. Das umfasst auch überprüfbare Wahrheit, also Fakten.
Das Bemühen um die Wahrheit ist ein wesentlicher Antrieb des Menschen, und natürlich wichtig - aber nicht für alle, glaube ich. Religiöser Glaube ist , nach meiner Erfahrung mit gläubigen Menschen, sehr oft getrieben von einem Bedürfnis, keine Fragen stellen zu müssen, sondern einfach bedingungslos etwas zu glauben, und damit irgendwo dazuzugehören. Das scheint für diese Menschen weniger belastend zu sein, als selber die Wahrheit zu suchen, und selber verantwortlich zu sein für die Entscheidung, was man für wahr und richtig hält. Als Gläubiger gibt man die Verantwortung ab, und lebt entspannter, wenn man Ideen und Ziele nicht mehr hinterfragen muß. Ist nicht meins, aber es muß etwas dran sein, sonst würden nicht so viele Menschen sich irgendeinem Glauben verschreiben, auch ohne Indoktrination von Kindesbeinen an (damit ist es natürlich "leichter"). ich habe nicht den Eindruck, daß solchen Leuten die Wahrheit wichtig ist, sondern ihnen ist das Infragestellen, der Zweifel eine zu große Last, die sie vermeiden wollen. Durch diese Wahrnehmung habe ich relativ viel Verständnis für Gläubige, und reagiere nur allergisch wenn sie zu missionieren anfangen; solange sie es privat für sich behalten, und damit keinen Schaden anrichten, lasse ich es.

Schwarzfahrer 10.02.2019 17:25

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1434575)
Gibt es dafür einen Beleg? Ist dieses Bedürfnis tatsächlich so "tief in den Menschen drin"?

Nein, das leite ich aus meinen Erfahrungen mit gläubigen Menschen ab und aus einigen kulturgeschichtlichen Werken zu Religion und Aberglaube über die Jahrhunderte, also meine persönliche Meinung. Sozial-psychologische Studien dazu habe ich noch nie gesucht, dafür ist mir das Thema nicht wichtig genug, wäre aber sicher interessant.
Zitat:

Denn in allen mir bekannten Fällen geht zuerst ein Betrug voraus. Den Leuten wird von Kindesbeinen an und mit hohem Aufwand vorgegaukelt, es wäre eine magische Welt, und erst dadurch glauben sie daran.
Das gibt's es auch in allen Ideologien - aber es erklärt nicht das Bedürfnis nach Religion all der Leute, die ohne wesentliche Indoktrination aufwachsen, und als Erwachsene zu Baghwan, Scientology, Zeugen Jehovas und weiß Gott noch wohin gehen, um ihren Seelenfrieden zu finden.
Zitat:

Der Glaube motiviert mit schlechte Gründen zu guten Taten, wo gute Gründe durchaus vorhanden wären. Man könnte den Leuten einfach gute Gründe nennen. Und, seltsamerweise, bei vielen "guten Taten" wird der Klerus am Ende ein Stück reicher, und die Gläubigen ein Stück ärmer.
die Leute, an die ich dachte, haben mit dem Klerus nichts am Hut; sie leben einfach gelebte Nächstenliebe aus einer tiefen inneren Überzeugung heraus, die sich durch ihren christlichen Glauben festigt, und Zweifel am Altruismus unterdrückt. Ansonsten finde ich die Hindu-Motivation für gutes Leben über die Wiedergeburt z.B. sehr nützlich, obwohl es ebenso gelogen ist.
Zitat:

Die Darstellung, der Glaube würde eine Gesellschaft zu guten Taten verleiten, ist ein reines Märchen.
habe ich nie behauptet - nur daß der Glaube einzelne Menschen dazu bringen kann, wenn alles richtig läuft, und diesen würde ich den Glauben nie nehmen wollen. Von all den verderblichen Möglichkeiten, Glaube zu lenken und wirken zu lassen, halte ich auch nichts (schrieb ich auch).
Zitat:

Die am wenigsten religiösen Gesellschaften des Westens sind gleichzeitig die friedlichsten und die freigiebigsten. Nämlich die skandinavischen Länder, wo Religion nur von einer kleinen Minderheit ausgeübt wird.
Mag sein. Aber immerhin sind die christlichen Länder Europas im Weltvergleich die friedlichsten und freiesten Gesellschaften. Ob diese Korrelation weniger Kausalität birgt, als Dein Beispiel, weiß ich nicht. Ich würde ja auch eine säkulare Welt vorziehen, aber da ich bezweifle, daß die Menschheit das hinbekommt, ist mir unsere Welt eines der kleineren Übel.

Zitat:

Wenn Deine Behauptung zutreffen würde, dann wären Gesellschaften umso besser (mehr gute Taten), je religiöser sie wäre. Es ist aber völlig offensichtlich, dass dies nicht stimmt.
Natürlich nicht, s.o. Und Religion ist nicht gleich Religion.
Zitat:

Je ärmer eine Gesellschaft ist, desto religiöser ist sie.
Hier ist mir unklar, was Ursache und was Wirkung ist (führt evtl. Armut zur Zuflucht in irreale Welten wie Religion, wenn man resigniert und auf Erlösung hofft? Oder führt Reigiosität zu Ineffizienz und Armut wegen mangelndem Antrieb, die Wahrheit zu suchen und selbständig zu denken?
Zitat:

Religiosität ist kein Zeichen für die Güte einer Gesellschaft, sondern für die Rückständigkeit einer Gesellschaft. Religion tut nichts anderes, als bestimmte Meinungen als unantastbar auszurufen. Es stoppt den Prozess, die beste Lösung zu finden. Es zementiert den Irrtum.
Stimmt alles. Aber das traurige ist, daß viele Menschen sich damit zu wohl fühlen, um sich "erlösen lassen zu wollen". Sie wechseln höchstens die Religion, und verkünden statt christlichen Dogmen den Untergang der Wélt durch Atomstrom oder Klimaerwärmung zur unantastbaren These, und erklären alle, die die Wahrheit dazwischen suchen, zum Ketzer. Die selbständig Denkenden werden immer eine Minderheit bleiben, da bin ich Pessimist.
Zitat:

Wenn Du am Straßenrand ein paar zwielichtige Gestalten siehst, die einen ahnungslosen Touristen mit dem Hütchen-Spiel hereinlegen: ...Deine ganze Argumentation richtet ihren Fokus auf den Touristen, also auf den einzelnen Gläubigen. Mir jedoch geht es um die Hütchenspieler, den Klerus.
Ja, das ist unsere Hauptdifferenz. Für mich ist gesellschaftlich das wichtiger, was der einzelne "Tourist" macht, weil es davon viel mehr gibt. Gegen die Hütchenspieler sollten einschränkende Gesetze gelten, so daß ihre Wirkung begrenzt bleibt auf die, die trotz aller Aufklärung einfach glauben wollen, daß sie doch gewinnen können. Ich wäre damit zufrieden. Aber es ist ein bißchen wie mit dem Klimawandel - viele in Deutschland glauben, die Welt retten zu müssen - ich würde schauen, daß wir auf unserem Fleckchen gute Lebensbedingungen hinbekommen, so gut es geht - die Ambition, die Welt zu retten, habe ich nicht mehr (liegt es am Alter...?)


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