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Schwarzfahrer 22.12.2018 12:40

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1426968)
Ich verstehe, was Du meinst. Im Großen und Ganzen stimme ich Dir zu. Widersprechen möchte ich teilweise im Punkt der Moral. In vielen Fällen geht es um echte Schuld, nicht um ein mehr oder weniger eingebildetes Gefühl von Schuld ("Schuldkomplexe"). Die westliche Kultur, deren Menschen sich für Ebenbilder Gottes halten, haben anderen Völkern ihr Land gestohlen...

Wo viel über Gut und Böse gesprochen wird, hat man es stets mit einer aggressiven, wenig kompromissbereiten und selbstgerechten Kultur zu tun. Insofern teile ich Deinen Vorschlag, Kategorien wie Gut und Böse nicht zu verwenden, sondern ohne moralische Aufladung nach fairem Interessensausgleich zu suchen.

Ich glaube, wir stimmen weitgehend überein. Es gibt jede Menge übler Verbrechen, die als solche benannt werden müssen - ich will nur die einzelnen, oft vergangenen Verbrechen nicht als "allgemeine Schuld der Europäer, die in aller Ewigkeit abzutragen ist" definiert sehen. Und je nach Fall ist die Schuldfrage auch nicht so einfach nur einer Seite zuzuordnen. Z.B. haben die afrikanischen Stammeshäuptlinge prächtig an dem Sklavenhandel der weißen verdient, indem sie z.T. sogar eigene Stammesangehörige verkauften.

Und im Falle der Ideologien: ja, die sind eine perfekte Quelle für jegliches Verbrechen, daher bin ich auf jede Ideologie höchst empfindlich. Aber dann muß man auch klar trennen, daß bestimmte Ideologien bzw. ihre gläubigen Anhänger verantwortlich für bestimmte Taten sind, nicht aber grundsätzlich alle Angehörigen einer Gemeinschaft, aus der diese Ideologie hervorkam (also nicht "die Weißen", "die Araber", "die Juden"...).

schoppenhauer 22.12.2018 13:10

Ende der 80'er, große Schuldenkrise in Süd-Amerika. In meiner damaligen Filter-Blase war klar, dass wir und unsere Banken die Hauptschuld daran tragen.

Bei einem Praktikum in einem internationalen Pharma-Konzern mit starker Präsenz in Südamerika saß ich in einem Büro mit einem alten Mann (so alt wie ich heute...), der lange in Süd-Amerika gelebt und gerabeitet hatte.

Seine Erklärung ging so: Wenn der Ami einen Dollar verdient hat, leiht er sich noch einen und investiert den. Wird in Süd-Amerika ein Dollar verdient, leiht man sich noch einen und gibt 'ne Party damit. Er liebte die Länder und die Menschen mit dieser Mentalität...

Natürlich gibt es auch diesen Hang zur Ausbeutung durch den wirtschaftlich überlegenen. Der Mensch ist im großen und ganzen ein böses Tier. Wir wollen es nicht wahr haben, Trump hat es verstanden.

PS.: der Glaube kann das Böse in uns ein wenig abfedern, oder es entfachen.

keko# 22.12.2018 13:31

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1426965)
...Das ändert aber nichts an der systemischen Ausbeutung, wie man an der weltweiten und zur Zeit wachsenden Ungleichverteilung der Vermögen sofort erkennt.

Es fehlt bei deinem Posting die Überleitung zum Neoliberalismus, der eine Steigerung des Kapitalismus ist. Eine Ideologie, die mittlerweile dermassen in unseren Köpfen ist, dass wir sich nicht mehr hinterfragen (oder hinterfragen sollen).

- Wir hinterfragen nicht mehr, wie es kommt, dass wir in wohlhabenden Ländern wie Frankreich und Deutschland eine steigende Anzahl prekär Beschäftigter haben, sondern versuchen sie nur noch zu verwalten

- Wir hinterfragen gar nicht mehr, wie es dazu kommt, dass wir weltweit Millionen Menschen auf der Flucht sehen, sondern versuchen die Flüchtlingsströme zu verwalten.

- Wir hinterfragen gar nicht mehr, warum die Kluft zwischen Arm und Reich auch in DE auseindergeht.

usw usf.

Ganz im Zeichen der Agenda tut stattdessen jeder das, was er tun soll: Der Franzose schimpft über den Deutschen. Der Deutsche über den Flüchtling. Der Beschäftigte über den Hartzer.

Läuft!

keko# 22.12.2018 13:50

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1426958)
....Daher wäre in meinen Augen eine differenzierte Haltung: "wie gehen wir jn bestimmten Punkten fairer miteinander um" deutlich sinnvoller, als die teilweise vermittelten moralisch aufgeladenen Schuldkomplexe, daß "die Industrieländer an allem Elend der anderen Schuld seien", und wir die "Ausbeutung" beenden müssten.

Thilo Sarrazin ist einem seiner Bücher (oder beiden?) gegen eine verordnete Gleichstellung der Menschen eingegangen und hat Unterschiede herausgearbeitet, die auf kulturelle Unterschiede beruhen. Ebenso Themen wie Schuldkomplex der Deutschen. Wie man mit ihm in den Leitmedien umgeht, ist bekannt. Mein Eindruck ist es, dass viele Deutsche, geprägt von der Last zweier Weltkriege, mittlerweile eine Art Abneigung gegen ihr eigenes Land haben und hoffen in einem Europa unschuldig aufzugehen. Diejenigen, die hier eifrig die christliche Vergangenheit realtivieren, Feiertage abschaffen wollen usw (um mal ontopic zu sein), sage ich: Läuft! Weiter so! :Cheese:

Trimichi 22.12.2018 14:58

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1426899)
[/indent]
Man muss sich vergegenwärtigen, was das bedeutet für die Menschen Indiens, Chinas, Afrikas, Amerikas und Europas außer Palästina, die sich in bester Absicht vor ihren eigenen Göttern niedergeworfen haben. Einfach weil sie dort geboren wurden. Der christliche Gott wird das an deren Söhnen und Töchtern, ihren Enkeln, Urenkeln und Ururenkeln rächen.

Indem er Didgeridoo spielt? So wie hier: https://www.youtube.com/watch?v=NECXWRijOgc

qbz 22.12.2018 16:27

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1426969)
Tatsache ist bei aller Ungleichheit (die m.M.n. gar nicht zu beseitigen ist, da die Menschen nun mal sehr unterschiedlich sind), daß wesentlicher Zuwachs an Wohlstand für einen Großteil der Bevölkerung nur in (nach Deinen Beschreibungen) vom Prinzip kapitalistisch, "ausbeuterisch" ausgelegten Systemen zustandegekommen ist; alle Versuche von sozialistisch/kommunistischen Staaten mögen zwar eine gewisse Gleichheit erreicht haben, aber nur Gleichheit in Armut und Stagnation, nie im wachsenden Wohlstand. Das sollte zu denken geben, wenn man die "Ausbeutung" grundsätzlich verurteilt.

Die kapitalistische Wirtschaftsweise besitzt ihrer Logik nach einen immanenten Druck / Zwang zur Entwicklung der Produktivität (Wachstum) aufgrund der Konkurrenz. Wer nicht produktiv genug ist, geht pleite bzw. wird die Produkte am Markt nicht los. Dieses Wachstum veränderte die menschliche Natur und die Umwelt schneller und tiefgreifender als in jeder anderen Zeit davor, bis zur möglichen Selbstzerstörung. Dass nun in einem nichtindustriellen, feudalen Land wie Russland ein "Sozialismus" entstehen sollte, d.h. dass der Kapitalismus einfach überspringen wird, indem vom Feudalstaat zu einer zentralistischen Planwirtschaft übergangen wird, war ja nie die Idee von Marx. Die Nachteile der zentralistischen Planwirtschaft für die Produktivität in einem nichtindustriellen Land erkannte auch China, allerdings sehr spät, und fördert deswegen die kapitalistische Wirtschaftsform, unter staatlicher Kontrolle.

Ich versuche übrigens nur das Funktionieren eines sozialen Organismus und seine inneren Gesetzmässigkeiten logisch zu verstehen und verurteile die ihr innewohnende, systemische Ausbeutung nicht im moralischen Sinne. Es spielt für das System doch keine Rolle, ob der Kapitalist gläubig lebt oder nicht, seine Familie liebt oder tyrannisiert. Er beutet bzw. nutzt auch als persönliches Individuum niemanden aus, indem er sein Kapital vermehrt, Beschäftigte einstellt oder entlässt. Es ist das Kapital mit dem ihm scheinbar innewohnenden Vermehrungstrieb, das alle regiert (auch über den Kapitalisten).

ThomasG 22.12.2018 17:14

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1426987)
Ich versuche übrigens nur das Funktionieren eines sozialen Organismus und seine inneren Gesetzmässigkeiten logisch zu verstehen und verurteile die ihr innewohnende, systemische Ausbeutung nicht im moralischen Sinne. Es spielt für das System doch keine Rolle, ob der Kapitalist gläubig lebt oder nicht, seine Familie liebt oder tyrannisiert. Er beutet bzw. nutzt auch als persönliches Individuum niemanden aus, indem er sein Kapital vermehrt, Beschäftigte einstellt oder entlässt. Es ist das Kapital mit dem ihm scheinbar innewohnenden Vermehrungstrieb, das alle regiert (auch über den Kapitalisten).

Darüber will ich mal länger nachdenken.
Für mich gibt es schon Menschen, die ich für ausbeuterisch halte und die ich deshalb schon verurteile, auch wenn ich auf der anderen Seite durchaus Verständnis für eine gewissen Egoismus oder auch Bequemlichkeit u.ä. habe.
Das sind halt auch typisch menschliche Eigenschaften und ich bin ja auch kein Engel.

Den Kant`schen Imperativ hat uns mal ein Religionslehrer in meinen Augen ganz sympathisch näher gebracht.
"Was du nicht willst, das man dir tut, das füg` auch keinen anderen zu!".
Solche Richtlinien gefallen mir sehr :-).

merz 22.12.2018 17:21

Kant legte Wert auf die Feststellung dass kat. Imp. und Goldene Regel nicht gleich sind

m.

ThomasG 22.12.2018 17:25

Der Lehrer hat den Imperativ auf verschiedene Art umschrieben.
Er wollte wohl, dass wir ihn (besser) verstehen können.
Den Satz "Verhalte dich stets so, dass aus deiner Handlunsgweise eine allgemeine Regel abgeleitet werden könnte" oder so ähnlich erwähnte er auch.
Ich muss mal recherchieren.
Es ist halt schon so lange her.

Nachtrag: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“
(Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Kategorischer_Imperativ)
Das ist wohl die ursprüngliche Version.

Helmut S 22.12.2018 18:41

Zitat:

Zitat von ThomasG (Beitrag 1426989)
Den Kant`schen Imperativ hat uns mal ein Religionslehrer in meinen Augen ganz sympathisch näher gebracht.
"Was du nicht willst, das man dir tut, das füg` auch keinen anderen zu!".

Leider is das halt falsch. Der kategorische Imperativ bedeutend das genau nicht. Das ist nicht kategorisch sondern hypothetisch. Er ist auch keine Regel, sondern eher ein Prüfkriterium. Im Wesentlichen geht es darum eine Handlung daraufhin zu prüfen ob sie denkbar ist. Denkbar bedeutet aber hier etwas anderes, als das was man intuitiv annehmen würde. Es bedeutet ohne Widerspruch denkbar. Kant formuliert diesen Aspekt des KI in einer Variante (es gibt mehrere) so: „...von dem du wollen kannst..“ Er meint: Wenn etwas einen Widerspruch erzeugt, „kann man es nicht wollen...“. Vereinfacht gesagt ist er sowas wie ein Widerspruchsbeweis. Entsteht ein Widerspruch, ist die Handlung als unmoralisch zu betrachten. Kann man sie wollen ist sie ohne Widerspruch, ist die Handlung moralisch.

Aber auch das ist etwas vereinfacht. Kant unterscheidet zwischen Handlungen aus Pflicht und pflichtgemäßen Handlungen. Der moralische Wert einer Handlung hängt davon ab. Auch hier wieder vereinfacht hat eine Handlung aus Pflicht den höchsten moralischen Wert. Die Pflicht leitet sich aus der Vernunftbegabung ab. Kant konnte aber m.E. nie zeigen, dass der Mensch vernunftbegabt ist. Soweit ich mich erinnere gibt es diesbezüglich einen Zirkelschluss in der GMS. An der Stelle verlässt mich aber das Verständnis für Kant.

Evtl. finde ich Zeit über die Feiertage noch was zur Moral aus philosophischer Sicht zu schreiben. Es gibt ja nicht nur die „Kantsche Ethik“. Arne hat einen „philosophisch mindestens schwierigen“ (unklar ob so einfach) Satz geschrieben („moralische Errungenschaften“) dessen differenzierte Analyse interessant sein könnte und Keko erliegt mit der Einschätzung des Wesens der Moral recht wahrscheinlich einem Missverständnis (er schrieb „moralische Dinge“).

Jetzt geh ich zwiften :Cheese:

Peace :Blumen:

ThomasG 22.12.2018 18:52

Danke :Blumen: , würde mich sehr freuen, wenn Du etwas zur Moral aus philosophischer Sicht schreiben würdest :).
Bis es soweit ist, sehe ich mal zu, dass ich zumindest grob über den kategorischen Imperativ Bescheid weiß.
Es kann gut sein, dass unser Reli-Lehrer es nicht so dargestellt hat, wie ich es beschrieben habe.
Das war schon ein bisschen ein Freak.
Er hat mit uns z.B. meditiert und ein paar von uns haben dann versucht ihn ein bisschen zu verar..., indem sie ganz dick aufgetragen haben z.B..
Einmal hatte er eine Meditationskassette dabei.
Der Redner führte uns gewissermaßen durch einen Fluß.
Also mich hat das zwar sehr entspannt, aber gespürt hab` ich eher nix :-( ;-).
Manche meinten, sie hätten total die Kälte und Feuchte körperlich wahrgenommen und so was halt.
Ich habe es nicht absichtlich anders oder möglicherweise "verfärbt" beschrieben.
Mir kam es so einfach spontan in den Sinn.
Viel Spaß beim Radfahren :-)!

Nachtrag:

Unglaublich :-) - eben habe ich das Heftchen gefunden, was wir uns für Reli besorgen sollten.
Der Titel lautet "Alternativen Meditation" (Verlag wahrscheinlich Kösel) und darüber steht noch eine 8.
Da sind sogar noch handschriftliche Aufzeichnungen von mir drin :-).
Auf einem Zettelchen habe ich das Datum vermerkt - 24.9.1986 und auf einem anderen steht was von meinem Training :-O.
Haha - die schaue ich mir mal genauer an nach dem Einkaufen :-).

Noch ein Nachtrag:

Auf einem Zettelchen steht wörtlich u.a. folgendes:
"Kant: "Was du nicht willst, das man dir tut, das füg auch keinem anderen zu.""

merz 22.12.2018 20:19

endlich mal was gutes zu lesen über die Feiertage, ich freue mich mitzulesen

m.

P.S.: die Bemerkungen zu der Passage der GMS finde ich irritierend und interessant, ich nahm immer an, daß Vernunft und Verstand einfach gesetzt ist, sonst braucht man die Kritiken garnicht anfangen (aber natürlich für praktische Vernunft nicht "rein", sonst wäre ja sowieso alles klar, s. dieses schöne Bild des "krummen Holzes")

Klugschnacker 22.12.2018 23:16

Zitat:

Zitat von Helmut S (Beitrag 1426993)
Arne hat einen „philosophisch mindestens schwierigen“ (unklar ob so einfach) Satz geschrieben („moralische Errungenschaften“) dessen differenzierte Analyse interessant sein könnte ...

Ich gehe gerne näher darauf ein, was ich damit genau gemeint habe, falls das hilfreich sein sollte. Gerne lese ich jedenfalls Deine spontanen oder erarbeiteten Gedanken dazu.

Das Christentum hat moralische Standpunkte und Aussagen, aber kein moralisches System. Letzteres bedeutet: Taucht ein neues moralisches Problem auf, lässt es sich mithilfe des Christentums nicht lösen. Außerdem liefert das Christentum keine Begründungen dafür, dass seine Moral besser sein soll als irgend eine andere.

Man erkennt das daran, dass es zu allen großen moralischen Fragen innerhalb des Christentums die unterschiedlichsten Standpunkte gibt. Sollen Frauen Pfarrer werden oder nicht? Schwule heiraten? Menschen einander töten, etwa im Krieg oder bei erwiesenem Schadzauber? Ist Empfängnisverhütung eine schwere Sünde? Ist Ehescheidung möglich?

Diese Vielfalt einander widersprechender Standpunkte innerhalb des Christentums entsteht durch das Fehlen eines moralischen Systems im Christentum. Als unvollkommenes Gegenbeispiel lässt sich der Humanismus anführen: Er entscheidet moralische Fragen aufgrund des entstehenden Leids. Im Zweifel ist diejenige Verhaltensweise moralischer als eine andere, bei der weniger Leid entsteht.

Wenn Frauen arbeiten gehen dürfen und darin den Männern gleichgestellt sind, entsteht wenig oder kein Leid. Also ist es okay. Einen todkranken Menschen mit Sterbehilfe in den Tod zu helfen vermindert Leid, also ist es ein gangbarer Weg. Moral ist das Ergebnis einer vernünftigen Abwägung.

In diesem Sinne haben wir einen Fortschritt hinter uns. Weg von moralischer Willkür, hin zu einem moralischen System, welches Leid vermindert.

ThomasG 23.12.2018 05:58

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1427015)
Als unvollkommenes Gegenbeispiel lässt sich der Humanismus anführen: Er entscheidet moralische Fragen aufgrund des entstehenden Leids. Im Zweifel ist diejenige Verhaltensweise moralischer als eine andere, bei der weniger Leid entsteht.

Wenn Frauen arbeiten gehen dürfen und darin den Männern gleichgestellt sind, entsteht wenig oder kein Leid. Also ist es okay. Einen todkranken Menschen mit Sterbehilfe in den Tod zu helfen vermindert Leid, also ist es ein gangbarer Weg. Moral ist das Ergebnis einer vernünftigen Abwägung.

In diesem Sinne haben wir einen Fortschritt hinter uns. Weg von moralischer Willkür, hin zu einem moralischen System, welches Leid vermindert.

Ich bewundere Menschen, die sich darum bemühen humanistisch zu handeln und zu leben :Blumen:.
So möchte ich im Prinzip auch sein.
Menschliche Schwächen bringen mich ab und zu ein ganz klein wenig ;-) von diesem Pfad der Tugend ab.
Möglichst wenig Leid erzeugen!
So wenig wie möglich Leid erzeugen!
Solche Maximen imponieren mir sehr :).
Wer solchen Leitsätzen nichts abgewinnen kann bzw. sie überhaupt nicht beachtet oder gar missachtet, den akzeptiere ich nicht als eine elitäre Person.
Da kann er ansonsten machen, können und wissen, was er will.
Menschen neigen dazu sich selbst zu sehr in den Mittelpunkt zu stellen, sich selbst zu wichtig zu nehmen und sich zu viel auf ihre eigenen Fähigkeiten und Eigenschaften einzubilden.
Diese Prinzipien sollte man auf die Tier- und Pflanzenwelt bzw. die Natur ausweiten.

Helmut S 23.12.2018 13:35

Sers!

Zitat:

Zitat von merz (Beitrag 1427001)
[...] ich nahm immer an, daß Vernunft und Verstand einfach gesetzt ist, sonst braucht man die Kritiken garnicht anfangen [...]

Die Schwierigkeit ist wohl der logische Zusammenhang zwischen reiner Vernunft quasi als Moralgesetz und Freiheit. Irgendwie scheint mal das eine vom anderen und dann mal wieder umgekehrt abgeleitet zu sein. Einerseit meint er ja, dass das Moralgesetz keiner Herleitung bedarf, aber eigentlich wollte er genau das doch tun :confused:

Aber um dazu was gehaltvolles beitragen zu können muss ich auf den Dachboden, die GMS aus der Kiste holen und brauche Zeit und Ruhe zum nachdenken. Ich hoffe das gelingt über Weihnachten. Interessiert mich jetzt selbst, denn möglicherweise ist das wichtig für Arnes Satz.

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1427015)
Ich gehe gerne näher darauf ein[...].

Danke für die Erläuterungen. :Blumen: Was mir impulsiv in den Sinn kam, waren die Fragen, ob es „moralische Errungenschaften“ überhaupt gibt? Sind nicht nur Handlungen moralisch/unmoralisch? Errungenes aber nicht? Das Erringen, dass Streben auf ein Ziel zu jedenfalls könnte moralisch/unmoralisch sein. Ob das nicht ein „besser als/schlechter als“ bedingen würde? Und auf Basis welchem Maßstabes? Bedeutet Errungenschaft nicht, es gibt ein „moralisches Ziel“, dass der Mensch erreichen will oder gar soll? Und wenn „soll“ welche Instanz gibt diesen Imperativ? Die Vernunft? Und dann die Fragen ob z.B. die Gleichstellung der Frau kategorisch von der (welcher?) Moral gefordert wird? Ist das eine Pflicht? Und was ist der Unterschied zwischen zivilisatorischer Errungenschaft und moralischer Errungenschaft?

Darüber muss ich nachdenken.:Blumen:

Mich Überholen diese Threads hier regelmäßig. Über manche Beiträge müsste ich wohl wochenlang nachdenken .... zwischenzeitlich sind aber zich Seiten hinzugekommen und ebensoviele nachdenkenswerte Beiträge. Einige wären wohl sogar wert sich in ganzen Aufsätzen zu beschäftigen :(

In Verbindung mit dem anderen Thread z.B. Die Frage, ob es eigentlich eine moralische Pflicht gibt, den nachfolgenden Generationen einen intakten Planeten zu hinterlassen? So klar scheint mir das nicht, wie auch ich impulsiv annehmen würde. :cool:

Klugschnacker 23.12.2018 18:25

Zitat:

Zitat von Helmut S (Beitrag 1427064)
Was mir impulsiv in den Sinn kam, waren die Fragen, ob es „moralische Errungenschaften“ überhaupt gibt? Sind nicht nur Handlungen moralisch/unmoralisch? Errungenes aber nicht? Das Erringen, dass Streben auf ein Ziel zu jedenfalls könnte moralisch/unmoralisch sein. Ob das nicht ein „besser als/schlechter als“ bedingen würde? Und auf Basis welchem Maßstabes? Bedeutet Errungenschaft nicht, es gibt ein „moralisches Ziel“, dass der Mensch erreichen will oder gar soll? Und wenn „soll“ welche Instanz gibt diesen Imperativ? Die Vernunft? Und dann die Fragen ob z.B. die Gleichstellung der Frau kategorisch von der (welcher?) Moral gefordert wird? Ist das eine Pflicht? Und was ist der Unterschied zwischen zivilisatorischer Errungenschaft und moralischer Errungenschaft?

Darüber muss ich nachdenken.:Blumen:

Du gehst da auf sehr grundsätzliche Weise dran. Du möchtest ein moralisches System auf absolute Weise begründen. Das ist jedoch nicht möglich. Wenn man beispielsweise fragt, warum Mord "schlecht" sei, findet man keine absolute Begründung.

Das Christentum, der Islam und das Judentum lösen dieses Problem, indem sie als letzte Begründung den göttlichen Willen anführen. Moral begründet und legitimiert sich allein durch Gottes Wille. Gut ist, was er als gut bezeichnet. Deines Nächsten Weib zu begehren ist genau und nur deshalb schlecht, weil Gott es verbietet.

Tatsächlich besteht jedoch keinerlei Notwendigkeit, Moral auf eine höchste (göttliche) Instanz zurückzuführen, deren Aussagen sich nicht in Zweifel ziehen lassen. Es genügt aus meiner Sicht, wenn wir bei miteinander konkurrierenden moralischen Systemen angeben können, warum das eine besser sei als das andere. Und worin dieses "Besser" besteht, zu wessen Vorteil es sich auswirkt. Etwa zugunsten der Menschen, oder zugunsten der Götter usw.

Beim Humanismus wäre beispielsweise das Leid ein Kriterium. Zwei moralische Systeme kann ich dahingehend untersuchen und entscheiden, welches das Bessere ist. Besser im Sinne von: Vermindert das Leid für die Menschen/Tiere/etc.

Nehmen wir als Beispiel die hier bereits diskutierte Frage, ob Gentechnik an Pflanzen in Ordnung ist. Vom humanistischen Standpunkt aus wäre zu prüfen, welche Risiken und Chancen für die Lebensqualität der Menschen und Tiere bestehen. Nach Abwägung beider Möglichkeiten kommt man zu einer Entscheidung. Gegenüber einem anderen Moralsystem, das zum gegenteiligen Schluss kommt, hat man gute und nachvollziehbare Argumente, nämlich die Verminderung von Leid.

Eine religiöse Moral argumentiert aus dem Jenseits heraus: Dort befinde sich ein Gott, und der habe den Menschen X und Y vorgeschrieben. Leider widersprechen sich göttliche Botschaften und ihre Auslegung regelmäßig. Für das obige Beispiel: Soll der Mensch nun Demut vor der Schöpfung haben, oder sie sich untertan machen? Der göttliche Wille, der hier anstelle des Leid-Kriteriums wirkt, ist unklar. Außerdem gibt es viele verschiedene Götter, die unterschiedliche Dinge fordern.


Wir sind bereit, moralische Standpunkte oder moralische Systeme gegenüber anderen Menschen durchzusetzen, notfalls mit Gewalt. Wer gegen unsere Gesetze verstößt, wird bestraft. Wir sind sogar bereit, gegen ein Regime in den Krieg zu ziehen, wenn es unsere Auslegung der Menschenrechte ignoriert.

Daraus folgt, dass moralische Standpunkte und Systeme begründet sein müssen. Es genügt nicht, zu sagen, ich hätte privilegiertes Wissen über den Schöpfer des Weltalls, und der habe mir mitgeteilt, wie wir alle zu leben hätten. Damit ließe sich jeder beliebige moralische Standpunkt legitimieren, und deshalb legitimiert es überhaupt nichts.

Helmut S 23.12.2018 19:29

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1427100)
Du gehst da auf sehr grundsätzliche Weise dran.

Das ist der Job der Philosophie. ;)

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1427100)
Du möchtest ein moralisches System auf absolute Weise begründen.

Um Himmels Willen: NEIN. :Blumen: Ich will nur über Deine Sätze nachdenken. Insbesondere das mit den „moralischen Errungenschaften“. Ich möchte durch nachdenken herausfinden ob es solche überhaupt geben kann. Ich vermute nämlich du verwechselst moralische Errungenschaften mit zivilisatorischen Errungenschaften. Sicher bin ich da aber nicht. Deshalb muss ich darüber nachdenken. Darüber hinaus interessiert mich ob eine der drei großen Moraltheorien die ich kenne zwingende Gründe für z.B. Gleichberechtigung (hattest du als moralische Errungenschaft angeführt) oder den Klimaschutz etc hergeben.

Außerdem weißt du aus anderen Diskussionen ja vermutlich noch, dass ich eben genau deiner Meinung bin: Es gibt keine absolute Moral. Is aber auch nicht schlimm, wenn du’s vergessen hast :Blumen: Ich habe das seinerzeit mit der üblichen Kritik am kategorischen Imperativ begründet. Das selbe kann man auch bezogen auf Konsequntionalismus und Utilitarismus tun. In der praktischen Umsetzung fordere ich deshalb moralische Millieus zu bilden um Wertesysteme von kleinen Gruppen, welche praktisch erscheinen (z.B. Umweltschutz) zu vernetzen und so Millieus zu vergrößern. Das is so ähnlich wie Weltzer mit seinem Futur 2.0. :Blumen:


Edit: Ich bin also immer noch hier:

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1426547)
Mir scheint, dass wir im Vergleich zur Zeitenwende einiges an Moral hinzugewonnen haben: Abschaffung der Leibeigenschaft, Gleichstellung der Frau, Rechte für Kinder, Demokratie, Meinungsfreiheit, Freiheit zur Ausübung oder Nichtausübung von Religion, sexuelle Selbstbestimmung, Ablehnung von Völkermord usw. – das sind aus meiner Sicht Errungenschaften, die wir aufgrund moralischer Fortschritte erreicht haben. Einen allgemeinen Niedergang der Moral kann ich nicht erkennen.

Darüber muss ich nachdenken.

merz 23.12.2018 20:05

@Helmut: geht es Dir dadrum, hier die Worte genau richtig zu wählen, nach oberflächlicher Durchsicht kommt mir die Fortschrittsidee selbstverständlich vor.
Nimm als Beispiel die Sklaverei , sie ist in der Antike selbstverständlich, Aristoteles nimmt sie nicht nur hin, er versucht sie auch noch irgendwie zu begründen (!).

Da sind wir ganz sicher weiter.


m.

Toelpel 23.12.2018 20:16

Zitat:

Zitat von merz (Beitrag 1427109)
...
Nimm als Beispiel die Sklaverei , sie ist in der Antike selbstverständlich, Aristoteles nimmt sie nicht nur hin, er versucht sie auch noch irgendwie zu begründen (!).

Da sind wir ganz sicher weiter.


m.

Da bin ich mir nicht so sicher.

Wir nehmen Menschen heute zwar nicht mehr direkt die persönliche Freiheit, in dem wir sie Verschleppen und als unser Eigentum betrachten.

Aber zu welchen Bedingungen lassen wir andere Menschen unsere Konsumartikel fertigen oder kippen Ihnen unseren Müll an die Küsten ihres Landes, um diesen dann unter menschenverachtenden Bedingungen sortieren/entsorgen zu lassen.

Nur weil es nicht direkt bei uns vor Ort geschieht, ist es nicht besser.

Sklaverei ist das Ausnutzen der Zwangslage eines anderen Menschen zum eigenen Vorteil. Das geschieht heutzutage wahrscheinlich sogar deutlich öfter, als vor 200 Jahren. Es lässt sich nur leichter verdrängen.

qbz 23.12.2018 20:20

Die Gleichberechtigung der Frauen entstand historisch im Zusammenhang mit der Industrialisierung und dem Kapitalismus. Frauen (und Kinder) wurden in der Fabrik als Arbeiterinnen beschäftigt und erstritten allmählich ihre gleichen Rechte. Politisch spielten dabei historisch die sozialistischen Parteien eine entscheidende Rolle. Die Arbeiterfrauen schlossen selbständig Arbeitsverträge, ihre Arbeitskraft war für viele Industriezweige sehr wichtig. Überall da, wo sich der Kapitalismus ausbreitet, kommt es mit der Zeit zwangsläufig auch zur Gleichberechtigung der Geschlechter (selbst in Saudi-Arabien).

In meinen Augen hängen jeweils die moralisch-rechtlichen Vorstellungen, die Ideologie einer Epoche eng mit den Produktionverhältnissen zusammen bzw. werden von diesen letzten Endes bestimmt.

merz 23.12.2018 20:33

das Sein bestimmt das Bewußtsein, ich habe es schonmal gehört, :) "um so besser"

die Beobachtung zur Sklaverei auch, ungefähr so: Wenn Menschen als Sklaven Güter oder Dinge sind, behandelt man sie ggf. teilweise besser als die armen Freien, die man einfach verhungern lassen kann oder die als wertlos angesehen werden.

Nun, rechtfertigt das Sklaverei als sozialen Mechanismus? Ich meine nein. Ist es ein Fortschrit, wenn sie geächtet ist: Ich meine ja.

m.

Helmut S 23.12.2018 22:19

Zitat:

Zitat von merz (Beitrag 1427109)
Da sind wir ganz sicher weiter.

Dem stimme ich schon zu, so is es ja nicht.

Ich habe aber arge Bedenken, dass der Fortschritt ein Fortschritt „der Moral“ (Welcher denn?) ist und die Errungenschaften eben solche der Moral sind. Ebenfalls arge Bedenken habe ich, dass es eine moralische Pflicht für den Menschen gibt, die genannten Tatsachen (z.B. Gleichberechtigung) zu erringen. Ich bin auch überhaupt nicht kategorisch! sicher ob es unmoralisch ist, wenn es z.B. keine Gleichberechtigung gibt (wenn ich auch Indizien dafür vermute). Jedenfalls muss ich darüber nachdenken, ich hoffe ich finde die Weihnachsttage über Ruhe und Zeit dazu.

Ich bin en glühender Verfechter der Aufklärung, des gesellschaftlichen Fortschrittes und der Würde des Menschen. Alleine halte ich die Moral für einen recht schlechten Ratgeber bzw die oft zitierte moralische Pflicht für einen oft scheinheiligen Grund.

:Blumen:

MattF 23.12.2018 22:27

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1427112)
In meinen Augen hängen jeweils die moralisch-rechtlichen Vorstellungen, die Ideologie einer Epoche eng mit den Produktionverhältnissen zusammen bzw. werden von diesen letzten Endes bestimmt.

Das ist sicher richtig, man sollte aber auch mal betrachten ob Frauen im Mittelalter wirklich so arg unterdrückt waren. Das glaub ich nicht.

Frauen hatten eine festgelegte Rolle und Männer hatten eine festgelegte Rolle, die sie jeweils ausfüllten weil es so war.

Wer in der Ehe der "stärkere" war, war wohl wie Heute oft eine Frage des Charakters und das konnte auch die Frau sein. Oder vielleicht haben sich beide sehr gut ergänzt und beide waren zufrieden mit ihrem Leben, genauso wie Heute (also auch Heute gibt es Zufriedene und Unzufriedene).


Durch die Industriealisierung hat sich das geändert. Frauen übernahmen Tätigkeiten von Männern und damit waren die Rollenverteilungen plötzlich nicht mehr klar.
Heute muss das Verhältnis ausgehandelt werden, im Mittelalter waren die Grundlagen klar, niemand hat darüber nachgedacht, dass die Frau den Haushalt geführt hat, deswegen fühlten sich viele Frauen sicher auch nicht unterdrückt, wenn sie das machen, was die Rolle von ihnen verlangte.
Im Gegenteil, vielleicht waren sogar viele Männer überfordert von dem was die Rolle von ihnen verlangt hat.

Klugschnacker 23.12.2018 23:33

Zitat:

Zitat von Helmut S (Beitrag 1427125)
Ich habe aber arge Bedenken, dass der Fortschritt ein Fortschritt „der Moral“ (Welcher denn?) ist und die Errungenschaften eben solche der Moral sind.

Ich sage nicht, dass die Fortschritte durch die Moral motiviert waren. Vielleicht waren sie durch etwas anderes motiviert, zum Beispiel durch die Produktionsverhältnisse, wie qbz sagt, oder etwas anderes.

Moral ist der Anspruch an uns selbst, gute Menschen zu sein. Er kann vom realen Leben stark verschieden sein. Oft sieht man das besonders deutlich bei religiösen Gesellschaften. In der westlichen Welt sind die US-Amerikaner besonders christlich. In der islamischen Welt ist der "Islamische Staat" besonders muslimisch. Wir halten aber beide nicht für moralischer als andere Gesellschaften, eher im Gegenteil.

Ich meine folgendes:

1. Ein moralisches System, welches sich rational nachvollziehbar, kritisierbar und verhandelbar zeigt, ist moralischen Standpunkten überlegen, die sich aus dem Jenseits begründen. Die Gründe für diese Behauptung habe ich oben ausgeführt.

2. Ein moralisches System muss nicht über eine Letztbegründung verfügen. Es muss nur beweisen oder plausibel machen, dass es besser ist als ein konkurrierendes System.

Das Christentum, das Judentum, der Islam usw. können nicht überzeugend darlegen, warum deren moralische Standpunkte beliebigen anderen Standpunkten überlegen sein sollen. Obwohl sie sich im Besitz einer Letztbegründung wähnen ("die Moral kommt von Gott"), können sie ihre Vorteile gegenüber anderen moralischen Systemen nicht plausibel machen.

qbz 24.12.2018 09:27

Zitat:

Zitat von MattF (Beitrag 1427126)
Das ist sicher richtig, man sollte aber auch mal betrachten ob Frauen im Mittelalter wirklich so arg unterdrückt waren. Das glaub ich nicht.

Frauen hatten eine festgelegte Rolle und Männer hatten eine festgelegte Rolle, die sie jeweils ausfüllten weil es so war.

Wer in der Ehe der "stärkere" war, war wohl wie Heute oft eine Frage des Charakters und das konnte auch die Frau sein. Oder vielleicht haben sich beide sehr gut ergänzt und beide waren zufrieden mit ihrem Leben, genauso wie Heute (also auch Heute gibt es Zufriedene und Unzufriedene).


Durch die Industriealisierung hat sich das geändert. Frauen übernahmen Tätigkeiten von Männern und damit waren die Rollenverteilungen plötzlich nicht mehr klar.
Heute muss das Verhältnis ausgehandelt werden, im Mittelalter waren die Grundlagen klar, niemand hat darüber nachgedacht, dass die Frau den Haushalt geführt hat, deswegen fühlten sich viele Frauen sicher auch nicht unterdrückt, wenn sie das machen, was die Rolle von ihnen verlangte.
Im Gegenteil, vielleicht waren sogar viele Männer überfordert von dem was die Rolle von ihnen verlangt hat.

Es ging mir bei diesem Vergleich Mittelalter-Neuzeit um die grundsätzliche Idee der Gleichheit (gleichen Rechte) aller Menschen und inwiefern diese Vorstellung aus bestimmten Produktionsverhältnissen hervorgeht. Im Mittelalter wurde die (Rechts)stellung der Menschen per Geburt verteilt und vererbt, zwischen Adel, Freien, Leibeigenen, Zünfte, Männer und Frauen (standen unter Vormundschaft des Ehemannes). Grundlage des Reichtums des Adels war der Landbesitz und die Abgabe des Zehnten.

Die Industrialisierung und die geänderten Produktionsverhältnisse im Übergang zur Neuzeit führten zu einer Änderung der Rechte der Menschen. Es verallgemeinerten sich die Warenbeziehungen, der Mensch wurde vom Leibeigenen / Zunfthandwerker als Arbeitskraft zur Ware, die neben ihrem Gebrauchswert verallgemeinerte, abstrakte Arbeit repräsentiert. Dem entspricht in der Ideenwelt die Vorstellung von den gleichen Rechten aller Menschen.

Ob nun die Frauen im Mittelalter sich mehr oder weniger oder gar nicht unterdrückt fühlten, ist eine andere Fragestellung und Betrachtungsweise. Diese reduziert u.U. die objektiven sozialen Verhältnisse einer Gesellschaft auf die subjektive, individuelle Wahrnehmung. Zumindest müssen alle Frauen in der Neuzeit, die sich für die gleichen Rechte der Geschlechter einsetzten, mit dieser ungleichen Stellung unzufrieden geworden sein und dieses (massenhafte) Bewusstsein der Gleichheit entstand während der Industrialisierung. Frauen verkauften wie Männer ihre Arbeitskraft und leisteten Industriearbeit, z.T. in neu entstandenen Sektoren wie Webereien. Subjektiv führte das, wie Du schreibst, zu neuen Rollenbildern. Die produzierten Waren enthalten objektiv - vollkommen unabhängig vom Geschlecht der Produzenten - allgemeine, abstrakte, gleiche Arbeit, was sich in der Ideenwelt in der Gleichheit aller Menschen wiederfindet.

Trimichi 24.12.2018 09:47

Zitat:

Zitat von Helmut S (Beitrag 1427064)
Sers!

In Verbindung mit dem anderen Thread z.B. Die Frage, ob es eigentlich eine moralische Pflicht gibt, den nachfolgenden Generationen einen intakten Planeten zu hinterlassen? So klar scheint mir das nicht, wie auch ich impulsiv annehmen würde. :cool:

Interessanter Punkt. Daran hänge ich mich momentan auf. :Blumen: Eine kurze Anmerkung vorab sei gestattet: die Zerstörung eines intakten Zustands dürfte den Tatbestand der Sachbeschädigung erfüllen, Astro Alex hatte sich bereits bei den Enkeln entschuldigt.

ThomasG 25.12.2018 07:35

Ich glaube ein auf die Pflanzen- und Tierwelt erweiterter Humanismus ist das, was meinen Moralvorstellungen am nächsten kommt.
Es ist denke ich sehr schwer völlig überzeugend zu begründen, warum man sich dementsprechend verhalten soll und warum ein solcher Humanismus erstrebenswert ist.
Vielleicht ist es überhaupt gar nicht wichtig Begründungen dafür zu finden oder zu formulieren, denen sehr viele Menschen zustimmen würden und wollen.
Wir (Menschen, Tiere und Pflanzen) bestehen nicht nur aus Materie, sondern wir tragen Leben in uns und zumindest die ersten beiden Gruppen vereint, dass sie spüren können.
Jeder weiß ganz genau aus eigener Erfahrung was weh tut und wie sehr es weh tut oder tun kann.
Wenn man Leid sich und anderen möglichst ersparen möchte, dann brauche ich keinen (weiteren) Grund dafür.
Frohe Weihnachten allerseits!
https://www.youtube.com/watch?v=JI9ItSWKjbA

ThomasG 27.12.2018 08:46

So Mädels und Jungs die gefährlichsten Tage des Jahres scheinen wir alle mehr oder weniger ganz gut überstanden zu haben :-).
Da heißt es den Frieden mitzunehmen in die nächsten Tage und ihn bis in das kommende Jahr zu tragen.
Mensch - war das hier so schön in letzter Zeit :-).
Keine harten Attacken - keine bösen Worte!
Weitermachen :-)!

"Reach out, touch faith!

Your own personal jesus,
Someone to hear your prayers,
Your own personal jesus,
Someone to hear your prayers,
Someone who's there."

https://www.songtexte.com/songtext/d...-3bd5a474.html
https://www.youtube.com/watch?v=i2GEOcEcRtY

Klugschnacker 27.12.2018 12:08

Zitat:

Zitat von ThomasG (Beitrag 1427485)
Da heißt es den Frieden mitzunehmen in die nächsten Tage und ihn bis in das kommende Jahr zu tragen.
Mensch - war das hier so schön hier in letzter Zeit :-)

Ich weiß, was Du meinst. Ich unterstütze das. Frieden ist immer gut.

Allerdings sollte man sich auch nichts vormachen. Die monotheistischen Religionen wie das Judentum, der Islam und das Christentum sind selbst in vielen Bereichen alles andere als friedlich. Man muss ihnen in diesen Bereichen um des Friedens willen auch mal entschlossen entgegen treten.

Im Nahen Osten lebt ein Volk, das sich selbst als das vom Schöpfer des Weltalls auserwählte Volk wähnt. So fühlt es sich zu aggressiver Landnahme legitimiert. Die benachbarten Völker sind ihnen ebenfalls aus religiösen Gründen spinnefeind, wobei sich deren Götter kaum voneinander unterscheiden lassen. Dazwischen fuhrwerkt die religiöseste christliche Demokratie der Erde herum, aufgerüstet bis an die Zähne. Allein dieser Konflikt hat das Zeug, einen Weltkrieg anzuzetteln.

Bei der Diskriminierung ganzer Bevölkerungsteile, zum Beispiel Frauen, sind die oben genannten Religionen ganz vorne dabei. Außerdem werden diskriminiert: Geschiedene, in wilder Ehe Lebende, Wiederverheiratete, Nichtgläubige, Andersgläubige und gleichgeschlechtlich liebende Menschen.

Das war um so ausgeprägter, je größer die Macht der Religionen oder Kirchen war. Wir haben uns einfach an diese religiösen Ideologien gewöhnt, vor allem, wenn wir als Kinder damit aufgewachsen sind. Es ist eine Art anerzogener Reflex, dass wir religiöse Positionen für "moralisch" halten. Es braucht aus meiner Sicht durchaus etwas Konfrontation mit den negativen Aspekten dieser Religionen, um das aufzubrechen.
:Blumen:

DocTom 27.12.2018 15:04

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1427500)
Ich weiß, was Du meinst. Ich unterstütze das. Frieden ist immer gut.
...sind. Es ist eine Art anerzogener Reflex, dass wir religiöse Positionen für "moralisch" halten. Es braucht aus meiner Sicht durchaus etwas Konfrontation mit den negativen Aspekten dieser Religionen, um das aufzubrechen.
:Blumen:

Voll bei Dir! Ich unterstütze Menschen wie Rechtsanwältin Seyran Ateş, die auch ihre rückwärts gewandte Religion modernisieren möchte, für ein friedliches Zusammenleben.
Größtes Problem der radikalen, Frauenrechte missachtenden Muslime ist, wie Frau Seyran Ateş zeigen möchte, aber nicht Ihre Religion, sondern dass Sie ihre völlig veralteten und rückwärtsgewandten patriarchalischen Vorstellungen unbedingt auch bei uns umsetzen wollen, damit aber viele der hier geltenden Frauenrechte missachten.

Aber Frieden mit Euch allen, keine politischen Diskussionen mehr dieses Jahr...:Blumen:
Thomas

ThomasG 27.12.2018 20:18

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1427500)

Bei der Diskriminierung ganzer Bevölkerungsteile, zum Beispiel Frauen, sind die oben genannten Religionen ganz vorne dabei. Außerdem werden diskriminiert: Geschiedene, in wilder Ehe Lebende, Wiederverheiratete, Nichtgläubige, Andersgläubige und gleichgeschlechtlich liebende Menschen.

Das war um so ausgeprägter, je größer die Macht der Religionen oder Kirchen war. Wir haben uns einfach an diese religiösen Ideologien gewöhnt, vor allem, wenn wir als Kinder damit aufgewachsen sind. Es ist eine Art anerzogener Reflex, dass wir religiöse Positionen für "moralisch" halten. Es braucht aus meiner Sicht durchaus etwas Konfrontation mit den negativen Aspekten dieser Religionen, um das aufzubrechen.
:Blumen:

Ich glaube, dass das Christentum sich in vielen Punkten nicht an das hält, was Jesus den Menschen vermittelt hat bzw. vermitteln wollte.
Die Bibel wurde halt von Menschen geschrieben, von daher enthält sie für mich nicht Botschaften Gottes.
Christliche Tugenden wie beispielsweise Nächstenliebe finde ich richtig gut.
Auch solche Botschaften wie "Wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halte ihm auch die linke hin" interpretiere ich für mich so, dass ich die dahinterstehende Mentalität für bewundernswert halte.
Meine Mutter hat meine Schwester und mich christlich erzogen und hat uns als Kinder recht oft mit in den Gottesdienst genommen.
Sie hat da niemals Druck gemacht.
Auch im Alltag spielten und spielen für sie christliche Grundeinstellungen eine ganz wichtige Rolle.
Diese Werte hat sie an uns weitergegeben.
Irgendwann bin ich nicht mehr in die Kirche gegangen bzw. nur noch alle Schaltjahre mal.
Ich habe davor meist nur gewartet bis die Stunde herum ist und dachte mir solange das so ist, bleibe ich besser ganz weg.
Es wäre schön, wenn es einen Gott und ein Leben nach dem Tod gäbe.
Ich würde mich freuen manchen wieder zu treffen, der nicht mehr da ist.
Wahrscheinlich würde ich ihr oder ihm dann versuchen zu erklären, warum ich nicht so viel Zeit mit ihm verbracht habe und warum es so selten einen intensiveren Gedankenaustausch gab.
So langsam spüre ich - ich nenne es mal spirituelle Bedürfnisse - in mir aufkommen.
Ob ich mich denen aber wirklich eines Tages intensiver zuwende, da bin ich mir nicht gerade sicher.

su.pa 27.12.2018 20:33

Zitat:

Zitat von ThomasG (Beitrag 1427556)
So langsam spüre ich - ich nenne es mal spirituelle Bedürfnisse - in mir aufkommen.
Ob ich mich denen aber wirklich eines Tages intensiver zuwende, da bin ich mir nicht gerade sicher.

Geh raus in den Wald, dann wird das wieder :Lachen2:
Im Ernst, ich hab gelesen, dass Menschen, die sich viel in der Natur aufhalten ein geringeres Bedürfnis haben, dass sie sich religiösen Riten anschließen.

Genaus so geht es mir. Ich bin Mo bis Fr von früh bis spät in der Arbeit. Da gibt es mir mehr, wenn ich am WE durch die Natur streifen kann, als wenn ich in eine Kirche gehe.

ThomasG 27.12.2018 20:58

Zitat:

Zitat von su.pa (Beitrag 1427557)
Geh raus in den Wald, dann wird das wieder :Lachen2:
Im Ernst, ich hab gelesen, dass Menschen, die sich viel in der Natur aufhalten ein geringeres Bedürfnis haben, dass sie sich religiösen Riten anschließen.

Genaus so geht es mir. Ich bin Mo bis Fr von früh bis spät in der Arbeit. Da gibt es mir mehr, wenn ich am WE durch die Natur streifen kann, als wenn ich in eine Kirche gehe.

Obwohl ich unglaublich viel Sport mache, halte ich mich nicht so wahnsinnig oft in der Natur auf.
Tja - die gibt es ja fast gar nicht mehr.
Beim Sport treibt mich auch fast immer der Drang an bestimmte messbare Werte zu erreichen oder zu überbieten.
So richtig den Augenblick genießen ist dabei bei mir eigentlich die große Ausnahme.
"Die ürsprüngliche Gefühl, was wir in uns tragen, ist der Kampf!" hieß es mal in einem Lied zu einem Sketch von Hape Kerkeling.*
Ich kämpfe sehr viel, aber wenigstens fast nur mit mir selber, sonst bin ich sehr harmoniebedürftig und friedfertig.
Im Gegensatz zu einigen in meiner Familie habe ich mich zum einem Einzelgänger entwickelt - soll heißen ich verbringe sehr viel Zeit mit mir selber und mache dann das, was ich machen möchte und zwar so, wie ich es am besten kann.
Andere haben eine eigene Familie und Mitmenschen spielen in ihrem Alltag eine zeitlich viel bedeutendere Rolle, als das bei mir der Fall ist.
Als Kind war meine Schwester ein bisschen anders als sie heute ist, d.h. vielleicht stimmt das gar nicht, sie hat heutzutage einfach viel mehr gute Gelegenheiten es auszuleben.
Ich bewundere, wie sie sich um andere kümmert, wenn die ihr was bedeuten und sie spürt, dass sie da sehr helfen kann.
In die Kirche rennen will ich nicht unbedingt, aber wenn ich regelmäßig eine Stunde in der Woche Menschen gäbe, die sehr davon profitieren würden, wenn ich das machen würde, dann fände ich das gut.
https://www.youtube.com/watch?v=RAx0P-8n5K4*
https://www.youtube.com/watch?v=7ScutqWLjP8

ThomasG 27.12.2018 21:27

In den 1990ern habe ich recht oft den Worten von Eugen Drewermann gelauscht und sie haben mich fasziniert.
Er war damals relativ oft in Talkshows zu Gast.
Hier eine Predigt von ihm zum Thema Jesus von Nazareth und die Botschaft des Friedens:

"Der Psychoanalytiker, Schriftsteller, Theologe und suspendierte katholische Priester Eugen Drewermann geht in einem seiner zahlreichen Vorträge der Frage nach Frieden nach. Dazu gehört auch, wie die "Entschuldung" des Menschen in der Botschaft von Jesus die Strukturen des gegenwärtigen Geld- und Wirtschaftssystems verändern - und wie eine Pädagogik des Friedens für die Kinder aussehen könnte. "Durch Jesus von Nazareth haben Menschen die Hemmnisse ihres Lebens überwunden und gelernt, auf Gewalt mit Güte zu antworten, auf das Verbrechen mit Verstehen und auf Hass mit noch vermehrter Liebe."

Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=cRxgYfdaMDI

Klugschnacker 27.12.2018 23:07

Was wir von Jesus aus Nazareth wissen, passt locker auf eine DIN A5 Seite. Die meisten Informationen über Jesus sind Legenden und freie Erfindungen.

Die Auffassung, sich auf den Aspekt der Nächstenliebe zu konzentrieren, stammt aus den 1960er-Jahren und ist damit eine sehr junge Auslegung des Christentums. Diese Nächstenliebe ist zudem keine universale Nächstenliebe. Sie gilt den Glaubensbrüdern, aber keineswegs allen Menschen.

Die Vorstellung einer Hölle, also einer nie endenden Strafe und Qual, geht auf Jesus zurück. Betraft werden nicht nur konkrete Handlungen, sondern auch abweichende Gesinnungen und Gedanken. Das zeigt in meinen Augen einen Widerspruch zum Gebot der Nächstenliebe. Die Vorstellung von Jesus, er sei eine Art Friedensbotschafter, der alle Menschen und Völker verbinden wollte, ist historisch falsch.

Seine Aufforderungen, man möge sich das Auge ausreißen und die Hand abhacken, die einen in Versuchung führen (Mt 5,29-30), ist ein Fanatismus, den heute die meisten psychisch gesunden Menschen ablehnen. Mit anderen Worten: Würde das wirklich einer tun, wären wir total schockiert.

Von dem Wenigen, was wir über Jesus wissen, sollten wir die positiven als auch die negativen Aspekte wahrnehmen.

Klugschnacker 27.12.2018 23:12

Zitat:

Zitat von ThomasG (Beitrag 1427572)
"Durch Jesus von Nazareth haben Menschen die Hemmnisse ihres Lebens überwunden und gelernt, auf Gewalt mit Güte zu antworten, auf das Verbrechen mit Verstehen und auf Hass mit noch vermehrter Liebe."

Wo haben sie das denn gelernt und praktiziert? Wo haben Christen auf Gewalt mit noch vermehrter Liebe geantwortet? Das musst Du mit der Lupe suchen. Drewermann baut hier, wie so oft, gedankliche Luftschlösser, die nicht existieren.
:Blumen:

ThomasG 27.12.2018 23:30

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1427588)
Wo haben sie das denn gelernt und praktiziert? Wo haben Christen auf Gewalt mit noch vermehrter Liebe geantwortet? Das musst Du mit der Lupe suchen. Drewermann baut hier, wie so oft, gedankliche Luftschlösser, die nicht existieren.
:Blumen:

Da hast Du recht, solche Leute muss man echt mit der Lupe suchen.
Ich weiß es nicht, aber ich kann mir gut vorstellen, dass Drewermann selbst sich sehr darum bemüht nicht nur zu "predigen", sondern auch danach zu leben.
Er dürfte auch nicht ganz leicht zu verstehen sein, denn manches, was er sagt, meint er denke ich nicht unbedingt wörtlich, sondern er interpretiert bestimmte Symbole, die beispielsweise in Bibeltextstellen vorkommen.
Er hat sich ja auch sehr intensiv mit der Psychoanalyse beschäftigt.
Da meinte er mal, er hätte irgendwann bemerkt, dass er manchen verzweifelten Menschen alleine mit der Religion oder dem Glauben nicht wirklich helfen kann und die Psychoanalyse wäre da sehr hilfreich.
Der Mann ist auf jeden Fall unglaublich belesen und gebildet.
Man kommt ihm gedanklich kaum hinterher finde ich, wenn man nicht ähnlich viel gelesen hat.
Wahrscheinlich wirkt er auf manche ab und zu etwas theatralisch.
Ich glaube nicht, dass das so ist.
Er ist einfach ganz bei der Sache und wirklich innerlich betroffen meiner Meinung nach.
Das sagt mir aber "nur" mein Bauchgefühl.
Gut - ich nehme an, er ist auch relativ eitel - halt auf seine ganz eigene Weise.
Falls das stimmen sollte, dürfte er darauf nicht so wahnsinnig stolz sein.

Nachtrag:
"Eugen Drewermann: Was mich prägte - Biografische Einsichten | Gespräch mit Peter Jost | VAKUUM"

Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=hW8zhqMm9fQ

ThomasG 28.12.2018 07:30

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1427587)
Die Vorstellung einer Hölle, also einer nie endenden Strafe und Qual, geht auf Jesus zurück. Betraft werden nicht nur konkrete Handlungen, sondern auch abweichende Gesinnungen und Gedanken. Das zeigt in meinen Augen einen Widerspruch zum Gebot der Nächstenliebe. Die Vorstellung von Jesus, er sei eine Art Friedensbotschafter, der alle Menschen und Völker verbinden wollte, ist historisch falsch.

Seine Aufforderungen, man möge sich das Auge ausreißen und die Hand abhacken, die einen in Versuchung führen (Mt 5,29-30), ist ein Fanatismus, den heute die meisten psychisch gesunden Menschen ablehnen. Mit anderen Worten: Würde das wirklich einer tun, wären wir total schockiert.

Von dem Wenigen, was wir über Jesus wissen, sollten wir die positiven als auch die negativen Aspekte wahrnehmen.

Matthäus hat da Worte von Jesus beschrieben, die ganz klar auch in meinen Augen nicht gütig sondern grausam klingen.
Ob es historisch stimmt, dass Jesus das so sagte, kann ich nicht beurteilen.
Ich habe mich nie intensiver mit dem Leben von Jesus auseinadergesetzt.
Bei Dir ist das bestimmt ganz anders und Du bist zu dem Schluß gekommen, dass er sich tatsächlich genau so geäußert hat.
Das wäre dann wie gesagt auch für mich alles andere als eine frohe Botschaft.
Wäre ich ziemlich davon überzeugt, dass diese Aussagen sinngemäß oder gar wörtlich von Jesus stammen, dann wäre mein Bild von ihm erst einmal völlig verändert.
Um seine Botschaft dann weiterhin noch für gut zu erachten, bliebe dann wahrscheinlich nur noch der Ausweg davon auszugehen, dass er nicht wörtlich verstanden werden wollte, sondern Bilder verwendete.
Das Auge soll nicht wirklich ausgerissen werden, sondern das, was es an Signale an den Besitzers sendet, soll anders verarbeitet werden oder so ähnlich.
Es bleibt aber auch dann auch für mich eine grausame Art und Weise sich auszudrücken.

Jörn 29.12.2018 14:26

Zitat:

Zitat von ThomasG (Beitrag 1427598)
Ob es historisch stimmt, dass Jesus das so sagte, kann ich nicht beurteilen.

Aber nehmen wir mal zugunsten des Christentums an, dass wir genau wüssten, was Jesus sagte oder wollte. Was würde daraus folgen?
  • Bedeutet es, dass diese Worte noch immer gelten? Die Welt hat sich verändert. Niemand kann beweisen, dass die Worte für alle Ewigkeiten gemeint waren.
  • Bedeutet es, dass sich die Worte nicht weiter verbessern ließen? Welchen Einwand könnte man mir entgegen halten, wenn ich die Worte auf eine Weise verbesserte, der man heute nicht widersprechen könnte? Etwa, wenn ich die Ächtung der Sklaverei oder die Gleichstellung von Frauen einfügte? Anders gefragt: Wären die Worte von Jesus immer das letzte Wort, selbst dann, wenn wir sie verbessern könnten? Würden wir es absichtlich unterlassen, sie zu verbessern? Würden wir es gar verbieten?

Die Frage nach der Urheberschaft ("was wollte Jesus wirklich?") suggeriert, es würde sich durch die Urheberschaft etwas ändern. Aber was wäre das? Man wäre doch weiterhin darauf angewiesen, alle Normen, Gebote oder Gesetze auf deren Einsichtigkeit und Nützlichkeit zu prüfen, auch dann, wenn sie ursprünglich von Jesus kämen. Was also bringt uns die Frage nach der Urheberschaft?

Das Argument der Urheberschaft zielt darauf ab, die Prüfung der Nützlichkeit zu unterlassen. Aber wer könnte ein Interesse an dieser Unterlassung haben? Es sieht doch sehr danach aus, als würden die Leute auf eine falsche Fährte gelockt. Es sieht danach aus, Normen zu etablieren, die für die Leute nicht nützlich sind (eventuell weil nur eine kleine Priesterkaste davon profitiert).

Nützliche Normen und Gesetze benötigen nicht die Glorie einer bestimmten Urheberschaft. Entweder sind sie nützlich oder nicht. Sie stehen fest auf diesem Fundament, ohne eine göttliche Stütze zu benötigen.

Hingegen: Wo allein mit der Urheberschaft argumentiert wird, da fehlt in der Regel die Nützlichkeit. Daraus folgt: Religiöse Gebote, die allein religiös begründet werden, sind in aller Regel unnütz oder gar schädlich. Denn wenn sie nützlich wären, könnte man sie eben damit begründen.

ThomasG 29.12.2018 18:44

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1427724)
Aber nehmen wir mal zugunsten des Christentums an, dass wir genau wüssten, was Jesus sagte oder wollte. Was würde daraus folgen?
  • Bedeutet es, dass diese Worte noch immer gelten? Die Welt hat sich verändert. Niemand kann beweisen, dass die Worte für alle Ewigkeiten gemeint waren.
  • Bedeutet es, dass sich die Worte nicht weiter verbessern ließen? Welchen Einwand könnte man mir entgegen halten, wenn ich die Worte auf eine Weise verbesserte, der man heute nicht widersprechen könnte? Etwa, wenn ich die Ächtung der Sklaverei oder die Gleichstellung von Frauen einfügte? Anders gefragt: Wären die Worte von Jesus immer das letzte Wort, selbst dann, wenn wir sie verbessern könnten? Würden wir es absichtlich unterlassen, sie zu verbessern? Würden wir es gar verbieten?

Die Frage nach der Urheberschaft ("was wollte Jesus wirklich?") suggeriert, es würde sich durch die Urheberschaft etwas ändern. Aber was wäre das? Man wäre doch weiterhin darauf angewiesen, alle Normen, Gebote oder Gesetze auf deren Einsichtigkeit und Nützlichkeit zu prüfen, auch dann, wenn sie ursprünglich von Jesus kämen. Was also bringt uns die Frage nach der Urheberschaft?

Das Argument der Urheberschaft zielt darauf ab, die Prüfung der Nützlichkeit zu unterlassen. Aber wer könnte ein Interesse an dieser Unterlassung haben? Es sieht doch sehr danach aus, als würden die Leute auf eine falsche Fährte gelockt. Es sieht danach aus, Normen zu etablieren, die für die Leute nicht nützlich sind (eventuell weil nur eine kleine Priesterkaste davon profitiert).

Nützliche Normen und Gesetze benötigen nicht die Glorie einer bestimmten Urheberschaft. Entweder sind sie nützlich oder nicht. Sie stehen fest auf diesem Fundament, ohne eine göttliche Stütze zu benötigen.

Hingegen: Wo allein mit der Urheberschaft argumentiert wird, da fehlt in der Regel die Nützlichkeit. Daraus folgt: Religiöse Gebote, die allein religiös begründet werden, sind in aller Regel unnütz oder gar schädlich. Denn wenn sie nützlich wären, könnte man sie eben damit begründen.

Jörn - Du kannst auf Deine Art - genau wie Arne - unglaublich gut schreiben und ich schätze Euch beide für ganz außergewöhnlich gebildet und intelligent ein.
Ich kann da nicht mithalten, aber dafür kann ich ja nur eingeschränkt etwas, denn Intelligenz ist denke ich auch stark von der Veranlagung geprägt.
Meine Mutter hat wie ich ja bereits erwähnte meiner Schwester und mir christliche Tugenden mit auf den Weg gegeben.
Sie konnte und kann das überzeugend herüberbringen z.B. auch durch ihre Austrahlung und wie sie mit Menschen umgeht und redet u.ä..
Dabei ist sie wie auch ich natürlich kein Engel.
Manches habe ich von ihr z.B. auch die Tatsache, dass ich von meinem Grundwesen her nicht gerade der bin, der sein eigenes Leben immer in die Hand nimmt und sich nicht einfach mit gewissen Umständen auch aus Bequemlichkeit (aber auch aufgrund eines zu geringen Selbstbewusstseins wahrscheinlich) mehr oder weniger abfindet.
Meine Mutter war ziemlich jung (20 Jahre alt) als wir kurz nacheinander (ich bin 14 Monate älter als meine Schwester) auf die Welt kamen.
Ihr Leben war u.a. dadurch stark limitiert.
Das Familienleben war ganz und gar nicht einfach.
Auf ihre Art hat sie versucht uns Kindern ein schönes Leben zu machen.
Sie hat ziemlich viel mit uns unternommen z.B..
Jetzt bin ich ziemlich abgeschwiffen, aber das erklärt vielleicht, warum mir Tugenden, die ich als christlich empfinde, einfach richtig gut finde.
Für uns war selbstverständlich, dass man andere kein Leid zufügt.
Es war auch selbstverständlich sich gegenseitig zu helfen und beizustehen.
Gab es Streit untereinander, ging es nicht darum den Schuldigen auszumachen, sondern darum wieder den Frieden herzustellen und einander besser zu verstehen, damit das nicht so schnell wieder vorkommt.
Dahinter stehen für mich christliche Werte.
Das Wort Nützlichkeit in dem Zusammenhang wie Du es getan hast, würde ich von mir aus wohl eher nicht gebrauchen, weil es mir etwas zu nüchtern erscheint.
Ich wollte es nur kurz erwähnt haben.
Im Grunde ist es ziemlich unwichtig.
Handlungsanweisungen, Regeln, Gebote, Gesetze oder was ich wie man das noch nennen könnte, kann ich für mich annehmen, wenn ich sie einfach gut finde z.B. weil sie das Ziel haben die "Welt" humanistischer zu machen.
Ich kenne mich damit nicht großartig aus, aber ich denke Humanismus und christliche Wertvorstellungen passen schon ganz gut zusammen.
Zu den christlichen Wertvorstellungen gehört für mich ganz und gar nicht dazu nicht akzeptieren zu können, dass es eben Menschen gibt, die sich zum gleichen Geschlecht so stark hingezogen fühlen, dass entsprechende Partnerschaften eingegangen werden (nur um ein Beispiel zu nennen).
Das lehne ich ganz und gar ab.
Das ist für mich ganz und gar nicht das, was Jesus wollte.
Er hat sich ja eben nicht von Menschen abgewandt, die andere scharf verurteilt haben.
Nein!
Über jeden reuigen Sünder hat er sich gefreut.
Es gibt Geschichten wie die des verlorenen Sohnes.
Die Botschaft dahinter finde ich großartig :-).
Ich verstehe durchaus, dass es sehr hart sein kann, wenn man immer ein vorbildlicher Sohn war und auf einmal kommt der Bruder daher, der alles andere als ein vorbildlicher Sohn war und zeigt Reue und der Vater widmet sich ihm ganz besonders.
Das kann hart sein.
Man sollte sich so verhalten wie man es tut, weil man das persönlich gut und richtig findet und nicht, weil man damit die Gunst eines anderen gewinnen möchte.
Wenn man das beherzigt, kann es nicht so furchbar weh tun, wenn der verlorene Sohn mal ein Weilchen mehr im Mittelpunkt stehen sollte als man selbst.
Das gibt sich ja auch schon wieder.
Jetzt bin ich schon wieder sehr weit von Deinen Worten abgekommen.
Ich wollte damit ausdrücken, dass ich Gebote - von wem auch immer - nicht für mich annehmen würde, wenn mir mein Verstand, meine Lebenserfahrung und mei Gefühl nicht sagen, dass sie einfach gut sind, indem Sinne, dass die "Welt" für möglichst viele zu einem schöneren und angenehmeren Ort wird, wenn man sie beherzigt.
Ich hätte vielleicht auch einfacher statt der vielen Worte das Wort "Nützlichkeit" verwenden können, aber es wirkt wie gesagt auf mich irgendwie zu nüchtern.

Ui - jetzt muss ich aber doch so langsam mal einkaufen gehen.

Ich hoffe Du und andere können mit meinen wahrscheinlich für einige etwas wirr und durcheinader daherkommenden Geschreibsel was anfangen.
So bin ich halt (auch) ;-)!


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