Während meiner Berufszeit betreute ich an einer Familienberatungsstelle in Berlin auch Flüchtlingsfamilien aus vielen Kriegsgebieten der Welt (Afrika, Palästina, ehemaliges Jugoslawien, Tschetschenien, Irak, Iran, Vietnam, Kambodscha, Afghanistan), weil Kinder wegen Einnässens, posttraumatischen Belastungsstörungen etc. psychologisch-therapeutisch behandelt werden mussten incl. Beratung der Eltern. Gerade die Kinder lernten über die Kita und Schulen recht schnell deutsch und übernahmen oft die Rolle des Sprachmittlers, weil nicht genug bezahlte Dolmetscher zur Verfügung standen. Die Kinder passten sich in der Schule an deutsche Gewohnheiten an, die Jungs trugen gerne mal Trikots von hiesigen Bundesligavereinen. Die meisten Familien lebten in für deutsche Normen extrem beengten Verhältnissen in den Unterkünften oder, falls sie sehr viel Glück hatten, in kleinen Wohnungen, was sich alle ersehnten. Für die Eltern gab es kaum Privatheit in der Unterkunftsräumlichkeit, für die Kinder keinen ruhigen Platz für Schulaufgaben zuhause. Die finanziellen Mittel der Familie reichten nach meinem Verständnis gerade zum Überleben. Die sehr beengten Wohnverhältnisse stellten einen zusätzlichen Belastungsfaktor dar. Den Eltern war gerade die Schulbildung ihrer Kinder in DE sehr wichtig und entscheidend. In der Sozialhierarchie waren die Flüchtlingskinder in der Grundschule die Ärmsten.
Die ungesicherte Zukunft hing wie ein Damoklesschwert über den Familien.
Wieviele davon wieder gegen ihren Willen ins Heimatland zurück mussten, weiss ich nicht komplett. Einige "Fälle" hingen von Gerichtsentscheidungen ab oder sogar von Härtefallentscheidungen einer Senatskommission. Über manche Kinder, deren Familie ausgewiesen werden sollte, verfasste ich Gutachten im Auftrag von Gerichten, weil sie eine psychotherapeutische Behandlung benötigten, die sie im Heimatland nicht erhalten können. Die zweite, oberste Instanz liess dann jeweils noch ein Zweitgutachten bei der Uniklinik anfertigen.
Generell bin ich aufgrund meiner Erfahrungen der Ansicht, aus humanitären Gründen sollte man Familien mit Kindern aus Kriegsgebieten mit anerkanntem Asyl nicht mehr zur Ausreise zwingen. Nur auf freiwilliger Basis. Für die Kinder ist das Heimtland unbekannter wie DE geworden und sie reisen in eine ungesicherte Zukunft mit existentiellen Bedrohungen und schlechter Ausbildung. Grausame Entscheidungen, die ich persönlich nie treffen, anordnen würde.
Die Anzahl alleinstehender männlicher Flüchtlinge in DE wäre übrigens etwas kleiner, hätte man den Familiennachzug wie vor der Begrenzung des Familiennachzuges gehandhabt. Ich sah im TV mal eine Doku über den Grenzfluss zwischen Griechenland / Türkei, wo offenbar syrische Flüchtlinge aus DE mit Schlepperbooten von Griechenland in die Türkei übersetzen, weil sie dort mit ihrer Familie zusammen leben können im Unterschied zu DE.
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