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keko# 26.07.2023 10:15

Zitat:

Zitat von deralexxx (Beitrag 1716773)
...

Ich hab mir gestern mal Strg+F über Privatjets und co angeschaut: https://www.youtube.com/watch?v=MbJOQsK42iE

Überraschend ehrlich manche die da vor die Kamera gehen, dass es sie nicht interessiert und oder das sie nicht wissen, wieviel mehr Schaden so ein Privatjet verglichen mit einem Linienflug verursacht.

...

Sie haben es sich doch verdient, da sie mehr leisten, als z.B. ein Lehrer, hörte ich einen Jungen sagen.
Ein paar Stunden mit Privatjet entspricht dem Jahresdurchschnittverbrauch von Hinz&Kunz.
Der Verbrauch der Wohlhabenden müsste politisch reguliert werden, ansonsten sparen wir kräftig weiter und oben wird aus dem Vollen geschöpft. "Spar du, du Depp!" ;-)
Eine entsprechende Anfrage an die FDP und Grünen verlief praktisch im Sand. Thema ist das in der Öffentlichkeit auch kaum.

Schöner Link, danke! :Blumen:

Klugschnacker 26.07.2023 11:25

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1716884)
"Können" und "in Zukunft" sind die Schlüsselworte - ohne Kristallkugel alles Spekulation.

Das Bundesverfassungsgericht legt bezüglich der wissenschaftlichen Unsicherheiten folgendes fest:

Zitat:

Zitat von BVerfG
Besteht wissenschaftliche Ungewissheit über umweltrelevante Ursachenzusammenhänge, schließt die durch Art. 20a GG dem Gesetzgeber auch zugunsten künftiger Generationen aufgegebene besondere Sorgfaltspflicht ein, bereits belastbare Hinweise auf die Möglichkeit gravierender oder irreversibler Beeinträchtigungen zu berücksichtigen.

Mit anderen Worten: Der Gesetzgeber ist zum Schutz künftiger Generationen verpflichtet. Gibt es belastbare Hinweise auf die Möglichkeit gravierender oder irreversibler Beeinträchtigungen, sind diese zu berücksichtigen.

Es braucht also keine Gewissheiten, sondern lediglich belastbare Hinweise auf die Möglichkeit entweder gravierender oder irreversibler Beeinträchtigungen der Umwelt kommender Generationen.

TriVet 26.07.2023 11:54

Ich bewundere deine Geduld und Sachlichkeit, Arne.
Leider fürchte ich, dass jemand, der nicht will (evtl. sogar unterbewusst) und/oder nicht kann (intellektuell) deinen wohlgesetzten Worten nicht folgen wird.
Daher hat das imho den gleichen Effekt wie einen Ochsen ins Horn zu kneifen und wir drehen uns im Kreis.

Feanor 26.07.2023 12:40

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1716891)
Das Bundesverfassungsgericht legt bezüglich der wissenschaftlichen Unsicherheiten folgendes fest:



Mit anderen Worten: Der Gesetzgeber ist zum Schutz künftiger Generationen verpflichtet. Gibt es belastbare Hinweise auf die Möglichkeit gravierender oder irreversibler Beeinträchtigungen, sind diese zu berücksichtigen.

Es braucht also keine Gewissheiten, sondern lediglich belastbare Hinweise auf die Möglichkeit entweder gravierender oder irreversibler Beeinträchtigungen der Umwelt kommender Generationen.

Ich nehme mal Schwarzfahrers Antwort vorweg:
Man müsste belastbar definieren, schließlich gibt es auch andere Meinungen.
Wer definiert denn gravierend? Und was ist schon irreversibel, wir wissen doch gar nicht was genau passieren wird.
Da steht "berücksichtigen", nicht dass wir sie über allem anderen stellen müssen, insbesondere nicht über die Einschränkung von Freiheitsrechten.

Arne, ich bewundere auch Deine Geduld und Deine Sachlichkeit. Aber Du kannst mit Geduld, Fakten etc. kommen, aber es wird alles abperlen.

El Stupido 26.07.2023 13:57

Zitat:

Die Hitzewellen in den USA, in Europa und in China sprengen jegliche Rekorde: Laut NASA ist der Juli der wahrscheinlich heißeste Monat seit Jahrhunderten. 2023 könnte demnach das heißeste Jahr werden.(...)


Der Bericht ist schnell gelesen und leicht verständlich.

Flat-Earther*innen werden vermutlich aber die NASA als Teil der weltweiten Verschwörung anssehen und als unwiderlegbaren Beleg für ihre Thesen die aktuellen 20°C zu Hause statt sonst im deutschen Sommer üblicher 32°C aufführen.

Schwarzfahrer 26.07.2023 14:18

- Klimaschutz hat nach Art. 20 keinen absoluten Vorrang vor anderen Verfassungsgütern, auch Art. 20 hat keinen unbedingten Vorrang gegenüber anderen Belangen, sondern ist in Ausgleich zu bringen; in der Abwägung wird in Zukunft das Gewicht des Klimaschutzgebots relativ zunehmen (ohne Quantifizierung - entspricht dem, wie ich es auch sehe)

- Klimaschutzgebot fordert trotzdem, daß auch heute unzumutbare Freiheitseinschränkungen hinzunehmen seien (warum das so sein soll, wann und unter welchen Bedingungen, ist aus dem Zitat nicht erkenntlich; dieser Punkt überzeugt mich gar nicht und steht im Widerspruch zu den anderen Aussagen)

- Überschreitung der ... Temperaturschwelle (wie und für wo auch immer definiert) ist "unter engen Voraussetzungen", z.B. zum Schutz von Grundrechten möglich und zu rechtfertigen (damit ist ein Schutz aller Grundrechte gewahrt, entspricht meinem Verständnis, widerspricht aber dem vorherigen Absatz etwas)

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1716887)
Dieses Statement zeigt erneut Deine Unkenntnis in diesem Thema. Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich festgestellt, dass Deutschland nicht allein die Klimaziele erreichen kann. Das geht nur in Form von internationalen Bündnissen wie dem Pariser Abkommen. Dessen Ziele sind für uns verbindlich.

Natürlich geht das nicht allein. Der Methodiker in mir sagt aber, dann muß eine saubere Zielformulierung auch dieser Tatsache Rechnung tragen. Ziele, die ich allein aus eigener Kraft nicht erfüllen kann, sind keine sinnvollen Ziele für mich. Ich kann nicht als persönliches Jahresziel angeben: unser Verein soll Liga-Sieger werden. Das ist ein Ziel für den Verein, für mich nur Hoffnung. Meine (Teil)Ziele müssen sich an meinen Möglichkeiten orientieren, z.B. min. 5 mal in der Ligamannschaft mitmachen, min. x Plätze unter den Top 10 oder Podium, was weiß ich. Entsprechend mag man als Ziel "Klimaneutralität" für Deutschland setzen (egal ob realistisch, und ob dann importierter Kohlestrom erlaubt ist, etc.), aber nicht max. xy °C globale Erwärmung, das ist Unfug.

Schwarzfahrer 26.07.2023 14:23

Zitat:

Zitat von TriVet (Beitrag 1716893)
Ich bewundere deine Geduld und Sachlichkeit, Arne.

Ja, die Sachlichkeit ist eines der Punkte, die Arne hier gegenüber manchen anderen auszeichnet :Blumen: , und die ein zivilisiertes Gespräch weiterhin ermöglicht.
Zitat:

Zitat von TriVet (Beitrag 1716893)
Leider fürchte ich, dass jemand, der nicht will (evtl. sogar unterbewusst) und/oder nicht kann (intellektuell) deinen wohlgesetzten Worten nicht folgen wird.

Danke für die freundliche Einschätzung meiner intellektuellen Fähigkeiten. Überlassen wir es jedem Leser selbst, wer wessen Gedanken oder Argumenten folgen kann oder mag. Ich unterstelle zumindest keinem, der meinen Argumenten nicht folgt, intellektuelle Defizite.

Zitat:

Zitat von Feanor (Beitrag 1716894)
Ich nehme mal Schwarzfahrers Antwort vorweg:...

Danke, aber das sind nicht meine Punkte in dieser Diskussion. Es geht vor allem darum, daß die Argumentation von Arne über die überwiegende Gewichtung des Klimaschutzes über allen anderen Grundrechten aus dem Urteil nicht belegbar abzuleiten ist, höchstens als individuelle Interpretation. Er hat mich aufgefordert, mich damit auseinanderzusetzen, und ich kann seine Interpretationen darin nur zum Teil wiederfinden; er konnte mir dafür bisher kein Zitat finden, das mich überzeugt (s. Post oben).

Adept 26.07.2023 15:06

Ist es nicht völlig sinnlos, sich bei diesem Thema wieder die Köpfe einzuschlagen???

Hier unterhalten sich Laien über ein hochkomplexes Thema und jeder denkt, er weiss wie es geht. Irgendwie ähnlich wie Corona. Und da hat sich hinterher auch rausgestellt, dass viele klare Vorhersagen völlig falsch waren, auch von Experten.

Zudem wird sich erstmal nichts ändern, weil das Thema nicht so einfach ist zu verstehen, die Zukunft schwer verhersehbar und die Auswirkungen noch nicht stark signifikant sind.

Das einzig Sinnvolle, was ich hier sehe, ist die Rechtfertigung seiner eigenen Lebensweise, dadurch weil andere mehr Dreck machen und/oder ich meinen Beitrag irgendwo leiste. Wenn sich dadurch jeder etwas besser fühlt, fair enough, aber man muss andere nicht verunglimpfen.

qbz 26.07.2023 15:29

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1716901)
Danke, aber das sind nicht meine Punkte in dieser Diskussion. Es geht vor allem darum, daß die Argumentation von Arne über die überwiegende Gewichtung des Klimaschutzes über allen anderen Grundrechten aus dem Urteil nicht belegbar abzuleiten ist, höchstens als individuelle Interpretation. Er hat mich aufgefordert, mich damit auseinanderzusetzen, und ich kann seine Interpretationen darin nur zum Teil wiederfinden; er konnte mir dafür bisher kein Zitat finden, das mich überzeugt (s. Post oben).

Ich möchte auf den Ausgangspunkt Eurer Diskussion aufmerksam machen. Der besteht in der Frage, ob das Grundgesetz die Regierung und die Politik verpflichtet, erstens jetzt für CO2-Emissionsionsminderung zu sorgen und diese nicht unverhältnismässig den späteren Generationen überlassen darf und zweitens dass der Umfang dieser Emissionsminderungen bis zur anvisierten "Klimaneutralität" zeitlich gerecht zu verteilen ist und drittens für die Redukttionsverteilung ein in CO2-Angaben konkretisierter Plan bis zur Klmaneutraliät vorliegen muss. Alle 3 Fragen sind eindeutig mit Ja zu beantworten. Das Bundesverfassungsgericht selbst hat in seinen zusammenfassenden Leitsätzen zum Urteil dies gerade für die Politik expressis verbis klar ausformuliert bzw. die verbindliche Interpretation zu ihrem Urteil für alle selbst erstellt.

Zitat:

4. Das Grundgesetz verpflichtet unter bestimmten Voraussetzungen zur Sicherung grundrechtsgeschützter Freiheit über die Zeit und zur verhältnismäßigen Verteilung von Freiheitschancen über die Generationen. Subjektivrechtlich schützen die Grundrechte als intertemporale Freiheitssicherung vor einer einseitigen Verlagerung der durch Art. 20a GG aufgegebenen Treibhausgasminderungslast in die Zukunft. Auch der objektivrechtliche Schutzauftrag des Art. 20a GG schließt die Notwendigkeit ein, mit den natürlichen Lebensgrundlagen so sorgsam umzugehen und sie der Nachwelt in solchem Zustand zu hinterlassen, dass nachfolgende Generationen diese nicht nur um den Preis radikaler eigener Enthaltsamkeit weiter bewahren könnten.

Die Schonung künftiger Freiheit verlangt auch, den Übergang zu Klimaneutralität rechtzeitig einzuleiten. Konkret erfordert dies, dass frühzeitig transparente Maßgaben für die weitere Ausgestaltung der Treibhausgasreduktion formuliert werden, die für die erforderlichen Entwicklungs- und Umsetzungsprozesse Orientierung bieten und diesen ein hinreichendes Maß an Entwicklungsdruck und Planungssicherheit vermitteln.
Bundesverfassungsgericht: Leitsätze zum Beschluss des Ersten Senats vom 24. März 2021.

sabine-g 26.07.2023 15:30

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1716910)
Ich möchte auf den Ausgangspunkt Eurer Diskussion aufmerksam machen. Der besteht in der Frage, ob das Grundgesetz die Regierung und die Politik verpflichtet, erstens jetzt für CO2-Emissionsionsminderung zu sorgen und diese nicht den späteren Generationen überlassen darf und zweitens dass der Umfang dieser Emissionsminderungen bis zur anvisierten "Klimaneutralität" zeitlich gerecht zu verteilen ist und drittens dafür ein mit CO2-Angaben konkretisierter Plan bis zur Klmaneutraliät vorliegen muss. Alle 3 Fragen sind eindeutig mit Ja zu beantworten. Das Bundesverfassungsgericht selbst hat in seinen Leitsätzen dies gerade für die Politik expressis verbis ausformuliert.


https://www.bundesverfassungsgericht...bvr265618.html

Klasse ! Vielen Dank. :liebe053:

anlot 26.07.2023 15:35

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1716910)
Ich möchte auf den Ausgangspunkt Eurer Diskussion aufmerksam machen. Der besteht in der Frage, ob das Grundgesetz die Regierung und die Politik verpflichtet, erstens jetzt für CO2-Emissionsionsminderung zu sorgen und diese nicht den späteren Generationen überlassen darf und zweitens dass der Umfang dieser Emissionsminderungen bis zur anvisierten "Klimaneutralität" zeitlich gerecht zu verteilen ist und drittens dafür ein mit CO2-Angaben konkretisierter Plan bis zur Klmaneutraliät vorliegen muss. Alle 3 Fragen sind eindeutig mit Ja zu beantworten. Das Bundesverfassungsgericht selbst hat in seinen zusammenfassenden Leitsätzen zum Urteil dies gerade für die Politik expressis verbis klar ausformuliert bzw. die verbindliche Interpretation zu ihrem Urteil für alle selbst erstellt.


Bundesverfassungsgericht: Leitsätze zum Beschluss des Ersten Senats vom 24. März 2021.


Und was, wenn dies in der verbleibenden Zeit nicht gelingt?

merz 26.07.2023 15:50

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1716900)
-(...)

Natürlich geht das nicht allein. Der Methodiker in mir sagt aber, dann muß eine saubere Zielformulierung auch dieser Tatsache Rechnung tragen. Ziele, die ich allein aus eigener Kraft nicht erfüllen kann, sind keine sinnvollen Ziele für mich.(...) Entsprechend mag man als Ziel "Klimaneutralität" für Deutschland setzen (egal ob realistisch, und ob dann importierter Kohlestrom erlaubt ist, etc.), aber nicht max. xy °C globale Erwärmung, das ist Unfug.

aber das st doch festgelegt? Das Pariser Abkommen von 2015 legt als globales Ziel die Einschränkung der globalen Erwärmung auf 1,5 C fest. Die einschlägigen Modell quantifizieren den verfügbaren Spielraum für Emission von Treibhausgasen (Spoiler: wir haben fast alles verbraucht) und von dort leitet sich die zeitliche Vorgabe bis zur Klimaneutralität ab. Die muss - weil wir Jahrzehnte nichts getan haben - in der nahen Zukunft erreicht sein.

m.

qbz 26.07.2023 15:54

Zitat:

Zitat von anlot (Beitrag 1716912)
Und was, wenn dies in der verbleibenden Zeit nicht gelingt?

Sofort Erbschaftssteuer ab 1 Million auf 95 % und für Klimaschutz verwenden. :)

Dann wird wieder von Neuem über die internationalen und nationalen Klimaschutz-Zielmarken sowie die Verteilungsfragen gestritten werden und die künftige Generation entscheidet angesichts der Technik-, Klima- und Wetterlagen, ob sie primär aufschiebende, generationenübergreifende Verteilungsplanung oder akute Notfall(interventions)hilfe betreibt.

merz 26.07.2023 16:01

Zitat:

Zitat von anlot (Beitrag 1716912)
Und was, wenn dies in der verbleibenden Zeit nicht gelingt?

rein technisch, rechtlich, politisch jetzt?

Welche Hebel hat das Verfassungsgericht, wenn die Politik nicht liefert? K.A.

Was mich wenig optimistisch stimmt ist eine im Vergleich dazu mikroskopisch kleine Sache: das Urteil zur Reform der Grundsteuer erging 2018, Umsetzung "läuft" :(

m.

Helmut S 26.07.2023 16:26

Zitat:

Zitat von merz (Beitrag 1716916)
Welche Hebel hat das Verfassungsgericht, wenn die Politik nicht liefert? K.A.

Da gibt es schon Möglichkeiten - jedoch nur aufgrund einer Klage (Opposition, Umweltverbände, ...) gegen etwas Konkretes. Das BVerfG wird nicht von sich aus aktiv. Am Ende könnte das BVerfG sogar temporäre Regelungen erlassen, die gelten, bis der Gesetzgeber selbst Regelungen erlässt. Das ganze Spiel dauert ewig und es ist ein hin- und her. Is wie beim Schach: Spiel verloren aufgrund Zeit Überschreitung - da is es egal wie gut du stehst.

:Blumen:

Helmut S 26.07.2023 16:29

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1716915)
Sofort Erbschaftssteuer ab 1 Million auf 95 % und für Klimaschutz verwenden. :)

Geht m.E. am Ziel vorbei. Es fehlt doch weder an Ideen, Möglichkeiten noch an Geld. Es fehlt an Umsetzung aus allerlei Gründen. Hauptsächlich aus Egoistischen i.W.S.

:Blumen:

Schwarzfahrer 26.07.2023 16:30

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1716910)
Ich möchte auf den Ausgangspunkt Eurer Diskussion aufmerksam machen. Der besteht in der Frage, ob das Grundgesetz die Regierung und die Politik verpflichtet, erstens jetzt für CO2-Emissionsionsminderung zu sorgen und diese nicht unverhältnismässig den späteren Generationen überlassen darf und zweitens dass der Umfang dieser Emissionsminderungen bis zur anvisierten "Klimaneutralität" zeitlich gerecht zu verteilen ist und drittens für die Redukttionsverteilung ein in CO2-Angaben konkretisierter Plan bis zur Klmaneutraliät vorliegen muss. Alle 3 Fragen sind eindeutig mit Ja zu beantworten.

Ja zu was Du schreibst, aber das ist nur die Hälfte. Die Diskussion geht darum, daß Arne nach meinem Eindruck aus der hier gestellten Forderung nach einem konkretisierten Plan und Emissionsreduktion eine absolute und nicht anzweifelbare Priorität über andere Anliegen, Ziele und Grundrechte ableitet, wie auch einen quantifizierten Erfolgszwang in der Umsetzung. Ich bezweifle hingegen, daß dies die alleinige Interpretation des Urteils sein kann, und sehe auch keine Hinweise im Text dafür. Das wird aus Arnes Zitat in Post 11398 erkennbar, in dem das Verfassungsgericht sehr wohl auf die Pflicht zum Abwägen verschiedener Rechtsgüter und auf die mögliche Priorisierung von Grundrechten vor einem Klimaziel in °C hinweist. S. auch Post 11460.

TriVet 26.07.2023 16:48

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1716901)
Danke für die freundliche Einschätzung meiner intellektuellen Fähigkeiten.

Woraus schließt Du, dass explizit Du gemeint warst?
Aber wenn dir der Schuh passt, darfst Du ihn gerne anbehalten.

qbz 26.07.2023 18:39

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1716920)
Ja zu was Du schreibst, aber das ist nur die Hälfte. Die Diskussion geht darum, daß Arne nach meinem Eindruck aus der hier gestellten Forderung nach einem konkretisierten Plan und Emissionsreduktion eine absolute und nicht anzweifelbare Priorität über andere Anliegen, Ziele und Grundrechte ableitet, wie auch einen quantifizierten Erfolgszwang in der Umsetzung. Ich bezweifle hingegen, daß dies die alleinige Interpretation des Urteils sein kann, und sehe auch keine Hinweise im Text dafür. Das wird aus Arnes Zitat in Post 11398 erkennbar, in dem das Verfassungsgericht sehr wohl auf die Pflicht zum Abwägen verschiedener Rechtsgüter und auf die mögliche Priorisierung von Grundrechten vor einem Klimaziel in °C hinweist. S. auch Post 11460.

Das BVG formuliert, wie Arne es geschrieben hat, eine grundgesetzliche Pflicht an den Staat, transparente, konkrete CO-2 Reduktionsziele und -schritte bis zur Klimaneutralität zu erreichen, um die Freiheit der künftigen Generationen zu schützen, was sich auf Art. 2 bezieht, den Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit. Würden dabei mit einzelnen CO2-Reduktionsgesetzen andere Grundrechte verletzt, muss halt das BVG zu dem Einzelfall konkret Stellung nehmen. Ein Verfassungsrechtler könnte uns sicher auch jetzt abstrakt die Wertehierachie des GG erläutern und eventuelle Konflikte "konstruieren". :)

Adept 26.07.2023 19:38

Zitat:

Zitat von TriVet (Beitrag 1716893)
Ich bewundere deine Geduld und Sachlichkeit, Arne.
Leider fürchte ich, dass jemand, der nicht will (evtl. sogar unterbewusst) und/oder nicht kann (intellektuell) deinen wohlgesetzten Worten nicht folgen wird.
Daher hat das imho den gleichen Effekt wie einen Ochsen ins Horn zu kneifen und wir drehen uns im Kreis.

Zitat:

Zitat von TriVet (Beitrag 1716921)
Woraus schließt Du, dass explizit Du gemeint warst?
Aber wenn dir der Schuh passt, darfst Du ihn gerne anbehalten.

Ok, wen hast du denn damit konkret gemeint?

Ich habe ja schon dazu geschrieben, dass es total sinnlos ist, sich die Köpfe hier einzuschlagen. War schon bei Corona so und am Schluss kam raus, dass das alles nicht so klar war. Also, lieber mal zurückhalten, was hier die einzige Wahrheit ist, und jedem mal seinen Blick auf die Sache lassen.

sybenwurz 26.07.2023 21:54

Zitat:

Zitat von Adept (Beitrag 1716926)
War schon bei Corona so und am Schluss kam raus, dass das alles nicht so klar war.

Jou, da konnt man mit Menschenleben pokern, ob man lieber auf Nummer sicher geht oder volles Risiko und alles dazwischen, hier weiss man seit Jahrzehnten bescheid und die Wissenschaft ist sich einig.
Merkste vielleicht selber, dass nicht alles, was hinkt, ein Vergleich ist.

Adept 26.07.2023 22:01

Zitat:

Zitat von sybenwurz (Beitrag 1716938)
Jou, da konnt man mit Menschenleben pokern, ob man lieber auf Nummer sicher geht oder volles Risiko und alles dazwischen, hier weiss man seit Jahrzehnten bescheid und die Wissenschaft ist sich einig.
Merkste vielleicht selber, dass nicht alles, was hinkt, ein Vergleich ist.

Genau, die Wissenschaft ist sich völlig einig. :Huhu:

Also, Diskussion völlig überflüssig. Weitermachen! ;)

Klugschnacker 26.07.2023 22:55

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1716920)
Die Diskussion geht darum, daß Arne nach meinem Eindruck aus der hier gestellten Forderung nach einem konkretisierten Plan und Emissionsreduktion eine absolute und nicht anzweifelbare Priorität über andere Anliegen, Ziele und Grundrechte ableitet, wie auch einen quantifizierten Erfolgszwang in der Umsetzung.

Ich bezweifle hingegen, daß dies die alleinige Interpretation des Urteils sein kann, und sehe auch keine Hinweise im Text dafür.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Frage nach künftigen Einschränkungen von Grundrechten zugunsten des Klimaschutzes ausführlich behandelt und explizit beantwortet.

Kurz gefasst geht es um die Verhältnismäßigkeit von Klimaschutzmaßnahmen, wenn diese Maßnahmen Einschränkungen anderer Grundrechte und Staatsziele zur Folge haben.

Das Gericht argumentiert, dass in Zukunft selbst gravierende Klimaschutzmaßnahmen, welche andere Grundrechte erheblich einschränken, verhältnismäßig sein könnten (Absatz 192, 193, 194):

Zitat:

Zitat von BVerfG
... können selbst gravierende Freiheitseinbußen künftig zum Schutz des Klimas verhältnismäßig und gerechtfertigt sein; gerade aus dieser künftigen Rechtfertigbarkeit droht ja die Gefahr, erhebliche Freiheitseinbußen hinnehmen zu müssen.

Weil die Weichen für künftige Freiheitsbelastungen aber bereits durch die aktuelle Regelung zulässiger Emissionsmengen gestellt werden, muss deren Auswirkung auf künftige Freiheit aus heutiger Sicht und zum jetzigen Zeitpunkt – in dem die Weichen noch umgestellt werden können – verhältnismäßig sein.


Klugschnacker 27.07.2023 08:10

Professor Stefan Rahmstorf schreibt im Spiegel:
Steht der Nordatlantik vor dem Kipppunkt?
Dies ist kein Alarmismus, sondern alarmierend: Die Atlantische Umwälzströmung sorgt für den Austausch warmer und kalter Wassermassen im Ozean und könnte bis 2050 versiegen – mit bisher unabsehbaren Folgen.

[…] Das Resultat ist beunruhigend: Schon in rund 30 Jahren sei ein Überschreiten des Kipppunktes wahrscheinlich, heißt es. Die Unsicherheit in beide Richtungen ist dabei allerdings erheblich. So beziffert das Autorenduo die Wahrscheinlichkeit für den Kipppunkt im Zeitraum 2025 bis 2095 mit 95 Prozent.

[…] Ein im Dezember erschienener Bericht zu Klimakipppunkten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) – gewiss keine »grüne« Organisation – benennt die logische Folgerung klipp und klar: »Die derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisse sprechen eindeutig für beispiellose, dringende und ehrgeizige Klimaschutzmaßnahmen, um die Risiken von Kipppunkten im Klimasystem zu begrenzen.«

dr_big 27.07.2023 08:56

Wenn der Golfstrom kippt, dann wird es in Europa kalt. Eigentlich müssen wir doch gar nichts gegen den Klimawandel unternehmen, einfach ein paar Jahre warten, dann wird es wieder kälter :Weinen:

sabine-g 27.07.2023 08:59

Zitat:

Zitat von dr_big (Beitrag 1716951)
Wenn der Golfstrom kippt, dann wird es in Europa kalt. Eigentlich müssen wir doch gar nichts gegen den Klimawandel unternehmen, einfach ein paar Jahre warten, dann wird es wieder kälter :Weinen:

das ist richtig und falsch zugleich
Es wird kälter aber höchst wahrscheinlich wird der bisherige Temperaturanstieg nur ausgeglichen.

qbz 27.07.2023 10:00

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1716946)
Das Bundesverfassungsgericht hat die Frage nach künftigen Einschränkungen von Grundrechten zugunsten des Klimaschutzes ausführlich behandelt und explizit beantwortet.

Kurz gefasst geht es um die Verhältnismäßigkeit von Klimaschutzmaßnahmen, wenn diese Maßnahmen Einschränkungen anderer Grundrechte und Staatsziele zur Folge haben.

Das Gericht argumentiert, dass in Zukunft selbst gravierende Klimaschutzmaßnahmen, welche andere Grundrechte erheblich einschränken, verhältnismäßig sein könnten (Absatz 192, 193, 194):

Zitat:

... können selbst gravierende Freiheitseinbußen künftig zum Schutz des Klimas verhältnismäßig und gerechtfertigt sein; gerade aus dieser künftigen Rechtfertigbarkeit droht ja die Gefahr, erhebliche Freiheitseinbußen hinnehmen zu müssen.

Weil die Weichen für künftige Freiheitsbelastungen aber bereits durch die aktuelle Regelung zulässiger Emissionsmengen gestellt werden, muss deren Auswirkung ("der Emissionsmengen" qbz) auf künftige Freiheit aus heutiger Sicht und zum jetzigen Zeitpunkt – in dem die Weichen noch umgestellt werden können – verhältnismäßig sein.

Das BVG spricht in diesem Zusammenhang immer von Freiheit, Freiheitsbelastungen usf. Ich vermute, man kann dafür nicht einfach identisch die Bezeichnung "Grundrechte" nach dem GG verwenden, weil Grundrechte als Oberbegriff mehr Rechte umfassen wie die Freiheitsrechte aus Art. 2, auf die sich das BVG-Urteil vor allem bezieht, und z.B. auch die Gleichheitsrechte oder sozialen Leistungsrechte includieren. Was meinen Verfassungsrechtler dazu?

In dem verlinkten Text heisst der letzte Abs. in meinem Verständnis umformuliert: Die Auswirkungen der aktuellen Regelung der Emissionsmengen auf die zukünftige Freiheit muss verhältnismäßig sein. D.h. die zu reduzierenden Emissionsmengen müssen proportional anteilig über die Zeit verteilt werden. Es geht dabei in diesem Abs.. gar nicht allgemein um Eingriff in die Grundrechte zugunsten des Klimaschutzes. Der Text sagt: Überlässt der heutige Staat primär der Zukunft die CO2-Reduktion, ist die Freiheit (der Entfaltung der eigenen Persönlichkeit nach Art. 2) in der Zukunft entsprechend eingeschränkter im Vergleich zu heute und die (Freiheits)Belastungen sind zukünftig höher.

Schwarzfahrer 27.07.2023 10:56

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1715758)
Das Klimaschutzgesetz hat Verfassungsrang und ist für die deutsche Politik bindend. Das bedeutet, 2045 ist Schluss mit den Emissionen.

Ich fürchte, das scheint ein zunehmender Anteil der Bevölkerung nicht so ganz zu teilen: Wie schaut die deutsche Gesellschaft derzeit auf die Klimabewegung? Ich finde besonders die Änderungen seit 2021 bemerkenswert - also über die Zeit nach dem BVG-Klima-Urteil und der Grünen Regierungsbeteiligung.
Zitat:

Die Verschiebungen in der Bewertung der Klima- und Umweltbewegung sind erheblich. Die allgemeine Unterstützungsbereitschaft gegenüber Klimaschützerinnen und -schützern hat sich de facto seit 2021 halbiert, von 68 auf 34 Prozent. Auffallend ist auch, dass die Zustimmung zur Aussage „Die Klima- und Umweltbewegung in Deutschland hat das Wohl der gesamten Gesellschaft im Blick“ von 60 auf 25 Prozent abgestürzt ist. Viele Menschen, die die Klimabewegung vor zwei Jahren noch für einen gesamtgesellschaftlich förderlichen Akteur hielten, tun dies derzeit offenbar nicht mehr.
Ich bewundere den Optimismus der Autoren, die am Ende feststellen, "Noch ist bei der gesellschaftlichen Dynamik rund um das Thema alles möglich". Wer da mitdiskutieren will hätte sich für heute für ein Webinar anmelden können; ich habe es leider gerade eben gesehen.

Klugschnacker 27.07.2023 11:08

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1716959)
Das BVG spricht in diesem Zusammenhang immer von Freiheit, Freiheitsbelastungen usf. Ich vermute, man kann dafür nicht einfach identisch die Bezeichnung "Grundrechte" nach dem GG verwenden, weil Grundrechte als Oberbegriff mehr Rechte umfassen wie die Freiheitsrechte aus Art. 2, auf die sich das BVG-Urteil vor allem bezieht, und z.B. auch die Gleichheitsrechte oder sozialen Leistungsrechte includieren. Was meinen Verfassungsrechtler dazu?

Ich bin bekanntlich kein Verfassungsrechtler. Mein Senf dazu:

Ich sehe es umgekehrt wie Du. Freiheit ist ein allgemeines Konzept, das sich auf die Fähigkeit eines Individuums bezieht, ohne äußere Einschränkungen zu handeln. Grundrechte sind weniger allgemein, sondern spezielle Rechte, die im Grundgesetz festgelegt sind.

Freiheit ist aus meiner Sicht die Voraussetzung dafür, Grundrechte überhaupt wahrnehmen zu können.

Zum Beispiel existiert das Grundrecht auf freie Wahlen. Dieses Grundrecht setzt voraus, dass die Parteien, welche zur Wahl stehen, unterschiedliche politische Programme vertreten. Denn würden alle Parteien das gleiche politische Programm vertreten, wäre eine Wahl zwischen diesen Parteien sinnlos. Folglich müssen die Parteien in gewissen Grenzen ihre politischen Ziele frei formulieren können.

Tritt nun ein äußerer Zwang hinzu, wie beispielsweise der Klimawandel, werden die politischen Spielräume wesentlich verkleinert. Das berührt auch das Grundrecht auf freie Wahlen, denn diese Wahlen werden zunehmend sinnlos. Das Grundrecht auf freie Wahlen mag nach wie vor im Gesetz stehen, doch es lässt sich aufgrund der verkleinerten politischen Handlungsspielräume (politischen Freiheiten) nicht mehr sinnvoll wahrnehmen.

Ich verstehe das Bundesverfassungsgericht so, dass es auf die Freiheit zur Wahrnehmung der Grundrechte abzielt.

deralexxx 27.07.2023 11:11

BVG sind die BerlinerVerkehrsBetriebe. Das Bundesverfassungsgericht ist BVerfG.

Klugschnacker 27.07.2023 11:28

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1716963)
Ich fürchte, das scheint ein zunehmender Anteil der Bevölkerung nicht so ganz zu teilen: Wie schaut die deutsche Gesellschaft derzeit auf die Klimabewegung? Ich finde besonders die Änderungen seit 2021 bemerkenswert - also über die Zeit nach dem BVG-Klima-Urteil und der Grünen Regierungsbeteiligung.

Jetzt hast Du tatsächlich einen Think Tank ausgegraben, der noch nicht einmal einen Wikipedia-Eintrag hat.

Du missverstehst jedoch offenbar deren Aussage. Es wurde nicht danach gefragt, ob Deutschland im Jahr 2045 klimaneutral sei oder nicht. Du präsentierst stattdessen die Zahlen zu einer ganz anderen Frage, nämlich, was die Befragten von der aktuellen Klimabewegung halten. Dabei besteht ein deutlicher Bezug zu den Straßenblockaden, die weit überwiegend abgelehnt werden.

Fakt ist: Die Notwendigkeit zum Klimaschutz hat in Deutschland nach wie vor eine große Mehrheit. Es besteht ein wissenschaftlicher Konsens zu der Frage, dass die aktuelle Regierung sich nicht an die Vereinbarungen des Pariser Klimaschutzabkommens hält.

qbz 27.07.2023 11:35

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1716964)
Ich bin bekanntlich kein Verfassungsrechtler. Mein Senf dazu:

Ich sehe es umgekehrt wie Du. Freiheit ist ein allgemeines Konzept, das sich auf die Fähigkeit eines Individuums bezieht, ohne äußere Einschränkungen zu handeln. Grundrechte sind weniger allgemein, sondern spezielle Rechte, die im Grundgesetz festgelegt sind.

Ich auch nicht, weshalb ich vor meinem Kommentar Wikipedia befragt habe:

Freiheitsrechte bilden neben den Gleichheits-, den Verfahrens- und den Teilhaberechten eine Kategorie der Grundrechte.

Wichtige Freiheitsrechte sind danach:

Allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG
Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 GG)
usf.
.

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1716964)
Zum Beispiel existiert das Grundrecht auf freie Wahlen. Dieses Grundrecht setzt voraus, dass die Parteien, welche zur Wahl stehen, unterschiedliche politische Programme vertreten. Denn würden alle Parteien das gleiche politische Programm vertreten, wäre eine Wahl zwischen diesen Parteien sinnlos. Folglich müssen die Parteien in gewissen Grenzen ihre politischen Ziele frei formulieren können.

Tritt nun ein äußerer Zwang hinzu, wie beispielsweise der Klimawandel, werden die politischen Spielräume wesentlich verkleinert. Das berührt auch das Grundrecht auf freie Wahlen, denn diese Wahlen werden zunehmend sinnlos. Das Grundrecht auf freie Wahlen mag nach wie vor im Gesetz stehen, doch es lässt sich aufgrund der verkleinerten politischen Handlungsspielräume (politischen Freiheiten) nicht mehr sinnvoll wahrnehmen.

Ich verstehe das Bundesverfassungsgericht so, dass es auf die Freiheit zur Wahrnehmung der Grundrechte abzielt.

Über die optimalen Methoden und die Prioritäten zur CO2-Reduktion gab und gibt es m.E. sehr unterschiedliche politische Auffassungen, ebenso über den sozialen Ausgleich der Belastungen.

Ps: Wahlrecht gehört übrgens auch zu den Freiheitsrechten.

Das Bundesverfassungsgerichtsurteil zielt m.E. primär auf die Begrenzung der Freiheit zur Festlegung der Emissionsquoten und deren Auswirkungen auif die Gesellschaft ab.

Schwarzfahrer 27.07.2023 11:44

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1716964)
Freiheit ist ein allgemeines Konzept, das sich auf die Fähigkeit eines Individuums bezieht, ohne äußere Einschränkungen zu handeln. Grundrechte sind weniger allgemein, sondern spezielle Rechte, die im Grundgesetz festgelegt sind.

Sehe ich auch so, allerdings würde ich das Wort "Fähigkeit" durch "Möglichkeit" ersetzen; es ist ja nicht eine inherente Fähigkeit des Individuums, sondern eine durch das Gemeinwesen/Staat gewährleistete Möglichkeit innerhalb gewisser Grenzen.

Der in Artikel 2 GG definierte Freiheitsbegriff ist für mich erst mal eher unpolitisch, also hat es nicht primär mit Deinem Beispiel mit Wahlen zu tun, sondern mit der Gestaltung des persönlichen Lebensbereiches. Diese Freiheit kann es sogar in einer autokratischen Diktatur geben (in der man alles machen kann, solange man politisch nicht aneckt) - im Gegensatz zu einem totalitären System, das sich meist eben durch den tiefen Eingriff in die private Entscheidungsfreiheit auszeichnet.
Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1716964)
Tritt nun ein äußerer Zwang hinzu, wie beispielsweise der Klimawandel, werden die politischen Spielräume wesentlich verkleinert. Das berührt auch das Grundrecht auf freie Wahlen, denn diese Wahlen werden zunehmend sinnlos. Das Grundrecht auf freie Wahlen mag nach wie vor im Gesetz stehen, doch es lässt sich aufgrund der verkleinerten politischen Handlungsspielräume (politischen Freiheiten) nicht mehr sinnvoll wahrnehmen.

diese Logik halte ich nicht für zwangsläufig, sondern nur durch entsprechende Entscheidung der jeweiligen Regierung begründet. Warum sollen freie Wahlen sinnlos werden, nur weil der Handlungsspielraum enger ist? Objektiv nur eine Option gibt es nie, nicht mal in der angegriffenen Ukraine. Natürlich kann die Regierung entscheiden, Wahlen auszusetzen, aber ebenso könnten bei den nächsten Wahlen verhandlungsbereite statt verteidigungsbereite Parteien and die Macht kommen. Welche Kriterien definieren, ob das eine sinnvolle Wahrnehmung des Wahlrechts ist, oder nicht?
Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1716964)
Ich verstehe das Bundesverfassungsgericht so, dass es auf die Freiheit zur Wahrnehmung der Grundrechte abzielt.

Und das ist der Punkt, wo ich aus o.g. Gründen die Logik des BVerfG nicht nachvollziehen kann. Für mich ist die Wahrnehmung der Grundrechte grundsätzlich nicht in Frage zu stellen, höchstens sind Grundrechte gegeneinander im Einzelfall zu priorisieren.

Schwarzfahrer 27.07.2023 11:55

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1716967)
Jetzt hast Du tatsächlich einen Think Tank ausgegraben, der noch nicht einmal einen Wikipedia-Eintrag hat.

ist es wirklich nicht möglich, sich mal zuerst auf den Inhalt zu konzentrieren? Warum soll ein Wikipedia-Eintrag ein Qualitätsmerkmal sein; auch in Wikipedia geführte Zeitschriften veröffentlichen jede Menge Umfragen, die anzweifelbar sind - aber Zweifel sind immer zuerst im Inhalt begründet, nicht in der Quelle.
Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1716967)
Du missverstehst jedoch offenbar deren Aussage. Es wurde nicht danach gefragt, ob Deutschland im Jahr 2045 klimaneutral sei oder nicht. Du präsentierst stattdessen die Zahlen zu einer ganz anderen Frage, nämlich, was die Befragten von der aktuellen Klimabewegung halten. Dabei besteht ein deutlicher Bezug zu den Straßenblockaden, die weit überwiegend abgelehnt werden.

Fakt ist: Die Notwendigkeit zum Klimaschutz hat in Deutschland nach wie vor eine große Mehrheit. Es besteht ein wissenschaftlicher Konsens zu der Frage, dass die aktuelle Regierung sich nicht an die Vereinbarungen des Pariser Klimaschutzabkommens hält.

Die Aussagen z.B. zur ersten Frage sind für mich eindeutig: "Die Klima- und Umweltbewegung in Deutschland ...hat grundsätzlich meine Unterstützung" hat sehr viel Zustimmung verloren. Wenn damit nur die Klimakleber verstanden werden, dann haben die Grünen ihre Mission völlig verfehlt, da sie dann nicht als Teil der Klima- und Umweltbewegung wahrgenommen werden. Ansonsten ist es aber ein Zeichen, daß sie und damit ihr Anliegen und ihre Politik stark an Zustimmung verloren haben. Daher deutet diese Umfrage schon an, daß die Notwendigkeit zum Klimaschutz auch an Zustimmung verloren haben muß. Auch die Autoren sehen noch die Notwendigkeit, "Klimaschutz zu einem gesamtgesellschaftlichen Gewinnerthema werden soll, das Menschen in der Breite überzeugt" - das hat es offenbar noch nicht, und verliert gerade sogar. Die "große Mehrheit", die Du meinst zu sehen, dürfte nach dieser Umfrage eher schwinden, als wachsen.

Klugschnacker 27.07.2023 12:12

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1716971)
Sehe ich auch so, allerdings würde ich das Wort "Fähigkeit" durch "Möglichkeit" ersetzen; es ist ja nicht eine inherente Fähigkeit des Individuums, sondern eine durch das Gemeinwesen/Staat gewährleistete Möglichkeit innerhalb gewisser Grenzen.

Freiheit hat erstmal nichts mit dem Staat zu tun. Auch ohne Staat sind Menschen mehr oder eben weniger frei. Dabei kommt es auf die Befähigung an, mögliche Freiheiten wahrzunehmen. Ein Mensch, der auf einer einsamen Insel festsitzt, ist nur dann frei, die Insel zu verlassen, wenn er schwimmen kann. Die bloße Möglichkeit des Schwimmens, ohne die konkrete Fähigkeit dazu zu besitzen, macht ihn nicht frei.

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1716971)
Warum sollen freie Wahlen sinnlos werden, nur weil der Handlungsspielraum enger ist?

Freie Wahlen sind bei verkleinertem politischen Handlungsspielraum nicht sofort sinnlos. Sie verlieren aber zunehmend an Sinn, und zwar in dem Maße, wie die politischen Handlungsspielräume sich verengen. Komplett sinnlos wären Wahlen erst dann, wenn der politische Handlungsspielraum null ist und politisches Handeln komplett durch äußere Sachzwänge festgelegt ist.

Der Klimawandel verkleinert die politischen Handlungsspielräume kommender Generationen. Die Hälfte der Landfläche der Niederlande liegt heute bereits unter dem Meeresspiegel. Rotterdam würde ohne ständig laufende Pumpen einfach volllaufen. Es ist leicht zu verstehen, dass der steigende Meeresspiegel die Spielräume für viele politischen Entscheidungen Hollands verkleinert. Das Geld, welches für die (langfristig wohl aussichtslose) Sicherung der Küsten ausgegeben werden muss, fehlt an anderer Stelle. Volkswille hin oder her. Insofern spielt die Freiheit, also die Abwesenheit äußeren Zwangs, eine wichtige Rolle bei der Ausübung demokratischer Grundrechte.

Klugschnacker 27.07.2023 12:22

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1716972)
ist es wirklich nicht möglich, sich mal zuerst auf den Inhalt zu konzentrieren? Warum soll ein Wikipedia-Eintrag ein Qualitätsmerkmal sein; auch in Wikipedia geführte Zeitschriften veröffentlichen jede Menge Umfragen, die anzweifelbar sind - aber Zweifel sind immer zuerst im Inhalt begründet, nicht in der Quelle.

Ein Wikipedia-Eintrag ist noch kein hinreichendes Kriterium für journalistische Qualität. Er ist aber ein Einstiegspunkt, um diesen völlig unbekannten "Think Tank" einzuordnen. Du selbst scheinst keinerlei Einordnung vorzunehmen, sondern kolportierst einfach irgendwelche Zahlen aus dem Netz.

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1716972)
... dann haben die Grünen ihre Mission völlig verfehlt, da sie dann nicht als Teil der Klima- und Umweltbewegung wahrgenommen werden.

Das ist möglicherweise Deine persönliche Meinung, aber nicht die Aussage dieser Erhebung.

Schwarzfahrer 27.07.2023 13:38

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1716974)
Freiheit hat erstmal nichts mit dem Staat zu tun. Auch ohne Staat sind Menschen mehr oder eben weniger frei. Dabei kommt es auf die Befähigung an, mögliche Freiheiten wahrzunehmen.

OT:
Das ist nur der Teilaspekt, "Freiheit zu etwas", (das von Fähigkeiten, aber auch von vorhandenen Institutionen, als Möglichkeiten abhängt). Ebenso wesentlich ist die "Freiheit von etwas", also von äußeren, besonders staatlichen Zwängen. (s. Details dazu z.B. hier). Also sind die Möglichkeiten, etwas frei zu entscheiden und tun immer auch an die Möglichkeit gebunden.
Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1716974)
Ein Mensch, der auf einer einsamen Insel festsitzt, ist nur dann frei, die Insel zu verlassen, wenn er schwimmen kann. Die bloße Möglichkeit des Schwimmens, ohne die konkrete Fähigkeit dazu zu besitzen, macht ihn nicht frei.

Doch, das ist eine Freiheit, die er nutzen kann, wenn er auch die Freiheit hat, Schwimmen zu lernen. Frei war man in Rumänien z.B. nicht, weil man keinen Reisepass besitzen durfte, der lag bei der Polizei. Sobald ich den Paß (nach 89) zu Hause haben durfte, war ich frei, auch wenn mir ggf. das Geld fürs Reisen fehlte. Entscheidend war, die Möglichkeit nicht durch externe Kräfte verbaut zu haben.
Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1716974)
Freie Wahlen sind bei verkleinertem politischen Handlungsspielraum nicht sofort sinnlos. Sie verlieren aber zunehmend an Sinn, und zwar in dem Maße, wie die politischen Handlungsspielräume sich verengen. Komplett sinnlos wären Wahlen erst dann, wenn der politische Handlungsspielraum null ist und politisches Handeln komplett durch äußere Sachzwänge festgelegt ist.

In dieser Frage kommen wir wohl nicht zusammen. Handlungsspielraum null ist reine Theorie, das gibt es praktisch nie. Und sobald es auch nur eine alternative Option gibt, sind Wahlen und freie Entscheidungsmöglichkeit m.M.n. genauso wichtig und sinnvoll, wie bei 100 Optionen (wenn nicht noch wichtiger). Deine Argumentation birgt in meinen Augen eine Gefahr des Mißbrauchs, weil sie ein Tor Richtung einer (wenn auch gutgemeinter) Diktatur öffnen kann.
Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1716974)
Es ist leicht zu verstehen, dass der steigende Meeresspiegel die Spielräume für viele politischen Entscheidungen Hollands verkleinert. Das Geld, welches für die (langfristig wohl aussichtslose) Sicherung der Küsten ausgegeben werden muss, fehlt an anderer Stelle. Volkswille hin oder her. Insofern spielt die Freiheit, also die Abwesenheit äußeren Zwangs, eine wichtige Rolle bei der Ausübung demokratischer Grundrechte.

Nein, gerade wenn Geld nicht für alles reicht, steht die Priorisierung der Ressourcen dem eigentlichen Souverän zu, nicht Experten oder Wissenschaftlern oder Parteien; diese sollen nur informieren, beraten, umsetzen.

keko# 27.07.2023 14:50

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1716964)
....

Tritt nun ein äußerer Zwang hinzu, wie beispielsweise der Klimawandel, werden die politischen Spielräume wesentlich verkleinert. Das berührt auch das Grundrecht auf freie Wahlen, denn diese Wahlen werden zunehmend sinnlos. Das Grundrecht auf freie Wahlen mag nach wie vor im Gesetz stehen, doch es lässt sich aufgrund der verkleinerten politischen Handlungsspielräume (politischen Freiheiten) nicht mehr sinnvoll wahrnehmen. ....

Ist im Prinzip nachvollziehbar und ich finde es auch i.O., wenn Politiker mal etwas "durchdrücken" und nicht warten, bis es der Letzte verstanden hat und der Vorletzte zustimmt.
Beim Thema Klimawandel ist es allerdings so, dass man fast alles darauf zurückführen kann. Denn wir sind umgeben vom Klima, es ist allgegenwärtig und spielt irgendwo immer rein.
Um das Klima zu retten, kann man das Stück Fleisch, das ich gelegentlich esse, ebenso beanstanden wie Energieverschwendungen, die bei der Ausrichtung eines großen Triathlons stattfinden.
Hinzu kommt, dass wir technisch in wenigen Jahren in der Lage sind, mein Stück Fleich, das ich gelegentlich kaufe, an der Kasse individuell zu berechnen, ebenso das Gaspedal meines eAutos zu steuern.
„Freiheit stirbt immer zentimeterweise.“

Dass wir in noch schlechtere Zustände kommen, wenn wir nicht jetzt handeln, ist mir zu apokalyptisch. Es fehlt mir das Vertrauen in die Schaffenskraft der Jugend, ebenso das Vertrauen in technischen Fortschritt.

DE wird das Klima nicht retten. Die Aufgabe unserer führenden Politiker ist es, andere für diese Ideen zu gewinnen und Vereinbarungen zu schmieden. Ich wählte Jahrzehnte aus Überzeugung grün wg. Umweltschutzgründen, war als Jugendlicher viele Jahre im Bund Naturschutz. Warum tut sich so wenig? Warum ist die Welt in so einem schlechten Zustand? Ist das denn deine oder meine Schuld? Ich weigere mich, mir diesen Schuh noch länger anzuziehen. Es ist eine Veschiebung der Verantwortung.

Helmut S 27.07.2023 15:14

Zitat:

Zitat von keko# (Beitrag 1716990)
[...]ebenso das Vertrauen in technischen Fortschritt.

Der "technische Fortschritt" hat uns die Misere ja erst eingebrockt - unbestritten seiner Segnungen. Jetzt könnte man argumentieren, es gäbe ja die Technikfolgenabschätzung. Der Erfolg Letzterer ist jedoch ungefähr so, wie der Erfolg von Gustav Iden bei der Supersprint WM in Hamburg :Cheese:

:Blumen:

keko# 27.07.2023 15:19

Zitat:

Zitat von Helmut S (Beitrag 1716997)
Der "technische Fortschritt" hat uns die Misere ja erst eingebrockt - unbestritten seiner Segnungen. Jetzt könnte man argumentieren, es gäbe ja die Technikfolgenabschätzung. Der Erfolg Letzterer ist jedoch ungefähr so, wie der Erfolg von Gustav Iden bei der Supersprint WM in Hamburg :Cheese:

:Blumen:

Hättest du vor 150 Jahren jemandem erzählt, dass wir im Jahre 2023 die gesamte Weltbevölkerung ernähren könnten, die sich vervielfacht hätte, wärst wohl als irre bezeichnet worden.
Es ist die Ungleichverteilung, die die Probleme schafft.


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