Zitat:
Zitat von trithos
(Beitrag 1596740)
Ich würde gerne aus gegebenem Anlass wieder einmal den Kommunikationswissenschaftler in mir rauslassen. ;)
Konkret wende ich mich an Kupferle und Schwarzfahrer. Ihr argumentiert zwar durchaus auf unterschiedliche Art. Allerdings weist Eure Argumentationsstruktur eine Gemeinsamkeit auf, nämlich "impossible expectations". (Im Sinne von John Cook, wer sich näher dafür interessiert, kann hier einiges nachlesen: https://skepticalscience.com)
Kurz zusammengefasst, verlangt ihr Unmögliches von der Wissenschaft, nämlich hundertprozentige Sicherheit. Wenn 95 Prozent der Studien zeigen, dass ein Lockdown wirkt, kritisiert ihr, dass es nicht hundert Prozent sind. Wenn die Wissenschaft feststellt, dass es zu 99 Prozent (und damit höchst-)wahrscheinlich ist, dass der Klimawandel menschengemacht ist, sagt ihr, es sei noch nicht hundertprozentig nachgewiesen. Und dann zaubert ihr die EINE Gegenmeinung von hundert wissenschaftlichen Meinungen hervor und gebt ihr mehr Gewicht als den 99 anderen.
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Dann muß ich den Naturwissenschaftler und Ingenieur aus mir rauslassen ;) :
Ich verlange nie 100 %-ige Sicherheit. Auch eine von vielen geglaubte Theorie kann durch eine Person mit einer ähnlich plausiblen Theorie erschüttert werden. (Was u.U. bedeuten kann, daß beide falsch sind, aber die Zweifel sind wichtig, um voranzukommen.
Was ich verlange: Für eine Festlegung auf eine sichere "Wahrheit" ist ausreichend Evidenz erforderlich. Die entsteht nicht durch Mehrheiten oder Wiederholung. Egal wie viele Studien auf etwas hinweisen (wieviele davon haben voneinander abgeschrieben?), und Indizien sammeln. Sie entsteht allein durch überprüfte und überprüfbare Zusammenhänge, Falsifizierung, Wiederholung der "Experimente", also Nachweis des Zusammenhanges in unterschiedlichen Settings, durch unterschiedliche Versuchsleiter und Teilnehmer, und sichere Widerlegung der Gegenthesen. Für die Themen, bei denen ich dies bemängele, gibt es meistens vergleichbar (nicht)belastbare Indizien und Hypothesen für die Gegenmeinung (und oft noch zwei-drei andere Hypothesen). Und ich habe die (vermutlich naive) Erwartung, nein, ich verlange, daß gerade die, die "follow the science" rufen, sich dessen bewußt sind, und die höchst gravierende Einschnitte in Leben und Freiheit von Millionen Menschen als "Alternativlos" darstellen, dies nur auf Grund von wirklich sicheren Zusammenhängen tun. Sich auf überwiegend höchst wacklige Theorien zu berufen ist zu wenig. Sie mögen sich zwar durch positive Beispiele stützen lassen, und auch plausibel sein, aber solange es starke Indizien gibt, daß der Nutzen weit geringer ist, als postuliert, und Alternativen mit geringerem Schaden möglich sind, dürfen diese nicht verteufelt und abgewiesen werden.
Zitat:
Zitat von trithos
(Beitrag 1596740)
Ihr fordert also etwas, das die Wissenschaft nicht leisten kann, ihr formuliert unmögliche Erwartungen. Das dürft ihr natürlich, aber es macht Diskussionen sehr, sehr schwer. Und nicht zuletzt ist diese Vorgangsweise ja auch eine bekannte Strategie zur Manipulation der Öffentlichen Meinung.
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Warum meine oben beschriebene Erwartung mehr Manipuliert, als die Kriminalisierung und Diskreditierung abweichender Meinungen (Beispiel Drostens pauschale "Pseudowissenschaftler"-Ablehnung andersdenkender Kollegen), erschließt sich mir nicht. Was ich erwarte, ist von der Wissenschaft sehr wohl leistbar, darum gibt es ja bereits so viel Arbeiten zu den verschiedenen Aspekten. Es geht nicht um die Wissenschaft, sondern um die politische Nutzung der vorliegenden wissenschaftlicher Information.