triathlon-szene.de |  Europas aktivstes Triathlon  Forum

triathlon-szene.de | Europas aktivstes Triathlon Forum (https://www.triathlon-szene.de/forum/index.php)
-   Politik, Religion & Gesellschaft (https://www.triathlon-szene.de/forum/forumdisplay.php?f=30)
-   -   Corona Virus (https://www.triathlon-szene.de/forum/showthread.php?t=47641)

keko# 21.09.2020 08:30

Zitat:

Zitat von Trimichi (Beitrag 1553691)
Seit dem ich ein Jugendlicher bin, habe ich mich gefragt, wohin das, Wachstum und Produktivität, führen soll. Die BWL geht von linearen Prozessen aus. Die gibt es aber in der Natur nicht. Das Abbild passt nicht zum Vorbild. Die Praxis nicht zur Theorie. Der einzige Vorteil ist: das System funktioniert....

Wachstum und Produktivität bringen ja auch allerhand Fortschritte und Annehmlichkeiten, zumindest für einen großen Anteil der Menschheit.
Wir sind ja hier in einem Triathlonforum... Wenn ich mich an die ersten Triathlonwettkämpfe zurückerinnere und an heutige, dann fällt mir z.B. der ungleich höhere Ressourcenverbrauch auf. Das fängt damit an, dass Jedermann für Wettkämpfe und Training um die halbe Welt reist, dazu materialtechnisch viel besser ausgestattet ist. Und es endet damit, dass Jedermann seine Trainingstagen in die Cloud hochlädt. Damit geht es mir nicht darum, irgendeine Zeit zu glorifizieren oder irgend jemandem etwas nicht zu gönnen. Es geht mir um die Frage, ob du bereit bist, auf irgend etwas davon wirklich zu verzichten? Oder sollen das nur die anderen tun?
(ich glaube, das ist jetzt hier der falsche Thread)

Schwarzfahrer 21.09.2020 08:39

Zitat:

Zitat von deralexxx (Beitrag 1553683)
Siehst du das auch so bei Malaria, HIV, Ebola, Polio?

Natürlich nicht, weil jede Krankheit ihre eigenen Probleme hat, die auch passende Ansätze brauchen. Gemeinsam haben allerdings alle von Dir zitierten Krankheiten, daß deswegen noch nirgendwo so tiefgreifende Einschränkungen eingeführt wurden. Und ja, wir leben doch hier mit HIV, und Millionen Menschen leben in Malaria-Regionen mit einer vernünftigen Balance von Vorsicht und Akzeptanz des Risikos.
Zitat:

Zitat von Trimichi (Beitrag 1553691)
Seit dem ich ein Jugendlicher bin, habe ich mich gefragt, wohin das, Wachstum und Produktivität, führen soll. ...

Wobei die Zahlen ja wieder ansteigen und Dr. Söder einen zweiten Lockdown verhindern möchte, da die Wirtschaft seine andere Priorität ist.

Ich sehe in der Wirtschaft nur ein Teilproblem der zu strengen Einschränkungen. Eine dauerhafte Unterbindung oder starke Einschränkung von vielen sozialen und kulturellen Veranstaltungen und Treff-Möglichkeiten (Konzerte, Vereins-Veranstaltungen, Sport, ...) vernichten auch gesellschaftliche Strukturen, zerstören auf Dauer soziales Miteinander- darin sehe ich einen wesentlichen Schaden für die Gesellschaft. Und die Angstszenarien, die medial verbreitet werden, tragen dazu bei daß viele Menschen sich nicht mal trauen, erlaubtes und ungefährliches zu tun. In manchen Familien reicht ein ängstliches Mitglied (nein, keine Risikoperson), damit alle jegliche Einladung zum Treffen mit Freunden ablehnen und meiden, auch wenn wir uns nur zu viert im Garten zum Grillen treffen würden, oder gemeinsam im Odenwald wandern würden. Ist der "Schutz des Lebens" wirklich solche Nebenwirkungen Wert?

keko# 21.09.2020 08:51

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1553699)
...
Ich sehe in der Wirtschaft nur ein Teilproblem der zu strengen Einschränkungen. Eine dauerhafte Unterbindung oder starke Einschränkung von vielen sozialen und kulturellen Veranstaltungen und Treff-Möglichkeiten (Konzerte, Vereins-Veranstaltungen, Sport, ...) vernichten auch gesellschaftliche Strukturen, zerstören auf Dauer soziales Miteinander- darin sehe ich einen wesentlichen Schaden für die Gesellschaft. Und die Angstszenarien, die medial verbreitet werden, tragen dazu bei daß viele Menschen sich nicht mal trauen, erlaubtes und ungefährliches zu tun. In manchen Familien reicht ein ängstliches Mitglied (nein, keine Risikoperson), damit alle jegliche Einladung zum Treffen mit Freunden ablehnen und meiden, auch wenn wir uns nur zu viert im Garten zum Grillen treffen würden, oder gemeinsam im Odenwald wandern würden. Ist der "Schutz des Lebens" wirklich solche Nebenwirkungen Wert?

Die Normalisierung wird stattfinden und findet schon statt. Der Mensch ist ein soziales und kulturelles Wesen. Diese Eigenschaften sind stärker als vieles andere.

Schwarzfahrer 21.09.2020 09:06

Zitat:

Zitat von keko# (Beitrag 1553700)
Die Normalisierung wird stattfinden und findet schon statt. Der Mensch ist ein soziales und kulturelles Wesen. Diese Eigenschaften sind stärker als vieles andere.

Völlig richtig. Das dürfte auch eines der wesentlichen Gründe für einen gewissen Anstieg der Fälle sein, besonders in Länder/Kulturen, wo sich das soziale Leben besonders gern in mehr räumlicher undkörperlichen Nähe gelebt wird, als in den etwas "kühleren" Mittel- und Nordeuropäischen Kulturen. Da nützen dann die noch so drastischen Maßnahmen im Freien, in der Öffentlichkeit wenig, wenn die Menschen sich privat das nachholen, was öffentlich versagt wird. Daher ist noch mehr zu hinterfragen, welchen Nutzen drastsiche öffentliche Maßnahmen wirklich haben. In diesem Zeit-Artikel stehen z.B. Gedanken drin, wieso in Spanien die Fallzahlen so steigen.
Zitat:

Barcelona und Madrid sind sehr dicht besiedelt, fast die Hälfte der spanischen Bevölkerung lebt in diesen Zentren. Und wir wohnen auch nicht wie viele in Mitteleuropa in Einfamilienhäusern, sondern gemeinsam mit vielen anderen in Wohnblocks. Soziale Distanz gehört einfach nicht zu unserer mediterranen Kultur. Zwar tragen jetzt alle auf der Straße Maske, aber das zu erreichen war ein hartes Stück Arbeit.

keko# 21.09.2020 09:21

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1553704)
Völlig richtig. Das dürfte auch eines der wesentlichen Gründe für einen gewissen Anstieg der Fälle sein, besonders in Länder/Kulturen, wo sich das soziale Leben besonders gern in mehr räumlicher undkörperlichen Nähe gelebt wird, als in den etwas "kühleren" Mittel- und Nordeuropäischen Kulturen....

Ich habe ja hier in diesem Forum schon mal aus Paris berichtet, wo man einen Mundschutz tragen muss, wenn man auf der Chaussee läuft, aber dann dutzende Menschen "ungeschützt" in zahllosen Cafes an kleinen Tischen sitzen. Das sind kulturelle Eigenheiten, die ans Eingemachte gehen würden, wollte man diese ändern. Das wird nicht funktioneren (meiner Meinung nach).

Trimichi 21.09.2020 09:42

Zitat:

Zitat von keko# (Beitrag 1553698)
Wachstum und Produktivität bringen ja auch allerhand Fortschritte und Annehmlichkeiten, zumindest für einen großen Anteil der Menschheit.
Wir sind ja hier in einem Triathlonforum... Wenn ich mich an die ersten Triathlonwettkämpfe zurückerinnere und an heutige, dann fällt mir z.B. der ungleich höhere Ressourcenverbrauch auf. Das fängt damit an, dass Jedermann für Wettkämpfe und Training um die halbe Welt reist, dazu materialtechnisch viel besser ausgestattet ist. Und es endet damit, dass Jedermann seine Trainingstagen in die Cloud hochlädt. Damit geht es mir nicht darum, irgendeine Zeit zu glorifizieren oder irgend jemandem etwas nicht zu gönnen. Es geht mir um die Frage, ob du bereit bist, auf irgend etwas davon wirklich zu verzichten? Oder sollen das nur die anderen tun?
(ich glaube, das ist jetzt hier der falsche Thread)

Neulich saß ich mit meinem Cousin beim Angeln. Der ist als Lehrer - nach seiner Scheidung - um die Welt gejettet. Hobby: Fischen. Er hat viele Pokal gewonnen und auch Berichte geschrieben und Lehrbücher konzipiert. Für Kinder und Jugendliche auch. Seit 50 Jahren on fishing weltweit. Der sagt, dass heute eine Angel 1000 EUR kosten muss (Carbonangel usw.). Seine Angel kostet 40 EUR. Und der fängt Fische, andere, die Ausrüstung für zig Tausend Dollar mit dem Bollerwagen an den See karren, nicht so. Und wie ist es beim Radfahren? Hat er mich gefragt letzte Woche. Hat früher ein sehr Rennrad 800 Mark gekostet, zahlt man heute 5000 EUR. Für Bruchteile von Sekunden. Habe ich geantwortet. Wie du schon schreibst, eine E-tap braucht der Hobbyathlet? Wegen der Radltour zu Braten und Bier am See? Was du ansprichst ist Machbarkeitswahnsinn. Bsp.: Scheibenbremsen auf Hawaii. O-Ton Kommentator beim IM Hawaii 2019, als er gefragt wurde, was das brächte: " die Industrie will es so." Nicht alles was machbar ist, ist gut. Auf der anderen Seite steht als wissenschaftlicher Begriff Antifortschrittsideologie. Wo ist der Fortschritt, wenn sich ein Hobbyradler mit seinem Carbonrad 2sec spart wenn er zum See radelt? Fazit: der Mediator der Verhältnismaßigkeit wird ausgeklammert.

Und ich? Werde zusammengeschissen (=aggressiv angegangen), weil ich bei der Jedermanndistanz im Provinzkaff mitm Alurennradl Staffel fahre oder ausgelacht (=verspottet) , weil ich mit dem Kettler von meinem Vater (Bj. 1986 [siehe Bild mein Avatar]) von Bayern nach Barca geradelt bin. Von einem Typen, der mehr als 30 Minuten langsamer ist als ich auf der KD. Nach Jahren und mehreren LDs hatte ich mir einen Carbonflitzer gekauft. Ok? Das beste Rad was je gebaut wurde für den Normalsterblichen. Deswegen. Damit hatte ich mir einen Traum verwirklicht. Einmal wie Faris aufm TT sitzen. Okay? Ich habe mir das TT verdient, andere nicht. So sieht es aus, und das Rad leistet nun seit 10 Jahren treue Dienste (2x DM, 1 x EM über die LD). Ob ich mir jemals wieder ein TT leisten werde? Ich glaube nicht, da es 2-3 Minuten bringt über 180,2km. Das weis ich sicher, da ich zwei Jahre von einem Mexikaner trainiert wurde. Der bekam sein TT erst noch viel später als ich by the way und dort in Mexiko wird genau gerechnet wie viele KW so ein tt-bike bringt, wegen der allgemeinen Armut dort. Wahrscheinlich werde ich mir keins mehr kaufen. Weil ich mir es nicht mehr leisten will. Bringt ja auch nichts. Auf der KD in der Tendenz 30 sec. Dafür 5 T EUR hinlegen? Und für 10-15 Sekunden auf der SD?


Was diese Jedermänner*innen brauchen ist eine Arbeitstherapie in der Klapsmühle für 0.50 Cent die Stunde. So gesehen lernen die Kranken, welcher Wert in einem Stift (Kugelschreiber) steckt. Und dass man erstmal die Birne aufräumen muss, bevor man wieder schreiben darf.

[Sorry wegen off-tpoic]

Trimichi 21.09.2020 10:12

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1553699)
Ist der "Schutz des Lebens" wirklich solche Nebenwirkungen Wert?

Ja, wenn man bedenkt, dass wir abbremsen müssen. Es gibt keinen Planet B. Sollen wir unseren Nachkommen eine abgefackelte Müllhalde hinterlassen? Falls das egal ist, Müllhalde usw, und wir immer weiter wachsen dürfen, dann nein. Ist letzteres der Fall sehe ich auch hier die Verhältnismäßigkeit nicht bzw. kaum gegeben. Da Problem ist: man darf Leben nicht gegen Leben abwägen. Wir hatten das schon im Parallelfaden. Darf die Regierung ein von Terroristen entführtes Flugzeug abschießen, das auf ein voll besetztes Fussballstadion zusteuert?

Bockwuchst 21.09.2020 10:53

Zitat:

Zitat von Trimichi (Beitrag 1553719)
Darf die Regierung ein von Terroristen entführtes Flugzeug abschießen, das auf ein voll besetztes Fussballstadion zusteuert?

Nach aktueller Gesetzeslage ja, wenn ich mich recht entsinne.

Helmut S 21.09.2020 11:14

Zitat:

Zitat von Trimichi (Beitrag 1553719)
Darf die Regierung ein von Terroristen entführtes Flugzeug abschießen, das auf ein voll besetztes Fussballstadion zusteuert?

Zitat:

Zitat von Bockwuchst (Beitrag 1553726)
Nach aktueller Gesetzeslage ja, wenn ich mich recht entsinne.

Bockwurst hat dann recht, wenn nur Terroristen an Bord der Maschine sind. Sind noch andere lebende Menschen an Bord, ist der Abschuß nicht mit dem GG vereinbar. Vergleiche Debatte zum Luftsicherheitsgesetz und dem Begriff der Menschenwürde in diesem Kontext. :Blumen:

Edit sagt noch: Selbstverständlich schießt nicht die Regierung das Flugzeug ab, sondern die Bundeswehr. Das wirft die Frage auf, unter welchen Voraussetzungen sie das darf und wer den Befehl dazu geben darf bzw. die Entscheidung trifft. Antwort: "katastrophale Situation" und die gesamte Bundesregierung (nicht nur der Verteidigungsminister alleine).

Bockwuchst 21.09.2020 11:51

Du hast recht. Es sollte vor einigen Jahren ein Gesetz beschlossen werden, das dies ermöglicht. Das hatte ich wohl noch im Kopf. Das BVerfG hat das aber nicht zugelassen.

Bleierpel 21.09.2020 13:05

München führt Maskenpflicht auf öffentlichen Plätzen ein

merz 21.09.2020 13:10

Köln erwägt das auch.

m.

Schwarzfahrer 21.09.2020 13:43

Zitat:

Zitat von Trimichi (Beitrag 1553719)
Da Problem ist: man darf Leben nicht gegen Leben abwägen. Wir hatten das schon im Parallelfaden. Darf die Regierung ein von Terroristen entführtes Flugzeug abschießen, das auf ein voll besetztes Fussballstadion zusteuert?

Das bringt mich auf die Frage: durfte die Regierung anordnen, daß Krankenhausplätze für potentielle Corona-Patienten frei gemacht werden? Ist das nicht auch Leben gegen Leben aubzuwägen? Auf Grund wovon darf ein (potentieller, noch gar nicht erkrankter) Corona-Patient durch Reservierung von Intensivbetten bevorzugt werden vor einem Patienten, dem jetzt die OP direkt das Leben verlängern könnte?
Aktuell werden ja die für Corona reservierten Intensivbett-Reserven sinnvollerweise reduziert. Meine Frage bezieht sich aber auf die Entscheidungen im Frühling. Weiß jemand, ob und wie das eigentlich juristisch zu rechtfertigen war?

Körbel 21.09.2020 13:49

Zitat:

Zitat von Trimichi (Beitrag 1553691)
Ich würde mich nicht wundern, wenn wir uns in Herbst und Winter wärmer anziehen müssen. Im Vergleich zum Sommer freilich.:Lachen2:

Du bist ja ein richtiger Philosoph!:Cheese:


Zitat:

Zitat von Trimichi (Beitrag 1553712)
Was diese Jedermänner*innen brauchen ist eine Arbeitstherapie in der Klapsmühle für 0.50 Cent die Stunde. So gesehen lernen die Kranken, welcher Wert in einem Stift (Kugelschreiber) steckt. Und dass man erstmal die Birne aufräumen muss, bevor man wieder schreiben darf.

Ich denke mit dir muss ich unbedingt mal ein paar Bier zischen.:Prost: :Prost: :Prost:

Zitat:

Zitat von merz (Beitrag 1553760)
Köln erwägt das auch.

Dann geht auch Karneval!:Hexe:

keko# 21.09.2020 14:19

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1553767)
Das bringt mich auf die Frage: durfte die Regierung anordnen, daß Krankenhausplätze für potentielle Corona-Patienten frei gemacht werden? ...

Meines Wissen hat man dafür vorher den "Notstand" (??) ausgerufen, um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein.
In Frankreich (bzw. Paris) war das jedenfalls so. Somit konnte man von heute auf morgen Ausgangssperren ausrufen.

Hafu 21.09.2020 15:02

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1553767)
... Meine Frage bezieht sich aber auf die Entscheidungen im Frühling. Weiß jemand, ob und wie das eigentlich juristisch zu rechtfertigen war?

Da unsere Klinikgruppe ihr Geld zu einem relativ großen Teil mit sog. Elektiv-Eingriffen verdient, habe ich einen sehr guten Überblick über die Situation im März und April, weil wir in diesem Zeitraum eine der wenigen AHB-Kliniken in Bayern waren, die ihren Regelbetrieb aufrechterhalten und nicht (wg. zuviel Corona-Fällen oder aus Mangel an Patienten) vorübergehend geschlossen war.
Wir hatten dann in dieser Phase eher wenig Patienten mit frisch operierten künstlichen Hüft- und Kniegelenken, Wirbelsäulen-operierte Patienten und Patienen mit Schulteroperationen (unser übliches "Kerngeschäft"), dafür aber sehr viele Patienten in der Nachbehandlung von Notfalleingriffen nach häuslichen Stürzen, sonstigen Unfällen, akute Bandscheibenvorfällen mit Lähmungen, also nach Eingriffen, die sich nicht mal eben um zwei bis drei Monate verschieben lassen.

Im März und April gab es vom Bayerischen Gesundheitsministerium die Auflage, dass verschiebbare Operationen und Behandlungen verschoben werden sollten wegen der damals drohenden Überlastung der Krankenhäuser durch Corona-Patienten (in der Gipfelphase der Infektionswelle Ende März bis Mitte April waren auch tatsächlich einzelne Kliniken in Rosenheim und München am Limit ihrer Kapazität und konnten keine Nicht-Corona-Patienten mehr auf Intensivstation betreuen.

Lebensnotwendige Eingriffe oder medizinisch dringend notwendige Eingriffe (Frakturversorgungen, Endoprothesen bei starken immobilisierennden Schmerzen, Krebsoperationen, dringende Herzoperationen) waren aber jederzeit erlaubt und wurden auch jederzeit durchgeführt. Die Entscheidung, was "medizinisch dringend notwendig" war und was nicht hatte der jeweilige Arzt zu treffen und wurde nicht unmittelbar vorgegeben.

Als Ersatz für die wenigen (zeitweise) überlasteten Corona-Kliniken gab es in Südbayern stets Corona-freie Kliniken, die sich um die Behandlung solcher Patienen kümmerten.

gaehnforscher 21.09.2020 15:20

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1553767)
Das bringt mich auf die Frage: durfte die Regierung anordnen, daß Krankenhausplätze für potentielle Corona-Patienten frei gemacht werden? Ist das nicht auch Leben gegen Leben aubzuwägen? Auf Grund wovon darf ein (potentieller, noch gar nicht erkrankter) Corona-Patient durch Reservierung von Intensivbetten bevorzugt werden vor einem Patienten, dem jetzt die OP direkt das Leben verlängern könnte?
Aktuell werden ja die für Corona reservierten Intensivbett-Reserven sinnvollerweise reduziert. Meine Frage bezieht sich aber auf die Entscheidungen im Frühling. Weiß jemand, ob und wie das eigentlich juristisch zu rechtfertigen war?

Wo fand denn eine solche Op nicht statt? Und wo wurde eine solche Bevorzugung bitte angeordnet?

Edith: Danke Hafu

Schwarzfahrer 21.09.2020 15:24

Zitat:

Zitat von Hafu (Beitrag 1553780)
...Lebensnotwendige Eingriffe oder medizinisch dringend notwendige Eingriffe (Frakturversorgungen, Endoprothesen bei starken immobilisierennden Schmerzen, Krebsoperationen, dringende Herzoperationen) waren aber jederzeit erlaubt und wurden auch jederzeit durchgeführt. Die Entscheidung, was "medizinisch dringend notwendig" war und was nicht hatte der jeweilige Arzt zu treffen und wurde nicht unmittelbar vorgegeben.

Als Ersatz für die wenigen (zeitweise) überlasteten Corona-Kliniken gab es in Südbayern stets Corona-freie Kliniken, die sich um die Behandlung solcher Patienen kümmerten.

Danke, so vernünftig habe ich mir die Realität auch ungefähr vorgestellt, zumal nie alle Kliniken überlastet waren. Ich wurde nur kürzlich etwas stutzig, als ich im Bekanntenkreis von meinem Vater von einem Fall hörte, wo jemand, der eigentlich für eine Lebertransplantation vorgesehen war, und angeblich dafür bereits im Krankenhaus lag, im März auf unbestimmte Zeit heimgeschickt wurde, um "Plätze frei zu halten", also bevor nennenswertes Corona-aufkommen da war. Der Betreffenede ist inzwischen verstorben, und die Eltern (beide über 90) verstehen die Welt nicht. Natürlich fehlen mir Details, um zu beurteilen, was genau geschah. Nur kam mir die Frage bei der aktuell gemeldeten "Corona-Reserve" an Intensivplätzen von bisher 30%, jetzt noch 10 %: Was ist, wenn alle am Anschlag wären: will man dann Corona-Patienten vor anderen (nicht verschiebbaren Fällen) ranlassen (wäre das begründbar?), oder bleibt es weiterhin der sowieso üblichen Abwägung des Artzes überlassen, wer zuerst drankommt? Wozu überhaupt die Reserven, solange man über Umverteilung über verschiedene Krankenhäuser alle versorgen kann, wer zuerst kommt, liegt eben zuerst?

merz 21.09.2020 15:32

Meinem Verständnis nach geht es zuerst darum solche Notsituationen, „am Anschlag“, wo diese Art von Triage dann erforderlich ist, auf jeden Fall zu verhindern. Niemand möchte irgendjemanden in so eine Situation bringen.

m.

Schwarzfahrer 21.09.2020 15:55

Zitat:

Zitat von merz (Beitrag 1553788)
Meinem Verständnis nach geht es zuerst darum solche Notsituationen, „am Anschlag“, wo diese Art von Triage dann erforderlich ist, auf jeden Fall zu verhindern. Niemand möchte irgendjemanden in so eine Situation bringen.

m.

Natürlich möchte das niemand. Aber in der Medizin sind solche Situationen nie ganz zu vermeiden, und Anordnungen dieser Art erzeugen ggf. genau diese Entscheidungssituation. In Ungarn wurden z.B. auch viele Schwerkranke aus den Krankenhäusern von einem Tag auf den anderen zu den Familien heimgeschickt ("Platz für Corona-Patienten", die bis heute nicht kamen), und die durften sehen, wie sie damit zurechtkommen (alleine). Das pikante daran: nach 6 Monaten wurde untersucht, wie es beiden Gruppen erging und siehe da: die zu Hause gepflegten haben eine merklich höhere Überlebensrate, als die, die im Krankenhaus geblieben sind (höchst peinlich fürs Gesundheitssystem). Sowas kann aber auch genau anders herum ausgehen. Ist es dann wirklich vertretbar? Wie ich Hafu verstehe, gab es keine konkreten Kriterien zur Auswahl, wer bleibt, wer geht, wer aufgeschoben wird - das dürfte dann je nach Krankenhaus und Angst-Ausmaß der Verwaltung sehr unterschiedlich ausgegangen sein. Hat schon jemand hier auch untersucht, wie es den "Heimgeschickten" und "Aufgeschobenen" in den letzten Monaten erging?

gaehnforscher 21.09.2020 18:01

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1553790)
Natürlich möchte das niemand. Aber in der Medizin sind solche Situationen nie ganz zu vermeiden, und Anordnungen dieser Art erzeugen ggf. genau diese Entscheidungssituation. In Ungarn wurden z.B. auch viele Schwerkranke aus den Krankenhäusern von einem Tag auf den anderen zu den Familien heimgeschickt ("Platz für Corona-Patienten", die bis heute nicht kamen), und die durften sehen, wie sie damit zurechtkommen (alleine). Das pikante daran: nach 6 Monaten wurde untersucht, wie es beiden Gruppen erging und siehe da: die zu Hause gepflegten haben eine merklich höhere Überlebensrate, als die, die im Krankenhaus geblieben sind (höchst peinlich fürs Gesundheitssystem). Sowas kann aber auch genau anders herum ausgehen. Ist es dann wirklich vertretbar? Wie ich Hafu verstehe, gab es keine konkreten Kriterien zur Auswahl, wer bleibt, wer geht, wer aufgeschoben wird - das dürfte dann je nach Krankenhaus und Angst-Ausmaß der Verwaltung sehr unterschiedlich ausgegangen sein. Hat schon jemand hier auch untersucht, wie es den "Heimgeschickten" und "Aufgeschobenen" in den letzten Monaten erging?

Erneute Frage: Wo wurde diese Entscheidungssituation konkret erzeugt, dass zwischen Person A und B entschieden werden musste bzw. wenn ein Krankenhaus in D so voll gewesen sein sollte durch entsprechend viele Patienten, an welcher Stelle ist die Anordnung, dass aufschiebare Operationen möglichst augeschoben werden sollen, daran schuld? Ich denke wir sollten froh sein, dass letztlich ein behandelnder Arzt entscheiden sollte, was im konkreten Fall verschiebbar ist oder nicht und nicht irgendein Politiker, Richter ... an irgendeinem Verhandlungstisch.

Hafus Beitrag war wesentlich differenzierter, als das, was du daraus mitnimmst.

Schwarzfahrer 21.09.2020 18:19

Zitat:

Zitat von gaehnforscher (Beitrag 1553808)
Erneute Frage: Wo wurde diese Entscheidungssituation konkret erzeugt, dass zwischen Person A und B entschieden werden musste bzw. wenn ein Krankenhaus in D so voll gewesen sein sollte durch entsprechend viele Patienten, an welcher Stelle ist die Anordnung, dass aufschiebare Operationen möglichst augeschoben werden sollen, daran schuld? Ich denke wir sollten froh sein, dass letztlich ein behandelnder Arzt entscheiden sollte, was im konkreten Fall verschiebbar ist oder nicht und nicht irgendein Politiker, Richter ... an irgendeinem Verhandlungstisch.

Was macht Dich so gereizt? Ich habe Fragen gestellt, und dazu von Hafu auch konkrete Antwort bekommen - die mich zu weiteren Fragen anregt. Wenn Du keine Antwort hast, hilft eine Gegenfrage nur begrenzt. Trotzdem: Mein Beispiel der nicht erfolgten Lebertransplantation zeigt, daß solche Entscheidungen konkret getroffen wurden, nicht zwischen Person A und B, sondern einfach erst mal gegen Person A, da es als "aufschiebbar" definiert wurde - wobei offenbar "aufschiebbar" im Ermessen der jeweiligen Ärzte und Krankenhäuser lag (wie auch von Hafu bestätigt). Dies wäre auf jeden Fall ohne diese Anordnung nicht passiert. Wie da Richter ins Spiel kommen sollen, musst Du mir erklären, ich kam nicht drauf. Mich würde einfach interessieren, ob jemand die "aufgeschobenen" Fälle nachverfolgt hat, und ob es eine Übersicht gibt, wie es ihnen erging. Könnte sein daß viele inzwischen gar kein Krankenhausaufenthalt brauchen, dann war die Aufschiebung sogar gut, andere werden vielleicht Nachteile haben. Eine Aufarbeitung wäre einfach interessant und lehrreich, auch für die Ärzte selbst, um ihre Kriterien für Dringlichkeit zu überarbeiten.
Zitat:

Zitat von gaehnforscher (Beitrag 1553808)
Hafus Beitrag war wesentlich differenzierter, als das, was du daraus mitnimmst.

Da musst Du vermutlich erklären, was Du glaubst, daß ich mitgenommen habe. Es wäre aber besser, nicht zu mutmaßen und mit Vorwürfen um sich schmeissen , wenn man keine Ahnung hat, was der andere denkt.

Cogi Tatum 21.09.2020 20:05

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1553811)
Was macht Dich so gereizt?

Vielleicht ist es dein permanentes, sinngemäßes
Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1553811)
...Trotzdem...

und die damit empfundene Ohnmacht und Erkenntnis, dass das Wort "Trotzdem" nicht nur für die Verwendung durch langjährige Ehefrauen erfunden wurde. :bussi:

Hiermal ein paar Neuigkeiten:
https://www.tagesschau.de/newsticker...-Alarmstufe-an

Großbritannien hat die offizielle Covid-19-Alarmstufe angehoben. Die zweithöchste Stufe vier bedeutet, dass das Virus allgemein zirkuliert und die Übertragung hoch ist. Die Fallzahlen stiegen "schnell und wahrscheinlich exponentiell", stellten die obersten Mediziner von England, Schottland, Wales und Nordirland fest.

gaehnforscher 21.09.2020 21:54

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1553811)
Was macht Dich so gereizt? Ich habe Fragen gestellt, und dazu von Hafu auch konkrete Antwort bekommen - die mich zu weiteren Fragen anregt. Wenn Du keine Antwort hast, hilft eine Gegenfrage nur begrenzt. Trotzdem: Mein Beispiel der nicht erfolgten Lebertransplantation zeigt, daß solche Entscheidungen konkret getroffen wurden, nicht zwischen Person A und B, sondern einfach erst mal gegen Person A, da es als "aufschiebbar" definiert wurde - wobei offenbar "aufschiebbar" im Ermessen der jeweiligen Ärzte und Krankenhäuser lag (wie auch von Hafu bestätigt). Dies wäre auf jeden Fall ohne diese Anordnung nicht passiert. Wie da Richter ins Spiel kommen sollen, musst Du mir erklären, ich kam nicht drauf. Mich würde einfach interessieren, ob jemand die "aufgeschobenen" Fälle nachverfolgt hat, und ob es eine Übersicht gibt, wie es ihnen erging. Könnte sein daß viele inzwischen gar kein Krankenhausaufenthalt brauchen, dann war die Aufschiebung sogar gut, andere werden vielleicht Nachteile haben. Eine Aufarbeitung wäre einfach interessant und lehrreich, auch für die Ärzte selbst, um ihre Kriterien für Dringlichkeit zu überarbeiten.

Da musst Du vermutlich erklären, was Du glaubst, daß ich mitgenommen habe. Es wäre aber besser, nicht zu mutmaßen und mit Vorwürfen um sich schmeissen , wenn man keine Ahnung hat, was der andere denkt.

Du stellst hier halt Dinge in den Raum, welche so zumindest in D überhaupt nicht existieren oder existiert haben, wie ja auch Hafu explizit aus erster Hand erläutert hat. Das Ganze ist dann wieder Ausgangspunkt für deine Kritik, wie schlecht bzw. verkehrt es hier läuft. Nach der Antwort von Hafu kommt ein Post, dass das dann ja anscheinend doch ganz sinnvoll geregelt ist. Bereits im nächsten Post wird dann aber schon wieder weiter Philosophiert, was für ein Unding es ist, dass Ärzte wegen Corona bzw. den Anordnungen anderer Leute Leben vernachlässigen ("Anordnungen dieser Art erzeugen ggf. genau diese Entscheidungssituation"), als ob das ein Fakt wäre.

Deswegen meinte ich: Schade, dass lediglich hängen geblieben ist, dass die Ärzte entscheiden was aufschiebbar ist und was nicht und halt nicht, dass es im Zweifel einfach darum geht was notwendig ist und was nicht, egal ob Corona oder nicht. Damit wäre dann ja auch die Kritik Anordnung hinfällig.

Insofern übrigens auch die Gegenfrage, denn zu deinem Beispiel hast du ja schon selbst geschrieben, dass du eigentlich gar nicht über alle Umstände im Detail im Bilde bist. Bisher ist es halt einfach eine Behauptung von dir, dass wegen Corona verschiedene Leben gegeneinander abgewogen werden.

Mit dem Richter war das einfach eine Schlussfolgerung. Wenn nicht ein behandelnder Arzt entscheiden soll, dann müssten ja entsprechende Gesetze erlassen und ggf. geprüft werden. Das ist in der Regel die Aufgabe von Politikern, evtl. mit etwas Unterstützung, und in diesem speziellen Fall am Ende mit Sicherheit auch ein Fall fürs Bundesverfassungsgericht. Da das aber niemals alle medizinischen Eventualitäten abdecken wird, find ich die Lösung mit dem Arzt dann doch ganz gut.

Im Übrigen ist auch genau das ein großer Vorteil. Du hattest ja zunächst bemängelt, dass angeblich alle Operationen verboten worden wären. Da das aber eben nicht der Fall war, haben sicherlich weniger Operationen stattgefunden, da ja nunmal nicht alle unbedingt notwendig sind, aber am Ende konnte doch je nach lokaler Gegebenheit und Auslastung entschieden werden, was man dann vllt doch mal "notwendiges" einschiebt...

Das erinnert mich an April hier in Sachsen. Man durfte raus zum Sport ect. musste sich halt per Anordnung nur "vorrangig im Umfeld des Wohnbereichs" aufhalten. Man hätte also ohne Probleme irgendwo zum Wandern hingekonnt, ne 300km Runde Radfahren ect. Man könnte sageb es gab so etwas wie persönliche Verantwortung, welche hier ja auch öfter mal im Bezug auf diverse Vorsichtsmaßnahmen gefordert wird. Am Ende wurde sich solang beschwert und dann auch geklagt, dass der Begriff "Umfeld" ja viel zu "unklar" ist, bis ein Gericht halt ne Entscheidung treffen musste. Danach war hier in Sachsen ein Radius von 15km erlaubt. Wirklich geholfen war damit niemandem, dass dann alle Rafahrer im Kreis gefahren sind, statt irgendwo übers Land. Manchmal ists halt ganz gut, wenn Anordnungen/ Verordnungen etwas offener formuliert sind.

merz 21.09.2020 21:56

Ich verstehe die angesprochene Aufschiebbarkeit bei einer Lebertransplantation nicht, wenn es eine Organspende ist und nicht eine Teillebendspende, scheint da garnichts aufschiebbar - im Voraus nicht länger planbar und in einem sehr engen Zeitfenster?

[Bei den zwei Organempfängern, die ich kenne, andere Organe, war das jeweils eine Sache von Stunden, Abwesenheit vom Wohnort die zu Nichtverfügbarkeit führen, mussten gemeldet werden.)
m.

deralexxx 21.09.2020 22:01

Zitat:

Zitat von merz (Beitrag 1553851)
Ich verstehe die angesprochene Aufschiebbarkeit bei einer Lebertransplantation nicht, wenn es eine Organspende ist und nicht eine Teiltransplantation scheint da garnichts aufschiebbar - im Voraus nicht länger planbar und in einem sehr engen Zeitfenster?

[bei den zwei Organempfängern, die ich kenne, andere Organe, war das eine Sache von Stunden, Abwesenheit vom Wohnort die zu Nichtverfügbarkeit führen mussten gemeldet werden.)
m.

Es kommt wie so oft auf Details an. Auch Transplantation kann je nach Umständen "aufschiebbar" sein, insbesondere bei chronischen Erkrankungen kann es (abgesehen von akutem Organversagen) gut abschätzbar sein, was das größere Risiko ist, verschieben oder durchführen. DA spielt auch mit rein ob ggf. ein anderer Patient in einer anderen Region bessere Chancen hat. Wenn jedoch das Organ schon zugewiesen ist, und per Kurier unterwegs ist, kann ich mir schwer vorstellen, dass ein Arzt aufgrund Covid "verschiebt". Eher aufgrund anderer Faktoren wie Organ in keinem guten Zustand usw.

merz 21.09.2020 22:04

Ja Du hast Recht, ich stammele hier Zeug zurecht, was ich echt nicht sollte.
Obigen Beitrag einfach als vermeidbaren Unsinn (würde ihn gern löschen) ansehen, bin in Zukunft vorsichtiger.

m.

Hafu 21.09.2020 22:19

Lesenswertes, aktuelles Intervie mit Prof. Drosten (vor zwei Stunden veröffentlich)..

Schwarzfahrer 21.09.2020 22:39

@ gaehnforscher:
Vielleicht sollte ich es dabei bewenden lassen, aber Du unterstellst mir einfach zu vieles, was ich an keiner Stelle und mit keinem Wort geschrieben oder gemeint habe. Also versuche ich es nochmal verständlich zu machen:
Zitat:

Zitat von gaehnforscher (Beitrag 1553850)
Du stellst hier halt Dinge in den Raum, welche so zumindest in D überhaupt nicht existieren oder existiert haben

Ich habe eigentlich nur zwei Dinge in den Raum gestellt: es gab eine Anordnung, gewisse medizinische Maßnahmen aufzuschieben, und es gab einen Fall, in dem jemand konkret in Stuttgart heimgeschickt wurde, und nicht überlebte, warum auch immer. Überhaupt nicht existiert?
Zitat:

Zitat von gaehnforscher (Beitrag 1553850)
Das Ganze ist dann wieder Ausgangspunkt für deine Kritik, wie schlecht bzw. verkehrt es hier läuft.

Alles andere waren Fragen, Überlegungen von Zusammenhängen und möglichen Implikationen, die mich interessieren. Sind solche Fragen schon Kritik, oder habe ich gesagt, es läuft verkehrt? Sorry, ich bin nun mal kein guter Untertan, der die Anordnungen der Obrigkeit nicht hinterfragt - aber ich gebe mich mit guten Antworten dazu auch zufrieden (wie z.B. Hafus Antwort).
Zitat:

Zitat von gaehnforscher (Beitrag 1553850)
...Bereits im nächsten Post wird dann aber schon wieder weiter Philosophiert, was für ein Unding es ist, dass Ärzte wegen Corona bzw. den Anordnungen anderer Leute Leben vernachlässigen ("Anordnungen dieser Art erzeugen ggf. genau diese Entscheidungssituation"), als ob das ein Fakt wäre

Ich glaube nicht, daß ich etwas von Unding oder vernachlässigen geschrieben hätte; daß die Anordnung eine konkrete Entscheidungssituation erzeugt hat, ist Fakt, da zu einem gewissen Zeitpunkt jemand entscheiden mußte, was aufschiebbar ist und was nicht; und das an vielen Krankenhäusern.
Zitat:

Zitat von gaehnforscher (Beitrag 1553850)
Deswegen meinte ich: Schade, dass lediglich hängen geblieben ist, dass die Ärzte entscheiden was aufschiebbar ist und was nicht und halt nicht, dass es im Zweifel einfach darum geht was notwendig ist und was nicht, egal ob Corona oder nicht. Damit wäre dann ja auch die Kritik (an der) Anordnung hinfällig.

Nun, ich gehe davon aus (hoffe es zumindest), daß bis auf einen kleinen Teil von OPs (z.B. reine Schönheits-OPs, ggf. seltene Fehldiagnosen) unsere Medizin kaum "nicht notwendige" Eingriffe vorsieht. Es dürfte wohl eher um die Dringlichkeit gehen, was natürlich kein anderer entscheiden kann, als ein Arzt, und wofür es nicht immer objektive Kriterien geben kann, sondern einen Ermessensspielraum. Dieser wurde durch die Anordnung beeinflusst. Ob das richtig oder falsch ist, stand für mich hier nicht zur Debatte, also auch keine Kritik.
Zitat:

Zitat von gaehnforscher (Beitrag 1553850)
Insofern übrigens auch die Gegenfrage, denn zu deinem Beispiel hast du ja schon selbst geschrieben, dass du eigentlich gar nicht über alle Umstände im Detail im Bilde bist. Bisher ist es halt einfach eine Behauptung von dir, dass wegen Corona verschiedene Leben gegeneinander abgewogen werden.

Ich habe danach gefragt, bzw. überlegt, ob und unter welchen Umständen dies der Fall sein könnte, nichts behauptet. Und zu meinem Beispiel kenne ich soviel, wie ich geschrieben habe, ohne genug zu wissen, um mutmaßen zu können, ob der Mann mit nicht abgebrochenen Behandlung hätte überleben können.
Zitat:

Zitat von gaehnforscher (Beitrag 1553850)
Mit dem Richter war das einfach eine Schlussfolgerung. Wenn nicht ein behandelnder Arzt entscheiden soll, ...

eine falsche Schlussfolgerung, da ich nie davon ausging, daß jemand anderes als ein Arzt entscheiden kann.
Zitat:

Zitat von gaehnforscher (Beitrag 1553850)
Du hattest ja zunächst bemängelt, dass angeblich alle Operationen verboten worden wären.

Wo habe ich das? Alle? Die einzelnen Betroffenen waren sicher nicht alle begeistert, meine Terminverschiebung hat mir wenig ausgemacht.
Zitat:

Zitat von gaehnforscher (Beitrag 1553850)
Das erinnert mich an April hier in Sachsen. Man durfte raus zum Sport ect. musste sich halt per Anordnung nur "vorrangig im Umfeld des Wohnbereichs" aufhalten. Man hätte also ohne Probleme irgendwo zum Wandern hingekonnt, ...

Ich finde es merkwürdig, wenn für Dich wesentliche medizinische Eingriffe auf gleicher Bedeutungsstufe mit Sport, also Freizeit-Vergnügen stehen. Würdest Du das so auch einem Krebskranken sagen? Könnte er auch ohne Probleme irgendwo zur Chemotherapie hin?
Zitat:

Zitat von gaehnforscher (Beitrag 1553850)
Manchmal ists halt ganz gut, wenn Anordnungen/ Verordnungen etwas offener formuliert sind.

Klar, darum habe ich auch zufrieden zu Hafus Beschreibung festgestellt, daß die Anordnung in der Praxis dort offenbar vernünftig ausgelegt wurde. Ob das immer und überall der Fall war, und wie die Folgen aussehen (falls welche zu erkennen sind), das würde mich noch interessieren, wenn jemand konstruktives dazu beitragen kann, statt mir mit Eifer die Worte im Mund umzudrehen.

Cogi Tatum 22.09.2020 00:05

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1553863)
...Alles andere waren Fragen, Überlegungen von Zusammenhängen und möglichen Implikationen, die mich interessieren. Sind solche Fragen schon Kritik, oder habe ich gesagt, es läuft verkehrt?...



:)

gaehnforscher 22.09.2020 00:08

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1553863)
@ gaehnforscher:
Vielleicht sollte ich es dabei bewenden lassen, aber Du unterstellst mir einfach zu vieles, was ich an keiner Stelle und mit keinem Wort geschrieben oder gemeint habe. Also versuche ich es nochmal verständlich zu machen:

Ich habe eigentlich nur zwei Dinge in den Raum gestellt: es gab eine Anordnung, gewisse medizinische Maßnahmen aufzuschieben, und es gab einen Fall, in dem jemand konkret in Stuttgart heimgeschickt wurde, und nicht überlebte, warum auch immer. Überhaupt nicht existiert?

Alles andere waren Fragen, Überlegungen von Zusammenhängen und möglichen Implikationen, die mich interessieren. Sind solche Fragen schon Kritik, oder habe ich gesagt, es läuft verkehrt? Sorry, ich bin nun mal kein guter Untertan, der die Anordnungen der Obrigkeit nicht hinterfragt - aber ich gebe mich mit guten Antworten dazu auch zufrieden (wie z.B. Hafus Antwort).

Es geht nicht ums hinterfragen. Das habe ich hier auch schon getan. Es geht darum, wie Sachverhalte dargestellt werden. Klar du hinterfragst nur, aber auch Fragen können ein gewisses Maß an Wertung darstellen. Zum Beispiel hast du durch meine Fragen ja den Eindruck, dass ich gereizt wäre, sprich mich etwas stört. Dabei habe ich nur kritisch hinterfragt, weil ich halt kein guter Untertan bin, welcher die Behauptungen anderer einfach für gegeben hinnimmt. ;)

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1553863)
Ich glaube nicht, daß ich etwas von Unding oder vernachlässigen geschrieben hätte; daß die Anordnung eine konkrete Entscheidungssituation erzeugt hat, ist Fakt, da zu einem gewissen Zeitpunkt jemand entscheiden mußte, was aufschiebbar ist und was nicht; und das an vielen Krankenhäusern.

Nun, ich gehe davon aus (hoffe es zumindest), daß bis auf einen kleinen Teil von OPs (z.B. reine Schönheits-OPs, ggf. seltene Fehldiagnosen) unsere Medizin kaum "nicht notwendige" Eingriffe vorsieht. Es dürfte wohl eher um die Dringlichkeit gehen, was natürlich kein anderer entscheiden kann, als ein Arzt, und wofür es nicht immer objektive Kriterien geben kann, sondern einen Ermessensspielraum. Dieser wurde durch die Anordnung beeinflusst. Ob das richtig oder falsch ist, stand für mich hier nicht zur Debatte, also auch keine Kritik.

Ich habe danach gefragt, bzw. überlegt, ob und unter welchen Umständen dies der Fall sein könnte, nichts behauptet. Und zu meinem Beispiel kenne ich soviel, wie ich geschrieben habe, ohne genug zu wissen, um mutmaßen zu können, ob der Mann mit nicht abgebrochenen Behandlung hätte überleben können.

eine falsche Schlussfolgerung, da ich nie davon ausging, daß jemand anderes als ein Arzt entscheiden kann.

Okay, anders. Es ist eine schwierige Situation der Ärzte, aber in Anbetracht der Umstände empfinde ich es als die beste Option, wenn ein Arzt vor Ort entscheidet. Alles andere waren keine Unterstellugen o.ä. , sondern sollte lediglich andere Optionen aufzeigen, wie sowas üblicherweise geregelt wird. Da bin ich ziemlich froh, dass dem nicht so ist.

Wie Hafu auch geschrieben hat fanden dazu (begünstigt durch die offene Formulierung der Anordnung) ja durchaus auch andere Operationen statt, in Kliniken, welche entsprechende Kapazitäten hatten. Darüber hinaus sind verschiedene Kliniken ja durchaus auch in Teilen auf bestimmte Fachgebiete spezialisiert. Die Patienten entsprechend zu verteilen liegt also nah. Während man in einer Klink dann auf nicht unbedingt notwendige Operationen verzichtet und sich lieber auf Atemwegserkrankungen fokussiert, kann ja anderswo trotzdem ne Blinddarm OP durchgeführt werden. Dass es zudem schwierig ist mit dem Wissen über das Coronavirus von heute über Maßnahmen aus dem Frühjahr zu diskutieren hatten wir ja hier schon ein oder zwei mal.


Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1553863)
Wo habe ich das? Alle? Die einzelnen Betroffenen waren sicher nicht alle begeistert, meine Terminverschiebung hat mir wenig ausgemacht.

Da zum Beispiel:
Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1553767)
Das bringt mich auf die Frage: durfte die Regierung anordnen, daß Krankenhausplätze für potentielle Corona-Patienten frei gemacht werden? Ist das nicht auch Leben gegen Leben aubzuwägen?Auf Grund wovon darf ein (potentieller, noch gar nicht erkrankter) Corona-Patient durch Reservierung von Intensivbetten bevorzugt werden vor einem Patienten, dem jetzt die OP direkt das Leben verlängern könnte?

Aktuell werden ja die für Corona reservierten Intensivbett-Reserven sinnvollerweise reduziert. Meine Frage bezieht sich aber auf die Entscheidungen im Frühling. Weiß jemand, ob und wie das eigentlich juristisch zu rechtfertigen war?

Entschuldige, dass ich so salop "alle" schrieb. Genau obiges fand halt in der Form einfach nicht statt, wäre aber in der Tat ein ziemliches "Unding". So würde ich es dann zumindest bezeichnen. Du hast es halt als offene Frage formuliert.

Das stellt die Situation definitiv so dar, als ob es so passiert wäre. Zu deinem Beispiel mit der Leber hast du jetzt auch schon wieder geschrieben, dass er nach Hause geschickt wurde, "warum auch immer". Also ist eigentlich gar nicht klar, dass solche kritischen Fälle bedingt durch diese Anordnung "existieren". Vllt hat er ja auch die Leber nicht bekommen, weil halt absehbar war, dass es auch sonst schlecht um die Gesundheit bestellt ist? Wo ist da also der Bezug zum Thema mit der Anordnung?

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1553863)
Ich finde es merkwürdig, wenn für Dich wesentliche medizinische Eingriffe auf gleicher Bedeutungsstufe mit Sport, also Freizeit-Vergnügen stehen. Würdest Du das so auch einem Krebskranken sagen? Könnte er auch ohne Probleme irgendwo zur Chemotherapie hin?

Wer dreht hier wem was um? Das war lediglich ein weiteres Beispiel für eine bewusst offen gehaltene Verordnung, welche mehr persönliche Verantwortung ermöglicht, was allerdings durch übertriebene Kritik und hätte wäre wenn zu einer eher bescheideneren Situation geführt hat. Komplett ohne Zuordnung einer Wertigkeit dieser Punkte. Analog finde ich es auch besser, wenn ein Arzt frei entscheiden kann, als wenn von oben fesgelegt wäre: Operation xy findet erst mal nicht statt, weil Corona. Ich war der Meinung du wünscht mehr Entscheidungsfreiheit und Eigenverantwortung in vielen Bereichen?

LidlRacer 22.09.2020 00:53

Danke! Immer wieder schön, diese Stimme der Vernunft zwischen all dem Wahnsinn zu hören (gestern Bhakdi und Homburg in einer Sendung gesehen - schwer erträglich)!

TriVet 22.09.2020 09:00

Guter und anschaulicher Artikel zum Thema Impfstoff, hier mit Bezug auf die Tiermedizin, wo Coronaviren "schon immer" ein Thema waren, auf spektrum.de:
https://www.spektrum.de/news/corona-...b-global-de-DE

aequitas 22.09.2020 13:11

Nettes Interview ohne großen Alarmismus, sondern schön sachlich - das kann er tatsächlich meistens ganz gut.

Ein interessanter Nebenaspekt der mir aufgefallen ist und den ich eigentlich auch nicht groß diskutieren will, da ich Drosten damit nicht diskreditieren will, dennoch halte ich es für wichtig, dass er sich dazu doch mal Gedanken machen sollte: seine Naivität. Als er über die Sitzung im März und die darauffolgenden Schulschließungen spricht sagt er, dass er zu keiner expliziten Maßnahme geraten habe. Andererseits führt er an, dass er die wichtige Rolle von Kindern während der Influenza-Pandemie 1918 betont habe. Mit solch einer Analogie zu einem anderen Virus hat er implizit eine Empfehlung abgegeben: macht die Schulen dicht, sonst droht 1918. Das ist selbstverständlich überspitzt, aber mir ist dieses Beispiel so ins Auge gestochen, da mir schon oft aufgefallen ist, wie Drosten stets seine Rolle als Wissenschaftler betont und sich damit von der Rolle als Berater mit Einfluss abgrenzt. Er ignoriert bzw. vernachlässigt dabei seine ausgesprochen hohe Einflussnahme, die er durch seine Forschung hat. Meistens ist das gut, dennoch würde ihm m.M.n. an dieser Stelle ein wenig Selbstreflexion gut stehen.

Schwarzfahrer 22.09.2020 13:38

Zitat:

Zitat von aequitas (Beitrag 1553985)
... Mit solch einer Analogie zu einem anderen Virus hat er implizit eine Empfehlung abgegeben: macht die Schulen dicht, sonst droht 1918. Das ist selbstverständlich überspitzt, aber mir ist dieses Beispiel so ins Auge gestochen, da mir schon oft aufgefallen ist, wie Drosten stets seine Rolle als Wissenschaftler betont und sich damit von der Rolle als Berater mit Einfluss abgrenzt. Er ignoriert bzw. vernachlässigt dabei seine ausgesprochen hohe Einflussnahme, die er durch seine Forschung hat.

Dies entspricht meiner Beobachtung aus meiner Arbeitswelt. In vielen Fällen, wo ich als technischer Fachmann für das Management Fakten zusammenstellen soll, habe ich einen sehr großen Einfluß darauf, wie entschieden wird, allein durch die Darstellung. Je nach dem, was ich betone oder eher hinten anstelle, kann ich die Wahrscheinlichkeit, eine bestimmte Entscheidung zu erreichen, stark erhöhen (oder auch verringern). ich habe in meiner 30-järigen Laufbahn sehr selten Projektentscheidungen erlebt, die nicht der Empfehlung der Fachleute entsprachen - besonders wenn sich objektiv pro und contra die Waage hielten, oder wo es um von den Managern nicht ganz verstandene Details ging.

Man ist als Fachmann kein Verantwortungsträger im juristischen Sinne, aber faktisch trägt man eine enorme Verantwortung mit, insbesondere weil "höhergestellte" Entscheider sich auch häufig keine Zeit mehr nehmen, sich mit Nuancen oder Details zur Differenzierung zu befassen, wenn mal eine Entscheidung gefällt wurde, die evtl. aus technischer (wissenschaftlicher) Sicht nicht gut begründbar ist. Und wenn die Entscheidung falsch war, dann ist wieder der Fachmann der dumme, der es verbockt hat...

Hafu 22.09.2020 17:21

Zitat:

Zitat von aequitas (Beitrag 1553985)
...seine Naivität. Als er über die Sitzung im März und die darauffolgenden Schulschließungen spricht sagt er, dass er zu keiner expliziten Maßnahme geraten habe. Andererseits führt er an, dass er die wichtige Rolle von Kindern während der Influenza-Pandemie 1918 betont habe. Mit solch einer Analogie zu einem anderen Virus hat er implizit eine Empfehlung abgegeben: macht die Schulen dicht, sonst droht 1918. ....

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1553990)
...
Man ist als Fachmann kein Verantwortungsträger im juristischen Sinne, aber faktisch trägt man eine enorme Verantwortung mit, insbesondere weil "höhergestellte" Entscheider sich auch häufig keine Zeit mehr nehmen, sich mit Nuancen oder Details zur Differenzierung zu befassen, ...

Der Einwand ist berechtigt, aber ich halte Drosten für viel zu intelligent, als dass er sich nicht ganz bewusst ist, wie die Dinge, über die er im Podcast redet von der Öffentlichkeit und auch von der Politik aufgenommen werden. Drosten ist keineswegs nur Fachidiot für SARS-Viren und Labordiagnostik, sondern versteht durchaus viel von Kommunikationsprozessen und von sehr viel anderen Dingen, bei denen er in seinem Podcast, wenn er sie streift, stets kokettierend hinzufügt, dass er "davon nichts versteht" und "sich andere Leute viel besser auskennen würden."

Auch wenn er es im oben verlinkten aktuellen Text nicht direkt zugibt: als er im März über die Studie von 2018 gesprochen und indirekt Schulschließungen empfohlen hat, war ihm mit Sicherheit klar, dass die Politik früher oder später dieser Empfehlung folgen würde.

Er hat das Thema Schulschließung damals bewusst thematisiert, weil er es einerseits intuitiv für richtig hielt, die Schulen vorübergehend zu schließen, andererseits ihm diese sehr alte Studie der Spanischen Grippe zugespielt wurde, mit der er die Empfehlung wissenschaftlich begründen konnte und später erschienene Studien (unter anderem auch seine eigene zur Viruslast bei Kindern) haben die Entscheidung der Schulschließungen im Nachhinein als richtig bestätigt.

Kurz zusammengefasst: Drosten ist nicht naiv, kennt seinen Einfluss auf die Meinungsbildung in dieser Pandemie sehr genau, aber es ist trotzdem falsch, ihn für als unbequem empfundene Entscheidungen direkt verantwortlich zu machen, wie es sehr viele tun.
Er informiert und empfiehlt (nie ohne Begründung und nie ohne genau darzulegen, wie stabil seine Aussagen durch wissneschaftliche Studien abgesichert sind), aber Entscheidungen treffen in Deutschland (anders als z.B. in Schweden) stets die Politiker. Und diesen steht es frei, vor jeder Entscheidung in der Pandemie auch noch zusätzlich andere Experten zu rate ziehen, was ja bekanntlich auch gemacht wurde und wird.

aequitas 22.09.2020 17:51

Zitat:

Zitat von Hafu (Beitrag 1554028)
Kurz zusammengefasst: Drosten ist nicht naiv, kennt seinen Einfluss auf die Meinungsbildung in dieser Pandemie sehr genau, aber es ist trotzdem falsch, ihn für als unbequem empfundene Entscheidungen direkt verantwortlich zu machen, wie es sehr viele tun.

Davon will ich auch ausgehen, da der Mann nicht ohne Grund seine aktuelle Position innehält. Aber trotzdem lässt er diese Haltung, die ich oben skizziert habe, regelmäßig durchkommen, weshalb ich ihm Naivität/Arroganz unterstellt habe. Aber es ist relativ unsinnig über die Person Drosten zu diskutieren, da es doch um die Sache/Inhalte gehen sollte - hier stimme ich ihm ja auch oft/meistens zu, wenn ich ihn in seiner Kommunikation auch kritisiere. Mir ist es in diesem Interview nur stark ins Auge gestochen.

Es geht auch nicht darum ihm für etwas die Verantwortung zuzuschieben. Es ist nur trotzdem wichtig darauf hinzuweisen, dass Wissenschaft(skommunikation) nie wertneutral ist, sondern immer durch (Forschungs-/Politik-/Eigen-)Interessen bewegt wird. Dieser Rolle ist sich Drosten sicherlich in großen Teilen klar, wenn auch gerade in den Naturwissenschaften oft die Meinung vertreten ist, dass Forschung immer werneutral zu sein habe - was jedoch unmöglich ist, gerade vor dem aktuellen Hintergrund einer Pandemie und den realpolitischen Folgen von virologischer/epidemiologischer Forschung.

Nach wie vor vermisse ich einen interdisziplinären Austausch, der gesellschaftlich wahrnehmbar ist. Oft ist das virologische Argument in einer Diskussion das letzte, statt weitere Sichtweisen einzubeziehen. Im Laufe der Pandemie hat es sich zwar verbessert, aber der Fokus ist trotzdem noch da (bspw. Zahl der Neuinfizierten und Diskussionen).

Zur Kinder-Studie: vielleicht habe ich es auch verpasst und sollte dazu wieder etwas lesen, dennoch gehe ich noch davon aus, dass Viruslast zwar ein Faktor ist, jedoch aufgrund weiterer Faktoren nicht so schwer ins Gewicht fällt wie im Falle der Rolle von Kindern in der Grippe. Das war mein letzter Stand der Diskussion. Eine erneute weitreichende Schulschließung darf es ohnehin nicht geben, da die gesellschaftlichen Folgen davon m.M.n unverhältnismäßig groß sind.

LidlRacer 22.09.2020 18:39

Zitat:

Zitat von aequitas (Beitrag 1554031)
Eine erneute weitreichende Schulschließung darf es ohnehin nicht geben, da die gesellschaftlichen Folgen davon m.M.n unverhältnismäßig groß sind.

Das wollen ja auch alle möglichst verhindern. Dennoch kann man es nicht völlig ausschließen, wenn die Zahlen weiter aus dem Ruder laufen.

Ich verstehe Drosten auch keineswegs so, dass die erste Schulschließung falsch war.
Damals musste einfach eine Notbremsung durchgeführt werden, und es gibt wohl keinen Zweifel mehr, dass Kinder infiziert werden und andere infizieren können.

tandem65 23.09.2020 08:11

@schwarzfahrer

hier mal eine erste Kostprobe weshalb sich Unternehmen eigene scharfe Corona-Verhaltensregeln gönnen könnten.
Und weshalb sich auch Regierungen vielleicht für Regelungen entscheiden die nicht für jeden Sinnvoll erscheinen.


Klage auf Schadenersatz von Ischgl Touristen

Natürlich ist das noch nicht entschieden, ich habe aber nur darauf gewartet.

Helmut S 23.09.2020 08:29

Zitat:

Zitat von tandem65 (Beitrag 1554077)
hier mal eine erste Kostprobe weshalb sich Unternehmen eigene scharfe Corona-Verhaltensregeln gönnen könnten.

Mein Horror ist, dass Mitarbeiter, die meinen sich nicht an die geltenden Regeln halten zu müssen oder einfach unvorsichtig sind, das Virus in die Firma tragen. Wir hatten bisher zwei MA mit Symptomen - Gott sei Dank war der Test jeweils negativ. Aktuell ist noch ein MA mit ner AU und Symptomen Zuhause - Testergebnis steht noch aus.

Wir sind eine kleine Firma. Man kann davon ausgehen, dass wir alle bzw fast alle Kontaktpersonen wären, d.h. im worst-case sperrt mir das Gesundheitsamt für x Tage die Firma zu. Das wäre ein mittlerer Albtraum. Jetzt wo wir bisher so gut durch die Krise gekommen sind.


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 06:59 Uhr.

Powered by vBulletin Version 3.6.1 (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2025, Jelsoft Enterprises Ltd.