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MattF 03.11.2017 14:33

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1340342)

Leider sind wir nicht auf dem richtigen Weg, weil die weltweite Vermögensverteilung immer ungleicher, ungerechter wird


Es geht nicht um Vermögen sondern um das was die Menschen sich leisten und kaufen können.

Und immer mehr Menschen können sich immer mehr Sachen kaufen und werden immer satter.

Ob jetzt irgendein Typ 50 Milliarden auf dem Konto hat ist dabei weitgehend wurscht. Der kann auch nicht mehr als Essen, Trinken, Wohnen und 1 Auto gleichzeitig fahren.


MfG
Matthias

Trimichi 03.11.2017 15:20

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1340342)
Die Ziele der Profitmaximierung bestimt letzlich die Moral ...

So habe ich Arne auch verstanden. Fressen und gefressen werden. Mehr ist das nicht. Von wegen welche Strategie die bessere ist. Nur haben wir als Menschen Vernunftbegabung, sowie deduktive und nicht nur induktive Logik zur Verfügung. Im Unterschied zu Heuschrecken und dem gesamten Tierreich wissen wir, dass die Ressourcen endlich sind. Die Natur und damit auch das Tierreich, wie auch übrigens BWLer, geht/gehen von unendlichen Ressourcen aus.

Sollte also die blinde Fresswut (Profitmaximierung) über die Vernunftbegabung und das daraus bedingte Talent des Menschen sich über seine animalische Natur zu erheben und Moral zu schmieden triumphieren?
Falls ja, es wird ein trauriges Fest... .

Wissenschaftler sprechen deswegen auch vom Menschen als Irrläufer der Evolution. Weil er im Wissen sich selbst zu vernichten es dennoch tut, und in diesem Zusammenhang noch dümmer als ein Regenwurm erscheint (statistisch gesehen begreift ein Regenwurm in einem y-förmigen Labyrinth nach jeweiligen Stromschlag bei Ausgang A nach dem 123zigsten Mal, dass er Ausgang B (kein Stromschlag) zu wählen hat / Metapher für die menschliche Kriegsführung).

qbz 03.11.2017 17:37

Zitat:

Zitat von MattF (Beitrag 1340344)
Es geht nicht um Vermögen sondern um das was die Menschen sich leisten und kaufen können.

Und immer mehr Menschen können sich immer mehr Sachen kaufen und werden immer satter.

Ob jetzt irgendein Typ 50 Milliarden auf dem Konto hat ist dabei weitgehend wurscht. Der kann auch nicht mehr als Essen, Trinken, Wohnen und 1 Auto gleichzeitig fahren.


MfG
Matthias

Ich glaube, es war ziemlich klar, dass ich nicht vom Konsum der Herrschenden sprach, sondern von deren wirtschaftlichen Macht, welche die Politik weltweit nicht unter Kontrolle bekommt, weil sie umgekehrt unter der Kontrolle der wirtschaftlich Mächtigen steht.

Infos zum Welthunger.

Klugschnacker 03.11.2017 18:13

Zitat:

Zitat von Trimichi (Beitrag 1340351)
Sollte also die blinde Fresswut (Profitmaximierung) über die Vernunftbegabung und das daraus bedingte Talent des Menschen sich über seine animalische Natur zu erheben und Moral zu schmieden triumphieren?
Falls ja, es wird ein trauriges Fest... .

Das ist ein zu einfaches Bild. Erfolgreiche Strategien sind viel komplexer. Nehmen wir als Beispiel die Partnerwahl. Wer bekommst die begehrtesten Frauen oder Männer ab? Im einfachen Bild vom Fressen und gefressen Werden hole ich mir die Frau notfalls mit Gewalt und breche allen Konkurrenten das Nasenbein.

In der realen Welt ist das komplexer. Viele Frauen bevorzugen Männer mit ausgeprägten sozialen Stärken. Sie (die Männer) können damit langfristig zuverlässige Versorger für den Nachwuchs sein, können soziale Netzwerke knüpfen und einen hohen Status in der Gemeinschaft erlangen.

Falls diese (wahrscheinlich unbewusste) Strategie erfolgreich ist, breitet sie sich in einer Population aus. Man findet dann nach einiger Zeit viele Männer mit diesen sozialen Eigenschaften, sowie Frauen, welche diesen Typ bevorzugen. Das wiederum wirkt sich auf die Erwartungen und Gepflogenheiten innerhalb einer Gesellschaft aus. Offen unsoziales Verhalten wird nicht geduldet und geächtet.

Das bedeutet nichts anderes, als das die erfolgreichste Strategie automatisch die Moralvorstellungen hervorbringt: Das Verhalten eines Mannes, der stark davon abweicht, gilt als unmoralisch. Etwa, wenn er viele Frauen schwängert und sich anschließend nicht um die Kinder kümmert.

---

Ein zweites Beispiel:

Frauen gehen in einer Partnerschaft eine große Investition ein. Denn sie sind es, welche die Kinder gebären und im Falle einer Trennung jahrelang aufziehen müssen. Deshalb sind sie tendenziell an Männern interessiert, die langfristig zuverlässig sind und dauerhafte emotionale Bindungen einzugehen bereit sind.

Männer hingegen können nicht 100% sicher sein, ob die Kinder, die aufzuziehen sie täglich mithelfen, ihre eigenen sind. Sie sind daher tendenziell an Frauen interessiert, die ihnen sexuell treu sind.

Beide verfolgen damit das Ziel, ihre "Investition" zu schützen.

Die Eifersucht der Frau bezieht sich in diesem schematischen Bild darauf, die emotionale Bindung ihres Mannes nicht zu verlieren. Sie legt auf seine emotionale Treue mehr wert als auf seine sexuelle. Bei Männern ist es aus dem genannten Grund umgekehrt: Sie fürchten vor allem die sexuelle Untreue ihrer Frauen, weniger die emotionale.

Das wirkt sich auf unsere Moralbegriffe aus. Bei der Frau ist die sexuelle Untreue moralisch sehr negativ besetzt, weit stärker als die des Mannes. Beim Mann ist die emotionale Untreue moralisch sehr negativ besetzt; beispielsweise werden Seitensprünge von Männern gesellschaftlich akzeptiert, solange sie sich zu Hause um Frau und Kinder kümmern.

Wir unterliegen nun dem Irrtum, wir hätten solche Moralvorstellungen selbst erfunden. Sie sind aber nur das Ergebnis erfolgreicher Strategien oder erfolgreicher Verhaltensweisen.

(Vorsorglich bitte ich um Vergebung, dass ich vereinfachte Beispiele aus sehr komplexen sozialen Gebieten gewählt habe. Mir geht es nur um die Verdeutlichung einer Tendenz oder eines Prinzips.)

Klugschnacker 03.11.2017 18:39

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1340332)
Es lohnt sich, darüber nachzudenken, ob solche Verallgemeinerungen nicht mit bestimmter ideologischer Absicht postuliert werden, z.B. um zu verdecken, dass diejenigen, welche herrschen, jeweils eine andere Moral haben, abgeleitet von ihren Interessen, als diejenigen, die beherrscht werden. Wäre es anders, würden wohl kaum jede Minute auf der Welt Menschen verhungern. Ich würde eher postulieren, dass Moral rein interessengeleitet ist und die Interessen einzelner Schichten wiederum von den wirtschaftlichen Verhältnissen abhängen, die z.B. im Kapitalisums nicht mehr unter der Kontrolle der Menschen stehen.

Bei mir gibt es keine ideologische Absicht. Das wolltest Du mir wahrscheinlich auch nicht unterstellen, daher sage ich es nur vorsorglich.

Ansonsten bin ich Deiner Meinung. Den Widerspruch, auf den Du hinaus willst, sehe ich nicht.

Moralbegriffe sind das Ergebnis erfolgreicher Strategien. In der Arbeiterklasse besteht eine erfolgreiche Strategie darin, fleißig und genügsam zu sein, eine gute Arbeitsmoral zu haben. Das spiegelt sich in den moralischen Vorstellungen: Frühaufsteher sind moralisch angesehener als Langschläfer, selbst wenn beide gleich viel arbeiten. Verschwendung ist ein moralisches Vergehen, Sparsamkeit eine Tugend.

In der Oberschicht haben sich andere Strategien als erfolgreich erwiesen. Daher findet man dort auch andere Moralbegriffe. Sklaverei wurde moralisch legitimiert. Die Ehe mit einer "Bürgerlichen" war beim Adel moralisch geächtet.

Du sagst, Moral sei das Ergebnis von Interessen. Ich sage, sie ist das Ergebnis erfolgreicher Strategien. Strategien und Interessen gehen Hand in Hand.

merz 04.11.2017 08:15

ich erlaube mir mal eine Ambiguität in "erfolgreich" für eine Flanke zum zentralen Thema dieses threads zu nutzen:

Wirkt es nicht so, als seien die großen Weltreligionen die "erfolgreichsten" sozialen Phänomene/Strömungen in der Geschichte der Menschheit - mit ausdefinierten Moralvorstellungen? ("Erfolg" jetzt mal nach Stabilität, Adaptionsrate, "Marktdurchdringung").

Interessant, oder?


m.

Trimichi 04.11.2017 08:18

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1340387)
Das ist ein zu einfaches Bild. Erfolgreiche Strategien sind viel komplexer. Nehmen wir als Beispiel die Partnerwahl. Wer bekommst die begehrtesten Frauen oder Männer ab? Im einfachen Bild vom Fressen und gefressen Werden hole ich mir die Frau notfalls mit Gewalt und breche allen Konkurrenten das Nasenbein.

In der realen Welt ist das komplexer. Viele Frauen bevorzugen Männer mit ausgeprägten sozialen Stärken. Sie (die Männer) können damit langfristig zuverlässige Versorger für den Nachwuchs sein, können soziale Netzwerke knüpfen und einen hohen Status in der Gemeinschaft erlangen.

Falls diese (wahrscheinlich unbewusste) Strategie erfolgreich ist, breitet sie sich in einer Population aus. Man findet dann nach einiger Zeit viele Männer mit diesen sozialen Eigenschaften, sowie Frauen, welche diesen Typ bevorzugen. Das wiederum wirkt sich auf die Erwartungen und Gepflogenheiten innerhalb einer Gesellschaft aus. Offen unsoziales Verhalten wird nicht geduldet und geächtet.

Das bedeutet nichts anderes, als das die erfolgreichste Strategie automatisch die Moralvorstellungen hervorbringt: Das Verhalten eines Mannes, der stark davon abweicht, gilt als unmoralisch. Etwa, wenn er viele Frauen schwängert und sich anschließend nicht um die Kinder kümmert.

---

Ein zweites Beispiel:

Frauen gehen in einer Partnerschaft eine große Investition ein. Denn sie sind es, welche die Kinder gebären und im Falle einer Trennung jahrelang aufziehen müssen. Deshalb sind sie tendenziell an Männern interessiert, die langfristig zuverlässig sind und dauerhafte emotionale Bindungen einzugehen bereit sind.

Männer hingegen können nicht 100% sicher sein, ob die Kinder, die aufzuziehen sie täglich mithelfen, ihre eigenen sind. Sie sind daher tendenziell an Frauen interessiert, die ihnen sexuell treu sind.

Beide verfolgen damit das Ziel, ihre "Investition" zu schützen.

Die Eifersucht der Frau bezieht sich in diesem schematischen Bild darauf, die emotionale Bindung ihres Mannes nicht zu verlieren. Sie legt auf seine emotionale Treue mehr wert als auf seine sexuelle. Bei Männern ist es aus dem genannten Grund umgekehrt: Sie fürchten vor allem die sexuelle Untreue ihrer Frauen, weniger die emotionale.

Das wirkt sich auf unsere Moralbegriffe aus. Bei der Frau ist die sexuelle Untreue moralisch sehr negativ besetzt, weit stärker als die des Mannes. Beim Mann ist die emotionale Untreue moralisch sehr negativ besetzt; beispielsweise werden Seitensprünge von Männern gesellschaftlich akzeptiert, solange sie sich zu Hause um Frau und Kinder kümmern.

Wir unterliegen nun dem Irrtum, wir hätten solche Moralvorstellungen selbst erfunden. Sie sind aber nur das Ergebnis erfolgreicher Strategien oder erfolgreicher Verhaltensweisen.

(Vorsorglich bitte ich um Vergebung, dass ich vereinfachte Beispiele aus sehr komplexen sozialen Gebieten gewählt habe. Mir geht es nur um die Verdeutlichung einer Tendenz oder eines Prinzips.)

Moin Arne! :Blumen:

Evolutionäre Psychologie a la David M. Buss (2004) ist eines meiner Steckenpferde. Du hast vergessen zu erwähnen, dass (a) soziale Motive in der Partnerwahl der Frau nur auf Rang 3 logieren. Platz 1 sind Ressourcen (womit wir wieder bei der Gewinnmaximierung sind). Platz 2 belegt Macht (Was auch wieder auf Gewinnmaximierung abzielt). Und (b) beziehen sich deine Ausführungen nur auf langfristige Partnerwahlstrategien der Frau. Kurzfristige Partnerwahlstrategien der Frau haben andere Schwerpunkte.
In short: vom Piraten träumen sie, den Buchhalter heiraten sie.

Was hat das nun mit Moral zu tun? Gute Frage, ich weiss es nicht.

Nächtelange Diskussionen unter Kybernetikern, Wirtschaftsinformatikern und Philosophen im Freundeskreis führten zu dem Ergebnis, daß das Wohl des Planeten und der menschlichen Rasse im limbischen System der Frau verortet ist (Holger).
Frauen haben Männer überholt, es steht 3:1 für die Frauen inzwischen. Denn zusätzlich zu den Waffen und Rundungen der Frauen kommt nun die Gleichberechtigung. Daher fordern die Soziologen im Gesprächskreis die Emanzipation des Mannes (Gerd, vor allem Jo).

Lasst uns endlich den Anschlußtreffer erzielen!

Die Haare der Frauen sind das Spinnennetz Satans in dem sich die Seelen der Männer verfangen. Männer, schneiden wir diesen Zopf endlich ab!

Schönes WE an alle!

Trimichi

;)

Klugschnacker 04.11.2017 09:03

Zitat:

Zitat von Trimichi (Beitrag 1340460)
Was hat das nun mit Moral zu tun?

Es hat mit den Ursachen für Moral zu tun. Es beantwortet die Frage, warum haben wir diese bestimmte Moral und keine andere.

Dieser Frage muss man sich ja stellen, wenn man nicht akzeptiert, dass die Moral vom Himmel gefallen sei.

qbz 04.11.2017 09:09

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1340389)
.......
Du sagst, Moral sein das Ergebnis von Interessen. Ich sage, sie ist das Ergebnis erfolgreicher Strategien. Strategien und Interessen gehen Hand in Hand.

Gerade bei Ehe, Familie und Sexualität kann man in der Geschichte ebenfalls sehr gut erkennen, dass prägend für die Moral die soziale und ökonomische Stellung ist, aus denen sich die Interessen von Ständen, Klassen, Schichten, Geschlechter ableiten. Insoferen unterscheidet sich die Moral zwischen diesen und wird von den jeweiligen Herrschaftsverhältnissen geprägt. Das widerspricht jetzt sicher nicht dem Gedanken, dass es für einen römischen Familienvorstand in der Antike eine erfolgreichere Strategie war, sich für seine Lust der SklavInnen zu bedienen, als der Herrin oder dem Sohn seines Nachbarn.

(Labor)Modelle, welche die Moral allein als erfolgreiche Strategie definieren und von den konkreten Herrschaftsverhältnissen absehen, verschleiern in meinen Augen die primäre Abhängigkeit der Moral von den sozialökonomische Lagen der Menschen, aufgrund dessen (und zwar dadurch bestimmt!) erst solche kognitiven Strategien zur Geltung kommen. So ist bekannt, dass die volle Berufstätigkeit der Frauen in der DDR sowie die staatliche und betriebliche Kinderbetreuung ab Säuglingsalter z.B. zu einer viel höheren Scheidungsrate führte wie in der BRD, um bei dem Beipiel der Familie zu bleiben.

Klugschnacker 04.11.2017 09:14

Zitat:

Zitat von merz (Beitrag 1340458)
ich erlaube mir mal eine Ambiguität in "erfolgreich" für eine Flanke zum zentralen Thema dieses threads zu nutzen:

Wirkt es nicht so, als seien die großen Weltreligionen die "erfolgreichsten" sozialen Phänomene/Strömungen in der Geschichte der Menschheit - mit ausdefinierten Moralvorstellungen? ("Erfolg" jetzt mal nach Stabilität, Adaptionsrate, "Marktdurchdringung").

Interessant, oder?

Ich sehe es als ein erfolgreiches Phänomen, aber nicht als das erfolgreichste. Aber das ist ja auch egal. Ausdefinierte Moralvorstellungen sehe ich eigentlich nicht.

Bespiel: Du sollst nicht töten. Gleichzeitig finden wir in der Bibel extrem viele Morde, verübt von Menschen, Engeln und Göttern, teils aus nichtigem bis bizarrem Grund. Ausdifferenziert ist dieses Gebot ebenfalls nicht. Denn wie soll man sich in Grenzfällen verhalten, etwa bei Notwehr? Gilt das Tötungsverbot auch gegenüber Tieren, zum Beispiel Menschenaffen?

Klugschnacker 04.11.2017 09:41

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1340468)
Modelle, welche die Moral allein als erfolgreiche Strategie definieren und von den konkreten Herrschaftsverhältnissen absehen, verschleiern in meinen Augen die primäre Abhängigkeit der Moral von den sozialökonomische Lagen der Menschen, aufgrund dessen (und zwar dadurch bestimmt!) erst solche kognitiven Strategien zur Geltung kommen. So ist bekannt, dass die volle Berufstätigkeit der Frauen in der DDR sowie die staatliche und betriebliche Kinderbetreuung ab Säuglingsalter z.B. zu einer viel höheren Scheidungsrate führte wie in der BRD, um bei dem Beipiel der Familie zu bleiben.

Ich sehe doch gar nicht von den konkreten Herrschaftsverhältnissen ab, ganz im Gegenteil. Sie bestimmen ganz wesentlich mit. Sie zählen zu den Umweltbedingungen, innerhalb derer sich Moral entwickelt.

Setzen wir gedanklich einmal bestimmte Herrschaftsverhältnisse voraus. Dann ist damit die Moral noch nicht festgelegt. Mit anderen Worten, bei gleichen Herrschaftsverhältnissen können sich verschiedene Moralvorstellungen entwickeln. Welche dieser verschiedenen Möglichkeiten sich am Ende durchsetzt, hängt von ihrem Ausbreitungserfolg ab.

Beispiel: Wie bewerten wir heute ganz spontan und intuitiv eine Familie mit zwölf Kindern? Eher negativ. Vielleicht sind die zu doof zum Verhüten, oder sie gehören einer Sekte an? Eine Familie mit zwei Kindern bewerten wir positiver. Eine kinderlose Ehe tendenziell negativ.

Die erfolgreichste Strategie setzt die moralischen Normen. Unsere derzeitige Gesellschaft ist mit 1-2 Kindern pro Familie erfolgreich und setzt damit diese moralische Norm.

Ändern sich die Herrschaftsverhältnisse dahingehend, dass beispielsweise jeder ein festes Grundeinkommen sowie ein Stück Land bekommt, ändert sich möglicherweise auch die Geburtenzahl und damit unsere moralische Bewertung kinderreicher oder kinderloser Paare.

qbz 04.11.2017 09:50

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1340476)
Ich sehe doch gar nicht von den konkreten Herrschaftsverhältnissen ab, ganz im Gegenteil. Sie bestimmen ganz wesentlich mit. Sie zählen zu den Umweltbedingungen, innerhalb derer sich Moral entwickelt.

Setzen wir gedanklich einmal bestimmte Herrschaftsverhältnisse voraus. Dann ist damit die Moral noch nicht festgelegt. Mit anderen Worten, bei gleichen Herrschaftsverhältnissen können sich verschiedene Moralvorstellungen entwickeln. Welche dieser verschiedenen Möglichkeiten sich am Ende durchsetzt, hängt von ihrem Ausbreitungserfolg ab.
...........

Man kann ziemlich sicher (voraus)sagen, dass in Gesellschaften mit einer gesicherten Rente und einem Soszialsystem für alle wie in DE deutlich weniger Kinder geboren werden als in welchen ohne ein allgemeine Rente und staatliche Absicherung im Alter. Die Moral ist abhängig und bestimmend beeinflusst von den sozialen Bedingungen. (und die Geburtenzahl und Verhütungspraxis entwickelte sich wegen der bestimmenden sozialen Umstände (Rente) auch im Widerspruch zur Sexualmoral der Kath. Kirche. Oder die berufliche Gleichberechtigung und Vollbeschäftigung von Frauen veränderte die moralische Enstellung der Gesellschaft zu Scheidungen entgegen den kath. Vorstellungen)

Klugschnacker 04.11.2017 09:59

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1340468)
Gerade bei Ehe, Familie und Sexualität kann man in der Geschichte ebenfalls sehr gut erkennen, dass prägend für die Moral die soziale und ökonomische Stellung ist, aus denen sich die Interessen von Ständen, Klassen, Schichten, Geschlechter ableiten. Insoferen unterscheidet sich die Moral zwischen diesen und wird von den jeweiligen Herrschaftsverhältnissen geprägt.

Da sind wir einer Meinung. Wir sagen beide, dass Moral Ursachen hat. Sie wurde uns nicht vom Himmel herab gereicht.

Du konzentrierst Dich vor allem auf diese Ursachen; eine davon sind die sozialen und ökonomischen Verhältnisse, unter denen die Menschen leben. Ich konzentriere mich auf den Mechanismus, wie diese Ursachen auf die Moral wirken.

Die Ursachen einer Moral können in den sozialen und ökonomischen Verhältnissen liegen. Der Mechanismus, wie diese Ursachen eine bestimmte Moral unter mehreren möglichen herausgebildet haben, ist schlicht ihr Ausbreitungserfolg.

Klugschnacker 04.11.2017 10:15

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1340481)
Die Moral ist abhängig und bestimmend beeinflusst von den sozialen Bedingungen.

So weit darf man meiner Meinung nach nicht gehen. Die sozialen Bedingungen sind sicher wichtig, aber nicht allein entscheidend. Es gibt moralische Normen, die von den sozialen Bedingungen unabhängig sind, etwa das Verhalten bei Notwehr, oder unsere grundsätzliche Kooperationsbereitschaft mit anderen Menschen.

merz 04.11.2017 10:27

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1340471)
Ich sehe es als ein erfolgreiches Phänomen, aber nicht als das erfolgreichste. Aber das ist ja auch egal. Ausdefinierte Moralvorstellungen sehe ich eigentlich nicht.


"ausdefiniert" war leider ein völlig schräge Wortwahl von mir,-

Was ich sagen wollte:
Die Religionen, die hier Thema sind, und die man als sehr erfolgreiche soziale Phänomene betrachten kann (darum ging es mir primär), kommen inhaltlich auch mit gewissen explizit ausformulierten Moralvorstellungen daher - deren nähere Begründung, Umfang, Inhalt und genauer Sinn sicherlich Gegenstand von Diskussion und Auslegung ist.

m.

qbz 04.11.2017 12:16

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1340488)
So weit darf man meiner Meinung nach nicht gehen. Die sozialen Bedingungen sind sicher wichtig, aber nicht allein entscheidend. Es gibt moralische Normen, die von den sozialen Bedingungen unabhängig sind, etwa das Verhalten bei Notwehr, oder unsere grundsätzliche Kooperationsbereitschaft mit anderen Menschen.

Die Sklaven durften sich niemals wehren gegen körperliche Angriffe der Herrschenden (auch Bauern im Feudalismus nicht, Verfolgte und Unterdrückte usf..), Notwehr gegen Herrschende wurde oft mit dem Tode bestraft.
Die Fähigkeit zur Kooperation zeichnet die Menschen seit Abstammung aus, wird jedoch überformt durch die Art der Produktion und der Herrschaftsverhältnisse, die erst die passenden kulturellen Kooperationsnormen hervorbringen (in denen dann z.B. Sklaven den Pharaonen riesige Monumente als Grabstätten bauen, mit Zwang zur Kooperation für dieses Bauwerk, und selbst im Elend wohnen).

Jörn 04.11.2017 12:33

Nehmen wir als Beispiel jenes moralische Handeln, welches die größte Auswirkung hat und deswegen ganz besonders unmissverständlich geklärt sein sollte: das Töten.
  • Ist es ein Verbot oder ein Gebot der christlichen Bibel, zu töten? Ist es strikt verboten oder wird es sogar angeordnet?

  • Verbietet der Koran des Töten kategorisch, oder ordnet er es (auch) an?

  • Gibt es Vorschriften im Judentum, das Töten zu unterlassen? Oder wird es von Jahwe sogar gefordert?

In allen drei Schriften gibt es widersprüchliche moralische Gesetze. Das Töten wird sowohl verboten als auch angeordnet. Ein moralisches System hat sich hier nicht gebildet. Sondern die Schriften empfehlen stets das, was zu ihrem Ausbreitungserfolg nützlich schien.

Deswegen wird die Leugnung religiöser Dinge mit der Tötung des betreffenden Menschen, hilfsweise auch des ganzen Volkes, bestraft. Nicht-religiöse Sünden werden hingegen kaum erwähnt, weil sie mit dem Ausbreitungserfolg der Religion sowieso nichts zu tun haben. Bei nicht-religiösen Regelungen geht es meist um läppischen Besitz, etwa Ochsen oder Esel, aber eher selten um menschliche Verfehlungen. Ehebruch wird als Eigentumsdelikt verstanden -- der emotionale Teil wird nichtmal erwähnt. Der emotionale Teil ist der geringste von allen.

Daran kann man sehen, wie hoch jene Taten bewertet werden, die religiöse Folgschaft bedeuten; und wie gering jene Taten bewertet werden, bei dem diese Folgschaft keine Rolle spielt. Jene Dinge, die wir heute als "Moral" verstehen, nämlich den emotionalen Teil eines Ehebruchs, spielte überhaupt keine Rolle, weil diese "Moral" aus einer Zeit stammt, zu der der Ausbreitungserfolg noch das bestimmende Kriterium darstellte.

Anstelle von Moral haben wir einen Mechanismus für den maximalen Ausbreitungserfolg. Was die Eigenschaft hatte, sich erfolgreich auszubreiten, wurde zur "Moral". Was dazu nichts beitrug, wurde moralisch nicht (oder kaum) geregelt. Das erklärt die widersprüchlichen Gebote/Verbote in allen drei Religionen. Töten ist nicht schön und möglichst zu unterlassen, aber Ungläubige soll man auf jeden Fall töten. Es ist nur scheinbar ein Widerspruch. Die angebliche Moral der Bibel ist vor allem eine Anleitung für den Ausbreitungserfolg für sie selbst.

Man kann das gedanklich überprüfen: Es ist moralisch, einem Scharlatan das Handwerk zu legen, denn der Scharlatan könnte potenziell jeden beschädigen. Es ist jedoch unmoralisch, einem Bischof zu sagen, er sei ein Scharlatan -- selbst dann nicht, wenn man Berge von Beweisen vorlegt. Es schickt sich einfach nicht. Es entspricht einer Jahrtausende alten Tradition, dass ein Priester (also der, der die Ausbreitung organisiert), moralisch unantastbar ist. Wer den Motor der Ausbreitung infrage stellt, handelt unmoralisch, egal was er sagt.

Klugschnacker 04.11.2017 12:53

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1340511)
Die Sklaven durften sichh niemals wehren gegen körperliche Angriffe der Herrschenden (auch Bauern im Feudalismus nicht, Verfolgte und Unterdrückte usf..), Notwehr gegen Herrschende wurde oft mit dem Tode bestraft.

Alles richtig. Aber moralische Normen konnten die Sklaverei, der Feudalismus und das Pharaonentum deshalb setzen, weil sie sich ausbreiten konnten. Diese Ausbreitung verlief erfolgreich, weil die zugrunde liegenden Strategien erfolgreicher waren als konkurrierende Strategien.

Sklaverei: Eine mögliche Moral hätte darin bestehen können, dass jeder Sklave rackern muss, bis er tot umfällt. Mit dieser brachialen Moral hätte die Sklaverei jedoch keinen Erfolg gehabt und sich nicht ausgebreitet. Also gewährte man Sklaven minimale Pausen, die deren Arbeitskraft erhalten konnten. Auf diese Weise hatte die Strategie, sich Sklaven zu halten, Erfolg und breitete sich aus. Gleichzeitig etablierte sie die moralische Norm, wie Sklaven zu halten seien. Die Bibel hält diesbezüglich zahlreiche detaillierte Tipps bereit.

Moral kommt im Schlepptau der Strategien daher, denen es gelingt, sich stark auszubreiten.

qbz 04.11.2017 12:54

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1340484)
Da sind wir einer Meinung. Wir sagen beide, dass Moral Ursachen hat. Sie wurde uns nicht vom Himmel herab gereicht.

Du konzentrierst Dich vor allem auf diese Ursachen; eine davon sind die sozialen und ökonomischen Verhältnisse, unter denen die Menschen leben. Ich konzentriere mich auf den Mechanismus, wie diese Ursachen auf die Moral wirken.

Die Ursachen einer Moral können in den sozialen und ökonomischen Verhältnissen liegen. Der Mechanismus, wie diese Ursachen eine bestimmte Moral unter mehreren möglichen herausgebildet haben, ist schlicht ihr Ausbreitungserfolg.

einverstanden, würde da nicht "können" stehen. (für weitverbreite, vorherrschende Moralnormen), :Lachen2:

Es geht aber noch um mehr als um die Ursachen. Die Inhalte der Moral hängen mit den sozialen Verhältnissen dergestalt zusammen, indem sie in weiten Teilen die Normen der Herrschenden beeinhalten und die Ausbeutung anderer ermöglichen. Es ist deswegen kein "Zufall"; welche inhaltlichen Moralnormen gelten.

aequitas 04.11.2017 13:01

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1340518)
Alles richtig. Aber moralische Normen konnten die Sklaverei, der Feudalismus und das Pharaonentum deshalb setzen, weil sie sich ausbreiten konnten. Diese Ausbreitung verlief erfolgreich, weil die zugrunde liegenden Strategien erfolgreicher waren als konkurrierende Strategien.

Nein, das greift zu kurz. Die Entstehung auf Spieltheorie zu reduzieren funktioniert nicht. Es sind nicht immer die erfolgreichen Strategien/Normen die sich durchsetzen.

qbz 04.11.2017 13:01

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1340518)
Alles richtig. Aber moralische Normen konnten die Sklaverei, der Feudalismus und das Pharaonentum deshalb setzen, weil sich sich ausbreiten konnten. Diese Ausbreitung verlief erfolgreich, weil die zugrunde liegenden Strategien erfolgreicher waren als konkurrierende Strategien.

Sklaverei: Eine mögliche Moral hätte darin bestehen können, dass jeder Sklave rackern muss, bis er tot umfällt. Mit dieser brachialen Moral hätte die Sklaverei jedoch keinen Erfolg gehabt und sich nicht ausgebreitet. Also gewährte man Sklaven minimale Pausen, die deren Arbeitskraft erhalten konnten. Auf diese Weise hatte die Strategie, sich Sklaven zu halten, Erfolg und breitete sich aus. Gleichzeitig etablierte sie die moralische Norm, wie Sklaven zu halten seien. Die Bibel hält diesbezüglich zahlreiche detaillierte Tipps bereit.

Moral kommt im Schlepptau der Strategien daher, denen es gelingt, sich stark auszubreiten.

Und was entscheidet in den Beispielen den Erfolg der Strategie (Ausbreitung) im Unterschied zu anderen: Die bessere Ausbeutungsökonomie für die Herrscher. ;)

Klugschnacker 04.11.2017 13:34

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1340519)
Die Inhalte der Moral hängen mit den sozialen Verhältnissen dergestalt zusammen, indem sie in weiten Teilen die Normen der Herrschend beeinhalten und die Ausbeutung anderer ermöglichen. Es ist deswegen kein "Zufall"; welche inhaltlichen Moralnormen gelten.

Auch hier bin ich Deiner Meinung. Moralische Normen sind alles andere als ein Zufall. Sondern das Ergebnis einer Auslese. Was sich gut ausbreiten kann, überlebt, was sich nicht ausbreiten kann, verschwindet.

Ich stimme mit Dir auch darin überein, dass sich moralische Normen nicht zwangsweise am Wohle der Menschen, genauer: am Wohl einer möglichst großen Zahl an Menschen, orientiert. Sie orientieren sich am Ausbreitungserfolg.

Der Feudalismus war gut für die herrschende Klasse, nicht jedoch für die Bauern, die bei weitem in der Mehrzahl waren. Denkt man sich zur gleichen Zeit eine bessere Gesellschaftsform, die sich jedoch nicht ausbreitet, so hat diese bessere Form keine Chance, moralische Normen zu setzen.

Das Christentum ist nicht deshalb so weit verbreitet, weil es die für den Menschen besten Normen enthielte. Sondern weil es mehr Ausbreitungserfolg als als konkurrierende Konzepte hatte.

Die Bewertung, ob eine Strategie gut oder schlecht für die Menschen ist, ist nicht einfach. War das Pharaonentum gut oder schlecht für die Ägypter? Den Sklaven ging es schlecht. Doch durch den Glaube an den gemeinsamen Gott waren die Ägypter zu gemeinsamen Handlungen fähig, etwa in der Verteidigung gegen äußere Feinde oder dem Bau eines gewaltigen Staudamms am Nil. Das half der Landwirtschaft und damit vielen Bauern.

In ähnlicher Weise ist es schwer zu beurteilen, ob das Christentum gut oder schlecht für die Menschen war und ist. Fest steht, dass es sich gut ausbreiten konnte, ebenso wie das Pharaonentum oder der Feudalismus zur jeweiligen Zeit.

Klugschnacker 04.11.2017 13:54

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1340522)
Und was entscheidet in den Beispielen den Erfolg der Strategie (Ausbreitung) im Unterschied zu anderen: Die bessere Ausbeutungsökonomie für die Herrscher. ;)

Nein, keineswegs! Wie kommst Du zu dieser Einengung? Es muss nicht immer eine Minderheit sein, die eine Mehrheit ausbeutet. Es kann auch umgekehrt gehen. Nämlich dass eine Mehrheit eine Minderheit ausbeutet. In einer Demokratie ist das sogar wahrscheinlich.

Ich gebe Dir mal ein lustiges Beispiel aus dem Tierreich.
Zwei Schweine stehen in einem großen Stall, ein starkes und ein schwaches. An der einen Seite des Stalls befindet sich ein Schalter. Wird er von einem Schwein betätigt, fällt eine Portion Futter in einen großen Trog. Allerdings befinden sich Schalter und Futtertrog an den gegenüberliegenden Seiten des Stalls. Also: Schalter drücken, dann rüberspurten zum Trog und fressen. Dann zurück zum Schalter und alles wieder von vorne.

Am Anfang wollen beide Schweine, das starke und das schwache, den Schalter drücken. Dann rennen sie gemeinsam los zum Futtertrog. Das schwache Schwein verliert jedes dieser Laufduelle gegen das starke Schwein und geht immer leer aus.

Das schwache Schwein lernt schnell, dass seine Strategie nichts taugt. Also verzichtet es auf das Drücken des Schalters und postiert sich von Anfang an direkt vor dem Trog. Soll doch das starke Schwein den Schalter drücken. Sobald das starke Schwein das tut, kann das schwache Schwein bereits futtern, während das starke Schwein noch zwischen Schalter und Trog unterwegs ist. Erst bei dessen Ankunft am Trog wird das schwache Schwein beiseite geschubst.

Dennoch gelingt es dem schwachen Schwein mit dieser Strategie, den Großteil des Futters zu erobern. Diese Strategie ist "evolutionär stabil". Das bedeutet, es gibt für das starke Schwein keinen Ausweg im Sinne einer besseren Strategie. Wenn es wenigstens ein bisschen Futter haben will, muss es zwischen Schalter und Trog hin und her rennen. Jede gerechtere Aufteilung wird das schwache Schwein ablehnen.
In diesem Beispiel beutet das schwache Schwein mühelos das starke aus, welches allein die ganze Arbeit macht. Die zugrunde liegende Strategie fragt nicht nach der Gerechtigkeit, sondern allein nach der Stabilität der Strategie selbst. Ist sie gegeben, breitet sie sich aus.

Klugschnacker 04.11.2017 14:01

Zitat:

Zitat von aequitas (Beitrag 1340521)
Nein, das greift zu kurz. Die Entstehung auf Spieltheorie zu reduzieren funktioniert nicht. Es sind nicht immer die erfolgreichen Strategien/Normen die sich durchsetzen.

Ist das ein Missverständnis?

Ich verwende den Begriff "erfolgreich" im Sinne des Ausbreitungserfolgs. Erfolgreich ist eine Strategie dann, wenn sie sich durchsetzen und ausbreiten kann. Ich verstehe daher nicht, weshalb Du sagst, es gäbe Strategien, die sich durchgesetzt hätten, gleichzeitig aber nicht erfolgreich wären.
:Blumen:

aequitas 04.11.2017 14:43

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1340528)
Ist das ein Missverständnis?

Ich verwende den Begriff "erfolgreich" im Sinne des Ausbreitungserfolgs. Erfolgreich ist eine Strategie dann, wenn sie sich durchsetzen und ausbreiten kann. Ich verstehe daher nicht, weshalb Du sagst, es gäbe Strategien, die sich durchgesetzt hätten, gleichzeitig aber nicht erfolgreich wären.
:Blumen:

Dann ist das wohl ein Missverständnis. Unter erfolgreich verstand ich jetzt bspw. die Durchsetzung einer Strategie im Gefangenendilemma: es setzt sich dabei eine Strategie durch, die nicht bzw. weniger erolgreich ist. So hatte ich den Begriff verstand. Da du Erfolg hier nur als die Durchsetzungskraft verstehst, kann ich dir zustimmen :Blumen:

qbz 04.11.2017 16:03

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1340527)
Nein, keineswegs! Wie kommst Du zu dieser Einengung? Es muss nicht immer eine Minderheit sein, die eine Mehrheit ausbeutet. Es kann auch umgekehrt gehen. Nämlich dass eine Mehrheit eine Minderheit ausbeutet. In einer Demokratie ist das sogar wahrscheinlich.

Ich bezog doch meine Folgerung, dass die bessere Ausbeutungsökonomie gewinnt, auf Dein Beispiel, dass sich diejenige Sklavenarbeit bei den Pharaonen am besten ausbreitet, wo sie soviel zu Essen erhalten, dass sie noch bauen können.

Solange in der Demokratie das Wirtschaftssystem neoliberaler Kapitalismus dominiert, beutet eine Minderheit weltweit die Mehrheit aus.
Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1340527)
Ich gebe Dir mal ein lustiges Beispiel aus dem Tierreich.
Zwei Schweine stehen in einem großen Stall, ein starkes und ein schwaches. An der einen Seite des Stalls befindet sich ein Schalter. Wird er von einem Schwein betätigt, fällt eine Portion Futter in einen großen Trog. Allerdings befinden sich Schalter und Futtertrog an den gegenüberliegenden Seiten des Stalls. Also: Schalter drücken, dann rüberspurten zum Trog und fressen. Dann zurück zum Schalter und alles wieder von vorne.

Am Anfang wollen beide Schweine, das starke und das schwache, den Schalter drücken. Dann rennen sie gemeinsam los zum Futtertrog. Das schwache Schwein verliert jedes dieser Laufduelle gegen das starke Schwein und geht immer leer aus.

Das schwache Schwein lernt schnell, dass seine Strategie nichts taugt. Also verzichtet es auf das Drücken des Schalters und postiert sich von Anfang an direkt vor dem Trog. Soll doch das starke Schwein den Schalter drücken. Sobald das starke Schwein das tut, kann das schwache Schwein bereits futtern, während das starke Schwein noch zwischen Schalter und Trog unterwegs ist. Erst bei dessen Ankunft am Trog wird das schwache Schwein beiseite geschubst.

Dennoch gelingt es dem schwachen Schwein mit dieser Strategie, den Großteil des Futters zu erobern. Diese Strategie ist "evolutionär stabil". Das bedeutet, es gibt für das starke Schwein keinen Ausweg im Sinne einer besseren Strategie. Wenn es wenigstens ein bisschen Futter haben will, muss es zwischen Schalter und Trog hin und her rennen. Jede gerechtere Aufteilung wird das schwache Schwein ablehnen.
In diesem Beispiel beutet das schwache Schwein mühelos das starke aus, welches allein die ganze Arbeit macht. Die zugrunde liegende Strategie fragt nicht nach der Gerechtigkeit, sondern allein nach der Stabilität der Strategie selbst. Ist sie gegeben, breitet sie sich aus.

So etwas meinte ich genau mit meinem ideologie-/wissenschaftskritischen Hinweis auf künstliche Labormodelle. Sie sagen erstmal nur etwas aus über die kognitiven Lernkapazitäten der Schweine unter diesen künstlichen Laborbedingungen (Vorher lernten die Schweine vermutlich einzeln den Schalter zu drücken für die Nahrung, anschliessend fand ein Umlernprozess bei Schwein B statt, weil sich die Situation (zu zweit, Kombination stark und schwach) änderte. Das Experiment zeigt, dass bei Schwein B in der neuen Situation ein instrumenteller Lernprozess stattfindet. Mehr nicht! Die schwächsten Wildschweine sterben in Realität bei zu wenig Nahrung oder werden von Wölfen gefressen.

Verallgemeinerungen daraus, die über Lernprozesse für Schweine hinausgehen und über die Aussage, auch zum menschlichen kognitiven Lernen gehört instrumentelles Lernen, sind in meinen Augen vollkommen unzulässig bzw. nicht anders zu sehen wie Gleichnisse aus der Bibel, aber halt moderne Gleichnisse (Experimente unter kontrollierten Bedingungen.), wenn man sie unter Verwendung von Begriffen wie Arbeit und Gerechtigkeit erzählt.

Klugschnacker 04.11.2017 16:26

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1340537)
So etwas meinte ich genau mit meinem kritischen Hinweis auf künstliche Labormodelle.

Da gebe ich Dir gerne recht. Der Einwand gilt aber für Modelle jeder Art, weil sie eine Idealisierung darstellen, die es in der Wirklichkeit nicht gibt.

Wenn Du vom Feudalismus sprichst, handelt es sich dabei ebenfalls um ein idealisiertes Modell. Die tatsächlichen Herrschaftsverhältnisse, die man damit bezeichnet, sind im Detail alle sehr verschieden. Dennoch kann es Sinn machen, modellhaft und idealisiert vom Feudalismus zu sprechen.
:Blumen:

Jörn 04.11.2017 16:37

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1340537)
Solange in der Demokratie das Wirtschaftssystem neoliberaler Kapitalismus dominiert, beutet eine Minderheit weltweit die Mehrheit aus.

So wie ich Arne verstehe, will er darauf hinaus, dass es kein Kriterium ist, wer wen ausbeutet. Man kann Beispiele finden, wo eine Minderheit die Mehrheit ausbeutet; aber ebenso Beispiele, wo eine Mehrheit die Minderheit ausbeutet.
Oft wird der Kapitalismus genannt, bei dem z.B. der reiche Westen (Minderheit) diesen Reichtum zu Lasten der ärmeren Länder (Mehrheit) erreicht hat.

Ein gegenteiliges Beispiel wären Steuer- und Sozialsysteme. In Deutschland werden 95% aller Steuern von nur 50% der Bevölkerung bezahlt. 10% der Einzahler stemmen 50% der Steuern. Diese Gesetzgebung wird jedoch von der Mehrheit beschlossen, d.h. die Empfänger bestimmen, was die Einzahler bezahlen müssen. Interessanterweise wird die Debatte darüber mit den Kriterien der Moral geführt. Der Millionär soll (noch) mehr bezahlen, weil es die Moral gebietet. Aber warum haben wir gerade diese Moral und keine andere?
Entschiedend ist alleine, ob die jeweilige Konstellation a) stabil ist, und b) sich ausbreiten und konkurrierende Systeme verdrängen kann.

Ich finde die Debatte darüber auf den letzten Seiten übrigens sehr spannend und interessant.

Klugschnacker 04.11.2017 22:44

Das Schweinebeispiel ist für mich vor allem deshalb interessant, weil es ein Beispiel für eine stabile Strategie darstellt. Ich will kurz erläutern, was in diesem Zusammenhang "stabil" oder "nicht stabil" bedeutet.

Eine Strategie ist dann stabil, wenn sie nicht durch eine andere Strategie unterwandert werden kann. Stabile Strategien sind aber nicht immer die besten Strategien im Sinne des Einzel- oder Gemeinwohls.
1. Beispiel: Durch Kriege und Gewalt geschieht viel Unglück. Darum lautet die Strategie des Pazifismus, auf Waffen und Gewalt kategorisch zu verzichten. Konflikte sind gewaltfrei zu lösen. Wenn sich alle daran halten, wird dadurch eine bessere Welt geschaffen.

Diese Strategie ist nicht stabil, da sie leicht unterwandert werden kann. Wenn niemand mehr bewaffnet ist, genügt eine einzige Armee, um alle zu unterwerfen.

2. Beispiel: Zurück zum Schweinebeispiel. Nehmen wir an, beide Schweine einigen sich darauf, dass zunächst nur das eine Schwein frisst, bis es satt ist. Das andere Schwein drückt währenddessen pausenlos den Futterschalter. Danach werden die Rollen getauscht. So werden beide satt, und jedes Schwein muss nur ein einziges Mal den Stall durchqueren.

Diese Strategie ist ebenfalls nicht stabil. Sie kann dadurch unterwandert werden, dass eines der beiden Schweine einfach nicht mitmacht, sondern stur am Futtertrog wartet und sich satt frisst, ohne ein einziges Mal den Schalter zu betätigen.

Diese Strategie der Nicht-Kooperation ist hingegen stabil. Sie kann vom benachteiligten Schwein nicht unterwandert werden, außer vielleicht durch Mord.
In beiden Fällen ist die stabile Strategie nicht die beste Strategie für alle Beteiligten. Eine Welt ohne Waffen wäre insgesamt besser als ein mit Waffen, doch das ist kein stabiler Zustand. Stabile Strategien können ausgesprochen nachteilig für alle Beteiligten sein.

Stabile Strategien setzen die Normen für unsere Moral und Wertvorstellungen. Deshalb orientieren sich diese Normen nicht am größtmöglichen Gemeinwohl, denn das Gemeinwohl ist für die Stabilität einer Strategie nicht ausschlaggebend.

Bitte verzeiht mir die Ausführlichkeit. :Blumen:

Jörn 04.11.2017 23:28

Aber könnte sich nicht auch eine Moralvorstellung entwickeln, die sich an einem unerreichbaren Ideal orientiert? Und die wegen dieser Unerreichbarkeit nicht durch die Realität herausgefordert/verdrängt werden kann?

Beispielsweise das Ideal der Feindesliebe? Oder Ideale, die aufgrund ihres Urhebers als Ideale angesehen werden?

In diesem Fall würde die Sau auch dann an ihrer Moral festhalten, wenn sie dadurch nichts zu fressen bekäme.*

Oder man könnte sich eine Moral vorstellen, bei der ein besonders fetter Futtertrog im Jenseits versprochen wird. Oder nicht?

*Aber dann würde sie vermutlich aussterben. Ich sehe das Problem.

Klugschnacker 04.11.2017 23:42

Belohnung im Jenseits.

Diese Vorstellung kann eine Strategie, die viele Nachteile hat, stabil machen. Man denke beispielsweise an den Zölibat oder das Fahrverbot für Frauen oder das Kastenwesen, oder umständliche Ernährungsregeln.

Voraussetzung ist, dass sie nicht unterwandert werden kann durch eine konkurrierende Strategie, die noch größere Belohnungen verspricht. Dem entsprechend liegen die Versprechungen der großen Religionen am Maximum dessen, was überhaupt vorstellbar ist: Das ewige Paradies, Unsterblichkeit. Wer gegen die Regeln verstößt, wird maximal bestraft, also ewiges Höllenfeuer.

Unterwandert wird diese Strategie durch die realen Vorzüge unserer modernen Lebensweise. Etwa beim Gebrauch von Verhütungsmitteln.

Trimichi 05.11.2017 07:41

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1340544)
So wie ich Arne verstehe, will er darauf hinaus,....

Entschiedend ist alleine, ob die jeweilige Konstellation a) stabil ist, und b) sich ausbreiten und konkurrierende Systeme verdrängen kann.

Wie ich schon festgestellt hatte: Fressen und gefressen werden. Wurde darauf hin sofort geleugnet. Jetzt wurde es so aber erneut konstatiert, kann man auch wie folgt umschreiben:

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1340604)

Eine Strategie ist dann stabil, wenn sie nicht durch eine andere Strategie unterwandert werden kann. Stabile Strategien sind aber nicht immer die besten Strategien.




Stabile Strategien setzen die Normen für unsere Moral und Wertvorstellungen. Deshalb orientieren sich diese Normen nicht am größtmöglichen Gemeinwohl, denn das Gemeinwohl ist für die Stabilität einer Strategie nicht ausschlaggebend.

Moral wird dabei ausgeblendet, siehe z.B. hier:

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1340612)
Belohnung im Jenseits.


Und hier liegt der große Irrtum begraben. Die Moral kommt womöglich nicht vom Himmel, aber von Idealisten.

Realismus allein schafft keine Moral, nur Tatsachen, aber keine ZIELE.

Daher noch einmal: Wahrheit muss keinen Sinn ergeben. Fiktion schon.

Wurde es jetzt klarer?

:Blumen:

Klugschnacker 05.11.2017 09:14

Zitat:

Zitat von Trimichi (Beitrag 1340621)
Die Moral kommt womöglich nicht vom Himmel, aber von Idealisten.

Das kann im Einzelfall richtig sein. Es ist dann trotzdem erforderlich, dass die von Idealisten ausgedachte Moral sich ausbreitet und stabil ist. Sonst verschwindet sie wieder. Der Kommunismus und der Pazifismus beispielsweise sind annähernd idealistische Haltungen. Sie erwiesen sich als nicht stabil.
Pazifistische Gesellschaften, falls es je welche gab, werden von bewaffneten Nachbarn erobert. Wir Deutsche gehen ein enges Bündnis mit einer der kriegerischsten Nationen überhaupt ein. Die neutrale Schweiz ist bis an die Zähne bewaffnet.

Dem Kommunismus gelang eine erhebliche Ausbreitung, wurde jedoch von kapitalistischen Strömungen unterwandert, die wirtschaftlich viel erfolgreicher waren. Zudem ist Gemeinnutz als Handlungsmotiv weniger stabil als Eigennutz. Denn eine gemeinnützig handelnde Gesellschaft kann von Egoisten leicht unterwandert werden.
Diese Mechanismen sind komplex. Deshalb halte ich es für sehr unwahrscheinlich, die jeweilige Moral einer Gesellschaft ginge auf einen einzelnen Impuls zurück, etwa auf Moses oder Jesus von Nazareth. So etwas muss sich entwickeln.

Zu dieser Sichtweise passt, dass sich überall auf der Welt sehr ähnliche Moralbegriffe herausgebildet haben.

---

Ich halte diese Betrachtungen deshalb für wichtig, weil sie dem Argument begegnen, ohne Religion gäbe es keine Moral. Wir überschätzen und überfordern die Religionen damit. Eine Religion aus der Antike ist nicht in der Lage, den heutigen freiheitlichen Kulturen eine Moral zu geben, die stabil wäre. Darum halten sich heute auch gläubige Menschen nicht an die Moralbegriffe der Religionen, es sei denn, unter Zwang.

Wer kümmert sich heute um die Sexualmoral des Alten Testaments, oder von Augustinus (400 n.Chr) oder von Luther? Wer teilt die Ablehnung des Geldverleihens (Jesus), auf dem unser gesamtes Wirtschaftssystem beruht? Welcher gebildete heutige Mensch hätte nicht kapiert, dass die Aufforderung, uns die Welt untertan zu machen, eine groteske Verkennung der realen Verhältnisse darstellt?

MattF 05.11.2017 12:11

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1340537)
Ich bezog doch meine Folgerung, dass die bessere Ausbeutungsökonomie gewinnt, auf Dein Beispiel, dass sich diejenige Sklavenarbeit bei den Pharaonen am besten ausbreitet, wo sie soviel zu Essen erhalten, dass sie noch bauen können.

Bei den Pharaonen gabs keine Sklaven. Die Bauwerke haben Bauern gebaut in den Zeiten in denen sie nicht auf dem Feld gebraucht wurde. Gegen Bezahlung.

http://www.sz-online.de/nachrichten/...aut-91727.html

Die agyptischen Arbeiter waren letztlich genauso Sklaven wie wir heute, die einer Lohnarbeit nachgehen.

MfG
Matthias

Trimichi 05.11.2017 12:29

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1340636)
Das kann im Einzelfall richtig sein. Es ist dann trotzdem erforderlich, dass die von Idealisten ausgedachte Moral sich ausbreitet und stabil ist. Sonst verschwindet sie wieder. Der Kommunismus und der Pazifismus beispielsweise sind annähernd idealistische Haltungen. Sie erwiesen sich als nicht stabil.
Pazifistische Gesellschaften, falls es je welche gab, werden von bewaffneten Nachbarn erobert. Wir Deutsche gehen ein enges Bündnis mit einer der kriegerischsten Nationen überhaupt ein. Die neutrale Schweiz ist bis an die Zähne bewaffnet.

Dem Kommunismus gelang eine erhebliche Ausbreitung, wurde jedoch von kapitalistischen Strömungen unterwandert, die wirtschaftlich viel erfolgreicher waren. Zudem ist Gemeinnutz als Handlungsmotiv weniger stabil als Eigennutz. Denn eine gemeinnützig handelnde Gesellschaft kann von Egoisten leicht unterwandert werden.
Diese Mechanismen sind komplex. Deshalb halte ich es für sehr unwahrscheinlich, die jeweilige Moral einer Gesellschaft ginge auf einen einzelnen Impuls zurück, etwa auf Moses oder Jesus von Nazareth. So etwas muss sich entwickeln.

Zu dieser Sichtweise passt, dass sich überall auf der Welt sehr ähnliche Moralbegriffe herausgebildet haben.

---


Ich halte diese Betrachtungen deshalb für wichtig, weil sie dem Argument begegnen, ohne Religion gäbe es keine Moral. Wir überschätzen und überfordern die Religionen damit. Eine Religion aus der Antike ist nicht in der Lage, den heutigen freiheitlichen Kulturen eine Moral zu geben, die stabil wäre. Darum halten sich heute auch gläubige Menschen nicht an die Moralbegriffe der Religionen, es sei denn, unter Zwang.

Wer kümmert sich heute um die Sexualmoral des Alten Testaments, oder von Augustinus (400 n.Chr) oder von Luther? Wer teilt die Ablehnung des Geldverleihens (Jesus), auf dem unser gesamtes Wirtschaftssystem beruht? Welcher gebildete heutige Mensch hätte nicht kapiert, dass die Aufforderung, uns die Welt untertan zu machen, eine groteske Verkennung der realen Verhältnisse darstellt?



Warum gibt es weltweit nur 5 Steueroasen und Spielerparadise die nicht verschuldet sind?

link:
http://www.epochtimes.de/wirtschaft/...-a1257267.html

dagegen stehen alle anderen Länder mit Schulden. Schulden, bei wem eigentlich? Frage auch an qbz.


Land Rang Staatsverschuldung in % vom BIP Bezugsjahr
Japan 1 227,70% 2014
Simbabwe 2 181,00% 2014
Griechenland 3 174,50% 2014
Libanon 4 142,40% 2014
Italien 5 134,10% 2014
Jamaika 6 132,00% 2014
Portugal 7 131,00% 2014
Zypern 8 119,40% 2014
Irland 9 118,90% 2014
Grenada 10 110,00% 2014
Singapur 11 106,70% 2014
Belgien 12 101,90% 2014
Eritrea 13 101,30% 2014
Barbados 14 101,20% 2014
Spanien 15 97,60% 2014
Frankreich 16 95,50% 2014
Island 17 94,00% 2014
Ägypten 18 93,80% 2014
Puerto Rico 19 93,60% 2014
Kanada 20 92,60% 2014
Bhutan 21 91,50% 2014
Jordanien 22 90,00% 2014
Antigua und Barbuda 23 89,00% 2014
Großbritannien 24 86,60% 2014
Cabo Verde 25 86,20% 2014
St. Kitts und Nevis 26 83,00% 2014
Österreich 27 80,20% 2014
Belize 28 79,60% 2014
Ungarn 29 78,20% 2014
Sri Lanka 30 78,20% 2014
São Tomé und Príncipe 31 77,10% 2014
St. Lucia 32 77,00% 2014
Marokko 33 76,60% 2014
Malta 34 75,30% 2014
Deutschland 35 74,70% 2014
Ghana 36 72,70% 2014
Albanien 37 71,40% 2014
Sudan 38 71,30% 2014
Vereinigte Staaten 39 71,20% 2014
Kroatien 40 70,30% 2014
Dominica 41 70,00% 2014
Niederlande 42 69,40% 2014
Israel 43 67,40% 2014
St. Vincent und die Grenadinen 44 67,00% 2014
Aruba 45 67,00% 2014
Ukraine 46 66,20% 2014
Serbien 47 65,00% 2014
Uruguay 48 64,70% 2014
Seychellen 49 64,50% 2014
Pakistan 50 64,30% 2014
El Salvador 51 63,40% 2014
Mauritius 52 61,40% 2014
Slowenien 53 59,80% 2014
Finnland 54 59,60% 2014
Costa Rica 55 59,40% 2014
Brasilien 56 59,30% 2014
Kenia 57 58,90% 2014
Slowakei 58 58,50% 2014
Guyana 59 58,00% 2014
Bahamas 60 57,60% 2014
Syrien 61 57,30% 2014
Äthiopien 62 55,10% 2014
Malaysia 63 54,20% 2014
Fidschi 64 52,30% 2014
Montenegro 65 52,10% 2014
Venezuela 66 51,40% 2014
Indien 67 51,30% 2014
Jemen 68 51,00% 2014
Trinidad und Tobago 69 50,60% 2014
Tunesien 70 49,90% 2014
Thailand 71 48,60% 2014
Philippinen 72 48,40% 2014
Dominikanische Republik 73 48,20% 2014
Malawi 74 48,00% 2014
Senegal 75 47,50% 2014
Südafrika 76 47,30% 2014
Mosambik 77 47,20% 2014
Laos 78 46,20% 2014
Polen 79 45,60% 2014
Vietnam 80 45,50% 2014
Bosnien und Herzegowina 81 45,50% 2014
Dänemark 82 44,30% 2014
Honduras 83 44,30% 2014
Vereinigte Arabische Emirate 84 44,20% 2014
Bahrain 86 43,40% 2014
Côte d'Ivoire 87 42,90% 2014
Tansania 88 42,90% 2014
Armenien 89 42,40% 2014
Kolumbien 90 41,90% 2014
Andorra 91 41,10% 2014
Westjordanland 92 41,00% 2014
Mexiko 93 41,00% 2014
Kuba 94 40,60% 2014
Nicaragua 95 40,60% 2014
Schweden 96 40,20% 2014
Rumänien 97 39,40% 2014
Litauen 98 38,70% 2014
Burundi 99 38,60% 2014
Dschibuti 100 38,60% 2014
Argentinien 101 37,90% 2014
Sambia 102 37,30% 2014
Korea, Republik 103 37,20% 2014
Panama 104 37,20% 2014
Hongkong 105 37,00% 2014
Lettland 106 36,50% 2014
Taiwan 107 36,50% 2014
Türkei 108 36,50% 2014
Georgien 109 36,30% 2014
Uganda 110 35,70% 2014
Bolivien 111 35,30% 2014
Neuseeland 112 35,30% 2014
Schweiz 113 34,70% 2014
Australien 114 34,50% 2014
Tschad 115 34,50% 2014
Mazedonien 116 34,00% 2014
Kongo, Demokratische Republik 117 33,40% 2014
Curaçao 118 33,20% 2014
Papua-Neuguinea 119 32,30% 2014
Mali 120 32,10% 2014
Ruanda 121 31,40% 2014
Kongo 122 30,20% 2014
Benin 123 30,10% 2014
Sierra Leone 124 30,10% 2014
Katar 125 30,00% 2014
Nepal 126 30,00% 2014
Ecuador 127 30,00% 2014
Guatemala 128 29,90% 2014
Norwegen 129 29,60% 2014
Namibia 130 28,60% 2014
Bangladesch 131 28,60% 2014
San Marino 132 25,80% 2014
Indonesien 133 23,90% 2014
Luxemburg 134 23,20% 2014
Bulgarien 135 22,90% 2014
Kamerun 136 22,70% 2014
China 137 22,40% 2014
Belarus 138 22,30% 2014
Anguilla 139 19,50% 2014
Moldau 140 18,90% 2014
Paraguay 141 18,40% 2014
Gabun 142 17,70% 2014
Botsuana 143 17,40% 2014
Chile 144 16,50% 2014
Peru 145 15,90% 2014
Angola 146 13,90% 2014
Russische Föderation 147 13,40% 2014
Kasachstan 148 12,10% 2014
Nigeria 149 11,70% 2014
Iran 150 11,40% 2014
Aserbaidschan 151 10,70% 2014
Estland 152 9,90% 2014
Kosovo 153 9,10% 2014
Äquatorialguinea 154 8,40% 2014
Liberia 155 8,10% 2014
Algerien 156 7,50% 2014
Usbekistan 157 7,50% 2014
Gibraltar 158 7,50% 2014
Kuwait 159 6,80% 2014
Tadschikistan 160 6,50% 2014
Wallis und Futuna 161 5,60% 2014
Oman 162 4,70% 2014
Libyen 163 2,90% 2014
Saudi-Arabien 164 1,60% 2014
...
USA z.B. sind es 16 Billionen absolut so in der Richtung....



Dito. Geld ist die einzige Moral, mit der das "Tier" Mensch (hebr. goi) regiert werden kann.

Jörn 05.11.2017 13:00

Was ich so spannend an Arnes These finde ist, dass sie eine Erklärung für die Inhalte der Moral liefert. Warum haben wir diese Inhalte und keine anderen? Welche Inhalte hätten überhaupt die Chance, sich durchzusetzen? Wie lässt sich das ohne Abrakadabra erklären?

Wie frei sind wir, eine Moral festzulegen? Denn wenn ich Arne richtig verstehe, ergibt es sich evolutionär durch stetes Variieren, bis eine stabile Kombination von Werten gefunden wurde. Was bleibt, bleibt deswegen, weil es stabil ist, und nicht, weil die Werte so vorzüglich wären. Es ist dennoch beweglich, falls die Umstände sich ändern sollten oder eine bessere/stabilere Variation gefunden würde.

Es erklärt auch, warum die Kirchen der Moral stets hinterherlaufen anstatt sie anzuführen. Für mich ist nämlich nicht sichtbar, dass die Kirchen einen nennenswerten Einfluss auf die Moral haben. Stattdessen haben sie sich mit meist erheblicher Verzögerung an den vorherrschenden Konsens/Mainstream angepasst. Arnes These würde erklären, warum das zwangsläufig so ist: Niemand postuliert eine neue Moral, sondern sie bildet sich langsam heraus, wobei stabile Bestandteile bestehen bleiben und fragile Bestandteile wegfallen, wobei die Stabilität selbst das entscheidende Kriterium ist.

Das würde bedeuten, dass die (angeblichen) Lehren von Jesus oder von irgendeinem Papst keine große Rolle spielen — sie haben in dieser Mechanik die gleichen Chancen wie alle andere Lehren oder Einsichten, und vermutlich sind sie selbst ebenfalls nur das Ergebnis einer sich verändernden „Volksweisheit“ (und keineswegs vom Himmel gefallen).

qbz 05.11.2017 14:25

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1340604)
Das Schweinebeispiel ist für mich vor allem deshalb interessant, weil es ein Beispiel für eine stabile Strategie darstellt. Ich will kurz erläutern, was in diesem Zusammenhang "stabil" oder "nicht stabil" bedeutet.

Eine Strategie ist dann stabil, wenn sie nicht durch eine andere Strategie unterwandert werden kann. Stabile Strategien sind aber nicht immer die besten Strategien im Sinne des Einzel- oder Gemeinwohls.
[indent]1. Beispiel: Durch Kriege und Gewalt geschieht viel Unglück. Darum lautet die Strategie des Pazifismus, auf Waffen und Gewalt kategorisch zu verzichten. Konflikte sind gewaltfrei zu lösen. Wenn sich alle daran halten, wird dadurch eine bessere Welt geschaffen.

Diese Strategie ist nicht stabil, da sie leicht unterwandert werden kann. Wenn niemand mehr bewaffnet ist, genügt eine einzige Armee, um alle zu unterwerfen. .....

In den USA, wo der freie Schusswaffenbesitz erlaubt ist, passieren pro Tag deutlich mehr Morde pro Einwohner als in Ländern, wo das verboten ist und der Staat für die Einhaltung des Verbotes sorgt. Solange der Staat sein Gewaltmonopol bei uns durchsetzt, bekommen wir keine amerikanischen Verhältnisse. In den USA sorgt hauptsächlich die Waffenlobby dafür, dass sich die Leute bewaffnen, und weltweit sorgt der Profit der Rüstungskonzerne für Kriege.

Wir stellen also zwei ESS fest, eines in DE, eines in den USA, und ein Übergang der USA zu DE-analogen Waffengesetzen ist nicht 100 % auszuschliessen oder umgekehrt. Die Pazifisten und Abrüstungsgegner engagieren sich analog zum staatlichen Gewaltmonopol für eine wirksame Kontrolle der Abrüstung und wirksame Einhaltung des Völkerrechtes, und das kann wiederum eine stabile Strategie darstellen (wie in DE das Verbot des privaten Waffenbesitzes), existiert eine weltweite, wirksame Abrüstungskontrolle mit Sanktionen. Ein Übergang dazu kann man nicht ausschliessen.

So wie oben formuliert, dient die ESS-Theorie einfach zur ideologischen Legitimierung eines Status Quo, vergleichbar einem modernen Bibelgleichnis. :Blumen:

Ps:
By the way:
Die Militärausgaben der CH im Verhältnis zum BIP sind übrigens fast um die Hälfte kleiner wie in DE.

Klugschnacker 05.11.2017 14:47

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1340693)
So wie oben formuliert, dient die ESS-Theorie einfach zur ideologischen Legitimierung eines Status Quo. :Blumen:

Bis zum obigen Zitat habe ich Dir ungefähr zugestimmt. Jedoch: Die von mir dargestellte Sichtweise auf die Herkunft von Wertesystemen legitimiert nichts. Sie beschreibt lediglich einen Mechanismus.

Ebenso beschreibt die Theorie zur biologischen Evolution einen Mechanismus. Sie legitimiert dadurch nicht die Existenz der Affen, sondern erklärt einfach, warum sie da sind.

Die Einbettung in eine Ideologie kann geschehen. Ein Beispiel wäre die Vereinnahmung der Evolutionstheorie durch die Nazis. Es wäre aber ein Missverständnis, wenn wir die Evolutionstheorie abtun würden mit der Bemerkung: "Diese Theorie dient einfach zu ideologischen Legitimierung des Status Quo".

Klugschnacker 05.11.2017 17:10

In der Antike konnten die Menschen sich die Herkunft der Welt nicht erklären. Wie konnte aus einfachen Anfängen etwas so komplexes entstehen wie Menschen? Die naheliegendste Erklärung lautete, ein Schöpfer müsse diese Komplexität aus dem Nichts heraus geschaffen haben.

Später entdeckte man den Mechanismus der Evolution. Dieser erklärt elegant und überzeugend, wie aus ganz einfachen Anfängen hochkomplexe Dinge entstehen können. Die dabei wirkenden Gesetze, Variantenbildung und Auslese, sind sehr einfach.

Heute fragen wir uns, wie hochkomplexe kulturelle Dinge entstehen konnten, zum Beispiel Wirtschaftssysteme oder moralische Regelwerke. Die christliche Religion sagt, dass uns die moralischen Regeln vom Himmel offenbart wurden. Eine mögliche andere Erklärung besteht darin, dass sie sich aus einfachen Anfängen entwickelt hat, und dabei komplexer wurde. Komplexität wäre auch hier das Ergebnis einer natürlichen Entwicklung.

Die Gesetzmäßigkeiten, die man bei der kulturellen Entwicklung erwarten wird, sind sehr wahrscheinlich wiederum sehr einfach, so wie das bereits bei der biologischen Evolution der Fall ist. Denn Verhaltensweisen gibt es nicht erst seit es Menschen gibt. Sondern bereits bei viel einfacheren Arten, die viel älter sind als die Menschen. Dass die grundlegenden Gesetzmäßigkeiten gar erst mit dem ersten Auftreten menschlicher Produktions- und Besitzverhältnisse entstanden sind, halte ich für unwahrscheinlich. Ich denke, dass wir auf sehr viel ältere, sehr einfache Prinzipien stoßen werden.

Ein wenig habe ich das auf den letzten Seiten bereits beschrieben. Ich klebe aber nicht an dem Gedanken. Wenn jemand eine bessere Erklärung für das Vorhandensein weltweit ähnlicher Wertesysteme hat, soll es mir recht sein.
:Blumen:

Jörn 05.11.2017 17:48

Eine Vorstufe aus dem Tierreich könnte vielleicht die Notwendigkeit zur Kooperation gewesen sein? Gerechte Verteilung der Beute nach gemeinsamer Jagd, usw.


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