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schnodo 19.10.2017 12:53

Hier mal ein unkonventioneller Standpunkt zu Gottesurteilen im Mittelalter: Die haben besser funktioniert als man vermuten sollte, weil sie die Unschuldigen dazu brachten, sich dem Urteil Gottes auszuliefern und die Schuldigen dazu, sich vorab schuldig zu bekennen.

Why the trial by ordeal was actually an effective test of guilt

Zitat:

The only ones who know for sure whether a defendant is guilty or innocent are the defendant himself and God above. Asking the defendant to tell us the truth of the matter is usually useless: spontaneous confessions by the guilty are rare. But what if we could ask God to tell us instead? And what if we did? And what if it worked?
Das soll nun bitte nicht als Verbesserungsvorschlag meinerseits für die Juristerei verstanden werden. :)

keko# 19.10.2017 16:12

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1336939)
Jörn wollte wissen, ob Du irrationale Handlungen auch dann gutheißen würdest, wenn sie zu Deinem Nachteil geschehen. Oder ob Du in diesem Fall auf nachvollziehbare Begründungen wert legen würdest.

...

Würdest Du auch hier das Irrationale als notwendiges Element des Menschseins begrüßen, wo Du selbst von den Konsequenzen betroffen bist? Das ist etwas anderes, solange nur Schwule oder Ausländer betroffen sind.

...

Ich habe meine Meinung zu verschiedenen Themen und meine Toleranzgrenze ist fließend. Wenn du Jörg den Kopf abschlägst, müssen wir nicht diskutieren, ob ich das begrüße oder nicht. Bezügliche Homeehe habe ich meine Meinung geäußert dahingehend, dass ich ihr neutral gegenüber stehe, ich aber die Adoption von Kindern mit gemischten Gefühlen sehe. Den Zuzug von vielen Flüchtlingen sehe ich ebenso kritisch. Darüber kann man vernünftig diskutieren und Argumente austauschen. Das haben wir ja auch gemacht, mehr oder weniger.
Mit fällt nur oft auf, dass die Gegenseite oftmals ebenso sachliche und vernünftige Argumente aufbringt und ich mich nicht entscheiden möchte, wer nun den richtigen Weg hat.
Ich habe selbst schon oft erlebt, dass ich aus meiner Sicht einer Kette von vernünftigen Entscheidungen gefolgt bin und trotzdem in einer Sackgasse landete.
Eine Welt, die rein auf dem Versuch fußt, vernünftige und rationale Entscheidungen zu treffen, stelle ich mir nicht sonderlich erstebenswert vor. Aber vielleicht liege ich auch da falsch ;-)

Jörn 19.10.2017 21:40

Hallo keko, es geht nicht darum, dass jemand eine rationale Begründung vorlegt. Sondern es geht darum, dass er es nicht tut.

Ich finde, Du könntest durchaus die von Arne genannten Beispiele beantworten. Würdest Du eine rationale Begründung verlangen, wenn jemand Dir verbindliche Vorschriften für Dein Privatleben macht? Oder würdest Du die Begründung akzeptieren, es handele sich um ein irrationales Gefühl, welches nicht weiter erläutert werden kann?

Würdest Du beispielsweise Deine Tochter mit einem 88-jährigem Guru verheiraten, wenn dieser es damit begründet, dass er nach dem Verzehr eines Pilzragouts ein flaues Gefühl hatte?

keko# 20.10.2017 07:18

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1337140)
Hallo keko, es geht nicht darum, dass jemand eine rationale Begründung vorlegt. Sondern es geht darum, dass er es nicht tut.

Ich finde, Du könntest durchaus die von Arne genannten Beispiele beantworten. Würdest Du eine rationale Begründung verlangen, wenn jemand Dir verbindliche Vorschriften für Dein Privatleben macht? Oder würdest Du die Begründung akzeptieren, es handele sich um ein irrationales Gefühl, welches nicht weiter erläutert werden kann?

Würdest Du beispielsweise Deine Tochter mit einem 88-jährigem Guru verheiraten, wenn dieser es damit begründet, dass er nach dem Verzehr eines Pilzragouts ein flaues Gefühl hatte?

Das war überhaupt nicht mein Punkt. Es ging mir darum, dass es aus meiner Sicht oftmals mehrere rationale und vernünftige Entscheidungsmöglichkeiten gibt.

keko# 20.10.2017 07:21

Zitat:

Zitat von waden (Beitrag 1336952)
Diesen Satz belegst Du treffend. Der ideologische Grund ist jedoch schon seit 1500 Jahren christlicher Kirchengeschichte gelegt; ich halte es für eine verkürzte Sicht, dass Hitler das nutzte, um Geld zu machen.

Nicht zu vergessen: Hitler war Katholik. Und schon haben wir einen gigantischen Glaubenskrieg Katholiken gegen Juden. Diese steile These kam hier im Thread ja schon mal auf. :Lachen2:

Jörn 20.10.2017 07:51

Zitat:

Zitat von keko# (Beitrag 1337182)
Das war überhaupt nicht mein Punkt. Es ging mir darum, dass es aus meiner Sicht oftmals mehrere rationale und vernünftige Entscheidungsmöglichkeiten gibt.

Das ist trivial, es gibt stets mehrere Entscheidungsmöglichkeiten, die man rational begründen kann. Was soll daran interessant sein?

Du hast geschrieben, dass Du irrationale Entscheidungen ebenso für legitim hältst, weil Deine persönlichen Entscheidungen, die Du vermeintlich rational getroffen hattest, sich gelegentlich als falsch herausgestellt hatten. Irrationale Entscheidungen sind also legitim.

Daher stellt sich die Frage, ob Du irrationale Entscheidungen auch dann legitim findest, wenn andere Leute sie zu Deinem Schaden treffen. Würdest Du dann auf einer rationalen Begründung bestehen?

Die Frage wurde bereits mehrfach gestellt, aber offenbar möchtest Du sie nicht beantworten. Wir sollten das einfach akzeptieren, den Punkt aufs Debattenkonto der Atheisten verbuchen, und zum nächsten Thema weitergehen. Es ist eine einfache Frage, und es lohnt nicht, den Thread damit aufzuhalten.

Noch ein weiterer Punkt: Nur weil eine Entscheidung rational begründet wurde, muss sie deswegen nicht richtig sein. Sollte sie falsch sein, heißt das jedoch nicht, dass ein irrationaler Entscheidungsweg richtig gewesen wäre.

:Blumen:

keko# 20.10.2017 08:16

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1337187)

Du hast geschrieben, dass Du irrationale Entscheidungen ebenso für legitim hältst, weil Deine persönlichen Entscheidungen, die Du vermeintlich rational getroffen hattest, sich gelegentlich als falsch herausgestellt hatten. Irrationale Entscheidungen sind also legitim.

Daher stellt sich die Frage, ob Du irrationale Entscheidungen auch dann legitim findest, wenn andere Leute sie zu Deinem Schaden treffen. Würdest Du dann auf einer rationalen Begründung bestehen?

Es gibt rationale Entscheidungsfindungen, halbrationale, irrationale, intuitive, subjektive usw. Ich wende verschiedene an, soweit ich das steuern und überblicken oder beinflußen kann. Sich ständig bockelhart auf rationale Entscheidungen zu versteifen, ist meiner Meinung nach eine Einschränkung. Mehr wollte ich nicht sagen.

Jörn 20.10.2017 08:18

Dann stellt sich die Frage, ob Du irrationale Entscheidungen auch dann legitim findest, wenn andere Leute sie zu Deinem Schaden treffen. Würdest Du dann auf einer rationalen Begründung bestehen?

keko# 20.10.2017 08:42

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1337193)
Dann stellt sich die Frage, ob Du irrationale Entscheidungen auch dann legitim findest, wenn andere Leute sie zu Deinem Schaden treffen. Würdest Du dann auf einer rationalen Begründung bestehen?

Ist etwas zu meinem Schaden, gehe ich immer dagegen an. Egal ob sie auf einem Gesetzestext fußt oder aus dem Bauch raus entschieden wurde.

Jörn 20.10.2017 09:43

Klingt für mich völlig rational.

Jörn 20.10.2017 10:23

Wie würdest Du gegen Schäden angehen, die religiös begründet werden? Etwa mit einer Regel aus einem religiösen Buch? Oder aufgrund einer religiösen Tradition?

Sorry, wenn ich hier hartnäckig wirke. Ich versuche es nur zu verstehen.

:Blumen:

waden 20.10.2017 11:36

Zitat:

Zitat von keko# (Beitrag 1337185)
Nicht zu vergessen: Hitler war Katholik. Und schon haben wir einen gigantischen Glaubenskrieg Katholiken gegen Juden. Diese steile These kam hier im Thread ja schon mal auf. :Lachen2:

Ich verstehe, worauf Du hinaus willst. Hitlers Weltbild entstand nicht nur aus seiner christlichen Gläubigkeit. Mit Deiner launigen Bemerkung lässt sich aber die große christliche Tradition der Judenfeindlichkeit, die den Boden für entsprechende Diskriminierung legt, nicht so eben wegbügeln, meine ich.

MattF 20.10.2017 12:01

Zitat:

Zitat von keko# (Beitrag 1337191)
Es gibt rationale Entscheidungsfindungen, halbrationale, irrationale, intuitive, subjektive usw. Ich wende verschiedene an, soweit ich das steuern und überblicken oder beinflußen kann.


Wenn du eine Entscheidung zu treffen hast und es gibt zwei Meinungen wie diese Entscheidgung zu treffen ist, eine rationale eine irrationale, welche nimmst du?

Trimichi 20.10.2017 12:40

Rational ist immer das, was ein irrationales Subjekt als rational erachtet. Im Übrigen gelten Rationalisierungen im Rahmen der Psychoanalyse als Ich-Abwehrmechanismus. Etwas allgemeiner handelt es sich um Verdrängung. Man könnte auch vom Schatten sprechen.

MattF 20.10.2017 12:48

Zitat:

Zitat von Trimichi (Beitrag 1337258)
Rational ist immer das, was ein irrationales Subjekt als rational erachtet.


Rationalität gibt es also gar nicht oder ist beliebig?

Es ist auch völlig wurscht ob ich der Meinung bin, die Erde wurde vor 6000 Jahren von Gott erschaffen und irgendwann mal alles Leben bis das auf der Arche zerstört oder ob ich der Meinung bin, die Erde ist 4.5 Milliarden Jahre alt.

Beides ist gleichwertig?

keko# 20.10.2017 12:59

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1337230)
Wie würdest Du gegen Schäden angehen, die religiös begründet werden? Etwa mit einer Regel aus einem religiösen Buch? Oder aufgrund einer religiösen Tradition?

Religiöse Gründe betrachte ich nicht anders als nicht-religiöse. Tradition hat für mich einen gewissen Stellenwert, so ist meine Toleranz demgegenüber etwas höher.

Mal ein Beispiel: Ich möchte meine Schwester heiraten. Angenommen wir können keine Kinder mehr bekommen (also keine größere Gefahr für Erbschäden). 95% der Gesellschaft spricht sich dagegen aus, kann aber keine rationalen Gründe nennen. Dann heirate ich sie halt nicht.

keko# 20.10.2017 13:02

Zitat:

Zitat von MattF (Beitrag 1337253)
Wenn du eine Entscheidung zu treffen hast und es gibt zwei Meinungen wie diese Entscheidgung zu treffen ist, eine rationale eine irrationale, welche nimmst du?

Irrational != verrückt, vorausgesetzt.

Oft tatsächlich die irrationale. Ich habe erfahren, dass ich damit besser fahre. (wobei es dann wohl auch schon wieder keine irrationale ist).

Trimichi 20.10.2017 13:03

Zitat:

Zitat von MattF (Beitrag 1337259)
Rationalität gibt es also gar nicht oder ist beliebig?

Es ist auch völlig wurscht ob ich der Meinung bin, die Erde wurde vor 6000 Jahren von Gott erschaffen und irgendwann mal alles Leben bis das auf der Arche zerstört oder ob ich der Meinung bin, die Erde ist 4.5 Milliarden Jahre alt.

Beides ist gleichwertig?

Wie kann ein irrationales Wesen rationale Entscheidungen treffen, die alle anderen, ebenso irrationalen Wesen als rational erkennen? Im Fachjargon spricht man von intersubjektiver Validierung.

Ist es rational einer alten Frau über die Straße zu helfen? Wenn die Erde 4.5 Milliarden Jahre alt ist, so kann man auch alle anderen Gebote der Menschlichkeit über Bord werfen?

Neginroeb 20.10.2017 13:04

Zitat:

Zitat von MattF (Beitrag 1337259)
Rationalität gibt es also gar nicht oder ist beliebig?

Es ist auch völlig wurscht ob ich der Meinung bin, die Erde wurde vor 6000 Jahren von Gott erschaffen und irgendwann mal alles Leben bis das auf der Arche zerstört oder ob ich der Meinung bin, die Erde ist 4.5 Milliarden Jahre alt.

Beides ist gleichwertig?

Rationalität ist abgeleitet von ratio; also Berechnung oder Vernunft. Wer rechnen kann wird meinen, die Erde ist 4,5 Milliarden Jahre alt; bei der Vernunft eigentlich auch, aber es kann schon sehr subjektiv sein, was vernünftig ist..

Trimichi 20.10.2017 13:15

Wenn man also davon ausgeht, dass in der hl. Schrift einige Aussagen nicht richtig sind, wie kann man dann davon ausgehen, dass deswegen die Kirche falsch gehandelt hat?

Das ist wissenschaftlich gesprochen nicht nur dünn, sondern als Begründung ungenügend.

keko# 20.10.2017 13:18

Zitat:

Zitat von Neginroeb (Beitrag 1337269)
Rationalität ist abgeleitet von ratio; also Berechnung oder Vernunft. Wer rechnen kann wird meinen, die Erde ist 4,5 Milliarden Jahre alt; bei der Vernunft eigentlich auch, aber es kann schon sehr subjektiv sein, was vernünftig ist..

In der Mathematik sind die irrationalen Zahlen eine Zahlenerweiterung der rationalen. Jeder rechnet und nutzt sie (angefangen beim Kreis), keiner kann sie sich vorstellen. Ähnlich sehe ich das beim Bewußtsein oder den Entscheidungsfindungen.

Jörn 20.10.2017 14:52

Wie erkennt man nun, wenn eine irrationale Annahme falsch ist? Braucht man dafür nicht rationale Prüfungen und Maßstäbe? Und zeigt das nicht, dass die Entscheidungen von vornherein rational waren — spätestens jedoch, wenn sie mit der Realität konfrontiert werden?

Ein System, in dem alles immer nur richtig ist, ist ein Wahnsystem. Wenn alles möglich und erlaubt ist, ist es Nonsense. Mindestens muss eine minimale Unterscheidung in richtig und falsch (oder eher richtig und eher falsch) vorhanden sein, denn ansonsten wäre jede Annahme immer wahr, und ebenso ihr Gegenteil.

Ich glaube nicht, dass jemand in diesem Thread ein solches Wahnsystem lebt.

Stattdessen denke ich, dass wir es hier mit einer simplen Immunisierungsstrategie zu tun haben: Man will einfach nicht mit kritischen Argumenten behelligt werden, weder von anderen, noch von einem selbst. Aber instinktiv achtet man auf den eigenen Vorteil.

Man romantisiert die eigene Irrationalität, lehnt aber die der anderen brüsk ab. Ja, der gute Jesus... das muss man mit dem Herzen sehen, nicht mit dem Verstand. Aber wehe, es rückt jemand mit Allah und der Scharia an, dann ist es aus mit dem Herzen und der Romantik. Man empört sich. Wir sind schließlich ein Rechtsstaat?!

Natürlich entscheiden wir viel aus dem Bauch heraus. Aber unser Gehirn wacht darüber, dass wir es nicht zu weit treiben. Zumindest ist uns klar, was der Maßstab für Erfolg oder Mißerfolg ist, sodass wir unsere Entscheidung revidieren können, wenn sie sich später als falsch herausstellen sollte. Unsere irrationalen Entscheidungen sind also nur vorläufig und müssen sich bewähren. Diese Prüfung ist ein Indiz dafür, dass irrationale Entscheidungen sich in einem Rahmen abspielen, der von der Ratio abgesteckt und bewacht wird.

Neginroeb 20.10.2017 15:11

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1337300)

Man romantisiert die eigene Irrationalität, lehnt aber die der anderen brüsk ab. Ja, der gute Jesus... das muss man mit dem Herzen sehen, nicht mit dem Verstand. Aber wehe, es rückt jemand mit Allah und der Scharia an, dann ist es aus mit dem Herzen und der Romantik. Man empört sich. Wir sind schließlich ein Rechtsstaat?!

Natürlich entscheiden wir viel aus dem Bauch heraus. Aber unser Gehirn wacht darüber, dass wir es nicht zu weit treiben. Zumindest ist uns klar, was der Maßstab für Erfolg oder Mißerfolg ist, sodass wir unsere Entscheidung revidieren können, wenn sie sich später als falsch herausstellen sollte. Unsere irrationalen Entscheidungen sind also nur vorläufig und müssen sich bewähren. Diese Prüfung ist ein Indiz dafür, dass irrationale Entscheidungen sich in einem Rahmen abspielen, der von der Ratio abgesteckt und bewacht wird.

Das stimmt, aber in Bezug auf Jesus ist es in unserem Kulturkreis sicher eher rational, sich eher auf christliche Werte zu beziehen als auf die Scharia.

Jörn 20.10.2017 22:31

Dann ist es also rational?

Eben gehörte es noch zu den irrationalen Dingen. Was denn nun?

:Blumen:

Mein Argument besteht darin, dass vermeintlich Irrationales bei genauerem Hinsehen gar nicht so irrational ist. Es stehen durchaus rationale Absichten, Wünsche oder Erwartungen dahinter, bei denen man sich auch täuschen kann. Die Erkenntnis, dass man sich getäuscht hat, ist rational. Man kann ein irrationales Ziel verfolgen und scheitern. Die Erkenntnis des Scheiterns ist rational.

Man kann irrationale Wünsche verfolgen, und erkennen, dass es ab einem Punkt zu gefährlich, zu teuer oder zu aussichtslos wird. Das sind rationale Leitplanken, die auch das irrationale Handeln begrenzen.

Wenn ein Fehlschlag zumindest theoretisch möglich ist, handelt es sich zwangsläufig um ein (zumindest in diesem Punkt) rationales System. Was nicht bedeutet, dass die getroffenen Annahmen oder Entscheidungen automatisch richtig sind. Ein Ritter, der sich aufgrund eines Gebetes für unverwundbar hielt, handelte rational, als er ganz besonders unerschrocken in die Schlacht zog. Jedoch bestand jederzeit die Möglichkeit, dass er seinen Irrtum erkannte, als sich die Dinge anders als gewünscht entwickelten. Das Erkennen das Irrtums aufgrund eines Abgleichs mit der Realität ist rational.

Jörn 21.10.2017 00:56

Der eigentliche Knackpunkt ist vielleicht gar nicht, was als rational oder irrational gilt, sondern was als rational empfunden wird, jedoch irrational ist. Hier liegt ein Irrtum und eine Gefahr.

Der Papst empfindet es als völlig rational, eine Predigt darüber zu halten, welche Geister und Dämonen seinem Kopf zuerst besetzen, dann verlassen und zum Schluss wieder zurückkehren. Er gibt auch präzise Auskunft über die Anzahl dieser Dämonen, was ich als Anzeichen für Rationalität werte.

Würde der Papst zuerst mitteilen, dass es sich hier um eine völlig irrationale, rein subjektive Empfindung handelt, würde sich niemand darum kümmern; außer vielleicht sein Therapeut. Aber stattdessen verkündet er, es handele sich hier um eine völlig rationale Tatsachenbehauptung.

Das unterscheidet sich von Dingen, die uns völlig irrational erscheinen, und die wir auch in diesem Bereich des Irrationalen belassen wollen; beispielsweise Liebe. keko bezieht sich immer auf diesen Bereich des Irrationalen, wenn ich ihn richtig verstanden habe. Hier ist es tatsächlich müßig, zu pedantisch mit Tatsachen zu argumentieren.

Die Behauptungen der christlich-jüdisch-islamischen Religionen sind jedoch rational. Dass Jesus existierte und Gottes Sohn war/ist, ist eine rationale Annahme. Der Grund jedoch, warum die Gläubigen dieser Auffassung sind, ist irrational. Er hält keiner faktischen oder logischen (also rationalen) Prüfung stand. Die Gläubigen empfinden ihre Religion jedoch als rational.

Wenn wir also über Irrationalität debattieren, sollten wir diese Schnittmenge im Auge behalten: Dinge, die als rational empfunden werden, jedoch irrational sind.

MattF 23.10.2017 10:14

Zitat:

Zitat von keko# (Beitrag 1337275)
In der Mathematik sind die irrationalen Zahlen eine Zahlenerweiterung der rationalen. Jeder rechnet und nutzt sie (angefangen beim Kreis), keiner kann sie sich vorstellen. Ähnlich sehe ich das beim Bewußtsein oder den Entscheidungsfindungen.

Jetzt spielst du mit Worten.

Eine Kreisumfang mit der irrationalen Zahl Pi zu bestimmen ist doch keine irrationale Handlung, auch wenn man sich die Zahl nicht vorstellen kann, was aber auch nicht stimmt, man kann die Zahl Pi berechnen bis zu X. Stellen.
Was kann ich mir da nicht vorstellen?


Irrational wäre es statt Pi, 4 pder 5 oder eine andere Zahl zu benutzen, weil man sagt die wäre schöner oder mit einer sonstigen kruden Begründung.

MfG
Matthias

Helmut S 23.10.2017 12:00

Servus Arne!

Ich habe den Eindruck, dir hierzu (s.u.) noch wenigstens eine Reaktion schuldig zu sein. Sorry das es so lange gedauert hat :Blumen:

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1336680)
[...]
Doch eine Ideologie kann sich auch zum Nachteil einer Gruppe entwickeln und damit erfolgreich sein. Zur Erläuterung ein Beispiel:
[...]

Ich tue mich sehr schwer mit der Vorstellung, dass Ideologien ohne die Menschen zu betrachten wären. Wobei ich nicht mal genau weiß, ob du das sagen hast wollen. :Blumen: Ich denke Ideologien sind das Ergebnis des Denkens des Menschen. Beobachten wir also eine Evolution einer Ideologie, liegt dem immer auch eine Evolution des Denkens zugrunde. Entwickelt sich dann eine Ideologie zum Nachteil einer Gruppe, heißt das ja nix anderes, dass sich das Denken der Gruppe - oder wenigstens ein Teil davon - zum Nachteil der gesamten Gruppe oder eines Teils davon entwickelt hat. Aus welcher Position, nach welchen Kriterien und mit welcher Gewichtung dann "Vorteile" oder "Nachteile" zu bewerten sind, ist m. E. unglaublich speziell und zum Teil hoch komplex.

Ich bin überhaupt der Meinung, dass an der einen oder anderen Stelle in der Diskussion in diesem Thread das "Wesen" des Menschen unberücksichtigt bleibt. Das gilt für das Individualpsychologische genauso wie für das Sozialpsychologische, also für den Menschen in der Gruppe und der sich daraus ergebenden (psychologischen) Dynamik.

Man sollte aber, wenn man über die Welt spricht wie wir sieh sehen, auch immer über den Menschen in seiner Unvollkommenheit und seiner "Irrationalität" sprechen denke ich.

LG Helmut

keko# 23.10.2017 13:18

Zitat:

Zitat von MattF (Beitrag 1337689)
Eine Kreisumfang mit der irrationalen Zahl Pi zu bestimmen ist doch keine irrationale Handlung, auch wenn man sich die Zahl nicht vorstellen kann, was aber auch nicht stimmt, man kann die Zahl Pi berechnen bis zu X. Stellen.
Was kann ich mir da nicht vorstellen?


Irrational wäre es statt Pi, 4 pder 5 oder eine andere Zahl zu benutzen, weil man sagt die wäre schöner oder mit einer sonstigen kruden Begründung.

MfG
Matthias


pi ist sogar eine transzendente Zahl. Ich könnte versuchen eine Brücke zur Tanszendenz zu bilden, hätte ich gerade die Zeit dazu :Lachen2:
Es gibt genug Geschichten über pi, so dass sich in ihr jede beliebige Zahlenkombination findet usw.
Gestern sah ich eine interessante Reportage über "Dunkle Materie". Irrationale Zahlen, dunkle Materie usw., das sind so spannende Dinge, dass es schade ist, dass ich einer Erwerbstätigkeit nachgehen muss, um nicht mehr Zeit zu haben, um mich genauer damit zu beschäftigen.
Aus meinem bescheidenen Horizont heraus bleibt da noch genug Platz für einen "Gott". :Lachen2:

MattF 23.10.2017 13:45

Zitat:

Zitat von keko# (Beitrag 1337748)
Aus meinem bescheidenen Horizont heraus bleibt da noch genug Platz für einen "Gott". :Lachen2:

Und für ein fliegendes Spaghettimonster.

keko# 23.10.2017 13:52

Zitat:

Zitat von MattF (Beitrag 1337761)
Und für ein fliegendes Spaghettimonster.

Auch für fliegende Jungfrauen. Laß uns denkende Säugetiere mal 300.000 Jahre alt sein. Das ist aus Sicht der Evolution extrem kurz. Ich gehe davon aus, dass auch zukünftige höhere Säugetiere noch vieles entdecken werden.

Jörn 23.10.2017 16:10

Zitat:

Zitat von keko# (Beitrag 1337748)
Gestern sah ich eine interessante Reportage über "Dunkle Materie". (...) Aus meinem bescheidenen Horizont heraus bleibt da noch genug Platz für einen "Gott".

Hallo keko, Du beschreibst, dass Du Dich nicht genug mit „Dunkler Materie“ befassen könntest, und dass es für Dich so scheint, als sei da noch genug Platz für Gott.

Warum richtest Du Dich nicht nach jenen Wissenschaftlern, die sich tatsächlich der Erforschung dieser Dinge widmen? Diese sehen dort nämlich überhaupt keinen Gott. Schon allein deswegen nicht, weil niemand eine klare Vorstellung hat, was „Dunkle Materie“ und „Gott“ überhaupt sein sollen.

Es ist einfach das Festklammern an dem alten Trick, dass man Gott nicht aufgeben muss, solange man sich einreden kann, dass es noch irgendwo ein Versteck für „ihn“ gibt. Es ist eine der vielen Immunisierungsstrategien, die darin besteht, Gott stets in jene Bereiche zu verschieben, die unbekannt sind.

Jörn 23.10.2017 16:21

Zitat:

Zitat von keko# (Beitrag 1337762)
Auch für fliegende Jungfrauen.

Nein, für fliegende Jungfrauen gibt es keine Möglichkeiten mehr auf der Erde. Die Tatsache, dass es im All sowas wie „Dunkle Materie“ gibt, bedeutet keineswegs, dass hier auf der Erde irgendeine geheimnisvolle Materie existieren könnte, die wir noch nicht entdeckt haben.

Denn die Physik, welche die irdische Materie beschreibt, und die sich in Größenordnungen abspielt, die für unser Leben relevant sind, ist komplett bekannt und erforscht. Fliegende Jungfrauen sind ausgeschlossen.

Klugschnacker 23.10.2017 16:54

Zitat:

Zitat von keko# (Beitrag 1337748)
Aus meinem bescheidenen Horizont heraus bleibt da noch genug Platz für einen "Gott". :Lachen2:

Ja, zumindest kann man es nicht ausschließen. Vielleicht stoßen wir irgendwann auf ein "Etwas", das wir heute unbeholfen mit "Gott" bezeichnen.

Zwei Einschränkungen gehen mir dazu durch den Kopf:

Die Wahrscheinlichkeit dafür schwindet mit jeder weiteren Erkenntnis, die sich in das naturwissenschaftliche Weltbild einfügt. Denn ganz gleich, wo wir auch suchen, überall finden wir das Wirken der Naturgesetze. Nach mehreren Jahrhunderten Erforschung der Natur schwindet die Wahrscheinlichkeit, dass wir noch auf ein Wunder stoßen werden.

Speziell die Existenz des christlichen Gottes ist sehr fraglich. Damit meine ich nicht eine abstrakte Kraft oder ein Wirkungsprinzip, sondern eine übernatürliche Wesenheit mit genau jenen Eigenschaften, welche die Christen ihrem Gott zusprechen. Als da wären: Güte, Allmacht, Allwissenheit, sowie sein ganz persönlicher Bezug zu jedem einzelnen Menschen. Er erhört Gebete und bewertet die Rechtgläubigkeit jedes Menschen.

Die Existenz dieses ganz bestimmten Gottes ist sehr unwahrscheinlich, weil die Eigenschaften der realen Welt nicht zu einem allmächtigen, allwissenden und gütigen Gott passen. Die Wahrscheinlichkeit ist hingegen sehr groß, dass es sich beim christlichen Gott um eine Erfindung der Menschen handelt. In der gleichen Weise, wie es sich bei den Menschenrechten um eine menschliche Erfindung auf der Basis abstrakter Wertvorstellungen handelt.

Klugschnacker 23.10.2017 17:14

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1337803)
Fliegende Jungfrauen sind ausgeschlossen.

Angenommen, zukünftige Erkenntnisse über die Physik würden fliegende Jungfrauen ermöglichen. Wäre damit etwas gewonnen?

Für mich würde sich vor allem die Frage stellen, wo die jungfräuliche Maria am Ende der Flugreise ankam.

Für die Menschen der Antike war der Himmel ein konkreter Ort über unseren Köpfen. Das ist heute nicht mehr der Fall. Vom Himmel haben wir, wenn überhaupt, eine viel abstraktere Vorstellung. Sie lässt sich nicht mehr vereinbaren mit der Vorstellung, dass Marias Leichnam von der Erde abhob, die Atmosphäre durchquerte, das Schwerefeld der Erde verließ und schließlich irgendwo landete.

Falls sich also Marias Flugreise bewahrheitete, würde aus dem Himmel eine Farce.

Jörn 23.10.2017 23:06

Für mich würde sich vor allem die Frage stellen, ob die Jungfrau auch im Himmel noch Jungfrau bleibt.

Denkt mal drüber nach. Ein Himmel, in dem nach Ewigkeiten noch Jungfrauen zu finden sind... besonders hübsch sind die vermutlich nicht.

Und Internet gibt‘s wahrscheinlich auch nicht.

Nein danke!

MattF 24.10.2017 10:27

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1337892)
Für mich würde sich vor allem die Frage stellen, ob die Jungfrau auch im Himmel noch Jungfrau bleibt.


Seit Hefner tot ist: Keine Chance mehr.

:Lachanfall: :Lachanfall: :Lachanfall: :Lachanfall:

FlyLive 24.10.2017 11:05

Hat schon das Wort "Jungfrau" nicht mit Sexismus zu tun ? Ist ja momentan in aller Munde.
Bei genauem hinblicken, könnte man sagen, das man das Wort abschafft oder zumindest verurteilt, da es Frauen in einen Zustand, sexueller Erlebnisse einstuft.

Wenn es jemand nicht verstanden hat, lag es an mir. Vergesst es einfach :Lachen2:
Zum lachen ist es dennoch nicht. :confused:

keko# 24.10.2017 12:34

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1337800)
Warum richtest Du Dich nicht nach jenen Wissenschaftlern, die sich tatsächlich der Erforschung dieser Dinge widmen? Diese sehen dort nämlich überhaupt keinen Gott. Schon allein deswegen nicht, weil niemand eine klare Vorstellung hat, was „Dunkle Materie“ und „Gott“ überhaupt sein sollen.

Ich schaue mir gern entsprechende populärwissenschaftliche Sendungen an und lese darüber, wenn ich Zeit habe. Kürzlich sah ich einen Abriss der Evolution. Vom ersten Fisch, der an Land ging, bis zum Menschen, der über sich selbst nachdenkt. Zwar wurden die einzelnen Schritte schlüssig und sachlich erklärt (wie es halt in nur 45min möglich ist), aber das "Gesamtkonzept" finde ich schon wunderbar. Je mehr ich darüber erfahre, desto schöner finde ich es.
Ich erinnere mich an den Prof in Zahlentheorie von vor fast 30 Jahren. Er konnte dir alles haarklein erklären und war trotzdem (oder deshalb?!) von seinem Fachgebiet begeistert, dass es ansteckend war. Es kann also sehr wohl sein, dass man mit mehr an Wissen die wahre Genialität, Schönheit und Wunder erst begreift.

Jörn 24.10.2017 23:14

Ja, ich finde ebenso, dass die Dinge durch Wissen nicht entzaubert werden, sondern meist an Zauber hinzugewinnen.

Von Gläubigen wird diese Tatsache allerdings gerne verdreht. Es läuft darauf hinaus, dass die Wissenschaft uns lediglich die Augen öffnet dafür, wie gewaltig die Schöpfung Gottes aussieht, um ihn deswegen noch begeisterter anzubeten.

Das ist jedoch eine völlige Verdrehung der wissenschaftlichen Befunde. Denn die Befunde sagen, dass Gott in diesem Spektakel erstens nicht sichtbar und zweitens völlig überflüssig ist. Was die Wissenschaft nämlich findet, sind Zwangsläufigkeiten und Kausalitäten. Es sind Wirkungsketten: Eins folgt aus dem anderen, alles ist erklärbar, nichts ist übernatürlich.

Die Wissenschaft sagt, dass die Schöpfung gewaltig ist, aber auch, dass es ohne Schöpfer funktioniert. Eben darin besteht der Zauber.

Wenn Du Dich also auf die Wissenschaft oder alte Mathe-Professoren berufst, dann solltest Du hinzufügen, dass diese nie irgendetwas Übernatürliches oder Göttliches gefunden haben — nicht mal das winzigste Fitzelchen. Deren Begeisterung ergibt sich aus eben dieser Tatsache: dass Geniales entstehen kann, ohne dass ein genialer Schöpfer existiert. Das ist die Faszination.

waden 26.10.2017 13:05

Hallo Jörn,
ich schätze Dein Wissen, Deine Argumente und Deine Hartnäckigkeit. Und ich teile oft Deine Meinung. In diesem Punkt sehe ich jetzt etwas anders. Zwar fasziniert auch mich, wie die moderne Naturwissenschaft in immer weitere und tiefere Bereiche vordringt und Erklärungen liefert. Auch halte ich die Existenz eines Schöpfergottes im christlichen Sinne für naiv ego- bzw. anthropozentrisch. Andererseits zeigt uns die Geschichte auch, dass die Menschen schon oft dachten, jetzt verstanden zu haben, was „die Welt im Innersten zusammenhält“. Insofern erscheint mir die Ansicht, dass alles erklärbar ist, auch sehr optimistisch. Unser heutiges Wissen enthält sicherlich viele Thesen und Modelle, die das Potenzial in sich tragen, später einmal als veraltet betrachtet zu werden. Wir erklären die Welt wahrscheinlich immer genauer, mit immer treffenderen Modellen; und doch bleibt, denke ich, manches offen, weil jede Erklärung innerhalb von Modellvorstellungen stattfindet. Alles erklärbar ja, aber immer nur als Modell innerhalb unserer jeweiligen zeitgemäßen Denkgrenzen.


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