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Helmut S 08.11.2022 15:43

Zitat:

Zitat von TriVet (Beitrag 1689593)

Die ganze Technologiedebatte ist weitgehend irrelevant bzgl. der Frage ob wir anfangen sollen oder nicht. Wir können und müssen so oder so anfangen.

keko# 08.11.2022 16:26

Zitat:

Zitat von Nepumuk (Beitrag 1689577)
Damit sich alle wieder Schlafen legen und weiter das so schön billige Gas aus Russland verbrennen? Sicher nicht. Die aktuelle, kleine Energiekrise nimmt nur die viel größere kommende Krise voraus. Der Wechsel zu erneuerbaren Energien wird massiv beschleunigt, weil es sich entsprechende Investitionen jetzt einfach besser rechnet.

Dem würde ich im kleinen Kreis zustimmen, vielleicht wenn es nur um Deutschland ginge und eine handvoll anderer Länder. Ich glaube aber nicht, dass russisches Gas unter der Erde bleibt oder Öl aus Saudi Arabien, wenn Deutschland sich dem verweigert. Der Hunger nach Energie und Wohlstand ist weltweit zu groß. Die Menschen zu ihrem Glück zwingen (weniger Energieverbrauch) wird nicht funktionieren. Bestenfalls in Wohlstandsvorstädten, in denen ich lebe. Dort also, wo der eigene BMI und der größere Wagen vom Nachbarn die größten Probleme darstellen: ein bisschen Radfahren tut mir gut und einen Zweitwagen brauche ich eigentlich nicht.
Ich halte es für realistischer, dass man sich auf eine deutliche Erderwärmung einstellt und gleichzeitig sparsamerer Technolgoien entwickelt. Das geht nur über Innovation und nicht über Zwang.

keko# 08.11.2022 16:37

Zitat:

Zitat von Helmut S (Beitrag 1689578)
Wie meinst denn das jetzt? :Blumen:

Digitalisierung und steigende Energiepreise werden dazu führen, dass Menschen weniger Geld zur Verfügung haben. Dem muss der Staat früher oder später entgegenkommen. Das "Bürgergeld" sehe ich nur als den Anfang.

Flow 08.11.2022 19:34

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1689584)
Die Energiegewinnung als Biomasse (dunkelgrün) ist meines Wissens nach zwar erneuerbar, aber nicht klimaneutral. Sie muss also noch abgezogen werden, wenn wir klimaneutral werden wollen (müssen). Sie macht fast die Hälfte der erneuerbaren Energien aus:

Ich nehme an, daß du Biokraftstoffe, Abfälle und Deponiegas auch noch dazuzählen darfst ...

Klugschnacker 08.11.2022 21:17

Zitat:

Zitat von Flow (Beitrag 1689628)
Ich nehme an, daß du Biokraftstoffe, Abfälle und Deponiegas auch noch dazuzählen darfst ...

Ja. Das ergibt für die erneuerbaren, klimaneutralen Energieträger folgende Anteile am gesamten derzeitigen Energiebedarf Deutschlands:

Windkraft 3%
Fotovoltaik 1.3 %
Solarthermie 0.2%
Wärmepumpen 0.4%

In der Summe sind das 5% von Gesamtenergiebedarf. Das muss bis zum Jahr 2045 auf 80% ansteigen. Bitte korrigiert mich, wenn ich die Zahlen falsch verstanden habe.

Technologien, mit denen wir diese gigantischen Strommengen zwischenspeichern können, weil im Winter nur ein Achtel der Sonnenenergie des Sommers auf Deutschland fällt und auch nicht ständig der Wind weht, haben wir nach meiner Kenntnis nicht.

Ich möchte damit nicht den Umstieg auf klimaneutrale Energieträger in Frage stellen – um den kommen wir nicht herum. Sondern ich denke, dass die aktuelle Energiekrise keine vorübergehende sein wird. Wir werden in Zukunft weit weniger Energie zur Verfügung haben als heute, sofern wir klimaneutral werden wollen.

Mit anderen Worten: Wir leben in einer Übergangsphase zu einem deutlich knapperen Energieangebot. Das scheint mir zumindest sehr wahrscheinlich zu sein. Die Gaskrise zwingt uns nun, aus ganz anderem Grund über unseren Energieverbrauch nachzudenken und hoffentlich ein paar Weichen zu stellen.

Bleierpel 08.11.2022 21:23

@klugschnacker: deine Zahlen stimmen nicht ganz.
Besser die hier nehmen :Blumen:

Klugschnacker 08.11.2022 21:29

Zitat:

Zitat von Bleierpel (Beitrag 1689639)
@klugschnacker: deine Zahlen stimmen nicht ganz.
Besser die hier nehmen :Blumen:

Ist das ein Missverständnis? Auf der Seite ist vom Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung die Rede. Ich rede oben jedoch vom gesamten Energiebedarf. Wir verbrauchen ja überwiegend andere Energie als elektrischen Strom.

Der Anteil der klimaneutralen und gleichzeitig erneuerbaren Energieträger am gesamten Energiebedarf liegt meines Wissens nach bei rund 5%.
:Blumen:

keko# 08.11.2022 21:43

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1689612)
....
Sparsame Technologien: Im Kapitalismus war es schon immer extrem wichtig, sparsame Technologien zu entwickeln und zu nutzen. Das ist keine neue Idee, der wir uns nun zuwenden könnten und die uns große Einsparungen brächte. Trotzdem verbrauchen wir in Deutschland jetzt doppelt so viel Energie wie zur Zeit unserer Kindheit. Mit den effizientesten Technologien, die es je gab.

Im Letzteren schwingt immer so ein Vorwurf mit, als sei ich verantwortlich (nicht speziell von dir, das meine ich allgemein).
Meine liebe Oma war eine arme Frau. In jungen Jahren zwei Schweine und eine Kuh, ein bisschen Landwirtschaft. Bescheidenes fränkisches Landleben. Mir geht es deutlich besser; sie würde sich freuen, mich zu sehen. Solaranlage habe ich auf dem Dach, Thermostate, selbstgestrickte Socken, Waschlappen, ich kaufe lokal, möglichst wenig Fleisch, heize kaum, dusche kurz, werfe nie Essen weg, trage meine Kleidung ab... das volle Programme eben.
Was um Himmels Willen soll ich denn tun? Soll ich die gelegentlichen Städtereisen streichen? Das also, was ich immer tun wollte und mir nun leisten kann?
Nur noch arbeiten, bis ich müde ins Grab falle? Möglichst bevor ich Rente beziehe?
Auf der anderen Seite häufen nicht wenige Menschen unglaublichen Reichtum an. Sammeln bunte Lambos wie ich Fahrräder, jetten von der einen Stadtseite zur anderen. Lachen mich und mein bescheidenes Leben wohl aus. Und ich soll gleichzeitig auf dieses kleine Stück hart erarbeiteten Komfort verzichten? Noch mehr Steuern zahlen? Nickend Sprachprofis lauschen, die sich in fernen schönen Ländern zu Klimakonferenzen in klimatisierten Konferenzsräumen treffen?
Nein, sorry, ich trage meinen Teil bei. Andere können viel mehr beitragen, hätten viel mehr Einfluss als ich Hans Wurst.
:Blumen:

Bleierpel 08.11.2022 21:43

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1689640)
Ist das ein Missverständnis? …

ja :Blumen:

TriVet 08.11.2022 21:48

Doch, die Speicherung klappt auch, kurzfristig (overnight) mit zb Akkus und Co, langfristig (over winter) mit zb (grüner) Wasserstoffproduktion oder auch zb „vorratsproduktion“ Energieintensiver Produkte.
Vulgo: Strom ist billig?! Lass mal paar Stunden Maschinen laufen und auf Vorrat produzieren, das brauchen wir dann auf, solange uns der Strom zu teuer ist…

Wiederhole mich: Buch lesen!💐

Klugschnacker 08.11.2022 22:00

Zitat:

Zitat von keko# (Beitrag 1689641)
Was um Himmels Willen soll ich denn tun?

Pro Kopf kannst Du 1 Tonne CO2 pro Jahr emittieren. Das steckt der Planet weg. Aktuell emittiert der durchschnittliche Deutsche 11 Tonnen pro Jahr. Quelle: Umweltbundesamt.

Zitat:

Zitat von keko# (Beitrag 1689641)
Nein, sorry, ich trage meinen Teil bei. Andere können viel mehr beitragen, hätten viel mehr Einfluss als ich Hans Wurst.
:Blumen:

Das stimmt! :)

Global gilt, je reicher eine Person ist, desto größer ist in der Regel der CO2-Ausstoß. Die reichsten 10 Prozent sind für fast die Hälfte des Energieverbrauchs im Verkehr über Land und für drei Viertel im Flugverkehr verantwortlich.

Das gehört aber allmählich in den Klima-Thread. :Blumen:

Helmut S 08.11.2022 22:02

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1689635)
In der Summe sind das 5% von Gesamtenergiebedarf. Das muss bis zum Jahr 2045 auf 80% ansteigen.

Das hieße, wir müssten vier Verdoppelungsperioden hinkriegen. Allerdings auch nur, wenn alles so bleibt wie jetzt angenommen.

Ich vermute allerdings, dass zwar durch technologischen Fortschritt mehr klimaneutrale Energie zur Verfügung haben werden, allerdings auch, dass wir überproportional mehr Energie insgesamt benötigen werden. Ich vermute das, aufgrund der Entwicklung der letzten Jahre und der immer intensiveren Digitalisierung. Ich sehe aktuell keine Tendenzen, die darauf schließen ließen, dass sich dieser Trend nicht fortsetzen würde. In Konsequenz würde das bedeuten, dass vier Verdoppelungsperioden (falls die überhaupt möglich wären) zu weniger als 80% Deckung führen.

Es bleibt also nur darauf zu hoffen, dass Technologien, die heute im Laborstadium sind, marktreif und skalierbar werden. Ich erinnere mich an ein interessantes Projekt/Team aus dem Deutschen Zukunftspreis 2018: https://www.stifterverband.org/deuts...18-wasserstoff

Keine Ahnung was aus denen geworden ist.

:Blumen:

Klugschnacker 08.11.2022 22:20

Zitat:

Zitat von TriVet (Beitrag 1689643)
Doch, die Speicherung klappt auch, kurzfristig (overnight) mit zb Akkus und Co, langfristig (over winter) mit zb (grüner) Wasserstoffproduktion oder auch zb „vorratsproduktion“ Energieintensiver Produkte.
Vulgo: Strom ist billig?! Lass mal paar Stunden Maschinen laufen und auf Vorrat produzieren, das brauchen wir dann auf, solange uns der Strom zu teuer ist…

Wiederhole mich: Buch lesen!��

Sorry, falls das eine dumme Frage ist; ich habe das Buch nicht gelesen:

Von welchen Akkus sprichst Du? Nach meinem Verständnis geht es um eine Strommenge, die dem entspricht, was wir heute mit Braunkohle, Steinkohle, Erdgas, Mineralöl, Windkraft und Photovoltaik produzieren. In welche Akkus packst Du das rein?

Grüner Wasserstoff: Dafür müssen wir erst Strom erzeugen, entweder mit Windkraft oder mit Photovoltaik. Davon haben wir nicht viel. Aktuell sind es 5% vom Gesamtenergiebedarf. Diesen kostbaren Strom verwenden wir dann, um über einen chemischen Prozess aus Wasser Wasserstoffgas herzustellen. Bis dieses extrem flüchtige und im Kontakt mit Luft explosive Gas verflüssigt in Tanks steckt, gibt es enorme Energieverluste und Kosten. Anschließend verfeuern wir dieses Gas in Gaskraftwerken und machen wieder Strom daraus. Auch hier gibt es wieder Verluste. Alles in allem scheint mir das sehr ineffizient zu sein. Wir stecken viel mehr Strom hinein, als an nutzbarem Strom wieder heraus kommt.

Daraus scheint mir zu folgen, dass klimaneutral und erneuerbar erzeugter Strom knapp und teuer sein wird. Also müssen wir uns von unserem aktuellen Energieverbrauch verabschieden. In einer fernen Zukunft mögen diese Probleme vielleicht alle gelöst sein. Wir müssen es aber in den kommenden 20 Jahren lösen und dieser Bremsweg ist zu kurz.
:Blumen:

Klugschnacker 08.11.2022 22:33

Zitat:

Zitat von Helmut S (Beitrag 1689649)
Das hieße, wir müssten vier Verdoppelungsperioden hinkriegen. Allerdings auch nur, wenn alles so bleibt wie jetzt angenommen.

Windräder verdoppeln sich aber nicht. Sondern wir stellen sie einzeln oder in kleinen Gruppen nach längeren Genehmigungsverfahren auf. Mit Ach und Krach sind wir damit auf 3% unseres Energiebedarfs gekommen.

Wie lange dauert das Genehmigungsverfahren für ein Windrad? Wir haben laut Klimaschutzgesetz noch 23 Jahre Zeit, um mit den Dingern plus Photovoltaik 80% des Energiebedarfs für ganz Deutschland zu produzieren, Industrie, Gewerbe, Verkehr, Haushalte.

Glaubt jemand im Ernst, Energie wird dann eine preiswerte Ressource sein?

TriVet 08.11.2022 22:42

Es ist spät, der Rotwein war reichlich und ich bin nun wahrhaftig kein Techniker.
Trotzdem der Versuch einer schnellen, daher zu verallgemeinerten Zusammenfassung:

Sehr vieles, was heute per Öl, Erdgas oder Atomenergie betrieben wird, muss auf Strom umgestellt werden. Das geht. Siehe Buch bzw. obige Links.
Allein dadurch große Energie Einsparungen!, zb Autos: das dieselchen: 4-5 Liter. Der Stromer: 1-2 Liter (umgerechnet).
Dito zb Haus, Stichwort waermepumpe.

Gleichzeitig wird stromproduktion immer effektiver und günstiger (massiv verbesserter Wirkungsgrad der diversen Stromerzeugung wie Windrad oder Photovoltaik), daher Strom sehr wirtschaftlich als Energieträger, daher viel Nachfrage, —> positivspirale.
Heißt, es wird genug Strom geben. Hurra.
Hier ist der gamechanger, stromproduktion wird immer alltäglicher. Neuestes Beispiel sind Aldi, Lidl und co, die ihre Supermarktdaecher flächendeckend mit Photovoltaik belegen.
Die machen das nicht aus altruismus oder Ideologie, sondern weil es sich heute schon fur sie rentiert.

In Summe haben wir bald genug bis reichlich erneuerbaren Strom. Ohne Wald abholzen oder sonstige Horrorszenarien.
Wohin damit?
Genau: zB Wasserstoff produzieren.
Et voila.

Kurzfassung mir sicher reichlichst Ansatzpunkten fur Einzelfragen.

Trotzdem bin ich sehr positiv.

Klugschnacker 09.11.2022 07:39

Zitat:

Zitat von TriVet (Beitrag 1689656)
In Summe haben wir bald genug bis reichlich erneuerbaren Strom. Ohne Wald abholzen oder sonstige Horrorszenarien.

Wohin damit? Genau: zB Wasserstoff produzieren. Et voila.

Kurzfassung mir sicher reichlichst Ansatzpunkten fur Einzelfragen. Trotzdem bin ich sehr positiv.

Ich würde mich freuen, wenn es so kommt! :Blumen:

Aktuell haben wir haben wir aber keine Produktion von Wasserstoffgas aus Wind- oder Solarenergie. Da stehen wir praktisch bei Null.

Wir haben außerdem nicht die Gaskraftwerke, die aus Wasserstoffgas, das ja nur den Zwischenspeicher für Strom darstellt, wieder Strom erzeugen. Öffentlichen Quellen zufolge braucht es ungefähr 50 davon in Deutschland, zusätzlich zu den bestehenden Gaskraftwerken.

Und vor allem haben wir die Wind- und Solaranlagen nicht, die diesen klimaneutralen Strom erstmal erzeugen sollen. Solaranlagen liefern aktuell 1.5% unseres Energiebedarfs. Windkraftanlagen 3%. Ich will nicht bestreiten, dass alle diese Hürden in einer fernen Zukunft genommen sein werden. Ich bezweifle aber sehr stark, dass wir das in den kommenden 23 Jahren schaffen können, so wie es das Gesetz vorsieht, welches das Bundesverfassungsgericht vorgibt.

Deshalb meine ich, dass die aktuelle Gaskrise der Auftakt zu einer generellen Energiekrise sein wird. Die Klimakrise kommt dann noch oben drauf, denn die heute formulierten Klimaziele (+1.5°C) schaffen wir ebenfalls nicht. Ich fürchte, wir machen uns da etwas vor.

Aber vielleicht sollte ich endlich mal die Texte hinter Deinen Links lesen und etwas Zuversicht tanken.
:Blumen:

keko# 09.11.2022 07:40

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1689648)
...
Global gilt, je reicher eine Person ist, desto größer ist in der Regel der CO2-Ausstoß. Die reichsten 10 Prozent sind für fast die Hälfte des Energieverbrauchs im Verkehr über Land und für drei Viertel im Flugverkehr verantwortlich.

Das gehört aber allmählich in den Klima-Thread. :Blumen:

Da muss ich in meinem Umfeld gar keinen ökologischen Fußabdruck messen, um zu sehen, dass Wohlhabende einen größeren hinterlassen: Die alleinerziehende Halbstagskraft kommt gar nicht auf die Idee mit ihrem 3.0TDi (den sie nicht hat) übers verlängernde Wochenden zum eBiken (das sie auch nicht hat) an den Gardasee zu fahren.
Haben wir also nicht z.T. eine ausgeprägte Scheindiskussion? Mir geht es zu viel um die Menschen "unten" oder in der Nähe von unten. Klimatechnisch gesehen sollte man mal vermehrt die "oben" in den Fokus bringen und nicht ständig von denen sprechen, die eh schon sparen müssen oder gar nicht die Möglichkeiten haben ihren ökologischen Fußabdruck zu verkleinern, da er schon klein ist. Nach jedem Sommer auf Bildungsurlaub an Küsten, die azurblau schimmern, komme ich mir reichlich auf den Arm genommen vor.

Klugschnacker 09.11.2022 08:21

Es geht ja nicht nur um den persönlichen Energieverbrauch. Wir haben energieintensive Wirtschaftszweige. Die Chemieindustrie allein wird, wenn sie von fossilen Energieträgern auf Strom umsteigt, so viel Strom verbrauchen wie heute ganz Deutschland.

Für die Baubranche gibt es keine Lösung. Zement wird hergestellt, indem vom Kalk bei 1.500°C Kohlendioxid abgeschieden wird. Dieses Kohlendioxid landet in der Atmosphäre. Die Menge ist gigantisch und ist halb so hoch wie die Emission unseres gesamten Verkehrs. Es gibt Experimente, dieses Kohlendioxid aufzufangen, aber in den kommenden Jahrzehnten bauen wir damit keine Häuser.

Für die Flugbranche gibt es keine Lösung. Ein Flugzeug fliegt an die dreißig Jahre lang und stellt eine langfristige Investition dar. Es gibt heute weder Flugzeuge, die mit Strom aus Akkus fliegen, noch solche mit Wasserstoff in den Tanks. Wenn wir in 20 Jahren klimaneutral fliegen wollen, müssten wir in 10 Jahren wenigstens die halbe Flotte klimaneutral haben. Aktuell gibt es aber kein einziges klimaneutrales Verkehrsflugzeug. Schon gar nicht zu Preisen, wir wir uns das vorstellen.

Und so weiter. Ich fürchte, wir machen uns da etwas vor. Aber das habe ich jetzt bereits einige Male gesagt. Sorry für die Redundanz.
:Blumen:

Jimmi 09.11.2022 09:15

Das ist das Erschreckende: Es werden dauernd Scheindebatten über verlängerte Laufzeiten von AKWs oder vermehrtes Aufstellen von Windkraftanlagen und Fotovoltaik geführt, aber die Grafik mit dem Gesamtenergiebedarf Deutschlands kennt kaum ein Mensch.

Wir bekommen gerade eben schmerzlich mit, dass der Aufstieg Deutschlands zu einer der führenden Industrienationen nur durch ausreichend Energie möglich war. Zunächst über Steinkohle, später durch Öl & Gas. Auch die vielfach angeführte Kernkraft lässt keine Autos fahren oder versorgt die BASF mit Prozesswärme.

Es wird ganz sicher diverse Möglichkeiten geben, Wasserstoff zu speichern, aber erzeugt wird der sicher nicht in ausreichender Menge in D. Da helfen nur Allianzen mit Ländern, welche genügend Erzeugungsmöglichkeiten besitzen. Marokko ist da auf einem guten Weg. Erpressbar wird Deutschland trotzdem bleiben.

Schwarzfahrer 09.11.2022 09:30

Zitat:

Zitat von TriVet (Beitrag 1689656)
ich bin nun wahrhaftig kein Techniker.

Wie auch Jan Hegenberg nicht. Bei dem zutiefst techhnischen Thema "Energieversorgung" ist aber technisches Verständnis sehr wertvoll, um Glaubensfragen von realen Möglichkeiten zu unterscheiden und die Punkte richtig quantifiziert einzuordnen.
Zitat:

Zitat von TriVet (Beitrag 1689656)
Allein dadurch große Energie Einsparungen!, zb Autos: das dieselchen: 4-5 Liter. Der Stromer: 1-2 Liter (umgerechnet).
Dito zb Haus, Stichwort waermepumpe.

Das stimmt erst mal, zumal die auch von Arne zitierten Energiebbedarfsdiagramme immer den Primärenergieeinsatz zeigen, was natürlich sinkt, wenn ich sie mit dem Endenergieeinsatz "Strom" vergleiche, also die Wirkungsgrade "überspringen kann", weil direkt verbrauchter Strom praktisch verlustfrei eingesetzt werden kann.

Die Ersparnis an Erzeugungsbedarf gilt allerdings so nur, solange ich Strom praktisch verlustfrei produziere und sofort verbrauche. Sobald ich speichern muß, fallen jede Menge Verluste an, bei Batterien je 10 - 20 % Lade/Entladeverluste, bei Wasserstoff je nach Lagerdauer und Transportweg über 60 % bis zu 80 %. D.h., für alles, wo ich große Speichermengen brauche (also besonders, wo ich unterbrechungsfreie Versorgung sicherstellen muß, wie große Industrieanlagen, ohne die man auch keine Batterien und keine Wasserstoff-Speicher realisieren kann), muß ich doch ein mehrfaches des tatsächlichen Bedarfs produzieren, so wie ich bei Diesel 5 l einsetzen muß, aber nur 35 - 40 % davon als Nutzenergie rausbekomme.
Deshalb braucht man dann doch sehr große installierte Leistungen, um ausreichend Energie in Speicher stecken zu können neben dem direkten Verbrauch.

Helmut S 09.11.2022 09:37

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1689655)
Windräder verdoppeln sich aber nicht.

Naja. Auch wenn das ja nicht mein Punkt ist, hat sich laut BEW e.V. die Windstromeinspeisung von 2014 mit 58,5 TWh auf 2021 mit 122,4 TWh in einem Zeitraum von 7 Jahren gut verdoppelt.

Mein Punkt ist, dass eine Verdoppelung über vier Perioden eher unwahrscheinlich scheint, wenn man die bestehenden Technologien zugrunde legt. Wobei ich sogar davon ausgehe, dass der Gap zwischen Bedarf und Erzeugung noch wächst, wenn man nur den Status Quo der Technologie betrachtet.

Was das Klimaschutzgesetz anbelangt, so geht es m.E. einerseits um die CO2 Reduktion zu einem Referenzpunkt 1990 und die sog. Klimaneutralität. Letzteres bedeutet dass CO2 Quellen - CO2 Senken = 0 ist.

Am Ende werden wir eine zusätzliche Technologie benötigen. Einerseits um den Ausstoß aus CO2 Quellen zu reduzieren und andererseits um die Aufnahme durch CO2 Senken zu erhöhen.

Für ersteres scheint mir Wasserstoff nicht uninteressant. Wenn z.B. solche Transporttechnologien wie oben verlinkt für Wasserstoff skalierbar und marktfähig werden, könnte man so einen Ansatz wie ihn damals DessertTec mit Gleichstrom vor hatte, auf Wasserstoff Basis umsetzen. Auch im Bereich der dieselmotorischen Verbrennung von Wasserstoff tut sich wohl noch etwas: Ein australisches Forscherteam hat wohl einen Kniff (dieser eigentlich alten Technologie) gefunden, der den CO2 Ausstoß nochmal um 86% reduziert.

In dem Zeitraum von 23 J habe ich technologisch jedenfalls genügend Phantasie und mit wird diesbezüglich nicht besonders bange. Schauen wir mal 23 Jahre zurück ins Jahr 199/2000, was seit dem alles passiert ist.

Wichtig scheint mir nur, dass wir damit anfangen. Allerdings denke ich, dass jedes System, dass wir heute bauen in 23 Jahren nicht mehr oder wenigstens nicht in seiner ursprünglichen Form existieren bzw. recht signifikant sein wird. Und seien es nur effizientere Wandlungstechnologien, die eingesetzt werden und alte ablösen. In einen Zeitraum von 23 Jahren wird ein Technologiemanagement passieren und passieren müssen.

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1689655)
...Genehmigungsverfahren ... Glaubt jemand im Ernst, Energie wird dann eine preiswerte Ressource sein?

Now we are talking - wie es so schön heißt. Diese Art der Probleme halte ich für deutlich schwerwiegender als die Technologischen, die m.E. nicht das adressieren wo es wirklich weh tut.

Ich schrieb im anderen Thread

Zitat:

Die "Dekarbonisierung" ist ein gesellschaftliches Transformationsprojekt, dass vor allem auch Fragen der sozialen Gerechtigkeit aufwirft und noch aufwerfen wird.

Es gibt darüber hinaus z.B. die Frage zu klären, wie solch ein Ziel und die Teiletappen dahin in einen politischen 5-jahres Zyklus integriert werden können. Weiter die Frage nach dem Hintergrund von höchstwahrscheinlich auftretenden, zukünftigen politischen und wirtschaftlichen Krisen, Konsequenzen der Digitalisierung auf dem Arbeitsmarkt, stärker werdenden demographischen Problemen und damit eine noch größer werdende Problematik der Sozialsysteme und letztlich eine gespalten Gesellschaft mit einem signifikanten Anteil Klimawandelleugner/-skeptiker auf den Weg dahin mitzunehmen.
An der Stelle fehlt mir viel mehr die Phantasie als im Bereich der Technologie.

:Blumen:

keko# 09.11.2022 09:43

Zitat:

Zitat von Jimmi (Beitrag 1689667)

Wir bekommen gerade eben schmerzlich mit, dass der Aufstieg Deutschlands zu einer der führenden Industrienationen nur durch ausreichend Energie möglich war. Zunächst über Steinkohle, später durch Öl & Gas. ...

Ausreichend Energie und vor allem billige Energie. Wir beuten den Planeten aus, das sollte man eigentlich wissen :Blumen:
Nicht nur das: würden wir Menschen in fernen Ländern entsprechend entlohnen, könnten wir uns nicht alle paar Wochen neue Klamotten kaufen. Würden wir Tiere würdig halten, können wir nicht so viel Fleisch konsumieren usw usf.
Der Aufstieg des Westens begann vor 500 Jahren, als Könige Schiffe lossichickten, die sich ferne Länder unter den Nagel rissen und ganze Völker versklavten. Möglicherweise findet der Aufstieg ja gerade sein Ende ;)

keko# 09.11.2022 09:54

Zitat:

Zitat von Helmut S (Beitrag 1689672)

An der Stelle fehlt mir viel mehr die Phantasie als im Bereich der Technologie.

:Blumen:

Grundsätzlich gibt es das Problem der Überbevölkerung und des Ungleichgewichts, das ständig im Hintergrund schlummert. So gesehen wäre eine weltweite Katastrophe eine gute Sache ;)

TriVet 09.11.2022 09:56

Wie würde Sybi schreiben: "Och Leuts!", lest Ihr vielleicht doch mal, wenn schon nicht das Buch, dann wenigstens die verlinkten Artikel? Alle?

Ad Wirkunsgrad: Ja, es gibt Transformationsverluste, Beispiele Gießkanne und löchriger Gartenschlauch. Nachlesen, s.o.
Nicht ideal, aber wenn genug da (ja, das geht), trotzdem besser als der status quo.

Ad Windräder
Zitat aus s.o.
Der naheliegende Gedanke: Aktuell stehen in Deutschland 30.000 Windenergieanlagen (hier später „WEA“), dann brauchen wir ja 180.000 davon! Aber wie schon in Teil 1 habe ich gute Nachrichten, was das angeht: Die benötigte Anzahl ist weit geringer als das Wort „sechsfach“ vermuten lässt. Ich weiß, das Internet ist voll von Behauptungen wie „na toll, um die Umwelt zu schützen, fällen wir jetzt ganze Wälder und reißen unsere historischen Dörfer ab? Das ist doch Wahnsinn!“.

Ja, ist es. Nur werden Wälder und Dörfer inkl. historischer Kirchen in Deutschland ja immer noch maßgeblich für die Kohleförderung vernichtet. Dass es mit der Windkraft keine solche Umweltkatastrophe zu befürchten gibt, liegt an einer in Deutschland irritierend wenig beachteten Entwicklung: Windenergieanlagen bzw. WEA wurden in den letzten Jahrzehnten um Größenordnungen effizienter.

Gerade unter deutschen Männern gibt es ja selbst im winzigsten Dörfchen gefühlte Hundertschaften von Personen, die für wummernde Motoren eine ungebremste Faszination empfinden und sich ganze Gartenpartys lang über Direkteinspritzung unterhalten können. Aber eine über 200 Meter hohe, absurd filigran wirkende Konstruktion, die dennoch Wind und Wetter standhält, um klimaneutral und kostengünstig erstaunliche Strommengen zu generieren, ruft deutlich weniger Begeisterungsstürme hervor.

Vielleicht ist das auch so eine Patriotismus-Nummer? Solltet ihr Zugang zu einem Paralleluniversum bekommen, in dem Rudolf Diesel seine Erfindung nicht in Augsburg, sondern in Dänemark zur Marktreife entwickelte, wohingegen der eigentlich dänische Physiker Poul la Cour seine bahnbrechenden Forschungen zur Windkraft wiederum in Augsburg zu Ende brachte, würde ich mich über eine Email freuen: Diskutieren deutsche Partygäste dort enthusiastisch darüber, welche Rotorform bei Windrädern am meisten Strom erzeugt? Das wäre nüchtern betrachtet weniger skurril als es klingt:

Vor 30 Jahren hatte das neueste Windrad der ostfriesischen Firma Enercon noch eine Nabenhöhe ( die Höhe auf der die Gondel sitzt) von 34 Metern und 17 Meter lange Rotoren; es war damit genauso hoch wie heute das Kanzleramt in Berlin. Bei der neuesten Generation sind die Rotorblätter selbst schon um ein Vielfaches länger als diese ersten WEA-Generationen überhaupt hoch waren: Bei modernen Anlagen beträgt die Nabenhöhe bis zu 180 Meter und die Rotoren messen 90 Meter. Damit liegt ihr höchster Punkt über der architektonischen Höhe des Commerzbank Towers in Frankfurt am Main, dem immerhin höchsten Wolkenkratzer der Europäischen Union.

Das bedeutet auch, dass an den Rotorspitzen heftige Zentrifugalkräfte wirken. Wenn die Rotorblätter 90 Meter lang sind und eine Drehung 6 Sekunden dauert, dann bewegen die Enden sich mit 340 km/h durch die Luft, die dabei auftretenden Fliehkräfte entsprechen dem 18-fachen der Erdbeschleunigung. Material und Konstruktion müssen also entsprechend stabil und clever entworfen sein, damit das ganze Teil über Jahrzehnte zuverlässig funktioniert, anstatt wie ein Kartenhaus im Windkanal auseinanderzufliegen.

Wenn in politischen Debatten die Schlagwörter „Ingenieurskunst“ und „Innovation“ fallen, geht es gefühlt zu 90 Prozent um Autos, aber wie viel Gehirnschmalz in der Statik, Funktionsweise und dem jahrelangen Betrieb solcher Anlagen steckt, die ausgerechnet an besonders windigen Standorten den Unbilden der Natur trotzen, kommt bei Maischberger und Lanz enttäuschend selten zur Sprache.

Gut, warum mache ich um die Höhe jetzt so ein Gewese? Weil mit der Größe der WEA der Stromertrag überproportional steigt: Das 35-Meter-Windrad von 1988 hatte eine Nennleistung von 300 Kilowatt, die neue Generation Windturbinen für den Einsatz an Land von Siemens Gamesa wird 165 Meter hoch sein und sensationelle 6.200 Kilowatt Nennleistung haben. Der Turm ist also knapp 5 mal höher, die Nennleistung aber 20 mal höher – mit nur einer vollen Umdrehung der Rotorblätter erzeugt das Ding so viel Strom wie ein durchschnittlicher deutscher Haushalt an einem kompletten Tag verbraucht.

Entsprechend großartig ist es um das Potential der Windkraft bestellt: In Deutschland sind an Land wie gesagt bereits etwa 30.000 WEA installiert, im Schnitt speist jede eine einzelne davon pro Jahr aber „nur“ 3.500 Megawattstunden in unser Stromnetz ein, weil viele davon einfach nicht mehr die jüngsten sind. Ja, um die Windkraftanlagen in Deutschland steht es ähnlich wie um seine Radwege: Viele sind zu alt und zu klein.

Neueste Anlagen können ein Vielfaches dieser Energie aus dem Wind rausholen.
...

Dadurch und aufgrund der Länge der Rotorblätter können diese Anlagen auch bei schwacher Windstärke Strom erzeugen. Während der deutsche Windrad-Pöbel also mit lächerlichen 3.500 Megawattstunden vor sich hingurkt, kann die neueste Generation wie besagter 6,2-Megawatt-Oschi von Siemens uns an guten Standorten mit 21.000 Megawattstunden beglücken*.

(*Offizielle Rechner geben oft geringere Werte an, weil sie immer noch von sehr pessimistischen 2.000 Volllaststunden pro Jahr ausgehen. Der Fraunhofer Windmonitor hat aber schon für im Jahr 2018 errichtete WEA deutlich höhere Werte angenommen)

Ja, das ist dann halt mal das sechsfache. Oh, sechsfach? Hatten wir das Wort in diesem Artikel nicht schon mal? Genau, weiter oben, wir brauchen nämlich mittelfristig sechsmal so viel EE-Strom wie aktuell. Die Sorge, dass eure Kinder mal in einem Land leben müssen, das mit Windrädern übersät ist, ist insofern unbegründet: Wir können mit derselben Anzahl der Anlagen und heutiger Technik bereits ein Vielfaches an Strom erzeugen. An guten Standorten eben bis zu 6 mal so viel.

Nun können wir leider nicht einfach alle davon auf die aktuelle Version updaten wie eine Smartphone-App, zudem eignet sich nicht jeder aktuelle Standort für ein 200 Meter hohes Windrad und es ist auch nicht jeder Standort so windreich, dass er die oben genannten Zahlen erreichen kann. Aber es macht die Dimensionen hoffentlich greifbar. Nähme man für die Anlagen grundsätzlich gute Standorte an, käme man zusammen mit den Offshore-Anlagen im Meer schon auf 650 Terawattstunden (6,5 Megastrom).

Unser ambitioniertes Ziel waren insgesamt 15 Megastrom (1.500 Terawattstunden) im Jahr. Wenn wir die Hälfte, also 7,5 Megastrom, mit Windkraft erreichen wollen, sind wir da mit einer reinen Umstellung auf moderne Anlagen also schon mal nah dran, ohne die absolute Anzahl der Anlagen überhaupt zu erhöhen. Für den fehlenden 1 Megastrom (100 Terawattstunden) müssten wir dann noch mal 6.000 Anlagen zubauen. Ja, die Anzahl wäre dann am Ende doch noch mal etwas gestiegen, aber nur von 30.000 auf 36.000. Unser Energiemix sähe dann aber schon so aus, 9 von 15 Megastrom sind grün:
grün = Erneuerbar, braun = fossil

Okay, aber 36.000 WEA in 10 Jahren bauen, ist das nicht recht ehrgeizig? oder gar etwas verrückt? Gemessen an anderen Projekten bei großen Technologiewechseln weder noch: Deutschland hat zwischen 1865 und 1875 13.000 km Schienennetz inkl. Bahnhöfen installiert und in solchen Zeiträumen 5.000 Lokomotiven und entsprechende Züge hergestellt. Das ist wohlgemerkt über 150 Jahre her.

Es klingt machbar, im selben Land mit einem Vielfachen an Wirtschaftsleistung und enormem technologischen Vorsprung pro Jahr 3.600 Windenergieanlagen zu errichten. Klar, die installieren sich nicht von alleine, aber das gilt auch für unsere Stromleitungen, unsere Straßen, Brücken und Schienennetze. Das wurde einfach gemacht und wir haben es Wirtschaftswunder genannt.

In normalen Jahren (ohne Pandemie) werden in Deutschland über 5 Millionen PKW hergestellt, um die 100.000 Einfamilienhäuser gebaut, ca. 300.000 Wohnungen und 100.000 Fabrik- Werkstatt- und Warenlagergebäude errichtet. Es klingt nicht vollkommen von Sinnen, mit der gleichen Volkswirtschaft in selben Zeitraum 3.600 Windkraftanlagen aufzustellen.

Und was ist mit der Fläche? Naja, selbst die vom Staat potentiell ausgewiesene Fläche für Windkraft liegt laut Umweltbundesamt bei 3.100 Quadratkilometern, also weniger als einem Prozent der Landesfläche. Davon sind zudem Stand 2019 noch 40 Prozent unbebaut. Zum Vergleich: Deutschland baut allein auf einer Fläche von 23.000 Quadratkilometern Silomais für Tierfutter und Biogas an. Hat deswegen schon mal jemand Bedenken geäußert, Deutschland sei mit Maisäckern gepflastert? Selbst mit einer Verdoppelung der Windkraftstandorte würden wir immer noch 6 mal so viel Fläche für Silomais verbrauchen.

Klar, ich habe jetzt mit guten Standorten und den aktuell größten Anlagen gerechnet, dabei kann es durchaus sein, dass wir aufgrund von örtlichen Protesten auch schlechtere Standorte und kleinere Anlagen nutzen werden. Das ist dann aber eine Entscheidung, die wir als Gesellschaft treffen müssen: Wollen wir weniger, dafür aber große Anlagen an windreichen Orten wie z.B. Hügelkämmen oder kleinere, dafür aber mehr Anlagen? Zudem ist der aktuelle technische Stand ja nicht in Stein gemeißelt. Sollte die Entwicklung da weiter voranschreiten, könnten wir die benötigte Anzahl nochmal reduzieren.

Ja, auch Windkraft ist ein Eingriff in die Natur, so wie alle Formen der Stromerzeugung. Wer komplett auf Elektrizität und Wärme verzichten kann, soll das gerne tun, aber wer wie ich im Winter die Heizung anstellt, muss sich damit abfinden, dass dafür immer auch etwas Natur geschädigt wird. Ja, es sterben dadurch auch Vögel, allerdings weit weniger als durch die Glasscheiben an unseren Gebäuden, den Straßenverkehr oder Katzen und es gibt vielversprechende Erkenntnisse, um das in Zukunft noch zu verringern. Zudem würde eine fortschreitende Erderwärmung weit mehr Vogelexistenzen beenden als alle WEA weltweit.

Und ja, WEA verursachen Infraschall. Es gibt immer noch keine seriöse Untersuchung, die aus den auftretenden Schallpegeln stichhaltig Gesundheitsrisiken ableiten konnte und es würde mich sehr überraschen, sollte sich das je ändern: Autoinsassen sind Infraschallemissionen von bis zu 100 Dezibel ausgesetzt, wir müssten dann den kompletten Straßenverkehr verbieten.

Helmut S 09.11.2022 10:25

@TriVet: Technologie ist nicht das Problem. Die dauernde Debatte um Technologie ist eine Scheindebatte - aus welchen Gründen auch immer. Das Problem ist der gesellschaftliche Transformationsprozess mit allen Auswirkungen vor dem Hintergrund immer höherer Wahrscheinlichkeit von verkürzten Krisen/non-Krisen Zyklen und bereits bestehender sozialer Probleme. :Blumen:

Klugschnacker 09.11.2022 13:09

Zitat:

Zitat von Helmut S (Beitrag 1689679)
@TriVet: Technologie ist nicht das Problem. Die dauernde Debatte um Technologie ist eine Scheindebatte - aus welchen Gründen auch immer. Das Problem ist der gesellschaftliche Transformationsprozess mit allen Auswirkungen vor dem Hintergrund immer höherer Wahrscheinlichkeit von verkürzten Krisen/non-Krisen Zyklen und bereits bestehender sozialer Probleme. :Blumen:

Welches wäre denn die Technologie, mit der wir künftig klimaneutral in den Urlaub fliegen? Oder zu beruflichen Meetings?

Akkus sind zu schwer.

Wasserstoff muss auf -235°C gekühlt sein, im flüssig zu bleiben. Das erfordert eine entsprechende Isolierung im Flugzeug, die schwer ist, Platz verbraucht und Energie kostet. Ein heutiges Flugzeug ist dafür schlicht zu klein (!).

Bei der Erzeugung von Wasserstoff brauchen wir Strom aus Wind- oder Solarkraft. Damit erreichen wir eine Effizienz von nur 20% des eingesetzten Stroms. Rund 80% verlieren wir zwischen der Erzeugung von Strom und seiner Nutzung im Flugzeug.

Wenn ein solches Wasserstoff-Flugzeug nach Istanbul fliegt, muss es für den Rückflug dort betankt werden. Der Flughafen braucht dafür eine Infrastruktur an Tanks und Leitungen – zusätzlich zur bestehenden Kerosin-Infrastruktur für die Flugzeuge aus anderen Teilen der Welt. Wasserstoff ist ein extrem flüchtiges Gas aus winzigen Atomen und kann nicht in normalen Stahltanks gelagert werden. Es muss extrem stark gekühlt sein. Und es ist beim Kontakt mit normaler Luft explosiv.

Doch vor allem: Ein Wasserstoff-Flugzeug hat Wasserdampf als Abgas. Das ist ebenfalls ein starkes Treibhausgas. Vor allem in den hohen Luftschichten, in denen sich ein solches Flugzeug effizient bewegen kann. Dort gibt es normalerweise kaum Wasserdampf. Er hat wahrscheinlich negative Auswirkungen auf die Ozonschicht.

Ich komme daher zu dem Schluss, dass wir die Technologie für einen klimaneutralen Luftverkehr jetzt und mittelfristig nicht haben werden. Vielleicht hebt in ein paar Jahren bei Airbus mal ein Wasserstoff-Modellflieger ab, wer weiß. Das sind Zukunftsvisionen ohne praktische Relevanz für die nächsten 20 oder 30 Jahre.

Ach so, bei Boeing rechnet man mit einer Verdopplung des weltweiten Flugverkehrs bis 2045.
:-((

Schwarzfahrer 09.11.2022 13:43

Zitat:

Zitat von TriVet (Beitrag 1689677)
Wie würde Sybi schreiben: "Och Leuts!", lest Ihr vielleicht doch mal, wenn schon nicht das Buch, dann wenigstens die verlinkten Artikel? Alle?

Ja, habe ich mir schon früher angetan. Genau deshalb meine Aussage, technisches Verständnis könnte helfen, Glaubenssachen in das richtige quantitative Verhältnis zu stellen. Nur zwei Beispiele dazu, warum diese Artikel schöne Meinungs-und Propagandartikel sind, ohne überzeugenden technischen Sachverstand dahinter:
Zitat:

Zitat von TriVet (Beitrag 1689677)
Zitat aus s.o.
...irritierend wenig beachteten Entwicklung: Windenergieanlagen bzw. WEA wurden in den letzten Jahrzehnten um Größenordnungen effizienter.

"um Größenordnungen" heißt technisch um mehrere Zehnerpotenzen, also min. 100-fach. Effizienter heißt technisch, daß der Wirkungsgrad um diesen Faktor steigt; tatsächlich haben "schlechte" Windenergieanlagen auch min. 30 % Wirkungsgrad, und physikalisch ist die Grenze bei knapp unter 60 %. Mehr als Faktor 2 ist da allein physikalisch nicht drin, geschweige denn "Größenordnungen". Hier ist ein typische Effekthascher-Formulierung zu sehen, ohne technisch belegbaren Hintergrund.

vielleicht meint er das:
Zitat:

Zitat von TriVet (Beitrag 1689677)
Zitat aus s.o.
...Vor 30 Jahren hatte das neueste Windrad der ostfriesischen Firma Enercon noch eine Nabenhöhe ( die Höhe auf der die Gondel sitzt) von 34 Metern und 17 Meter lange Rotoren; ... Bei modernen Anlagen beträgt die Nabenhöhe bis zu 180 Meter und die Rotoren messen 90 Meter. ...

Gut, warum mache ich um die Höhe jetzt so ein Gewese? Weil mit der Größe der WEA der Stromertrag überproportional steigt: Das 35-Meter-Windrad von 1988 hatte eine Nennleistung von 300 Kilowatt, die neue Generation Windturbinen für den Einsatz an Land von Siemens Gamesa wird 165 Meter hoch sein und sensationelle 6.200 Kilowatt Nennleistung haben. Der Turm ist also knapp 5 mal höher, die Nennleistung aber 20 mal höher

Das ist kein überproportionaler Anstieg, sondern einfach der logisch physikalische Anstieg (Leistung steigt quadratisch mit der linearen Dimension, sie mit der Fläche steigt, aus der Energie entzogen wird - sollte jeder wissen, der sich zu dem Thema mit technischen Inhalten äußert). Das als überproportional zu bezeichnen ist eine falsche Überhöhung der Bedeutung dieses Effektes, und somit manipulativ. Übrigens, Faktor 20 ist auch nur gerade mal eine Größenordnung udn nicht mehrere, aber nicht in Effizienz, sondern in Größe bzw. Leistung, evtl. noch bzgl. Raumausnützung.

Sein Text ist durchzogen von solchen Halb- und Ganz-Wahrheiten, die er leider nicht immer voll zu verstehen oder einzuordnen scheint, so daß sie ihn an vielen Stellen zu überoptimistischen und undifferenzierten Aussagen verleitet. Ich würde an seiner Stelle einen solchen Text nicht ohne einen technisch richtig versierten Lektor veröffentlichen.

keko# 09.11.2022 13:52

Zitat:

Zitat von Helmut S (Beitrag 1689679)
@TriVet: Technologie ist nicht das Problem. Die dauernde Debatte um Technologie ist eine Scheindebatte - aus welchen Gründen auch immer. Das Problem ist der gesellschaftliche Transformationsprozess mit allen Auswirkungen vor dem Hintergrund immer höherer Wahrscheinlichkeit von verkürzten Krisen/non-Krisen Zyklen und bereits bestehender sozialer Probleme. :Blumen:

Am besten ist es, wenn man freiwillig mitmacht. Dann muss es keinen Zwang und keine Debatten geben. Wenn sich die Menschen also freiwillig einschränken und freiwillig verzichten. Für das Klima, für eine bessere Welt usw.
Wenn das hinreichend viele Menschen tun, kann ich weiterhin eine Umweltsau sein :Cheese:

TriVet 09.11.2022 16:29

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1689698)

Dann ist es halt nicht überproportional und um Größenordnungen….
Das scheint mir allerdings Wortklauberei, mir geht es ja auch eher um die Tendenz und Ideen dahinter.
Diese finde ich plausibel und vielversprechend.
Aber natürlich findet sich leicht dieses oder jenes Haar in der Suppe.
Mir sind positive Gedanken und Lösungsansätze jedenfalls „um Größenordnungen“ lieber als die ewige Miesmacherei à la „the german angst“!

TriVet 09.11.2022 17:08

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1689692)
Welches wäre denn die Technologie, mit der wir künftig klimaneutral in den Urlaub fliegen? Oder zu beruflichen Meetings?

Umgekehrt: welches wäre denn die Begründung fur die krankhaft viele krankhaft billige Fliegerei?
Notabene, gemeint sind die „mal eben nach Mallorca“-Wochenendflieger und dergleichen.

Wenn die Flugtickets korrekt bezahlt werden müssten, hätte sich das schnell erledigt.

Klugschnacker 09.11.2022 17:32

Zitat:

Zitat von TriVet (Beitrag 1689710)
Umgekehrt: welches wäre denn die Begründung fur die krankhaft viele krankhaft billige Fliegerei? Notabene, gemeint sind die „mal eben nach Mallorca“-Wochenendflieger und dergleichen.

Wenn die Flugtickets korrekt bezahlt werden müssten, hätte sich das schnell erledigt.

Den letzten Satz sehe ich so wie Du.

Jedoch: Eine Prognose des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) geht davon aus, dass sich die Zahl der jährlichen Flugpassagiere bis zum Jahr 2040 mehr als verdoppeln wird:
"Die Passagierzahlen werden laut DLR-Prognose [weltweit] von rund vier Milliarden im Jahr 2016 auf mehr als 9,4 Milliarden 2040 steigen. Die Zahl der Flüge wachse dabei von 35,5 Millionen auf etwa 53 Millionen im selben Zeitraum - das entspreche einer jährlichen Steigerung von 1,6 Prozent." SPON
Ich fürchte, dass diese Prognosen näher an der Wirklichkeit liegen als technologische Zukunftsvisionen wie das klimaneutrale Fliegen mit Wasserstoff, den wir mit Strom aus Windrädern herstellen. Uns läuft da leider die Zeit davon.

Schwarzfahrer 09.11.2022 19:11

Zitat:

Zitat von TriVet (Beitrag 1689707)
Dann ist es halt nicht überproportional und um Größenordnungen….
Das scheint mir allerdings Wortklauberei, mir geht es ja auch eher um die Tendenz und Ideen dahinter.
Diese finde ich plausibel und vielversprechend.
Aber natürlich findet sich leicht dieses oder jenes Haar in der Suppe.
Mir sind positive Gedanken und Lösungsansätze jedenfalls „um Größenordnungen“ lieber als die ewige Miesmacherei à la „the german angst“!

Nein, es geht nicht um Wortklauberei. Es geht um blauäugige Schönfärberei (ich will nicht mal bösen Willen unterstellen) aus technischem Unverständnis heraus. Das ist aber gefährlich, weil so die Schwierigkeiten unterschätzt und nicht gebührend angegangen werden - und das führt in der realen Welt sehr häufig zum Scheitern auch von eigentlich machbaren Projekten. Was er da beschreibt, ist eine Utopie, die er auf Glauben aufbaut, weil er die Details offenbar nicht ganz versteht.

Ich bin sicher, mit etwas niedrigeren, aber realistischen Erwartungen dient man seinen Zielen mehr, als mit Ignoranz gegenüber der Komplexität. Gerade als Ingenieur liegt mir viel daran, daß man eine Lösung für Probleme findet - das geht aber nicht mit Zweckoptimismus und "Ja wir schaffen das" von Laien, sondern mit pragmatischer Analyse der naturwissenschaftlichen und technischen Realitäten.

Jimmi 10.11.2022 08:58

Ich trage auch die Berufsbezeichnung Ingenieur und empfinde in der Tat schon eine Verdoppelung von etwas als "Größenordnung".

Wenn man überlegt, dass es bei Gas- und Dampfkraftwerken um halbe Effizienzprozentpunkte geht, ist der Benefit bei WKA dann doch mehr als nennenswert. Und das hat nicht allein mit der Physik zu tun, sondern auch mit den Kollegen, die solche Bauhöhen und Dimensionen erst betriebssicher konstruieren.

Schwarzfahrer 10.11.2022 09:32

Zitat:

Zitat von Jimmi (Beitrag 1689748)
Ich trage auch die Berufsbezeichnung Ingenieur und empfinde in der Tat schon eine Verdoppelung von etwas als "Größenordnung".

Empfinden und übliche Bedeutung können sich natürlich unterscheiden, vor allem je nach Zahlensystem, in dem man unterwegs ist. Bist Du vielleicht Informatiker, der gerne binär denkt? Ich bin nun mal Mechaniker, im 10-er Zahlensystem zuhause:
Zitat:

Die Größenordnung ist bei Zahlensystemen und wissenschaftlichem Rechnen der Faktor, der notwendig ist, um in der jeweiligen Zahlendarstellung einen Wert um eine Stelle zu vergrößern oder zu verkleinern, bei Beibehaltung der einzelnen Ziffern und ihrer Reihenfolge.
  • Insbesondere ist Größenordnung auch die Potenz mit der Basis 10 (dezimale Größenordnung) oder 2 (binäre Größenordnung).
  • Als Größenordnung einer physikalischen Größe bezeichnet man ausdrücklich die Zehnerpotenzen bezüglich ihrer Basiseinheit.
  • Darüber hinaus beschreibt „Größenordnung“ dann allgemein Wertebereiche oder Skalen, die über diese Potenzen einer Basis aufgetragen werden.
...
Meist wird von einem Dezimalsystem ausgegangen, weshalb eine Größenordnung meist einen Faktor (oder Divisor) von 10 bezeichnet.
...
Eine binäre Größenordnung entspricht einer Verdopplung respektive Halbierung. Sie ist insbesondere in der Computertechnik vom Datentyp abhängig.

Wie viele Leser denken wohl bei Größenordnung an eine Verdoppelung, wie viele an Verzehnfachung?

Helmut S 10.11.2022 10:07

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1689692)
Welches wäre denn die Technologie, mit der wir künftig klimaneutral in den Urlaub fliegen? Oder zu beruflichen Meetings?

Was die Luftfahrt angeht, so wird an vielen Technologien gearbeitet. Als Beispiel sei hier MTU genannt, die hier sehr rührig sind.


Ich bin der Meinung, dass synthetische Kraftstoffe und Wasserstoff in Kombination mit Speicherung in Flüssigkeiten, Gels oder Pasten ein sehr vielversprechender Ansatz sind.

Das Frauenhoferinstitut arbeitet an einer sog. Powerpaste und wollte da auch 2021 bereits eine kleine Skalierung aus dem Technikumsmaßstab vornehmen. Leider kam Corona dazwischen. Hier gibt es ein YT Video Update.

Was die Entwicklung von synthetischen Kraftstoffen angeht, gibt es hier z.B. eine Übersicht dessen, was aktuell so gemacht wird. Darin findet sich u.a. auch eine Rubrik bzgl. Flugverkehr.

Gerade die Entwicklung von synthetischen Kraftstoffen wird m.E. sehr von aktuellen Entwicklungen der KI profitieren. Große Chemiekonzerne setzen das heute schon ein und auch z.B. in der Pharmazie gab es unlängst einen schönen Erfolg: AlphaFold kann Proteinfaltung vorhersagen. Das beschleunigt die Entwicklung z.B. von Medikamenten massiv.

Ganz allgemein:

Ergänzend sehe ich das, was man Atomkraft 4.0 nennt, wenngleich diese Thematiken schon noch sehr weit weg sind. Hier bin ich etwas skeptischer. Bei dem Thema Kernfusion bin ich sehr skeptisch. Hier wird mir schon viel zu lange geforscht ohne nennenswerte Erfolge.

Ich bin übrigens der Meinung, dass wir die Erzeugung von Wasserstoff (und damit "unsere" Klimaneutralität) in andere Länder auslagern werden. Ich kann mir z.B. Anlagen in Wüstengebieten in Afrika vorstellen, die aus 100% Sonnenenergie Wasserstoff erzeugen. Das Dessertec Projekt habe ich bereits genannt.

Zu Transportzwecken wir der Wasserstoff in Flüssigkeiten oder Gels gepackt und zu uns gebracht. Auch hier ist m.E. das größte Problem eine anderes als das Technologische: Wenn wir über z.B. über Länder in Afrika sprechen, geht es z.B. um politische Stabilität und viele Dinge mehr. Hier muss man zu erst politisch aktiv werden.

Freilich: Wenn ich schreibe, die Technologie ist nicht das Problem, meine ich damit nicht, dass wir diese schon haben.

Ich meine damit, dass es vielversprechende Ansätze gibt und stark daran gearbeitet wird. Insofern macht mir das keine Sorgen. Durchbrüche können ggf. sehr schnell kommen. Das meine ich damit. Ob das in 23 J gelingt, weiß ich natürlich auch nicht, ich hab ja keine Glaskugel. Mein letztes Modell von Amazon kam aus China und war ein Reinfall. Hat gar nicht funktioniert. :Lachen2:

Vielmehr besorgen mich die sozialen Aspekte und die gesellschaftliche Transformation. Während ich in so langen Zeiträumen durchaus vertrauen in die kreativen und technischen Fähigkeiten unserer Forscher und Ingenieure habe, fehlt mir der Glaube in die Politik die Transformation vernünftig zu managen.

:Blumen:

qbz 10.11.2022 11:07

Ich möchte mal über den deutschen Horizont hinaus, darauf aufmerksam machen, in welchem Umfang die im Pariser Abkommen vereinbarten CO2-Einsparungen in der internationalen Wirtschaftspolitik eine wichtige Rolle spielen. Die USA haben im August den sog. Inflation Reduction Act (IRA) verabschiedet. Es ist ein sehr umfangreiches, komplexes Gesetz, das (neben anderen Punkten wie Inflation, Verteidigung) mit staatlichen Subventionen über Steuergutschriften als zentrales Steuerungsinstrument für klimafreundliche Güter / Energie bis 2030 die C02-Emissionen der USA senken soll. Damit verstösst es in manchen Bereichen gegen die Freihandelsbestimmungen der WTO und verstärkt industrielle Abwanderungstendenzen in der EU und Deutschland bzw. unterstützt eine Reindustrialisierung in den USA. Bisher haben die EU oder Deutschland darauf noch keine adäquate Antwort entwickelt oder gar Verhandlungen mit den USA begonnen. (Wir bezahlen gerade die hohen fossilen Energiepreise mit Schulden und individuellen Einkommensverlusten an andere Länder, auch an die USA (LNG) statt damit den Klimaschutz zu fördern.)

Zitat:

"Das dominante Instrument sind Steuergutschriften, sogenannte Tax Credits. Etwa Zwei-Drittel des 369 Milliarden USD Subventionsprogramms sind Tax Credits für nahezu alle erdenklichen Klimaschutzmaßnahmen: Investment Tax Credits für Investitionen in die gesamte Palette an erneuerbaren Energieerzeugungskapazitäten, Production Tax Credits für die Produktion von erneuerbarem Strom (inkl. Nuklear), emissionsarmem Wasserstoff und kritischen Komponenten, z.B. Solar- und Windkomponenten, Batteriekomponenten etc.

Kurz gesagt: Der IRA ist ein massives Investitions- und Subventionsprogramm in Klima- und Umweltschutz, das die Kosten für erneuerbare Technologien drücken und gleichzeitig Amerikas Vormachtstellung als größter Energiehersteller auf langfristig sicherstellen soll. .......

Einerseits dürfte vom IRA ein massiver Kostensenkungs-Push ausgehen, dessen beschleunigte Wirkung auf die globale Energiewende nicht zu unterschätzen ist – davon wird auch die Europäische Energiewende profitieren. Andererseits ist der IRA eine Kampfansage: Zusammen mit dem Infrastructure Investment and Jobs Act sowie dem Chips & Science Act wird Amerika rund 2 Billionen US Dollar in wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit, Innovationen und Industrieproduktivität investieren. Alle Programme bieten dabei starke Anreize und teils Verpflichtungen, Produktionen nach Amerika zu verlagern. Gerade für den Industriestandort Deutschland wird das mittelfristig massive Implikationen haben. Denn in einer klimaneutralen Welt können energieintensive Industrien vor allem dort billig produzieren, wo erneuerbare Energien günstig sind. Doch Deutschland hat nicht gerade günstige Standortfaktoren und wird auch nicht an Länder wie die USA oder Australien herankommen können, insbesondere wenn die Entwicklung dort von massiven Subventionen unterstützt wird."
- us-inflation-reduction-act-der-wolf-im-schafspelz

- E-Autos: EU-Kommission kritisiert US-Klimapaket. RND

- klimaschutz-in-den-usa-gibt-es-geld-um-zu-investieren-in-europa-gibt-es-gesetze-und-vorschriften. Handeslblatt, Bezahlschranke.

Feanor 10.11.2022 11:54

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1689751)
Empfinden und übliche Bedeutung können sich natürlich unterscheiden, vor allem je nach Zahlensystem, in dem man unterwegs ist. Bist Du vielleicht Informatiker, der gerne binär denkt? Ich bin nun mal Mechaniker, im 10-er Zahlensystem zuhause:

Wie viele Leser denken wohl bei Größenordnung an eine Verdoppelung, wie viele an Verzehnfachung?

Habe gerade den Test bei uns im Büro gemacht, 13 Personen, alles Ingenieure/Naturwissenschaftler. Für alle war eine Verdoppelung ausreichend um von Größenordnung zu sprechen.

Flow 10.11.2022 12:03

Zitat:

Zitat von Feanor (Beitrag 1689769)
Habe gerade den Test bei uns im Büro gemacht, 13 Personen, alles Ingenieure/Naturwissenschaftler. Für alle war eine Verdoppelung ausreichend um von Größenordnung zu sprechen.

Krass ... :Lachen2:

sybenwurz 10.11.2022 12:04

Zitat:

Zitat von TriVet (Beitrag 1689656)
Hier ist der gamechanger, stromproduktion wird immer alltäglicher. Neuestes Beispiel sind Aldi, Lidl und co, die ihre Supermarktdaecher flächendeckend mit Photovoltaik belegen.
Die machen das nicht aus altruismus oder Ideologie, sondern weil es sich heute schon fur sie rentiert.

Für wen, wenn nicht für derlei Rechenkünstler sollte es sich rentieren?
Die Doppelmoral dabei;- sie verhökern weiter in Billiglohnländern hergestellte und demnach um die halbe Welt gekarrte Produkte, die ein sicherlich nicht unwesentlicher Teil der Kunden auf Vorrat und ohne Notwendigkeit einkauft, 'weil mans ja mal brauchen könnte'.

PS: wer den Schuss immer noch nicht gehört hat, kriegt grad bei Aldi gasbetriebene Terrassenheizstrahler.

Jimmi 10.11.2022 12:13

Zitat:

Zitat von Feanor (Beitrag 1689769)
Habe gerade den Test bei uns im Büro gemacht, 13 Personen, alles Ingenieure/Naturwissenschaftler. Für alle war eine Verdoppelung ausreichend um von Größenordnung zu sprechen.

:liebe053: Sag ich doch.

In Bezug auf die Länder. welche über ausreichende Ressourcen für die Herstellung klimaneutraler Energie verfügen, muss man sich nicht so sorgen. Deutschland hat immer schon über sehr begrenzte Möglichkeiten verfügt (nimmt man die Steinkohle und Braunkohle mal aus) und importierte billige Energie. Ob jetzt Öl aus Kuwait oder Powerpaste aus Australien ist letztendlich ein ähnliches Spiel.

Weltweit sind schon weit mehr Projekte in Sachen Wasserstoff in der Pipeline, als man sich denkt. Und sie kommen langsam ins großtechnische Stadium. Ein Sportfreund arbeitet seit einiger Zeit an der großtechnischen Umsetzung von Brennstoffzellen
. Das sind riesige Summen im Spiel.


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