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qbz 17.11.2018 09:49

Ich las den Beitrag von R. Habeck auf der Website der Grünen.

1.
Mir fällt auf, dass er sich zum Arbeitslosengeld I überhaupt nicht äussert. Es wurde nämlich 2003 unter Rot-Grün parallel zur Einführung von Hartz IV die maximale Bezugsdauer von bisher 32 Monaten auf 24 Monate (also 1/4) gekürzt, d.h. fand jemand nach 2 Jahren keinen Job mehr, obwohl er vorher vielleicht 30 Jahre lang arbeitete, musste er Hartz IV beantragen. Vor allem die Gewerkschaften und Linken kritisierten diese Kürzung beim Arbeitslosengeld I und verlangen seither die Aufhebung. Die Arbeitgeber sind natürlich dagegen, weil sie einen Zuschuss zur Arbeitslosenversicherung bezahlen.

2.
Sein Konzept einer bedarfsgeprüften garantierten Existenzsicherung hat mit einem bedingungslosen Grundeinkommen nichts zu tun, auch wenn er es als "bedingungslos" bezeichnet. :Lachanfall: Es entspricht eher der Sozialhilfe vor der Einführung von Hartz IV.

3.
Ich sehe den Hauptunterschied seines Konzeptes zu Hartz IV darin, dass der jetzige "Arbeitsdruck" (Zumutbarkeit jeder Art von Arbeit unabhängig von Qualifikationshöhe) über Sozialleistungskürzungen wegfallen soll und er stattdessen allein mit finanziellen / ideellen Anreizen für Umschulungen, Weiterqualifikation etc. werben will (was jetzt auch schon z.T. passiert, IMHO). Insofern: "Bedingungslos", weil nicht an die Bedingung geknüpft, jede verfügbare Stelle anzunehmen bzw. Hartz IV-Jobs, aber Bedürftigkeitsnachweis als Voraussetzung.

4.
Politisch sehe ich in den Vorschlägen vor allem den Versuch, der SPD weitere Wählerstimmen abzunehmen. Und auch die CDU macht vielleicht in der von den Grünen angestrebten Koalition bei der Umsetzung mit, solange die Änderungen nicht Arbeitgeber belasten bzw. evtl. sogar entlasten bei der jetzigen Arbeitslosenversicherung. ("Von der Arbeitslosenversicherung zur Arbeitsversicherung" fordert Habeck).

5.
Es fehlt beim Mindestlohn die Nennung einer konkreten Höhe. Die Mindesthöhe sollte ca. 15.- Euro betragen für eine spätere Rente oberhalb der Grundsicherung. (was mit der CDU bestimmt nicht verhandelbar wäre in einer Koalition.)

Alternative sozialpolitische Konzepte sind z.B. ein Ausbau und eine Stärkung der Arbeitslosenversicherung für alle Beschäftigte mit Erhöhung des Mindestlohnes, weniger prekär Beschäftigte, weniger Niedriglöhner, so dass mehr Erwerbstätige im Fall der Arbeitslosigkeit über einen längeren Zeitraum Arbeitslosengeld I aus der Arbeitslosenversicherung beziehen und weniger Menschen auf die staatliche Existenzsicherung angewiesen sind oder ein echtes Bge.

ThomasG 17.11.2018 17:20

Danke Juerg für die Mühe beim Lesen und die Zusammenfassung :Blumen:.
Das war bestimmt eine leichte Fingerübung für Dich.
Ich hätte das so gut bestimmt nie hinbekommen.
Später will ich mir das dann auch in Ruhe durchlesen.
Ich war viele Jahre Stammwähler der Grünen.
Der Habeck hat schon Ausstrahlung, finde ich.
Da haben sie einen, mit dem man ordentlich Eindruck machen kann.
Er dürfte aber so ziemlich mit allen Wassern gewaschen sein.
In Talkshows ist mir seine Art aufgefallen.
Er kommt da ziemlich cool und entspannt herüber und lässt die anderen erst einmal quatschen und dabei drehen sich glaube ich die Rädchen bei ihm.
Durch und durch ein Politikprofi denke ich und er weiß, was man machen muss, wie man sich geben und sich anziehen muss, um zu beeindrucken.
Ich denke auch, dass die ganze Sache nicht zuletzt ein "Angriff" ist auf die SPD.
Aber egal, wenn es dadurch zumindest mal in die richtige Richtung geht nach langer, langer Zeit.

ThomasG 18.11.2018 02:19

Ich habe mir den Beitrag von Robert Habeck auf der Internetseite der Grünen vor ein paar Stunden jetzt auch durchgelesen.
Er wirkt auf mich so, als hätten sich die Grünen noch nicht allzu intensiv damit beschäftigt, wie so ein Wandel ganz konkret eingeleitet, umgesetzt und finanziert werden könnte.
Habeck selbst meinte an einer Stelle sinngemäß etwa, man hätte Gedanken, die bis in das Jahr 2007 zurück in ihren Reihen aufgekommen sind zusammengetragen.
Da könnte man eigentlich schon erwarten, dass man wesentlich mehr zu lesen bekommt, wie das alles genau ablaufen könnte vor allem in Bezug auf die Finanzierung, denn das ist doch letztlich das, was den allermeisten Menschen in den Sinn kommt, wenn es darum geht die Vorhaben bestimmter Parteien für gut oder für schlecht zu halten.
Schönen Sonntag allerseits!

ThomasG 18.11.2018 05:50

Kürzlich gab es eine Aufruf von Dietmar Barsch von der Linken:

"Der Bundestagsfraktionschef der Linken, Dietmar Bartsch, hat die Spitzen von SPD und Grünen zu gemeinsamen Beratungen über Alternativen zum Hartz-IV-System aufgerufen. Diejenigen, „für die der Sozialstaat nicht eine zu tragende Last, sondern ein Grundpfeiler unserer Demokratie und Gesellschaft ist“, müssten an einem Strang ziehen und diesen Grundpfeiler einer Generalüberholung unterziehen, schreibt Bartsch in einem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Text."

Quelle: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaf...-15895906.html

Ich fände es sehr erfreulich, wenn es gelingen würde, dass sich da gemeinsame Nenner finden ließen und mit vereinten Kräften für die Abschaffung des bestehenden Systems und für die Einführung eines durchdachten, menschlicheren und ethischeren Systems gekämpft würde, wobei es ja möglicherweise vielleicht sogar besser wäre, wenn die genannten Parteien um die Gunst der Wählerschaft in Bezug für unterschiedliche Alternativsysteme konkurrieren würden.
Am Ende müssen sich halt Mehrheiten finden, damit notwendige Änderungen der Gesetzeslage etwa tatsächlich in Kraft treten.
Ich freue mich, dass sich ein entsprechender Wandel immer mehr in den Fokus gerückt und dadurch immer wahrscheinlicher wird.
Wenn über ein Thema öffentlich wirksam zunehmend häufiger diskutiert wird auch von sehr prominenten Politikern, dann steigen die Chancen für einen solchen Wandel doch erheblich.

Nachtrag:

Im Morgenmagazininterview (https://www.youtube.com/watch?v=kyx9...youtu.be&t=180) war von 30 Milliarden Mehrkosten die Rede, die mit einer Änderung des Systems verbunden wäre, was die Grünen aktuell propagieren.
Es könnte gut sein, dass der Jounalist u.a. nachfolgenden Artikel bei der Recherche für das Gespräch mit Robert Habeck gelesen hat:

"Ablehnung von Arbeit oder Terminversäumnisse würden auch nicht mehr mit Sanktionen belegt. Und wer ehrenamtliches Engagement einer Erwerbsarbeit vorziehe, solle auch dafür staatliche Hilfe erhalten, heißt es in dem Papier mit Titel „Anreiz statt Sanktionen, bedarfsgerecht und bedingungslos“. Habeck, der dieses als Beitrag zur Programmdebatte der Grünen darstellt, erwartet Gesamtkosten von 30 Milliarden Euro im Jahr, die offenbar als Mehrkosten gegenüber dem heutigen Hartz-IV-Budget von 45 Milliarden Euro zu verstehen sind. „Das ist viel Geld, gemessen an der Wirtschaftsleistung aber wiederum nur ein Prozent“, schreibt er. Die Finanzierung müsse „aus einer gerechteren Verteilung der Wohlstandsgewinne“ erfolgen."

Quelle: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaf...-15890927.html

qbz 18.11.2018 08:21

Zitat:

Zitat von ThomasG (Beitrag 1420155)
..........
Am Ende müssen sich halt Mehrheiten finden, damit notwendige Änderungen der Gesetzeslage etwa tatsächlich in Kraft treten.
Ich freue mich, dass sich ein entsprechender Wandel immer mehr in den. Fokus gerückt und dadurch immer wahrscheinlicher wird.
Wenn über ein Thema öffentlich wirksam zunehmend häufiger diskutiert wird auch von sehr prominenten Politikern, dann steigen die Chancen für einen solchen Wandel doch erheblich.
.......

Angenommen es käme dazu, dass SPD und Grüne die Abschaffung von Hartz IV und ein sozial faires Modell ins Wahlprogramm aufnehmen (was die Linke schon immer forderte), entscheidet die nächste Bundestagswahl. CDU, FDP bleiben sicher beim jetzigen System, das damals Rot-Grün beschlossen hat. Bei einer Jamaika-, Schwarz-Grünen- oder CDU-SPD-Koalition würde ich keine tatsächlichen Verbesserungen für die ärmeren Schichten erwarten, höchstens "Augenwischerei" und "Politur". Aber ich sehe es auf jeden Fall sehr positiv, wenn wieder eine breitere Diskussion in der Gesellschaft angestossen wird, um die Lage der Ärmeren zu verbessern.

Neben der Diskussion um Hartz IV, Mindestlohn und Arbeitslosversicherung, Renten gehört IMHO unbedingt auch das Thema ausreichend bezahlbarer Wohnraum in den Städten dazu. Solange parallel keine durchgreifenden Massnahmen zur Begrenzung der anhaltenden Immobilien- und Mietenspekulation beschlossen werden, bezahlt der Staat / Steuerzahler die Spekulation auf dem Wohnungsmarkt halt über die Existenzsicherung bzw. über ein erhöhtes Wohngeld mit.

ThomasG 18.11.2018 19:41

In Großstädten wie Berlin und München muss es für viele Menschen, die darauf angewiesen sind dort zu wohnen, der wahre Horror sein.
So ist der Markt, wenn man ihn zu wenig zügelt.
Wie heißt es so unschön?
Angebot und Nachfrage regeln den Preis.
Glücklicherweise lebe ich eher in der Provinz :-).
Wenn ich eines Tages gehen muss, dann werde ich wohl fast mein ganzes Leben in ein und derselben Stadt gewohnt und gelebt haben.
Und in dem halben Jahr, wo das anders war, da wohnte ich nicht mehr als knapp 10 km von hier weg.

Brenna duats guat (Hubert von Goisern): https://www.youtube.com/watch?v=IqGe8LTdrMI
Heast es ned wie die Zeit vergeht (Hubert von Goisern und die Alpinkatzen): https://www.youtube.com/watch?v=bPwq4GPf3zw

ThomasG 19.11.2018 04:59

Ich habe eben einen aktuellen Beitrag von Andrea Nahles zur Hartz-IV-Debatte gefunden.
Der Einstieg ist schon mal nicht schlecht ;-).

Zitat:

"Deutschland ist ein reiches Land. Seit zehn Jahren wächst die Wirtschaft, wir haben
Rekordbeschäftigung und die öffentlichen Haushalte sind stabil und solide finanziert.
Unsere Arbeitsvermittlung gehört zu den modernsten der Welt und der Sozialstaat ist
gut ausgebaut. Diese Erfolgsgeschichte trägt die Handschrift der
SPD."

Quelle: https://blog.baukje.de/wp-content/up...%B6glichen.pdf

Aber zum Glück relativiert sie das dann zumindest selber nachfolgend.

Zitat:

"Es gibt aber auch eine andere Realität: ..."

Quelle: https://blog.baukje.de/wp-content/up...%B6glichen.pdf

Dazu gibt es auch einen Kommentar von Baukje Dobberstein, über den ich auf oben genannten Beitrag gekommen bin.

Zitat:

"Nahles möchte H4 in Bürgergeld umbenennen, Sanktionen und Bedarfsprüfungen beibehalten, die Regelsätze unverändert lassen, die Schonvermögen allenfalls minimal anheben, weiterhin jeden in Arbeit bringen, koste es was es wolle und dabei verzweifelt den Lohnabstand wieder herstellen. Dieser Vorschlag ist unkonkret, aber besser wird es wahrscheinlich auch nicht, wenn es mit Zahlen hinterlegt würde."

Quelle: https://blog.baukje.de/die-spd-und-i...ZBGRw9QbWnOXWg

Sie geht im Kommentar auch auf die Vorschläge von Robert Habeck ein.
Ich habe beide Beiträge noch nicht vollständig gelesen, werde das aber noch tun.

MarcoZH 19.11.2018 05:27

Thomas, warum ist dir das Thema so wichtig?

ThomasG 19.11.2018 06:00

Zitat:

Zitat von MarcoZH (Beitrag 1420231)
Thomas, warum ist dir das Thema so wichtig?

Ich empfinde die direkten und indirekten Folgen seit dem Inkraftreten der "Hartz-IV-Gesetze" als schlimm.
Unsere Gesellschaft hat sich in den Folgejahren in meinen Augen zum negativen hin verändert.
Aus eigener Erfahrung kenne ich einige der Begleiterscheinungen dieser Gesetze.
Ich war längere Zeit über eine Zeitarbeitsfirma beschäftigt vor etwa 15 Jahren und habe danach für ein privates Unternehmen gearbeitet, was keinen Betriebsrat hatte.
So war es auch bei dem anderen Unternehmen, bei dem ich im Rahmen der Zeitarbeit gearbeitet habe.
Später wurde ich zwar direkt eingestellt, aber nicht fest sondern zeitlich begrenzt.
Am Ende des Sommerurlaubes erreichte mich ein Schreiben, in dem mir in knappen Worten mitgeteilt wurde, dass mein Vetrag nicht verlängert werden könne.
Ich war da immerhin zwei Jahre und habe wohl ganz gute Arbeit abgeliefert.
Es wurde nämlich nur ein Teil derjenigen eingestellt, die über die Zeitarbeitsfirma dort gelandet sind.
Gegen Ende meiner Zeit dort wurden einige initiativ und wollten einen Betriebsrat gründen.
Für mich war das nur ein "Job", an dem ich nicht so arg gehangen habe.
Ich mochte die Leute dort.
Wir haben versucht uns das Arbeitsklima möglichst angenehm zu machen.
Das gelang oft trotz sehr monotoner Arbeit (Datentypist).
In den Pausen und während der Arbeit war ich mit einigen häufig zusammen, die den Betriebsrat wollten.
Soweit ich weiß, wurde bei allen der Vertrag danach nicht mehr verlängert und zuvor wurde er jemals mehrfach verlängert.
Danach war es ganz ähnlich.
Auch hier wollten die Beschäftigten irgendwann einen Betriebsrat.
Es wurde verhindert und stattdessen kam ein Vertrauensmann (bzw. eher eine Vertrauensfrau mit guten Kontakten zur Führungsebene).
Kurz danach habe ich von mir aus einen Schlußstrich gezogen.
Die Arbeit wurde mir zu nervig.
Sie wollten dann noch, dass man sämtliche Sendungen scannt mit einem mobilen Gerät bevor man sie zustellt.
Das war mir dann endgültig zu unbequem.
Da hätte ich nicht mehr so zustellen können (ich habe Sendungen zugestellt), wie ich es gewohnt war:
Schnell und zügig ähnlich wie ein Fahrradkurrier:
Mit meinem privaten Rad, um die Hüften eine Art Bauchladen und auf dem Rücken einen Rucksack.
Den "Bauchladen" habe ich immer gefüllt, wenn ich eh anhalten musste und ansonsten habe ich mich darum bemüht nur dann vom Rad abzusteigen, wenn es anders nicht ging.
Dadurch war ich vergleichsweise sehr schnell.
Jetzt arbeite ich "nur" noch als Nachhilfelehrer und da wird mit Honorarverträgen gearbeitet bzw. früher auch Beschäftigungsverhältnissen im Rahmen dessen, was über geringfügige Beschäftigungen möglich ist bzw. war.
Für mich sind das Folgen von Hartz-IV.

Angenehmen Tag allerseits!

qbz 19.11.2018 09:20

Es sind vor allem die 450.- Euro Jobs, die mit Hartz IV neu entstanden. Der Arbeitgeber bezahlt keine Sozialversicherungsbeiträge! Ausserdem werden bei einem Bruttoverdienst zwischen 100.- - 1000.- Euro 80 % mit den Hartz IV Leistungen verrechnet, der Arbeitnehmer darf nur 20 % behalten.https://www.hartz4.de/450-euro-job/

Ich erlebte es, wie im Öffentlichen Dienst Berlin alle festen Stellen aus dem Arbeiterbereich (wie Grünflächenpflege, Handwerker, Hausmeister, Reinigung) gestrichen wurden. Anschliessend vergab die Öffentliche Hand die Aufträge an Firmen, die hauptsächlich geringfügig Beschäftigte oder auch Langzeitseitarbeitslose auf der Basis von sog. 1-Euro Jobs beschäftigten. https://www.hartz4hilfthartz4.de/ein-euro-job/

Mit solchen Jobs, aber auch mit Jobs ausserhalb von Hartz IV auf der Basis des jetzigen Mindestlohnes, kommen die Menschen später nie über eine Rente oberhalb der existentiellen Grundsicherung.

NBer 19.11.2018 10:19

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1420257)
......Mit solchen Jobs, aber auch mit Jobs ausserhalb von Hartz IV auf der Basis des jetzigen Mindestlohnes, kommen die Menschen später nie über eine Rente oberhalb der existentiellen Grundsicherung.

es ist halt nur ein verschieben der probleme nach hinten nach dem motto "was geht mich das elend in 20-30 jahren noch an". genauso der zwang für H4 empfänger ab einem bestimmten wert ihre lebensversicherungen jetzt aufzulösen und vom aktuellen rückkaufwert zu leben. spart jetzt H4 mittel, lässt die leute aber eben 10, 20, 30 jahre später ohne geld dastehen und wieder auf stütze angewiesen sein.

Helmut S 19.11.2018 11:01

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1420257)
Der Arbeitgeber bezahlt keine Sozialversicherungsbeiträge!

:confused: Das scheint ne kognitive Verzerrung zu sein - confirmation bias :Cheese:

Zunächst sind 450 EUR Jobs bereits seit 2013 grundsätzlich RV pflichtig. Der AN kann allerdings widersprechen, wenn er das nicht möchte. Dazu gibt es Formulare.

Der AG hat neben den Beiträgen zur gesetzlichen Sozialversicherung auch noch Beiträge nach dem Aufwandsausgleichsgesetz zu tragen. Insgesamt sind das, je nachdem über welchen 450 EUR Jobler wir konkret sprechen, irgendwas um die 30%. Die setzen sich grob so zusammen:

Der AG zahlt 15% in die RV ein. Wenn der AN der RV Pflicht nicht widerspricht, zahlt er (der AN) auch noch mal 3,7% von seinem Gehalt. Dann ist auf den Standardsatz aufgestockt.

Obwohl ein "reiner" 450 EUR Jobler nicht pflichtversichert ist in KV, AV und PV, zahlt der Arbeitgeber aber trotzdem Anteile in diese Töpfe der Solidargemeinschaft. Dann kommen noch n paar KV Umlagen dazu und das ergibt die zirka 30%.

Wer die % Werte ganz konkret wissen will, rufe seinen StB an. :Blumen:

Die Minijobler sind meldepflichtig in der Sozialversicherung - das ganze läuft über die Knappschaft Bahn-See. Auch laufen die Gehälter der Minijobbler in die Meldung an die Unfallversicherer, was zu Beiträgen für den AG führt.

:Blumen:

Neginroeb 19.11.2018 11:44

Danke Helmut, ich wollte es auch gerade schreiben

qbz 19.11.2018 11:48

Zitat:

Zitat von Helmut S (Beitrag 1420276)
:confused: Das scheint ne kognitive Verzerrung zu sein - confirmation bias :Cheese:

Ich gab nur diese Info-Website zu Hartz IV wieder, mit Quellenangabe. Es geht um Arbeitnehmer, die Hartz IV beziehen und geringfügig beschäftigt (§ 8 Absatz 1 SGB IV) sind.
https://www.hartz4.de/450-euro-job/.

"Üben Sie zwei oder mehrere 450-Euro-Jobs aus, müssen diese zusammengerechnet werden. Führt dies dazu, dass Ihr Einkommen über der monatlichen Grenze von 450 Euro liegt, handelt es sich nicht mehr um eine geringfügige Beschäftigung, was mit gewissen Konsequenzen verbunden ist:

* Arbeitgeber müssen die Pflege-, Arbeitslosen- und Krankenversicherung bei einem 450-Euro-Job für ihre Mitarbeiter nicht übernehmen. Dies besagt § 7 Absatz 1 SGB V (Fünftes Sozialgesetzbuch).
* Arbeitnehmer müssen sich daher selbst bei einem 450-Euro-Job um die Rentenversicherung sowie die Sozialversicherung kümmern.
* Übersteigt ihr Verdienst aufgrund von mehreren Jobs auf 450-Euro-Basis allerdings die Verdienstobergrenze, fällt dies in das Aufgabenfeld des Arbeitgebers!"

Aber vielleicht ist das alles eine Fehlininfo des Herausgebers der Website? Ich werde es bei Gelegenheit überprüfen und mich dann wieder melden.

Ich habe jetzt eine Website gelesen, wo ausführlich die aktuelle Versicherungssituation der geringfügig Beschäftigten dargestellt ist, wie Helmut ausgeführt hat. Man muss doch manchmal mehrere Quellen nachschlagen, leider. Sorry!

https://www.financescout24.de/wissen...beschaeftigung

sybenwurz 19.11.2018 11:54

Zitat:

Zitat von Helmut S (Beitrag 1420276)
:confused: Das scheint ne kognitive Verzerrung zu sein - confirmation bias :Cheese:

Zunächst sind 450 EUR Jobs bereits seit 2013 grundsätzlich RV pflichtig. Der AN kann allerdings widersprechen, wenn er das nicht möchte. Dazu gibt es Formulare.

Der AG hat neben den Beiträgen zur gesetzlichen Sozialversicherung auch noch Beiträge nach dem Aufwandsausgleichsgesetz zu tragen. Insgesamt sind das, je nachdem über welchen 450 EUR Jobler wir konkret sprechen, irgendwas um die 30%. Die setzen sich grob so zusammen:

Der AG zahlt 15% in die RV ein. Wenn der AN der RV Pflicht nicht widerspricht, zahlt er (der AN) auch noch mal 3,7% von seinem Gehalt. Dann ist auf den Standardsatz aufgestockt.

Obwohl ein "reiner" 450 EUR Jobler nicht pflichtversichert ist in KV, AV und PV, zahlt der Arbeitgeber aber trotzdem Anteile in diese Töpfe der Solidargemeinschaft. Dann kommen noch n paar KV Umlagen dazu und das ergibt die zirka 30%.

Wer die % Werte ganz konkret wissen will, rufe seinen StB an. :Blumen:

Die Minijobler sind meldepflichtig in der Sozialversicherung - das ganze läuft über die Knappschaft Bahn-See. Auch laufen die Gehälter der Minijobbler in die Meldung an die Unfallversicherer, was zu Beiträgen für den AG führt.

:Blumen:


Das glaub ich dir gern, aber ehrlich: gehst du davon aus, dass dies ne stabile, ausreichende Rente für die Betroffenen bringt?

Helmut S 19.11.2018 12:07

Zitat:

Zitat von sybenwurz (Beitrag 1420284)
gehst du davon aus, dass dies ne stabile, ausreichende Rente für die Betroffenen bringt?

Nein. Ich gehe davon aus, dass das Rentensystem für niemanden einen ausreichende, stabile Rente bringt.

Olli 19.11.2018 15:27

Was mir an H4 nicht gefälltist, das die Menschen Geld bekommen ohne was zu tun, ich kenne Leute die leben schon seit 20 Jahren von der Stütze haben 5 Kinder und die sind auch wieder H4 Empfänger.
Ich habe nichts da gegen wenn einer nicht arbeiten kann, aber vielen von den H4 Empfänger ist der Blick fürs Leben verloren gegangen, nach meiner Auffassung brauch der Mensch Sozialkontakte und wenn er nur in Vereinen THW Feuerwehr Sport u.s.w. Mit hilft im Büro im Garten u.s.w.
Solche Sozialemkontakte helfen wieder im Leben zurecht zu finden, wer nur auf dem Sofa sitzt und schimpft kommt da nicht raus, sicher gibt es Gruppen den ist nicht zu Helfen aber das sind sicher nur die wenigsten, viele sehen den Wald vor Bäume nicht und daher bin ich dafür das nicht nur Geld gezahlt wird sondern das jeder auch eine Tätigkeit nach gehen muss um z.B. ein Grundgehalt zu bekommen was auch angemessen ist.

captain hook 19.11.2018 16:11

Unabhängig von den 100% exakten Details ist es trotzdem so, dass Job die "früher" zwar auch nicht gerade üppig bezahlt waren, aber immer noch ein "normales" Beschäftigungsverhältnis darstellten, heute gerne "outgesourced" werden an externe Auftragnehmer, die das ganze dann über die Billiglohnschiene erledigen.

Ob das dann allerdings gesamtgesellschaftlich so gut und "fair" ist??? Vielleicht mag hier der eine oder andere damit argumentieren, dass einfache Tätigkeiten damit ausreichend bezahlt wären. Andererseits... wenn diese dann alle mal die Arbeit niederlegen würde man vermutlich schnell sehen, wie gut das System ohne diese Leute funktioniert. Vermutlich nämlich gar nicht.

Bei Hartz 4, Grundsicherung und Co bin ich immer gespalten. Jedem in einer Notlage sollte in so einem reichen Land tatsächlich ausreichend geholfen werden. Als wichtig würde ich allerdings Sicherungsmechanismen ansehen, die dem Missbrauch dieses Sozialsystems dann effektiv vorbeugen.

Grundsätzlich gibt es ganz sicher Zusammenhänge zwischen einer auskömmlichen Bezahlung und der Motivation sich angesichts eines eh viel zu geringen Einkommens dann auch komplett aus dem Arbeitsleben zurückzuziehen.

captain hook 19.11.2018 16:22

Zitat:

Zitat von Olli (Beitrag 1420323)
daher bin ich dafür das nicht nur Geld gezahlt wird sondern das jeder auch eine Tätigkeit nach gehen muss um z.B. ein Grundgehalt zu bekommen was auch angemessen ist.

Ich kann Dir garantieren, dass es Fälle gibt, in denen es schlicht und ergreifend unmöglich ist, dass bestimmte Menschen dieses tun. Auch wenn Du denken würdest, die könnten es doch einfach und sollen mal den a*sch hochbekommen.

Die Gründe dafür sind vielfälltig. Und nicht in allen Fällen ist die Gesellschaft und ihre Systeme daran unschuldig.

Nehmen wir an, XYZ hat ein psych. Problem. Aufgrund unseres Krankenversicherungssystems erfolgt aber eine medizinische Betreuung maximal in dem Umfang und mit solangen Vorlaufzeiten, dass vielleicht grade so ein Suizid verhindert wird. Kein Scherz... versuch mal mit so einem Problem einen Termin bei einem guten Facharzt zu bekommen.

Grundsätzlich könnte man so einem Menschen helfen, wenn man ihn angemessen betreut und vielleicht könnte der dann sogar arbeiten gehen und Deinem Anspruch gerecht werden.

In der Situation in der er sich aktuell befindet ist dieses allerdings schlicht und ergreifend unmöglich.

Und das ist nur ein Beispiel. Es gibt einfach Fälle, wo ein soziales Netz absolut Sinn ergibt. Man muss nur verhindern, dass sich dort welche hineinlegen, die es ausnutzen.

Helios 19.11.2018 17:13

Zitat:

Zitat von Olli (Beitrag 1420323)
Was mir an H4 nicht gefälltist, das die Menschen Geld bekommen ohne was zu tun, ich kenne Leute die leben schon seit 20 Jahren von der Stütze haben 5 Kinder und die sind auch wieder H4 Empfänger.
..............

Servus,

damals waren es 5 Mio Arbeitslose und ein System, bei dem man verschont wurde, wenn man keinen Bock auf Arbeit hatte und der Steuerzahler hat dafür die Tasche aufgemacht - gepaart mit einem Spitzen-Steuersatz von 53%, plus Soli, plus Kirchensteuer macht 61% für die Leistungserbringer.

Wer Leistung erfolgreich brachte, wurde mit 61% bestraft und wer keinen Bock hatte, wurde von den Anderen durchgeschleift, unter Umständen sogar im Luxus lebend - heisst, wenn ein Geschäftführer seinen Laden in den Sand setzte, erhielt er als dann späterer Langzeitarbeitsloser die Hälfte seines letzten Gehalts - also bei 15 kilo pro Monat kamen dann in "Armut" 7,5 kilo pro Monat in der Millionärsvilla lebend, heraus - daß der Mann dann "hoch" ging als man ihm gesagt hat, mit H4 wird nun begrenzt in der Höhe und auf Zeit und danach leb erst mal von deinem Vermögen, alternativ komm in die Gänge und such Dir Arbeit, ist klar.

H4 hieß weg von der Vollkasko-Mentalität zu mehr Eigenverantwortung.

Ich hatte 1992 einen Zeitvertrag in 4b BAT als Ing, verh., 2 Kinder => netto war mein ich 2700,-DM p.m. - in der Bahn traf ich einen Kumpel von der Schule, sein Job war "Stütze" berechnen - er kam auf eine ähnliche Größenordnung für einen Empfänger in gleicher Situation, da hat mir mein Job gleich überhaupts keinen Spaß mehr gemacht.

Ein damaliger Kollege war von seinen Mitbewohnern derartig genervt - sie passten ihn fast jeden Tag ab und erklärten ihm, was sie heute wieder für einen schönen Tag hatten und Arbeiten versaue nur das Leben.

Ein Gedanke hinter H4 war auch: Leistung muss sich lohnen und Leistung muss belohnt werden.

Triasven 19.11.2018 19:49

Zitat:

Zitat von Helios (Beitrag 1420346)

Ein Gedanke hinter H4 war auch: Leistung muss sich lohnen und Leistung muss belohnt werden.

Nunja, es gab bestimmt viele Gedanken hinter Hartz 4.
Derjenige, dass sich Leistung lohnen muss, war mit Sicherheit nicht dahinter.
Andernfalls hätte man die, die „Leisten“ belohnt, und nicht die, die nicht „Leisten“ bestraft.
Wie‘s viele Jahre später ansatzweise mit dem Mindestlohn versucht wurde.

NBer 19.11.2018 20:19

man kann es doch auf einen kurzen nenner bringen: nicht hartz4 ist zu hoch, sondern die löhne zu gering. das das unternehmer anders sehen dürfte auch klar sein, bleibt aber trotzdem fakt.

qbz 19.11.2018 20:21

H4 entstand 2005 bekanntlich aus der Zusammenlegung der Sozialhilfe, die von den Kommunen ausgestellt wurde, und der Arbeitslosenhilfe, die vom Bund kam. Man gründete eine einheitliche Behörde für erwerbsfähige Personen.

"Das ALG II soll erwerbsfähige Menschen in die Lage versetzen, ihre materiellen Grundbedürfnisse zu befriedigen, soweit sie diese nicht aus eigenen Mitteln oder durch die Hilfe anderer decken können. Damit soll den Leistungsberechtigten ein menschenwürdiges Leben ermöglicht und somit dem Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes Rechnung getragen werden (§ 1 SGB II).

Grundsatz ist das Prinzip „Fördern und Fordern“: Die Sicherung der Existenz wird nicht bedingungslos erbracht, sondern die Leistungsbezieher sind verpflichtet, alles zu tun, um ihre Hilfsbedürftigkeit zu beenden und an der Eingliederung in den Arbeitsmarkt mitzuwirken."


https://de.wikipedia.org/wiki/Arbeit...runds%C3%A4tze

NBer 19.11.2018 21:45

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1420377)
........
Grundsatz ist das Prinzip „Fördern und Fordern“: Die Sicherung der Existenz wird nicht bedingungslos erbracht, sondern die Leistungsbezieher sind verpflichtet, alles zu tun, um ihre Hilfsbedürftigkeit zu beenden und an der Eingliederung in den Arbeitsmarkt mitzuwirken." [/i]
.......

die frage ist halt wie eng man "alles zu tun" auslegt. wie lange darf zb ein akademiker eine stelle die seiner bildung entspricht suchen? oder sollte sich jeder unverzüglich für einen 1 euro job zum blätterfegen im park melden? mit wahrscheinlich dem effekt, dass er nach einer woche nicht nur dem arbeitsamt, sondern auch der krankenkasse auf der tasche liegt.....

qbz 19.11.2018 23:18

Zitat:

Zitat von NBer (Beitrag 1420394)
die frage ist halt wie eng man "alles zu tun" auslegt. wie lange darf zb ein akademiker eine stelle die seiner bildung entspricht suchen? oder sollte sich jeder unverzüglich für einen 1 euro job zum blätterfegen im park melden? mit wahrscheinlich dem effekt, dass er nach einer woche nicht nur dem arbeitsamt, sondern auch der krankenkasse auf der tasche liegt.....

Die Ermessensspielräume sind wirklich recht breit angelegt.

Bevor Akademiker, die nach längerer Suche keinen Arbeitsplatz finden, für 1 Euro Jobs eingesetzt werden, übernimmt nach meiner Kenntnis von Bekannten die Behörde eine Umschulung oder Ausbildung in Berufe, für die es gerade zu wenig Qualifizierte gibt bzw. versucht, für einen Berufswechsel zu motivieren (Z.B. als Queereinsteiger zum Lehrer). Z.B. eine an der HdK ausgebildete Bühnenbildnerin, die ich kenne, arbeitet jetzt als Erzieherin nach einer von der Arbeitsagentur bezahlten Ausbildung. Es geht schon darum, möglichst eine Perspektive für die "Eingliederung" in den 1. Arbeitsmarkt zu finden.

Manchmal werden Arbeitslose allerdings auch in Massnahmen "geschickt", die sie eigentlich nicht wollen, und wo sie täglich hingehen müssen und wo auch Psychologen / Sozialpädagogen beschäftigt sind, die sie wieder für einen Job / Beruf motivieren sollen. Grundkurse in Office Programmen und Bewerbungsschreiben gehören auch immer in solche "Massnahmen". Damit "schönt" man natürlich auch die Arbeitslosenstatistik etwas und verhindert Schwarzarbeit.

Ruben 20.11.2018 00:06

Soziale Absicherung bzw. das große Überthema Sozialstaat / Soziale Marktwirtschaft und das Thema Gerechtigkeit sind Themen die man vermutlich schwer in einem Forum, einer Talkshow oder bei drei vier fünf gemeinsamen Bier im echten Leben abschließend und zu 100% beantworten kann.

In einem wirtschaftspolitischen Seminar haben wir während des Studiums mal "alle" Möglichkeiten in Seminararbeiten ausarbeiten und dem Plenum vorstellen müssen. War sehr spannend, wenn die einen mit bedingungslosen Grundeinkommen, die nächsten mit Mindestlohn, die dritten mit Pflicht zur Arbeit für Erwerbslose (Fördern und viel Fordern) u.s.w. ihre Themen vorstellen und voller Elan verteidigen.

Vorneweg:
Ich stimme zu, dass das aktuelle System hinkt und krankt und unsere Gesellschaft spaltet. Wie es davor war, kann ich nicht beurteilen, damals war ich noch zu jung.

Ich glaube man findet schon keinen Konsens wenn man fragt was "Gerechtigkeit" bedeuten muss. Leistungs- oder Verteilungsgerechtigkeit? Wir haben in D einen Zwischenweg mit dem gefühlt beide Seiten eher unzufrieden sind.

Gibt man Menschen die Wahl, entweder 100.000€/a zu haben und alle im Umfeld haben 150.000 €/a oder aber sie haben selbst 80.000€/a und alle anderen 60.000€/a entscheidet sich die Mehrheit - auch wenn die Kaufkraft gleich bleibt! - für Variante B, weil sie dann relativ gesehen reicher sind als die anderen... und würden dafür auf reale Kaufkraft verzichten. Bei diesem Fragedesign wird die "aber durch höhere Geldmengen im Umlauf ziehen auch alle Preise an etc.".ausgeklammert. Dieser Punkt wo man sich selbst verorten kann (am besten weiter oben) ist sehr wichtig.

Und nun zum Thema:
Was muss H4 leisten? Grundsicherung? Sorgenfreies Leben? Teilhabe an sportlichen, kulturellen oder sozialen Events?

Es gibt meiner Meinung nach die Pflicht für jeden Menschen dahingehend zu sorgen, dass seine Grundbedürfnisse (Essen, Unterkunft, Hygiene, Kleidung, medizinische Versorgung) zu jeder Zeit erfüllt sind. Und es ist ein Zeichen von Würde und Respekt, dass er gute Scheine, als Geld, und keine Gutscheine, bekommt um selbst zu entscheiden, wie er das macht. Auch wenn das heißt, dass manche alles für Junkfood, Alk und Kippen ausgeben und damit noch ihre Gesundheit ruinieren - aus Trotz oder weil sie es nicht besser wissen. Viele machen mit wenig Geld extrem viel aus ihrem Leben und bekommen das sehr beeindruckend hin. Mancher hat Pech und kommt in H4, mancher hat nicht die besten Voraussetzungen. Kindern und Jugendlichen müssen Perspektiven gezeigt werden, ansonsten gibt es Familien mit H4-Karrieren.

Armut per Definition (60% des Durchschnitteinkommens) wird es quasi per Definition immer geben so lange wir nicht im Sozialismus oder Kommunismus leben.

Nun haben wir aber Arbeitnehmer im sogenannten Niedriglohnsektor. Diese Personen arbeiten vermutlich zwischen 140 - 170 Stunden im Monat. Und zwischen diesem Gehalt und H4 muss es einen deutlichen Abstand geben (und das bezieht sich eben auch auf die Hinzuverdienstregelungen) damit es sich lohnt Vollzeit zu arbeiten. Ansonsten kann ich auch H4 beziehen und legal (oder noch besser: Schwarz) arbeiten und mit viel weniger Zeitaufwand die gleichen finanziellen Mittel am Monatsende haben. Verschärft wird dieses Problem dadurch, dass ein AN der mit 9€/h brutto heimgeht das eher akzeptiert wenn er Hoffnung hat irgendwann auf 11€ oder sogar 12€/h zu steigen. Aber das passiert nicht mehr. Schwache Gewerkschaften, Chefs die die Kosten drücken, große Dax-Konzerne die ihre Tier1-Zulieferer drücken die ihre Folgezulieferer drücken und am Ende steht der kleine Angestellte und Arbeiter. Die aber sind frustriert wenn die BLÖD vorrechnet was eine H4-Familie mit 2 Kindern bekommt und was der in Vollzeit arbeitende Papa bei dem die Frau daheim bei den 2 Kindern ist hat und es nur ein paar hundert Euro Unterschied sind, wenn überhaupt...

Die Lösung? H4 auf einen ehrlichen Satz anheben damit es reicht, Hinzuverdienstregeln (100€ zu 100%, danach 20%) lassen und die niedrigen Einkommensklassen bei Steuer- und Sozialabgaben massiv entlasten. Gegenfinanzierung durch eine Spitzensteuer von ein paar Prozentpunkten die bei einem X-fachen (6 - 10x) des Medianeinkommens liegt. Ergänzend endlich die Torbin-Steuer einführen um Finanzspekulationen zu beenden. Ich frage mich bis heute ob es dem Finanzplatz Deutschland tatsächlich den Todesstoß versetzen würde wenn man das in einem Alleingang durchsetzt und glaube nicht.

Dann geht es aber weiter: Bezahlbarer Wohnraum ist knapp. Neubauten sind selbst für Akademiker mit einem durchschnittlichen Gehalt - wenn nicht in einem Konzern, UB o.ä. angestellt - ohne Vermögen aus der Familie kaum bezahlbar (also im Kauf) und die Investoren werden irgendwann ihre Mietrendite erzielen wollen. Die steigenden Preise sind aber auch z.T. falschen gesetzlichen Vorschriften geschuldet weil wir in Deutschland gerne vorschreiben WIE etwas erreicht werden muss und nicht einfach nur WAS und der Weg frei ist (-> Wohnungsbau, Energiewende...). Also wieder mehr bezahlbare Wohnungen, weil die bezahlt der AN auch mit seinem geringen Einkommen selbst während es bei dem anderen das Amt übernimmt und ich kenne Leute die sagen "H4 sind super Mieter. Amt bezahlt und wenn etwas sein sollte übernehmen die auch die Reparaturen nach dem Auszug"... da spielt man die Armen gegen die Ärmeren aus.

ThomasG 20.11.2018 02:14

Wenn ich solche Beiträge lese wie den von Ruben, freut mich das immer sehr.
Ich habe ihn, wie ich das erst einmal so gut wie immer mache, nur kurz überflogen.
Er wirkt auf mich so, als hätte sich da ein Mensch mit sehr gute Bildung, aber auch viel Menschlichkeit, ziemlich viel Mühe gemacht seine Gedanken in Worte zu fassen.
Das ist für mich eine tolle Art anderen Respekt zu zollen.
Beim Querlesen bin ich an manchen Stellen kurz gedanklich hängen geblieben etwa, wenn da etwas steht, was meiner Ansicht entgegen steht.
Ich werde mir den Text sicher noch ein paarmal durchlesen und dann langsamer und auch vollständig und mir Gedanke darüber machen.
Danke für die Mühe!
Das dürfte wirklich ein sehr gelungener Beitrag sein.
Da ich ihn wie gesagt noch nicht so intensiv gelesen habe, habe ich es entsprechend zurückhaltend ausgedrückt, obwohl ich mir eigentlich so gut wie sicher bin, dass die Zurückhaltung nicht mehr nötig sein wird, wenn ich mir beim Lesen und Reflektieren mehr Zeit nehme.

Gute Nacht!

qbz 20.11.2018 12:22

Zitat:

Zitat von Ruben (Beitrag 1420409)
.......
Es gibt meiner Meinung nach die Pflicht für jeden Menschen dahingehend zu sorgen, dass seine Grundbedürfnisse (Essen, Unterkunft, Hygiene, Kleidung, medizinische Versorgung) zu jeder Zeit erfüllt sind. Und es ist ein Zeichen von Würde und Respekt, dass er gute Scheine, als Geld, und keine Gutscheine, bekommt um selbst zu entscheiden, wie er das macht.
Armut per Definition (60% des Durchschnitteinkommens) wird es quasi per Definition immer geben so lange wir nicht im Sozialismus oder Kommunismus leben.
........

Ich würde die Teilhabe an Bildung, Kultur, Sport, Mobilität unbedingt auch stärker wie bisher in den Bedarf miteinbeziehen wollen. In den letzten Jahrzehnten kürzte der Staat die Subventionierung dieser Bereiche, was vor allem die Armen ausschloss. (z.B. die Schwimmbadpreise, Stadtbüchereien usf.).

Neben der Kritik an der Höhe von H4 ist auch ein Kritikpunkt, dass langjährige Beschäftigte bei Arbeitslosikgeit zu früh auf H4-Niveau fallen, weil das Arbeitslosengeld 1 zu wenig lang bezahlt wird. (Die Zeitdauer wurde bei der Einführung von H4 deutlich gekürzt.)

Zitat:

Zitat von Ruben (Beitrag 1420409)
Die Lösung? H4 auf einen ehrlichen Satz anheben damit es reicht, Hinzuverdienstregeln (100€ zu 100%, danach 20%) lassen und die niedrigen Einkommensklassen bei Steuer- und Sozialabgaben massiv entlasten. Gegenfinanzierung durch eine Spitzensteuer von ein paar Prozentpunkten die bei einem X-fachen (6 - 10x) des Medianeinkommens liegt. Ergänzend endlich die Torbin-Steuer einführen um Finanzspekulationen zu beenden. Ich frage mich bis heute ob es dem Finanzplatz Deutschland tatsächlich den Todesstoß versetzen würde wenn man das in einem Alleingang durchsetzt und glaube nicht.

Das wäre sicher eine Möglichkeit. Ich finde, man müsste
- neben dem Spitzensteuersatz die Erbschaftssteuer ab einem bestimmten Vermögen miteinbeziehen, da ansonsten sich die Einkommensschere immer weiter vergrössert,
- statt der Tobinsteuer die umfassendere Finanztransaktionssteuer einführen, um damit evtl. die Spekulation etwas einzudämmen.
- konsequenter die Steuerschlupflöcher (Transfer in Steueroasen) schliessen.
Zitat:

Zitat von Ruben (Beitrag 1420409)
Dann geht es aber weiter: Bezahlbarer Wohnraum ist knapp. Neubauten sind selbst für Akademiker mit einem durchschnittlichen Gehalt - wenn nicht in einem Konzern, UB o.ä. angestellt - ohne Vermögen aus der Familie kaum bezahlbar (also im Kauf) und die Investoren werden irgendwann ihre Mietrendite erzielen wollen. Die steigenden Preise sind aber auch z.T. falschen gesetzlichen Vorschriften geschuldet weil wir in Deutschland gerne vorschreiben WIE etwas erreicht werden muss und nicht einfach nur WAS und der Weg frei ist (-> Wohnungsbau, Energiewende...). Also wieder mehr bezahlbare Wohnungen, weil die bezahlt der AN auch mit seinem geringen Einkommen selbst während es bei dem anderen das Amt übernimmt und ich kenne Leute die sagen "H4 sind super Mieter. Amt bezahlt und wenn etwas sein sollte übernehmen die auch die Reparaturen nach dem Auszug"... da spielt man die Armen gegen die Ärmeren aus.

Ich vermute, eine Liberalisierung der Bauvorschriften bringt effektiv wenig für die Räume mit hoher Bevölkerungszahl. In welchen grossen Städten der Welt funktionieren liberalere Bauvorschriften, um bezahlbare Mieten zu bekommen? Eine Rationalisierung beim Mietshausbau brächte möglicherweise längerfristig Kosteneinsparungen.

Man bräuchte in meinen Augen wieder viel mehr öffentliches Grundstück- und Wohneigentum (das gab es mal in DE, bevor die Gemeinden und der Bund alles meistbietend verkloppten, wo sie z.T. heute noch dabei sind), mehr Sozialwohnungen und an Gemeinnützigkeit gebundene Wohnungsgesellschaften sowie eine staatliche Preisregulierung der Grundstücke und des Mietniveaus und die Abschaffung der Modernisierungsumulage. Konzerne wie Vonovia, welche mit Mietwohnungen an der Börse Maximalprofite erzielen wollen, sollten in Gemeineigentum überführt werden. Ausserdem könnte der Bundestag eine GG-Änderung beschliessen und ein "Recht auf Wohnen" einführen.

Ruben 20.11.2018 13:57

Thomas: Danke für die Blumen. Bin gespannt, was Du nach dem nochmaligen Lesen sagst.

QBZ:
  • Bildung , Kultur, Sport & Mobilität stimme ich Dir 100% zu. ÖPNV ist einfach zu teuer. Bei alledem ist das Problem: Wenn der normale Angestellt im Niedriglohnbereich einen deutlich höheren Preis bezahlt verringert es wieder den notwendigen Mindestabstand zwischen H4 und 100%-Stelle... also muss auch das für Gering-Verdiener günstig sein. Dafür sollte ein Staat meines Erachtens tatsächlich sorgen und Geld haben!
  • Finanztransaktionssteuer: Fehler meinerseits, ich dachte die Tobin-Steuer geht auch auf Aktienhandel etc., ist aber nur auf Devisen beschränkt und das wusstest Du offensichtlich im Gegensatz zu mir. Agree. Allgemeine Finanztransaktionssteuer plus Erbschaftssteuer mit großzügigen Freibeträgen.
  • Schließung von Steuerschlupflöchern und härtere Bestrafung von Steuerhinterziehung sollte sein - nur ich verliere den Glauben daran.
  • Man fällt zu schnell auf H4... das ist in der Tat ein großes Problem und ich stimme Dir zu... aber auch das ist wieder in Punkt der in beide Richtungen schwingen kann. Der eine findet nichts und braucht länger. Der andere sagt "Nach zwanzig Jahren in dem Hamsterrad von Firma XY habe ich mir diese Pause verdient. Ich habe etwas überdurchschnittlich verdient und die 2000€ AG1 netto reichen mir aus... also nutze ich die Zeit für Kinder, Enkel, ein oder zwei Langdistanzen... und beginne erst nach 8 - 10 Monaten mit der ernsthaften Suche. Und selbst dann kann ich anspruchsvoll sein und jede Arbeit die mehr als 10% unter meinem bisherigen Einkommen liegt ablehnen, bis ich wieder etwas richtig Gutes habe." Diese "freiwillige" Sucharbeitslosigkeit gibt es und behindert auch eine gewisse Kompromissbereitschaft. Ich glaube das ist vor allem bei Leuten ein Problem die lange bei einer Firma mit einem sehr großzügigen Gehaltsgefüge war, diese, vielleicht gerade aus diesem Grund entlassen muss oder will, und denken, dass alle anderen Firmen ähnlich gut bezahlen können und nur auf sie warten. Ich komme aus dem Großraum Stuttgart, vielleicht fällt dir die eine oder andere Firma ein die exemplarisch hierfür stehen könnte.
  • Mehr Sozialwohnungen, Genossenschaften etc. auf jeden Fall. Aber nur durch die Bauvorschriften haben sich die Baukosten um 7% erhöht. Ob dies tatsächlich das beste Mittel der Wahl ist um unsere Klimaziele zu erreichen, bezweifle ich. Die Überführung der Vonovia in Gemeineigentum ist, denke ich, nicht machbar, lasse mich aber gerne von etwas anderem überzeugen. Immer daran denken: Es könnte auch deine Rentenversicherung sein die Anteile der Vonovia hält und auf ein Mal bist du enteignet... Wenn ich sehe was hier für Wohnungen und Häuser gebaut werden... alles schick, aber alles mindestens im gehobenen Standard, m²-Preise weit über 4000€... das muss günstiger gehen. Boden ist begrenzt, warum also alles verkaufen, gerade in städtischen Gebieten? Erbpacht-Grundstücke und regionale Zweckgenossenschaften Gründen, solides Niveau zu fairen Preisen...

noam 20.11.2018 16:23

Das schwierige an der Diskussion ist, dass leider nicht jeder, der in/mit Hartz4 lebt, bestrebt ist zeitnah wieder in sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit zu kommen. Das würde vieles vereinfachen.

Ich bin der Meinung, dass man die alten Floskeln der Liberalen eigentlich sozialisieren muss. Der Klassiker ist ja, dass Arbeit sich lohnen müsse.

Das meint ja nichts anderes, als dass es einen Anreiz geben muss, einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachzugehen. Soll heißen: Ich brauche einen deutlichen Anstieg des Lebensstandards von Hartz4 zu Erwerbstätigkeit. Die Lebenswirklichkeit geht allerdings einen eher gegenteiligen Weg. Statistisch steigt das Durchschnittseinkommen und gleichermaßen leben immer mehr Menschen unter der Armutsgrenze. Das bedeutet für mich, dass der Niedriglohnsektor und die Spitzeneinkommen immer mehr werden. Das bedeutet wiederum, dass sich wenige auf Kosten vieler immer mehr die Taschen füllen. Das beschreibt Ruben sehr anschaulich am Beispiel der Fahrzeugindustrie mit ihren Zulieferknebeleien.

Zitat:

Zitat von Ruben (Beitrag 1420409)
Nun haben wir aber Arbeitnehmer im sogenannten Niedriglohnsektor. Diese Personen arbeiten vermutlich zwischen 140 - 170 Stunden im Monat. Und zwischen diesem Gehalt und H4 muss es einen deutlichen Abstand geben (und das bezieht sich eben auch auf die Hinzuverdienstregelungen) damit es sich lohnt Vollzeit zu arbeiten. Ansonsten kann ich auch H4 beziehen und legal (oder noch besser: Schwarz) arbeiten und mit viel weniger Zeitaufwand die gleichen finanziellen Mittel am Monatsende haben. Verschärft wird dieses Problem dadurch, dass ein AN der mit 9€/h brutto heimgeht das eher akzeptiert wenn er Hoffnung hat irgendwann auf 11€ oder sogar 12€/h zu steigen. Aber das passiert nicht mehr. Schwache Gewerkschaften, Chefs die die Kosten drücken, große Dax-Konzerne die ihre Tier1-Zulieferer drücken die ihre Folgezulieferer drücken und am Ende steht der kleine Angestellte und Arbeiter. Die aber sind frustriert wenn die BLÖD vorrechnet was eine H4-Familie mit 2 Kindern bekommt und was der in Vollzeit arbeitende Papa bei dem die Frau daheim bei den 2 Kindern ist hat und es nur ein paar hundert Euro Unterschied sind, wenn überhaupt.


Aber wie das Problem lösen, um allen gerecht zu werden? Ich glaube, dass er förderlich wäre, wenn man alle Gehälter in der Produktionskette vom einfachen Bandarbeiter beim Zulieferer bis hin zum Vorstand des Hauptkonzerns betrachten würde und diese in eine verpflichtende Abhängigkeit setzen würde. Wäre das ähnliche wie ein Mindestlohn, nur würde dieser Ansatz verhindern, dass der einfache Arbeiter beim Mindestlohn hängen bleibt und die Vorstände sich immer mehr die Taschen füllen.


Beim ÖPNV gibt es sicherlich unglaubliche regionale Unterschiede. Hier auf dem platten Land gibt es praktisch keinen ÖPNV. Andererseits kann man einem erwerbslosen sicher zumuten nur eingeschränkt mobil zu sein, da man ja keinerlei wiederkehrende Verpflichtungen hat.

ThomasG 21.11.2018 05:53

In meinen Augen geht es auf diesem Planeten grundsätzlich sehr ungerecht zu.
Die Vermögen sind völlig ungerecht verteilt und die Recourcen bzw. der Zugang dazu bzw. die Macht darauf Einfluß zu nehmen, was dafür zu zahlen ist und wer sie kaufen kann ebenfalls.
Bringt man dann noch die Tier- und Pflanzenwelt mit in`s Spiel, ist das an Trostlosigkeit kaum mehr zu überbieten.
Wir können jetzt ewig darüber streiten, wer jetzt mehr von anderen profitiert hat und die Erde mehr ausgebeutet hat bzw. das tun würde, wenn sich die Verhältnisse ändern würden oder wir können endlich anfangen zu versuchen im Kleinen - alles andere als perfekt und alles andere als insgesamt gerecht - Schritte in die richtige Richtung einzuleiten, nämlich hin zu einem angenehmeren und menschlicheren Planeten.
Die Tier- und Pfalnzewelt sollten wir natürlich auch daran teilhaben lassen.
Was einem Menschen zusteht, der von Hartz 4 lebt, ist in meinen Augen so wenig, dass es unanständig ist sich darüber im Besonderen Maße aufzuregen oder so zu tun als würde man sich darüber aufregen.
Für das was manche Menschen an einem ganzen Arbeitstag verdienen und dabei müssen sie auch noch unangenehme Begleiterscheininungen oft in Kauf nehmen, würde so mancher morgens nicht einmal geschäftlich mit einem Kunden oder so frühstücken gehen und hauptsächlich Smalltalk halten.
Wer das Glück hat gut ausgebildet zu sein, über einem hohen Intellekt verfügen zu können und beruflich Zugang zu Arbeitsplätzen zu haben, die sehr gut honoriert sind und wo man dafür Sorge trägt, dass derjenige, der den Platz inne hat, sich sehr wohl und ziemlich frei fühlen kann, der hat schon einen sehr viel bessere Position als viele andere.
Leute mit einem eigenen Arbeitsbereich oder gar Büro und Zugang zu einem Rechner durchleben den Arbeitsalltag doch oft ganz anders.
Man klopft an, wenn man mit ihnen Reden will und man bietet um einen Termin u.ä..
Wer im Supermarkt stehen muss oder als Zusteller arbeitet beispielsweise, ist doch viel mehr in Beobachtung.
Da kann man halt nicht einfach sich die Zeit im Internet vertreiben, wenn man nicht ausgelastet ist, weil man sofort negativ auffallen würde.
Nur um ein Beispiel zu nennen, was wahrscheinlich doch viele, die hier oft sind gut nachvollziehen können dürften.
Ich glaube tatsächlich, dass es in unserer Gesellschaft sehr viel Angst gibt davor sozial abzusteigen.
Viele sind so ziemlich den ganzen Tag damit beschäftigt diesen Abstieg zu verhindern.
Ja und damit ist nicht nur der eigene gemeint, sondern oft den der eigenen Kinder.
Man fühlt sich von anderen Gruppen in der Gesellschaft in dieser Hinsicht bedroht, weil viele sich einfach sagen:
Es gibt einen großen Topf und in dem ist alles drin, was allen zu Verfügung gestellt wird bzw. werden kann und wenn eine Gruppe aus diesem Topf mehr nimmt, bleibt für andere bzw. andere Gruppen zwangsläufig weniger übrig.
So ist es ja auch.
Man regt sich aber oft über welche auf, die aus dem Topf verhältnismäßig wenig rausnehmen, weil ihre Macht äußerst begrenzt ist diesbezüglich.
Da gibt es ganz andere Kaliber und die müssen nicht einmal selber in den Topf direkt greifen, sondern die können sich locker andere leisten, die das für sie tun.

So ich gehe jetzt mal Laufen.

Angenehmen Tag!

dherrman 21.11.2018 08:11

ThomasG:
"Ich glaube tatsächlich, dass es in unserer Gesellschaft sehr viel Angst gibt davor sozial abzusteigen.
Viele sind so ziemlich den ganzen Tag damit beschäftigt diesen Abstieg zu verhindern."

Damit bringst du viele Probleme, die unsere Gesellschaft hat, auf den Punkt.
Es ist normaler geworden als Mann in Elternzeit zu gehen. Aber gleich Teilzeit? Ohweh, dann ist die Karriere aber stark gefährdet. Ich kann nur für meinen IT/Tec spezifischen Bereich sprechen. In sozialen Berufen ist das eher nicht das Problem -sagen Freunden, die als SozPäd's arbeiten. Aber nur 50% :)

Und wenn ich Karriere machen will, oder aber nur nicht aus der Firma rauszufligegen muss ich mich mehr anstrengen, damit es der Firma weiterhin gut geht -dieses "Credo" höre ich als Freiberufler sehr oft. Wird gerne gebetet.
Damit steigt die Chance auf Burnout & Co. und der "soziale Abstieg" ist die Folge, obwohl man doch genau das nicht wollte.

Mit Kindern das gleiche, im Bekanntenkreis höre ich dann, diese Schule ist ein No-Go für mein Kind. Zu viele Migranten, die den Leistungslevel drücken. Da kann mein Kind nix lernen...

Danke für diesen Faden hier.

VG

Trimichi 21.11.2018 14:19

Zitat:

Zitat von ThomasG (Beitrag 1420687)
In meinen Augen geht es auf diesem Planeten grundsätzlich sehr ungerecht zu.
Die Vermögen sind völlig ungerecht verteilt und die Recourcen bzw. der Zugang dazu bzw. die Macht darauf Einfluß zu nehmen, was dafür zu zahlen ist und wer sie kaufen kann ebenfalls.
Bringt man dann noch die Tier- und Pflanzenwelt mit in`s Spiel, ist das an Trostlosigkeit kaum mehr zu überbieten.
Wir können jetzt ewig darüber streiten, wer jetzt mehr von anderen profitiert hat und die Erde mehr ausgebeutet hat bzw. das tun würde, wenn sich die Verhältnisse ändern würden oder wir können endlich anfangen zu versuchen im Kleinen - alles andere als perfekt und alles andere als insgesamt gerecht - Schritte in die richtige Richtung einzuleiten, nämlich hin zu einem angenehmeren und menschlicheren Planeten.
Die Tier- und Pfalnzewelt sollten wir natürlich auch daran teilhaben lassen.
Was einem Menschen zusteht, der von Hartz 4 lebt, ist in meinen Augen so wenig, dass es unanständig ist sich darüber im Besonderen Maße aufzuregen oder so zu tun als würde man sich darüber aufregen.
Für das was manche Menschen an einem ganzen Arbeitstag verdienen und dabei müssen sie auch noch unangenehme Begleiterscheininungen oft in Kauf nehmen, würde so mancher morgens nicht einmal geschäftlich mit einem Kunden oder so frühstücken gehen und hauptsächlich Smalltalk halten.
Wer das Glück hat gut ausgebildet zu sein, über einem hohen Intellekt verfügen zu können und beruflich Zugang zu Arbeitsplätzen zu haben, die sehr gut honoriert sind und wo man dafür Sorge trägt, dass derjenige, der den Platz inne hat, sich sehr wohl und ziemlich frei fühlen kann, der hat schon einen sehr viel bessere Position als viele andere.
Leute mit einem eigenen Arbeitsbereich oder gar Büro und Zugang zu einem Rechner durchleben den Arbeitsalltag doch oft ganz anders.
Man klopft an, wenn man mit ihnen Reden will und man bietet um einen Termin u.ä..
Wer im Supermarkt stehen muss oder als Zusteller arbeitet beispielsweise, ist doch viel mehr in Beobachtung.
Da kann man halt nicht einfach sich die Zeit im Internet vertreiben, wenn man nicht ausgelastet ist, weil man sofort negativ auffallen würde.
Nur um ein Beispiel zu nennen, was wahrscheinlich doch viele, die hier oft sind gut nachvollziehen können dürften.
Ich glaube tatsächlich, dass es in unserer Gesellschaft sehr viel Angst gibt davor sozial abzusteigen.
Viele sind so ziemlich den ganzen Tag damit beschäftigt diesen Abstieg zu verhindern.
Ja und damit ist nicht nur der eigene gemeint, sondern oft den der eigenen Kinder.
Man fühlt sich von anderen Gruppen in der Gesellschaft in dieser Hinsicht bedroht, weil viele sich einfach sagen:
Es gibt einen großen Topf und in dem ist alles drin, was allen zu Verfügung gestellt wird bzw. werden kann und wenn eine Gruppe aus diesem Topf mehr nimmt, bleibt für andere bzw. andere Gruppen zwangsläufig weniger übrig.
So ist es ja auch.
Man regt sich aber oft über welche auf, die aus dem Topf verhältnismäßig wenig rausnehmen, weil ihre Macht äußerst begrenzt ist diesbezüglich.
Da gibt es ganz andere Kaliber und die müssen nicht einmal selber in den Topf direkt greifen, sondern die können sich locker andere leisten, die das für sie tun.

So ich gehe jetzt mal Laufen.

Angenehmen Tag!

Der fundamentale Annahmefehler des Kapitalismus ist, dass es unbegrenztes Wachstum gibt. Unsere Welt basiert auf einer Lüge. Im Kapitalismus werden lineare Abläufe simuliert und in die Realität umgesetzt. In Wirklichkeit gibt es lediglich Kreisläufe und Gleichgewichte. Wissenschaftler sprechen auch von Nullwachstum. Ich rufe einsam in der Wüste nach H4 (bedingungsloses Grundeinkommen) und zwar für alle! Ansonsten lehne auch ich mich zurück, tippe ein bisschen nutzlos im Internet herum, und genieße den Showdown, das gegen die Wand fahren des Planeten. :Cheese:

Laufen war ich schon, gehe noch auf die Rolle.

Angenehmen Buß- und Bettag!

Helios 21.11.2018 18:34

Zitat:

Zitat von Trimichi (Beitrag 1420804)
.............
Kreisläufe und Gleichgewichte. Wissenschaftler sprechen auch von Nullwachstum. Ich rufe einsam in der Wüste nach H4 (bedingungsloses Grundeinkommen) und zwar für alle!
............

H4 steht dann für Hausschweingesellschaft Nr. 4 ??? - alle werden gefüttert und die Wildschweine werden domestiziert?? und verschwinden am End - aha !! ;) - so wird es in der Tat kein Morgen geben :Huhu: - aber jeder wie er meint.

ThomasG 21.11.2018 18:47

Zitat:

Zitat von Trimichi (Beitrag 1420804)
Der fundamentale Annahmefehler des Kapitalismus ist, dass es unbegrenztes Wachstum gibt. Unsere Welt basiert auf einer Lüge. Im Kapitalismus werden lineare Abläufe simuliert und in die Realität umgesetzt. In Wirklichkeit gibt es lediglich Kreisläufe und Gleichgewichte. Wissenschaftler sprechen auch von Nullwachstum. Ich rufe einsam in der Wüste nach H4 (bedingungsloses Grundeinkommen) und zwar für alle! Ansonsten lehne auch ich mich zurück, tippe ein bisschen nutzlos im Internet herum, und genieße den Showdown, das gegen die Wand fahren des Planeten. :Cheese:

Laufen war ich schon, gehe noch auf die Rolle.

Angenehmen Buß- und Bettag!

"Wenn die Bombe tickt hä, wenn sie tickt - dann kann ich ihnen sagen aus eigener Erfahrung - dann ist es eine Zeitbombe!" (Emil Steinberger)
https://www.dailymotion.com/video/x1ammr7
Später schreibe ich vielleicht noch einen etwas ernsthafteren Beitrag.

qbz 21.11.2018 19:30

Zitat:

Zitat von Ruben (Beitrag 1420546)
  • Bildung , Kultur, Sport & Mobilität stimme ich Dir 100% zu. ÖPNV ist einfach zu teuer. Bei alledem ist das Problem: Wenn der normale Angestellt im Niedriglohnbereich einen deutlich höheren Preis bezahlt verringert es wieder den notwendigen Mindestabstand zwischen H4 und 100%-Stelle... also muss auch das für Gering-Verdiener günstig sein. Dafür sollte ein Staat meines Erachtens tatsächlich sorgen und Geld haben!
    ...........
  • Mehr Sozialwohnungen, Genossenschaften etc. auf jeden Fall. Aber nur durch die Bauvorschriften haben sich die Baukosten um 7% erhöht. Ob dies tatsächlich das beste Mittel der Wahl ist um unsere Klimaziele zu erreichen, bezweifle ich. Die Überführung der Vonovia in Gemeineigentum ist, denke ich, nicht machbar, lasse mich aber gerne von etwas anderem überzeugen. Immer daran denken: Es könnte auch deine Rentenversicherung sein die Anteile der Vonovia hält und auf ein Mal bist du enteignet... Wenn ich sehe was hier für Wohnungen und Häuser gebaut werden... alles schick, aber alles mindestens im gehobenen Standard, m²-Preise weit über 4000€... das muss günstiger gehen. Boden ist begrenzt, warum also alles verkaufen, gerade in städtischen Gebieten? Erbpacht-Grundstücke und regionale Zweckgenossenschaften Gründen, solides Niveau zu fairen Preisen...

Danke für Deine umfangreichen Ausführungen. Wie man juristisch und finanziell einen so grossen Konzern wie Vonovia in Gemeineigentum überführen könnte, damit habe ich mich nicht näher befasst. Ich dachte jetzt nicht an eine entschädigungslose Enteignung. Dem steht die Gesetzeslage und das GG sicher entgegen. Das GG § 14 erlaubt hingegen folgendes:

"(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
"

Die massenhaft angewandten Modernisierungmethoden aus Gründen von überhöhten Mieten und die Vertreibung von Mietern könnte Anlässe liefern, dass gegen § 14 verstossen wird. In Berlin wenden manche Bezirke seit dem Rot-Rot-Grünen Senat aktuell ein gesetzlich beschlossenes Vorkaufsrecht in Einzelfällen an, wenn der Hausverkäufer an einen Eigentümer verkaufen will, wo dann entweder eine Umwandlung in Eigentumswohnungen oder spekulativer Umgang mit dem Hauseigentum zu erwarten ist. Dass nun Parteien, die früher sehr viel an öffentlichen Immobilien verkauften, jetzt wieder teuer einkaufen müssen, ist vor allem dem Druck der Menschen zu verdanken, die hinsichtlich der Mieten so langsam aufwachen.

Ps: Hypo Real Estate wurde auch verstaatlicht. ;)

ThomasG 21.11.2018 20:03

Zitat:

Zitat von dherrman (Beitrag 1420706)
ThomasG:
"Ich glaube tatsächlich, dass es in unserer Gesellschaft sehr viel Angst gibt davor sozial abzusteigen.
Viele sind so ziemlich den ganzen Tag damit beschäftigt diesen Abstieg zu verhindern."

Damit bringst du viele Probleme, die unsere Gesellschaft hat, auf den Punkt.
Es ist normaler geworden als Mann in Elternzeit zu gehen. Aber gleich Teilzeit? Ohweh, dann ist die Karriere aber stark gefährdet. Ich kann nur für meinen IT/Tec spezifischen Bereich sprechen. In sozialen Berufen ist das eher nicht das Problem -sagen Freunden, die als SozPäd's arbeiten. Aber nur 50% :)

Und wenn ich Karriere machen will, oder aber nur nicht aus der Firma rauszufligegen muss ich mich mehr anstrengen, damit es der Firma weiterhin gut geht -dieses "Credo" höre ich als Freiberufler sehr oft. Wird gerne gebetet.
Damit steigt die Chance auf Burnout & Co. und der "soziale Abstieg" ist die Folge, obwohl man doch genau das nicht wollte.

Mit Kindern das gleiche, im Bekanntenkreis höre ich dann, diese Schule ist ein No-Go für mein Kind. Zu viele Migranten, die den Leistungslevel drücken. Da kann mein Kind nix lernen...

Danke für diesen Faden hier.

VG

Vielen Dank :-)!

Ich bin hier aufgewachsen (Jahrgang 1967) und lebe nach wie vor in meiner Heimatstadt.
In meiner Kindheit habe ich einen langsamen, aber stetigen sozialen Aufstieg meiner Familie miterlebt.
Mein Vater hat ein Jahr vor dem Abi das Gymnasium verlassen, weil er es sich nicht zugetraut hat.
Ab und zu hat er es uns erzählt.
Er bekam seine (zweite) Chance als er mit 27 Jahren noch einmal die Schulbank drückte.
Damals war diese Schule noch keine Fachhochschule, aber sie wurde nur wenig später zu einer solchen.
Gefördert wurde er durch seinen Arbeitgeber.
Er hatte wohl Glück mit der Berufswahl, obwohl es eher Zufall war, dass er diesen Weg einschlug.
Der ehemalige Chef meines Opas erkundigte sich nach meinem Vater und wollte wissen, was der beruflich vorhabe und meinte dann mein Opa solle ihn doch zu ihm schicken und bei ihm eine Ausbildung machen lassen.
Der Beruf passte wie angedeutet sehr gut zu seinen Fähigkeiten und Talenten und machte ihm sehr viel Spaß.
Das Selbstvertrauen und - bewusstsein konnte wachsen.
Drei Jahre lang besuchte er diese Schule und in der Zeit war er sehr selten daheim.*
Meine Mutter war sehr viel alleine mit zwei kleinen Kindern.
Wir wohnten zur Miete in einer Altbauwohnung im Dachgeschoss.
Die Miete wurde glaube ich wöchentlich in bar bezahlt.
Sie war ziemlich gering.
Mein Opa wollte mal auf dem Dachboden was nachsehen oder reparieren, da ist die Decke im Wohnzimmer an einem Eck leicht nach unten gedrückt worden.
Wir haben es schnell genug bemerkt und so wurde es nicht schlimmer.
Mein Vater schloß die Prüfung sehr gut ab und war einer der Besten.
Um ihn herum hauptsächlich Leute, die gerade das Abitur gemacht hatten.
Sie waren ihm anfangs überlegen, aber er hat fast alle überholt.
Zurück im Berufsleben setzte sich seine Karriere so fort.
Er stieg sehr schnell auf und verdiente immer besser.
Sein Job war sehr sicher.
Er meinte öfter, man müsse schon einen goldenen Löffel klauen, um den zu verlieren.
Wir zogen in ein Neubaugebiet, was gerade am entstehen war in eine große Eigentumswohnung.
Meine Schwester und ich hatten beide relativ große eigene Zimmer.
Das Wohnzimmer kam uns anfangs riesig vor.
In der direkten Nachbarschaft gab es auch Sozialwohnungen.
Hier wohnten wesentlich ärmere Familien oft kinderreiche.
Es gab eine Bezeichnung für diese Leute, die wir Kinder nicht verwenden sollten.
Die meisten Eltern versuchten dafür zu sorgen, dass das geschah.
Das Wort lautet "Barackler".
Die Leute haben nicht in Baracken gelebt glücklicherweise, sondern in zwar einfachen und schon recht heruntergekommenen Wohnblöcken, aber die bestanden aus Steinen, Beton und was man sonst noch so für den Wohnungsbau verwendet.
Viele der Kinder aus diesen Blöcken waren in der Schule eher schwach, aber so mancher wurde gegen Ende der Schulzeit deutlich besser.
Die meisten beendeten die Schule mit dem Hauptschulabschluß - ganz im Gegensatz zu den Leuten, die in meiner unmittelbaren Umgebung aufwuchsen.
Sie hatten aber einen großen Vorteil dadurch:
Sehr früh waren sie richtig in das Berufsleben integriert und sehr früh verdienten sie ihr eigenes Geld.
Ein großer Teil stieg sozial auf.
Einige nicht unerheblich.
Manche konnten sich später Eigentumswohnungen leisten und hatten eine eigene Familie mit Kindern (in der Regel wesentlich weniger Kinder als ihre Eltern haben).
Wenn man beispielsweise den Weg einschlug Bäcker zu werden, dann konnte man denke ich schon ganz gut verdienen, einfach weil es starke Belastungen gab.
Es musste ja nachts gearbeitet werden.
Die Menschen erlebten also im Laufe der 1970er bis vielleicht so Ende der 1980er, dass man durchaus zu was kommen kann, auch wenn die Startbedingungen nicht so gut waren.
Natürlich gehörte dazu auch etwas Glück, aber wie gesagt, gibt es nicht so wenige, die dieses Glück hatten.

*http://www.fh-schwetzingen.de/pb/,Ld...R+Schwetzingen

MattF 21.11.2018 20:12

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1420514)
Ich vermute, eine Liberalisierung der Bauvorschriften bringt effektiv wenig für die Räume mit hoher Bevölkerungszahl. In welchen grossen Städten der Welt funktionieren liberalere Bauvorschriften, um bezahlbare Mieten zu bekommen? Eine Rationalisierung beim Mietshausbau brächte möglicherweise längerfristig Kosteneinsparungen.

Man bräuchte in meinen Augen wieder viel mehr öffentliches Grundstück- und Wohneigentum (das gab es mal in DE, bevor die Gemeinden und der Bund alles meistbietend verkloppten, wo sie z.T. heute noch dabei sind), mehr Sozialwohnungen und an Gemeinnützigkeit gebundene Wohnungsgesellschaften sowie eine staatliche Preisregulierung der Grundstücke und des Mietniveaus und die Abschaffung der Modernisierungsumulage. Konzerne wie Vonovia, welche mit Mietwohnungen an der Börse Maximalprofite erzielen wollen, sollten in Gemeineigentum überführt werden. Ausserdem könnte der Bundestag eine GG-Änderung beschliessen und ein "Recht auf Wohnen" einführen.


Das Thema Wohnen und Miethöhen ist ein schwierige und emotionalbelastes.

Zum letzten Punkt, "Recht auf Wohnen" ich glaube das wäre gar kein Problem das zu gewährleisten, das eigentliche Problem ist aber, dass die Leute nicht da wohnen wollen wo Wohnungen leer stehen.

Ich wette jeder Mensch in D findet sofort ein Wohnung wenn er in irgendeine halb verlassene Gegend zieht wo keiner wohnen will.

Das Problem ist man müsste ein "Recht auf wohnen, da wo die Leute hin wollen" einführen und das sehe ich doch sehr skeptisch. Das ist unmöglich.

Alle wollen in die Städte und da ist kein Platz.
Kein System und keine Regierung und nichts wird dafür sorgen, dass jeder der in München City wohnen will oder Berlin Prenzelberg das auch kann.

Letztlich geht es nur um den Preis. Um den Markt und um Angebot und Nachfrage.

Das Ganze kann man dann ein bisschen sozial abfedern in dem man z.b. verhindert, dass die alte Oma die seit 40 Jahren irgendwo wohnt, das auch kann bis sie stirbt, in dem man z.v. Mieterhöhungen begrenzt..
Oder dass man sozial schwachen Menschen die schon irgendwo wohnen über Wohngeld zb. einen Umzug erspart.

Es wird aber kein System geben, ich wiederhole mich, dass jungen Familien ermöglicht auf jeden Fall dahin zu ziehen wo sie wollen.

Nur mal so als Anmerkung, deshalb hab ich selber auch nicht wirklich ne Lösung für das Problem Wohnen, ausser aussitzen und zu hoffen dass sich der Trend irgendwann umkehrt und die Leute von der City wieder raus wollen aufs platte Hinterland.

qbz 21.11.2018 23:12

Zitat:

Zitat von MattF (Beitrag 1420879)
Das Thema Wohnen und Miethöhen ist ein schwierige und emotionalbelastes.
.........

Vielleicht zwei Gedanken dazu:

Viele Menschen können nicht da wohnen, wo die Mieten billiger wären, weil sie dort keine Arbeitsplätze finden. Wer z.B. in der Gastronomie arbeitet, um mal Niedriglöhner zu nehmen, kann nicht auf das wenig besiedelte Land ausweichen. Und im sog. "Speckgürtel" von Berlin passen sich natürlich die Preise an die Stadt an.

Bei Wohnraum handelt es sich um ein begrenztes, knappes Gut im Unterschied zu anderen Waren. Deshalb kann man die Preise nicht dem Markt überlassen und es braucht eine staatliche Regulierung des Marktes.

ThomasG 22.11.2018 05:50

In einem Artikel von Valerie Höhne für Spiegel online geht es um die Frage warum die Grünen glauben (könnten), dass ihnen die Hartz-IV-Debatte nutzen kann.
Wenn ich von solchen Gedankengängen höre, die oft wie selbstverständlich davon ausgehen strategische Überlegungen würden starken Einfluß auf die Positionierungen von politischen Parteien nehmen, dann frage ich mich häufig warum das nicht öfter grundsätzlich kritisiert wird.
Eigentlich erwarte ich von politisch engagierten Menschen, dass sie sich zunächst für ihre eigenen Überzeugungen stark machen und höchstens an zweiter Stelle daran denken, wie man möglichst viele Wählerinnen und Wähler für sich gewinnen könnte.
Die "Angst der Mitte" wird gleich als erster Punkt angesprochen.

Zitat:

Erster Punkt: Die Angst der Mitte

Am Montagmittag steht Habeck nach der Bundesvorstandssitzung seiner Partei auf dem Podium in der Bundesgeschäftsstelle in Berlin. Die grüne Spitze stellt montags immer die Themen vor, die sie gerade beschäftigen. Habeck beginnt mit Hartz IV. Er halte die Debatte für zentral, sagt er, auch über die konkrete Armutsbekämpfung hinaus. "Wie vertrauensvoll ist die deutsche Mittelschicht gegenüber der Zukunft? Auch das kann man ja messen - das Vertrauen, dass es unsere Kinder besser haben werden als wir, ist gegenüber den vergangenen Jahrzehnten stark erodiert", sagt Habeck. Er wolle versuchen, das besser zu machen.
Für die Grünen liegt hier ein wichtiger Punkt: Denn die Mittelschicht, das sind auch ihre Wähler. Die, die Angst haben, ihren Wohlstand nicht weiterzuvererben. Die, die etwas zu verlieren haben.

Die Analyse, das Versprechen vom Aufstieg gebe es nicht mehr, ist nicht neu. Seit der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten wabert es durch die Feuilletons als Erklärung für den Rechtsruck, für die Unzufriedenheit und die Wut der Mittelschicht in den USA und Europa.

Zitatende

Quelle: http://www.spiegel.de/politik/deutsc...a-1239480.html

Ich glaube die Ängste sind größer und tiefgreifender bei vielen Menschen.
Sie beschäftigt nicht so sehr die Frage, ob es ihren Kindern besser gehen wird als ihnen selbst, sondern sie befürchten, dass es ihnen wesentlich schlechter gehen könnte.
Es könnte aber durchaus gut sein, dass man in den oberen Regionen der Mitte der Gesellschaft noch relativ optimistisch in die Zukunft blickt
Ich glaube, dass weiter unten also beispielsweise im unteren Bereich der Mitte die Ängste ausgeprägter sind und in der Gedankenwelt des Alltags eine dominantere Rolle spielen.
Ob auch strategische Überlegungen dazu geführt haben, dass Habeck sich so äußerte, wie er es tat?


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