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Flow 22.06.2017 11:55

Zitat:

Zitat von keko# (Beitrag 1311105)
Trotzdem überlege ich, ob es möglich ist, da ich ja immerhin den Gedanken fassen kann und daran glauben könnte.

"Everything possible to be believed is an image of truth"
- William Blake -
:)

Zitat:

Ich denke nicht, dass dieser "Schwebezustand" angenehm ist. Mit einer gehörigen Portion Naivität und Gutgläubigkeit (egal in welche Richtung) kommt man vielleicht angenehmer durchs Leben.
Camus' "raisonnement absurde" ("Le mythe de Sisyphe") gelesen ?
So erinnert der "Schwebezustand" doch deutlich an sein "Absurdes".
Paßt ja im Übrigen auch zur aktuellen Lektüre ... ;)

captainbeefheart 22.06.2017 11:59

Zitat:

Zitat von trithos (Beitrag 1311086)
Dieses Muster ist allerdings auch nicht neu. Ihr verwendet es oft in dieser Diskussion. Ihr definiert, was tatsächlich der einzige echte und wahre Glaube ist, und ihr verlangt von den anderen, dass sie sich Eurer Definition unterwerfen. Und wenn jemand sagt, er sieht das anders, dann sagt ihr, er sei nicht gläubig, weil für Euch eben nur Eure Definition gilt.

Solange das so ist, wird die Diskussion sich weiter im Kreis drehen.

Dem stimme ich zu.

captainbeefheart 22.06.2017 12:07

Es gibt offensichtlich nicht nur noch sehr viele die (mindestens formal) religiös sind, auch aus Plastik sind religiöse Figuren gefragt :-)

http://www.sueddeutsche.de/wirtschaf...ueck-1.3554694

keko# 22.06.2017 12:19

Zitat:

Zitat von Flow (Beitrag 1311125)
Camus' "raisonnement absurde" ("Le mythe de Sisyphe") gelesen ?
So erinnert der "Schwebezustand" doch deutlich an sein "Absurdes".
Paßt ja im Übrigen auch zur aktuellen Lektüre ... ;)

Von Sartre ist es nicht weit zu Camus:

Dem Leid und dem Elend in der Welt sei kein Sinn abzugewinnen. Der „absurde Mensch“ sei stets Atheist. Das Leid bleibt für ihn nicht nur sinnlos, es bleibt auch unerklärbar.


Damit kann ich mich gut anfreunden.

Klugschnacker 22.06.2017 12:41

Zitat:

Zitat von trithos (Beitrag 1311086)
Da gibt es also ein altes Mütterchen, das sich selbst als fromme und gläubige Frau sieht. Und ihr sagt der Frau einfach, sie sei nicht wirklich gläubig und das sei außerdem gut so. Was gibt Euch das Recht, diese Frau (zumindest sprachlich) zu definieren? Kein Mensch will doch von jemand anderem so behandelt werden! Die EIgendefinition hat doch mindestens die selbe Berechtigung wie eine Fremddefinition.

Wir reden hier von einer rein fiktiven Person, die Du als Beispiel in die Debatte eingeführt hast. Ich halte es für Zeitverschwendung darüber tiefer zu debattieren, inwieweit sie tatsächlich gläubig ist, da es wie gesagt um eine rein fiktive Person geht. Jeder kann sich etwas anderes darunter vorstellen.

Zitat:

Zitat von trithos (Beitrag 1311086)
Dieses Muster ist allerdings auch nicht neu. Ihr verwendet es oft in dieser Diskussion. Ihr definiert, was tatsächlich der einzige echte und wahre Glaube ist, und ihr verlangt von den anderen, dass sie sich Eurer Definition unterwerfen. Und wenn jemand sagt, er sieht das anders, dann sagt ihr, er sei nicht gläubig, weil für Euch eben nur Eure Definition gilt.

Nein. Es wurde auf den letzten paar hundert Seiten die Definition der Kirchen und der Bibel für den wahren Glauben verwendet. Es ist nicht die Schuld der Atheisten, wenn sich einige unter den Gläubigen damit nicht (mehr) identifizieren können.

Falls Du im Sinne des Christentums gläubig bist, habe ich definitiv nichts dagegen. Auch dann nicht, wenn Du selektiv glaubst, also manches mehr und manches weniger. Das ist Deine Privatsache, solange Du die Rechte anderer Menschen respektierst. Wie Du Dich bestimmt erinnerst, war ich in der Kopftuchdebatte einer derjenigen, der diese Toleranz auch anderen Religionen, etwa den Moslems oder Hindus, entgegenbringt.

In meiner Familie tummeln sich streng gläubige Katholiken, jede Menge Taufscheinchristen, Atheisten, arabische Muslime, sowie mein Schwager aus Afrika, dessen Glauben ich nie ganz herausfinden konnte, Verschleierte wie Unverschleierte. Meine "Schwiegermutter" hat ihr ganzes Leben lang in der katholischen Priesterausbildung als Bürokraft gearbeitet; bei vielen Familienfesten sitzen Geistliche mit am Tisch. Es gibt Verheiratete, Geschiedene, in wilder Ehe lebende Menschen, ferner heterosexuelle, lesbische und homosexuelle Zeitgenossen und etwas dazwischen. Du kannst mir gewiss vieles vorwerfen, aber keine religiöse Intoleranz.

keko# 22.06.2017 13:02

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1311138)
In meiner Familie tummeln sich streng gläubige Katholiken, jede Menge Taufscheinchristen, Atheisten, arabische Muslime, sowie mein Schwager aus Afrika, dessen Glauben ich nie ganz herausfinden konnte, Verschleierte wie Unverschleierte. Meine "Schwiegermutter" hat ihr ganzes Leben lang in der katholischen Priesterausbildung als Bürokraft gearbeitet; bei vielen Familienfesten sitzen Geistliche mit am Tisch. Es gibt Verheiratete, Geschiedene, in wilder Ehe lebende Menschen, ferner heterosexuelle, lesbische und homosexuelle Zeitgenossen und etwas dazwischen. Du kannst mir gewiss vieles vorwerfen, aber keine religiöse Intoleranz.

Das mag bei dir durchaus so sein, aber allgemein ist das natürlich keine Begründung für Toleranz. In DE leben alle möglichen Menschen mit denen man in Berührung kommt, trotzdem gibt es Intoleranz gegen alles mögliche.

Flow 22.06.2017 13:06

Zitat:

Zitat von keko# (Beitrag 1311133)
Dem Leid und dem Elend in der Welt sei kein Sinn abzugewinnen. Der „absurde Mensch“ sei stets Atheist. Das Leid bleibt für ihn nicht nur sinnlos, es bleibt auch unerklärbar.

"L'absurde naît de cette confrontation entre l'appel humain et le silence déraisonnable du monde."

Der Mensch hat eine Frage, die die Welt nicht beantwortet.
Das ist die absurde Situation.
Der Schwebezustand als instabiler stationärer Punkt, energetisch geladen ... :Lachen2:
Verlassen kann man ihn, indem man glaubt, Gott gebe diese Antwort, oder "die Wissenschaft" kann sie zumindest theoretisch oder wird sie bestimmt morgen geben ...

trithos 22.06.2017 13:12

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1311138)
Falls Du im Sinne des Christentums gläubig bist, habe ich definitiv nichts dagegen. Auch dann nicht, wenn Du selektiv glaubst, also manches mehr und manches weniger. Das ist Deine Privatsache, solange Du die Rechte anderer Menschen respektierst. Wie Du Dich bestimmt erinnerst, war ich in der Kopftuchdebatte einer derjenigen, der diese Toleranz auch anderen Religionen, etwa den Moslems oder Hindus, entgegenbringt.

Ich weiß, dass ich Dir eigentlich nicht antworten sollte, weil es meiner selbstgewählten Rolle als Balkon-Muppet widerspricht. Aber eigentlich ist das auch wieder sehr typisch: du unterstellst mir zwischen den Zeilen etwas, und das auf dermaßen "gfeanzte" Art, dass man schon wieder einen Kommunikationspsychologen braucht, der die Sache analysiert.

Konkret unterstellst Du mir, ich sei Moslems gegenüber intolerant, weil ich gegen das Kopftuch sei. Dieser Vorwurf ist in irreführender Weise unvollständig. Denn Du verschweigst erstens, dass sich meine Kopftuch-Kritik auf bestimmte Funktionen bezogen hat, in der jemand als Vertreter des Staates agiert. Und zweitens, dass ich genau die selbe weltanschauliche Neutralität des Staates auch gegenüber dem Christentum eingefordert habe. Und das Ganze verpackst Du in eine Rhetorik, in der Du mir jetzt locker lässig antworten kannst: "Ich hab Dir das doch gar nicht vorgeworfen. Schaue meine Worte an: ich hab doch nur von mir geschrieben." In Deinen Formulierungen immunisierst Du Deine Aussage also gleich selbst gegen jede Kritik :( .

Und welche Rolle spielt mein persönlicher Glaube oder Nicht-Glaube in diesem Fall? Der Anfang des Absatzes, den ich hier als Zitat oben hineingestellt habe, wertet meine Argumentation ab, indem Du mir nämlich unterstellst, kein unabhängiger Sprach- und Diskussionsbeobachter zu sein, sondern Partei in dieser Diskussion. Diese Einordnung ist aus meiner Sicht eine reine Unterstellung.

Bevor ich mich jetzt aber weiter darüber ärgere, ziehe ich mich wirklich wieder auf meinen Beobachtungs-Balkon zurück.

MattF 22.06.2017 13:13

Zitat:

Zitat von Flow (Beitrag 1311144)
Verlassen kann man ihn, indem man glaubt, Gott gebe diese Antwort, oder "die Wissenschaft" kann sie zumindest theoretisch oder wird sie bestimmt morgen geben ...


Na ja für mich als Ingenieur, soll die Wissenschaft helfen, gewisse technische Ideen umzusetzen. Den Anspruch Wahrheiten zu liefen, habe ich an die Wissenschaft nicht.

Klugschnacker 22.06.2017 13:14

Zitat:

Zitat von keko# (Beitrag 1311142)
Das mag bei dir durchaus so sein, aber allgemein ist das natürlich keine Begründung für Toleranz. In DE leben alle möglichen Menschen mit denen man in Berührung kommt, trotzdem gibt es Intoleranz gegen alles mögliche.

Selbstverständlich. Oft auch bei religiösen Menschen, die Toleranz gegenüber der Religion einfordern, damit aber nur die eigene Religion meinen. Gegenüber anderen Religionen sind sie bemerkenswert intolerant. Wenn in einer Stadt oder auf einem Dorf eine Mosche gebaut werden soll, sind die Wähler der christlichen Parteien sofort auf ihrem Posten. Siehe die Diskussion um die Leitkultur, die nichts anderes ist als die Abwehr einer anderen Religion. Sie wird fast ausschließlich in den christlichen Parteien und der AfD geführt.

keko# 22.06.2017 13:21

Zitat:

Zitat von Flow (Beitrag 1311144)
"L'absurde naît de cette confrontation entre l'appel humain et le silence déraisonnable du monde."

Der Mensch hat eine Frage, die die Welt nicht beantwortet.
Das ist die absurde Situation.
Der Schwebezustand als instabiler stationärer Punkt, energetisch geladen ... :Lachen2:
Verlassen kann man ihn, indem man glaubt, Gott gebe diese Antwort, oder "die Wissenschaft" kann sie zumindest theoretisch oder wird sie bestimmt morgen geben ...

Es ist endlos, da immer wieder neue Fragen entstehen.

Jörn 22.06.2017 14:22

Zitat:

Zitat von trithos (Beitrag 1311086)
Da gibt es also ein altes Mütterchen, das sich selbst als fromme und gläubige Frau sieht. Und ihr sagt der Frau einfach, sie sei nicht wirklich gläubig und das sei außerdem gut so. Was gibt Euch das Recht, diese Frau (zumindest sprachlich) zu definieren?

Was ich mit dem alten Mütterchen sagen wollte: Das ist ein Klischee, das so nicht stimmen muss. Warum sollte ein altes Mütterchen automatisch leichtgläubig und ungebildet sein? Vielleicht war sie 50 Jahre lang als Anwältin tätig, oder als Professorin, oder als Abgeordnete, oder als Herausgeberin einer wissenschaftlichen Zeitung?

Dieses Klischee vom geistig beschränkten Mütterchen ist eigentlich ziemlich unverschämt. Wenn ich mal richtig alt sein werde, dann möchte ich nicht so behandelt werden. Ich lese gerade das Buch eines Philosophie-Professors, der seine lebenslang gesammelten Einsichten zum Christentum erläutert, und das sprachliche Niveau und seine Fachkenntnis sind einfach umwerfend. Das Buch schrieb er im Alter von 86 Jahren, und er ist mir an Intelligenz und Bildung eindeutig überlegen.

Nur darauf wollte ich hinaus, als sich sagte, eine alte Frau müsse nicht unbedingt fromm und doof sein. Ich wollte ihr den Glauben nicht streitig machen, sondern nur die Möglichkeit eröffnen, dass sie vielleicht gar nicht gläubig ist.

Jörn 22.06.2017 14:32

Zitat:

Zitat von keko# (Beitrag 1311123)
Ebenso glaube ich nicht an eine absolute Wahrheit.

Ich hatte jedoch nicht nach einer absoluten Wahrheit gefragt. Sondern ich habe danach gefragt, was für Dich ein Kriterium darstellt, um richtige von falschen Erkenntnissen/Informationen zu trennen. Ist es ein Kriterium, dass die Erkenntnisse/Informationen widerspruchsfrei sind?

Nehmen wir an, Du würdest durch Zufall mit der Nase auf die Wahrheit stoßen. Wie würdest Du das bemerken?

Ich beispielsweise halte mich an das Prinzip der Wissenschaft: Selbst wenn ich nicht sicher weiß, was richtig ist, kann ich anhand von Widersprüchen feststellen, was falsch ist. Die Genesis-Geschichte ist falsch, weil sie den bewiesenen Erkenntnissen widerspricht. Das Kritium wäre also die Widerspruchsfreiheit.

Was ist Dein Kriterium?

keko# 22.06.2017 14:48

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1311155)
Ich hatte jedoch nicht nach einer absoluten Wahrheit gefragt. Sondern ich habe danach gefragt, was für Dich ein Kriterium darstellt, um richtige von falschen Erkenntnissen/Informationen zu trennen. Ist es ein Kriterium, dass die Erkenntnisse/Informationen widerspruchsfrei sind?

Nehmen wir an, Du würdest durch Zufall mit der Nase auf die Wahrheit stoßen. Wie würdest Du das bemerken?

Ich beispielsweise halte mich an das Prinzip der Wissenschaft: Selbst wenn ich nicht sicher weiß, was richtig ist, kann ich anhand von Widersprüchen feststellen, was falsch ist. Die Genesis-Geschichte ist falsch, weil sie den bewiesenen Erkenntnissen widerspricht. Das Kritium wäre also die Widerspruchsfreiheit.

Was ist Dein Kriterium?

Das kommt auf das Thema oder den Fall an. Selbst in der Mathemtik gibt es verschiedene Beweisverfahren. Man kann also auch nicht alles mit allem beweisen. Es gibt auch Dinge, die man beweisen kann, aber deren Bedeutung man nicht kennt.

Ich kann sowieso ganz wenig selbst entscheiden, ob wahr oder nicht. Das meiste muss ich hinnehmen bzw. vertrauen, dass es stimmt, was Spezialisten sagen.

Aber mal konkret: Maria konnte nicht einfach so schwanger werden. Also ist das unwahr. Wir Menschen können ja gar nicht anders als mit dieser Methode zu unterscheiden. Mehr gibt unser Verstand gar nicht her.

Jörn 22.06.2017 14:53

Zitat:

Zitat von keko# (Beitrag 1311133)
Von Sartre ist es nicht weit zu Camus:

Dem Leid und dem Elend in der Welt sei kein Sinn abzugewinnen. Der „absurde Mensch“ sei stets Atheist. Das Leid bleibt für ihn nicht nur sinnlos, es bleibt auch unerklärbar.


Damit kann ich mich gut anfreunden.

Ahh, Rhetorik. Es wird in salbungsvollen Worten erklärt, der Atheist hätte keine Erklärung für das Leid. Nur die Religion hätte eine Erklärung für das Leid.

Durch die schönen Worte wird verschleiert, dass das Behaupten einer Erklärung nicht automatisch bedeutet, dass die Erklärung auch zutrifft. Die christliche Erklärung für das Leid hat zahlreiche Denkfehler und Widersprüche, die den Theologen auch bewusst sind, und die von ihnen selbst thematisiert werden.

Es ist deswegen eines der berühmtesten ungelösten Probleme des Christentums, nämlich, wieso es Leid in einer Welt gibt, die von einem allgütigen Gott gelenkt wird. Niemand hatte darauf je eine schlüssige Antwort. Das sog. „Theodizee“-Problem ist unlösbar.

Zwar denken die Frommen, die Bibel würde das Leid erklären. Aber jeder Theologie-Student weiß, dass das nicht stimmt.

keko# 22.06.2017 14:58

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1311162)
Ahh, Rhetorik. Es wird in salbungsvollen Worten erklärt, der Atheist hätte keine Erklärung für das Leid. Nur die Religion hätte eine Erklärung für das Leid.

Hast du irgendeine wissenschaftliche Erklärung für Leid?

Jörn 22.06.2017 15:44

Zitat:

Zitat von keko# (Beitrag 1311160)
Das meiste muss ich hinnehmen bzw. vertrauen, dass es stimmt, was Spezialisten sagen.

Nehmen wir an, Du gehst zu einem Spezialisten. Nehmen wir an, er sei Arzt, und erklärt Dir, dass Deine Leber entfernt werden müsse. Da Du selbst kein Arzt bist, musst Du ihm vertrauen.

Betrachten wir mal dieses Vertrauen etwas näher. Worin besteht es? Gibt es ein Kriterium dafür, dass Du ihm vertraust? Ein Kriterium könnte sein, dass er ein anerkannter Fachmann ist, der viele Erfolge vorweisen kann.

Ich behaupte, dass Du bei genauem Hinsehen nicht ihm selbst vertraust, sondern seiner Methode. Weil seine Methode darin bestand, mit allerlei Messgeräten Dein Blut zu untersuchen, und weil diese Methode Sinn macht, vertraust Du. Hätte er Dir stattdessen gesagt, dass er seine Erkenntnis durch Beten, Flehen und Fasten erlangt hätte, würdest Du das Weite suchen und Deine Leber in Sicherheit bringen. Richtig?

Wenn wir also über Erkenntisse debattieren, dann debattieren wir genau genommen über die Methoden, mit denen diese Erkenntisse gewonnen wurden. Falls nicht, ist es blinder Glaube, und dann ist auch keine Debatte nötig.

Mit welcher Methode hat ein Papst herausgefunden, ob Maria selbst unbefleckt empfangen wurde (dass sie also wie Jesus das Kind einer Jungfau sein müsste)? Der Papst teilt das freundlicherweise schriftlich mit: Durch Fasten, Beten und Flehen.
“Nachdem Wir also ohne Unterlaß in Demut und mit Fasten Unsere persönlichen und auch die gemeinsamen Gebete der Kirche Gott dem Vater durch seinen Sohn dargebracht haben, auf daß er durch den Heiligen Geist Unseren Sinn leite und stärke, nachdem Wir auch den ganzen himmlischen Hof um seine Hilfe angefleht und inständigst den Heiligen Geist angerufen haben, erklären, verkünden und entscheiden Wir...“

Papst Pius IX, ab Nr. 542
Du schreibst, dass man Spezialisten vertrauen müsse, und ich füge hinzu, dass dies nur so weit gilt, wie ihre Methoden plausibel sind. Eine Methode könnte sein, Behauptungen auf Widersprüche zu untersuchen, und festzustellen, ob sie sich empirisch überprüfen lassen. Eine Methode könnte auch darin bestehen, dass wir für jede Behauptung eine stichhaltige Begründung verlangen und sie nicht blind glauben.

Die Methoden der Amtskirchen zur Wahrheitsfindung sind lächerlich. Man kann die historisch-wissenschaftliche Frage, ob eine Person „unbefleckt“ gezeugt wurde, nicht entscheiden, indem man fastet. Das ist Betrug.

Ich kann also die Lehren des Christentums verwerfen, weil die Methoden, die zu ihrer Erlangung angewandt wurden, ungeeignet waren.

Findest Du dieses Kriterium plausibel? Dass man sich die Methode anschaut, mit der eine Erkenntnis erlangt wurde, und dass eine Erkenntnis nur in dem Maße glaubwürdig ist, wie die Methode geeignet war?

Matthias75 22.06.2017 16:43

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1311174)
Ich behaupte, dass Du bei genauem Hinsehen nicht ihm selbst vertraust, sondern seiner Methode. Weil seine Methode darin bestand, mit allerlei Messgeräten Dein Blut zu untersuchen, und weil diese Methode Sinn macht, vertraust Du.

Und wie entscheidest du, ob das, was der Arzt macht, sinnvoll und richtig ist. Ich denke mal, dass nur ein Bruchteil von uns das wirklich beurteilen kann. Ich habe schon genug Mediziner erlebt, die bei - für mich - gleichen Untersuchungsmethoden auf unterschiedliche Diagnosen und Behandlungen kamen. Welcher davon hat recht? Ich kann's nicht objektiv beurteilen. Ich bin z.B. froh, wenn ich auf einem Röntgenbild die groben Strukturen erkenne. :confused:

Im Endeffekt entscheidet mein subjektiver Eindruck, also ob ich mich bei dem Arzt gut aufgehoben und ernstgenommen fühle, wie er auftritt und ob seine Diagnose und die vorgeschlagene Therapie in meinen Augen mit meinem Krankheitsbild übereinstimmen können (und vermutlich die ausgiebige Internetrecherche zu mKrankheitsbild und zu mal Arzt). Die vom Arzt ungewandte Methode spielt, wenn überhaupt, eine untergeordnete Rolle. Außer natürlich, er hat auf seinem OP-Tisch noch die rostige Säge liegen und betäubt mit Rum, dann hätte ich auch Zweifel an seinen Methoden...:

Was ich sagen will: Auch wenn du glaubst (sorry: wenn du sicher bist), alles rational zu entscheiden, wirst du immer wieder an einen Punkt kommen, an dem du dich auf dein Gefühl verlassen musst und nicht mit 100%-iger Sicherheit sagen kannst, wieso du dich so oder so entschieden hast.

Und ja, ich habe nichts dazu gesagt, ob und wie man religiöse Aussagen beurteilen kann. Ich habe lediglich darauf hingewiesen, dass die von dir behaupteten Methoden der Vertrauensbildung bereits außerhalb der Religion nicht zutreffen.

M.

keko# 22.06.2017 16:57

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1311174)
Nehmen wir an, Du gehst zu einem Spezialisten. Nehmen wir an, er sei Arzt, und erklärt Dir, dass Deine Leber entfernt werden müsse. Da Du selbst kein Arzt bist, musst Du ihm vertrauen.

Betrachten wir mal dieses Vertrauen etwas näher. Worin besteht es? Gibt es ein Kriterium dafür, dass Du ihm vertraust? Ein Kriterium könnte sein, dass er ein anerkannter Fachmann ist, der viele Erfolge vorweisen kann.

Ich behaupte, dass Du bei genauem Hinsehen nicht ihm selbst vertraust, sondern seiner Methode. Weil seine Methode darin bestand, mit allerlei Messgeräten Dein Blut zu untersuchen, und weil diese Methode Sinn macht, vertraust Du. Hätte er Dir stattdessen gesagt, dass er seine Erkenntnis durch Beten, Flehen und Fasten erlangt hätte, würdest Du das Weite suchen und Deine Leber in Sicherheit bringen. Richtig?

Die Ärzte wissen ja manchmal selbst nicht, warum sie was tun, sondern probieren aus und sagen dir das auch. Das Kriterium kann sein, dass das Ausprobieren deine einzige Chance ist. Das hat dann gar nichts mit Vertrauen zu tun. Es ist ja nicht so, dass es zu allem immer irgendwo in der Wissenschaft eine Lösung gibt.

Jörn 22.06.2017 18:36

Zitat:

Zitat von trithos (Beitrag 1311086)
Ihr definiert, was tatsächlich der einzige echte und wahre Glaube ist, und ihr verlangt von den anderen, dass sie sich Eurer Definition unterwerfen. Und wenn jemand sagt, er sieht das anders, dann sagt ihr, er sei nicht gläubig, weil für Euch eben nur Eure Definition gilt.

Das ist ein durchaus berechtigter Einwand; und weil er berechtigt ist, wurde er auch schon mehrfach beantwortet.

Der Grund, warum Religionskritiker sich auf den offiziellen Glauben der Amtskirchen beziehen, liegt darin, dass die Amtskirchen auf die Gesellschaft einwirken und dadurch relevant sind. Was irgendein privater Mensch glaubt, ist gesellschaftlich nicht relevant und braucht daher auch nicht kritisiert zu werden.

Um Deinen Einwand auszuräumen, würde ich vorschlagen, dass Du uns Deinen persönlichen Glauben darlegst, und wir diesen eine Weile untersuchen. Wenn Du das nicht möchtest, und wenn es auch kein anderer Teilnehmer möchte, dann kann man den Atheisten wenigstens nicht vorwerfen, dass sie es verhindert hätten. Von mir aus diskutieren wir eine Weile über Deinen persönlichen Glauben.

Meine erste Frage an Dich wäre also, was die wichtigsten Inhalte Deines Glaubens sind und warum Du meinst, dass sie wahr wären (und warum die offizielle Position der Kirchen falsch ist).

:Blumen:

Jörn 22.06.2017 18:41

Zitat:

Zitat von keko# (Beitrag 1311203)
Die Ärzte wissen ja manchmal selbst nicht, warum sie was tun, sondern probieren aus und sagen dir das auch. Das Kriterium kann sein, dass das Ausprobieren deine einzige Chance ist. Das hat dann gar nichts mit Vertrauen zu tun. Es ist ja nicht so, dass es zu allem immer irgendwo in der Wissenschaft eine Lösung gibt.

Nehmen wir an, der Arzt wüsste es nicht genau und er müsse ein paar Dinge ausprobieren. Nehmen wir an, er würde dazu einen Regentanz ausführen, und als zweite Maßnahme würde er zehn Vaterunser sprechen.

Wärest Du dann immer noch der Meinung: „Naja, manchmal wissen die Ärzte eben selber nicht, was zu tun ist, und probieren etwas aus“? Oder würdest Du die Experimente beschränken auf Dinge, die eine wissenschaftlich begründbare Aussicht auf Erfolg haben? Oder wäre jeder Versuch gleichwertig?

Zur Erinnerung, es geht darum, ob wir Kriterien nennen können für Vertrauen, und ob das mit den angewandten Methoden zusammenhängt; oder ob jedes Vertrauen „blind“ und indifferent ist.

Trimichi 22.06.2017 18:43

Zitat:

Zitat von Flow (Beitrag 1311144)
[i]"L'absurde

Der Schwebezustand als instabiler stationärer Punkt, energetisch geladen ... :Lachen2:

Verlassen kann man ihn, indem man glaubt, Gott gebe diese Antwort, oder "die Wissenschaft" kann sie zumindest theoretisch oder wird sie bestimmt morgen geben ...


Toll formuliert!

Edit = mein Senf

Man kann auch in die Schweiz, dort soll Sterbehilfe legal sein. Oder sich Strangulieren. Vor die Gleise werfen? Na ich weis nicht. Wer eine Neunmillimeter hat ist klar im Vorteil.

Ich hab immer zu meiner Ex gesagt: "How will God help you, if your worsest enemy is coming up to you, armed to the teeth and ready to kill you? Well, god will not help you, but Mr. Neunmillimeter does."

Man kann auch ins Puff gehen, Hand anlegen. Oder auch...

...nach IKEA fahren !

So oder so... - entdecke die Möglichkeiten :Lachanfall:


Wer keine Angst vor dem Teufel hat, der braucht auch keinen Gott mehr.
(Aristoteles)

Jörn 22.06.2017 18:51

Zitat:

Zitat von Matthias75 (Beitrag 1311199)
...wirst du immer wieder an einen Punkt kommen, an dem du dich auf dein Gefühl verlassen musst und nicht mit 100%-iger Sicherheit sagen kannst, wieso du dich so oder so entschieden hast.

Das Argument mit der hundertprozentigen Gewissheit beeindruckt mich nicht, weil man damit jede lebensnahe Entscheidung unmöglich macht. Es suggeriert, als wäre deswegen jede Entscheidung im Grunde irrational, aber das ist nicht der Fall.

Wenn der Arzt mit seinen Methoden glaubhaft macht, dass meine Leber krank ist, dann ist das keine hundertprozentige Gewissheit. Das wissen Arzt und Patient gleichermaßen. Es bleibt immer ein Risiko. Es bedeutet jedoch, dass es unter den seriös durchgeführten und erfolgreich erprobten Maßnahmen die aussichtsreichste Schlussfolgerung ist; ferner, dass andere Schlussfolgerungen mit guten Gründen ausgeschlossen wurden.

Eine „begründete Annahme“ ist etwas anderes als „Glaube“. Eine begründete Annahme, selbst wenn sie nicht hundertprozentig abgesichert werden kann, basiert dennoch auf klaren, prüfbaren Kriterien und eben keineswegs auf Gefühl. Das heißt nicht, dass es keinen Platz für Gefühle geben würde. Aber der Arzt kann nicht aufgrund eines Gefühls die Leber eines Patienten entfernen.

Matthias75 22.06.2017 19:15

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1311232)
Wenn der Arzt mit seinen Methoden glaubhaft macht, dass meine Leber krank ist, dann ist das keine hundertprozentige Gewissheit. Das wissen Arzt und Patient gleichermaßen. Es bleibt immer ein Risiko. Es bedeutet jedoch, dass es unter den seriös durchgeführten und erfolgreich erprobten Maßnahmen die aussichtsreichste Schlussfolgerung ist; ferner, dass andere Schlussfolgerungen mit guten Gründen ausgeschlossen wurden.

Und jetzt holst du dir eine Zweitmeinung ein und der zweite Arzt sagt, die Leber muss nicht aus. Kannst du beurteilen, welche Einschätzung richtig(er) ist? Ich kenne viele Fälle, bei denen sich Erst-, Zweit- und sogar Drittmeinung unterscheiden oder sogar widersprechen. Wie triffst du die Entscheidung dann?

Du setzt voraus, dass du beurteilen kannst, dass der Arzt alle Diagnosemethoden ausgeschöpft hat und alle Behandlungsmethoden kennt. Selbst wenn dass der Fall ist, wird der Arzt aber gegebenenfalls eine Abwägung vornehmen, welche Behandlungsmethode die richtige ist (und manchmal sogar, welche Diagnose die wahrscheinlichste ist). Kannst du alle seine Massnahmen beurteilen?

Die nimmst an einem bestimmten Punkt an, dass die Annahme eines Arztes die richtige ist bzw. am wahrscheinlichsten die richtige ist, weil sie dir am sinnvollsten erscheint.

Ich habe mich lediglich auf deine Aussage bezogen, dass Keko wohl eher den Methoden es Arztes als dem Arzt vertraut. Und diese Aussage stelle ich in Frage, weil du die Richtigkeit der Methoden meistens gar nicht beurteilen kannst. Du musst dich darauf verlassen, dass der Arzt die richtigen Methoden kennt und wählt. Ob du das jetzt "vertrauen" , "glauben" oder "begründete Annahme, dass der Arzt richtig liegt" nennst, spielt keine Rolle.

Es ging nicht um eine 100%-ige Entscheidungsfindung, sondern darum, dass die von dir unterstellte Entscheidungsfindung so nicht zutreffend ist.

M.

Jörn 22.06.2017 19:47

Matthias, können wir uns darauf einigen, dass eine Entscheidung mindestens dem Kriterium einer plausiblen Begründung folgt, selbst wenn es ausgeschlossen sein sollte, alle Informationen zu bekommen?

Und dass bei zwei unterschiedlichen Befunden abgewogen wird, was wohl am wenigsten schädlich erscheint, um die Folgen einer falschen Entscheidung gering zu halten? Und dass diese Einschätzung aufgrund von Kriterien vorgenommen wird?

Ich wende mich gegen die oft vorgebrachte Behauptung, dass letztlich alles auf Glauben hinausläuft, weil man nie 100% sicher sein kann. Meine These ist, dass das Leben auch ohne diese 100% funktioniert, weil man Wahrscheinlichkeiten sinnvoll abschätzen kann.

Meine These ist weiterhin, dass eine Erkenntnis steht und fällt mit der Methode, mit der sie gewonnen wurde.

Trimichi 22.06.2017 20:03

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1311235)

Meine These ist weiterhin, dass eine Erkenntnis steht und fällt mit der Methode, mit der sie gewonnen wurde.

Jetzt wirds klarer! ;) Welche Methode gegeinet ist entscheidet wer? :Huhu:

captainbeefheart 22.06.2017 20:14

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1311235)
Matthias, können wir uns darauf einigen, dass eine Entscheidung mindestens dem Kriterium einer plausiblen Begründung folgt, selbst wenn es ausgeschlossen sein sollte, alle Informationen zu bekommen?

...

Das ist empirisch widerlegt. Manche Entscheidungen werden nicht nur nicht rational, sondern sogar irrational getroffen.

Lies dazu mal "Denken hilft zwar, nützt aber nicht" von Dan Ariely.

Jörn 22.06.2017 20:34

Zitat:

Zitat von Trimichi (Beitrag 1311238)
Jetzt wirds klarer! ;) Welche Methode gegeinet ist entscheidet wer? :Huhu:

Das entscheidet der Erfolg von vorausgegangenen Prüfungen. Beispielsweise, wenn die bisherigen Versuche fehlschlugen, eine Leber durch Flehen zu heilen, wird man die Methode verwerfen. Wenn es zuverlässig zur Heilung führte, wird man es beibehalten.

Das ist ja auch der Grund, warum Dschihadisten Bomben werfen und nicht beten. Sie wählen die empirisch bewährte Methode.

Jörn 22.06.2017 20:47

Zitat:

Zitat von captainbeefheart (Beitrag 1311241)
Das ist empirisch widerlegt. Manche Entscheidungen werden nicht nur nicht rational, sondern sogar irrational getroffen.

Lies dazu mal "Denken hilft zwar, nützt aber nicht" von Dan Ariely.

Dem hat ja auch niemand widersprochen. Ich denke, ich werde am besten auf Postings nicht mehr eingehen, die argumentieren, dass eine Entscheidung entweder 100% rational oder 100% irrational getroffen wird. Diese Art von Debatte bringt nichts und ich sehe auch keinen Zusammenhang mit dem Thema.

Meine These ist, dass eine Behauptung in dem Maße plausibel ist, in dem die Methode plausibel ist, auf die sie sich gründet. Von 100% habe ich nicht gesprochen.

Wenn Du der Meinung bist, eine Röntgenaufnahme sei ebenso plausibel zur Beurteilung einer Zahnwurzelentzündung wie ein Gebet, dann kannst Du diese Meinung gerne vertreten; ich sehe aber keinen Grund, mich damit auseinanderzusetzen.

captainbeefheart 22.06.2017 20:59

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1311248)
Das entscheidet der Erfolg von vorausgegangenen Prüfungen. Beispielsweise, wenn die bisherigen Versuche fehlschlugen, eine Leber durch Flehen zu heilen, wird man die Methode verwerfen. Wenn es zuverlässig zur Heilung führte, wird man es beibehalten.

...

Auch das ist widerlegt. Die Regentänze z.B. haben auch dann noch stattgefunden, als klar war, dass der Tanz keinen Regen bringt. Manche Dinge oder Prozesse haben manchmal nicht die Funktion, die man angenommen hat. Und trotzdem hat man sie beibehalten, weil sie mittlerweile eine andere Funktion bekommen haben, in diesem Fall die Stiftung von Gemeinschaftssinn.

Ausführlicher dazu: Das Regenmacher-Phänomen von Stefan Kühl.

Matthias75 22.06.2017 21:02

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1311235)
Ich wende mich gegen die oft vorgebrachte Behauptung, dass letztlich alles auf Glauben hinausläuft, weil man nie 100% sicher sein kann. Meine These ist, dass das Leben auch ohne diese 100% funktioniert, weil man Wahrscheinlichkeiten sinnvoll abschätzen kann.

Meine These ist weiterhin, dass eine Erkenntnis steht und fällt mit der Methode, mit der sie gewonnen wurde.

Du verdrehst meine Aussage. Ich habe mit keinem Wort gesagt, dass alle Entscheidungen irgendwann auf Glauben oder Vertrauen hinaus laufen. Ich habe lediglich darauf hingewiesen, dass deine Argumentation, wonach Keko wohl eher der Methode des Arztes vertraut als dem Arzt selbst, so nicht stimmen kann, mit der Begründung, dass in vielen Fällen die Kompetenz fehlt, um die Methoden objektiv beurteilen zu können. Im Zweifel erläutert der Arzt die Methode, also muss ich also wieder ihm vertrauen.

Ich habe damit nicht behauptet, dass jede Entscheidung irrational ist.

M.

Jörn 22.06.2017 21:08

Zitat:

Zitat von captainbeefheart (Beitrag 1311252)
Auch das ist widerlegt. Die Regentänze z.B. haben auch dann noch stattgefunden, als klar war, dass der Tanz keinen Regen bringt. Manche Dinge oder Prozesse haben manchmal nicht die Funktion, die man angenommen hat. Und trotzdem hat man sie beibehalten, weil sie mittlerweile eine andere Funktion bekommen haben, in diesem Fall die Stiftung von Gemeinschaftssinn.

Ausführlicher dazu: Das Regenmacher-Phänomen von Stefan Kühl.

Ich sehe keinen Zusammenhang mit dem Thema. Es geht darum, ob eine Behauptung in dem Maße plausibel ist, wie die Methode angemessen war, durch die sie aufgestellt wurde.

captainbeefheart 22.06.2017 21:20

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1311255)
Ich sehe keinen Zusammenhang mit dem Thema.

Die Argumentation von Dir ("Entscheidungen haben mindestens das Kriterium ..." und "wenn etwas nicht erfolgreich ist, wird es nicht beibehalten ..." ist in beiden Fällen schlicht falsch. Schon klar, dass Du Dich mit Deinen eigenen "rethorischen Tricks" nicht auseinandersetzen willst :-)

Jörn 22.06.2017 21:22

Zitat:

Zitat von Matthias75 (Beitrag 1311254)
Im Zweifel erläutert der Arzt die Methode, also muss ich also wieder ihm vertrauen.

Dann ist dies Deine Methode und Dein Kriterium. Etwa, dass Du dem guten Ruf vertraust oder dass die Erläuterung plausibel war. Und in genau diesem Maß, wie die Erklärung plausibel war (also die Methode Deines Erkenntnisgewinns), ist sie auch belastbar. Wenn es nur eine halbwegs gut klingende Erklärung war, dann ist sie auch nur halbwegs belastbar. Wenn noch eine Röntgenaufnahme hinzukam, die den Knochenbruch eindeutig zeigte, wird sie noch belastbarer. Wenn der Arzt für derlei Erkrankungen ausgebildet ist, steigt es noch weiter; beispielsweise, dass er kein Tierarzt ist.

Matthias75 22.06.2017 21:46

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1311260)
Dann ist dies Deine Methode und Dein Kriterium. Etwa, dass Du dem guten Ruf vertraust oder dass die Erläuterung plausibel war. Und in genau diesem Maß, wie die Erklärung plausibel war (also die Methode Deines Erkenntnisgewinns), ist sie auch belastbar. Wenn es nur eine halbwegs gut klingende Erklärung war, dann ist sie auch nur halbwegs belastbar. Wenn noch eine Röntgenaufnahme hinzukam, die den Knochenbruch eindeutig zeigte, wird sie noch belastbarer. Wenn der Arzt für derlei Erkrankungen ausgebildet ist, steigt es noch weiter; beispielsweise, dass er kein Tierarzt ist.

Ich weiß nicht, ob du mich nicht verstehen willst oder kannst. Es ging nicht um "meine" Methode des Erkenntnisgewinns. Deshalb nochmal:

Deine Aussage zu Keko: Du vertraust nicht dem Arzt, sondern der Methode des Arztes

Meine Aussage dazu: Um der Methode des Arztes zu vertrauen, müsste man die Kompetenz haben, die Methoden des Arztes beurteilen zu können. Solange diese Kompetenz nicht vorhanden ist, muss man dem Arzt vertrauen, dass er die richtige (Diagnose)Methoden korrekt anwendet.

In einigen Fällen mag es sein, dass der Arzt seine Diagnose sehr plausibel machen kann (z.B. dein Beispiel mit dem Knochenbruch). In vielen Fällen wird es aber darauf hinauslaufen, dass du die Methode. oder wenn die Methode plausibel erscheint, die vorgeschlagene Behandlung nicht beurteilen kannst. Ich kenne genug Beispiele aus meinem Bekanntenkreis in dem Ärzte des gleichen Fachgebiets teilweise sogar mit den gleichen oder ähnlichen Diagnosemethoden zu unterschiedlichen Diagnosen oder Therapien gekommen sind.

M.

captainbeefheart 22.06.2017 22:36

Wenn ich die Diskussion hier reflektiere und zur Kenntnis nehme, dass Religion (die vielen verschiedenen Religionen) weltweit weiterhin einen hohen Stellenwert hat, auch wenn es berechtigte Zweifel an den verschiedenen religiösen Systemaussagen gibt, kann ich mir das nur entlang dieser Thesen erklären:

1. Religion bedient ein individualpsychologisches Transzendenz- und Zugehörigkeitsbebefürfnis. Außerdem hilft es bei Ängsten.

2. Religion wirkt soziologisch gemeinschaftsstiftend.

3. Religion bietet weltanschauliche Deutungen und moralische Wertmaßstäbe.

Jörn 22.06.2017 23:24

Zitat:

Zitat von Matthias75 (Beitrag 1311262)
In vielen Fällen wird es aber darauf hinauslaufen, dass du die Methode. oder wenn die Methode plausibel erscheint, die vorgeschlagene Behandlung nicht beurteilen kannst. Ich kenne genug Beispiele aus meinem Bekanntenkreis in dem Ärzte des gleichen Fachgebiets teilweise sogar mit den gleichen oder ähnlichen Diagnosemethoden zu unterschiedlichen Diagnosen oder Therapien gekommen sind.

Genau. In den meisten Fällen wird der Patient kaum in der Lage sein, die medizinischen Kenntnisse des Arztes anhand von eigenen medizinischen Kenntnissen zu beurteilen.

Wir können also festhalten, dass die Methode des Patienten, sich ein medizinisches Urteil zu bilden, mangelhaft ist, weil er sich nicht auskennt. Lassen wir also eine Beurteilung zunächst offen. Der Arzt kann richtig liegen oder nicht. Der Patient weiß es nicht.

Der Papst (davon habe ich ein paar Postings weiter vorne berichtet), hat ebenfalls eine Art „Diagnose“ erstellt. Er diagnostiziert einen Vorgang, der 2.000 Jahre zuvor stattgefunden haben soll, und von dem kein Wort in der Bibel steht, nämlich, ob Marias Mutter ebenfalls unbefleckt war. Wir sind keine Historiker, also lassen wir auch hier offen, ob der Papst mit seiner Diagnose richtig liegt.

Die Lage ändert sich, sobald wir erfahren, wie die Methoden aussahen, mit denen die Erkenntnisse gewonnen wurden. Der Mediziner beruft sich auf das Röntgenbild. Der Papst beruft sich darauf, zwei Tage lang auf seine Nachspeise verzichtet zu haben.

Wohlgemerkt: Unser Urteil hat weiterhin nicht unbedingt etwas mit Medizin oder historischem Wissen zu tun. Sondern wir beurteilen stattdessen, ob der Mediziner und der Historiker mit plausiblen Methoden an die Sache herangegangen sind. Das kann man abschätzen, ohne die Details zu kennen.

Die Gläubigen sind in der Position des Patienten. Sie haben üblicherweise keine Kenntnis davon, wie die Glaubensinhalte entstanden sind. Sie nehmen vermutlich (wie die Patienten) an, es würde schon mit rechten Dingen zugehen, ansonsten hätte man davon gehört.

Tatsache ist jedoch, dass die Methoden der christlichen Erkenntnisgewinnung (Fasten und Flehen) völlig ungeeignet sind, um historische Fakten abzusichern. Die Gläubigen wären nach meiner Einschätzung schockiert, wenn sie wüssten, wie bescheuert die Dogmen begründet werden. Man kann die Existenz der Hölle nicht damit beweisen, dass man dem Papst für eine Woche den Pudding streicht. Man muss weder Historiker noch Theologe sein, um das beurteilen zu können.

Aus diesem Grund schlage ich vor, bei jeder Erkenntnis auch anzugeben, mit welcher Methode sie gewonnen wurde. Dann kann man abschätzen, wie viel die Erkenntnis wert ist. Am Ende wird man sich daher vor allem über die Methoden unterhalten.

Wenn keko also sagt, er sei auf der Suche, dann frage ich nach der Methode. Davon wird abhängen, ob mir seine Fundstücke plausibel erscheinen oder nicht.

Jörn 22.06.2017 23:39

Zitat:

Zitat von captainbeefheart (Beitrag 1311269)
Außerdem hilft es bei Ängsten.
2. Religion wirkt soziologisch gemeinschaftsstiftend.
3. Religion bietet weltanschauliche Deutungen und moralische Wertmaßstäbe.

1. Religion hilft keineswegs bei Ängsten, sondern schürt sie. Die angebliche Hilfe ist nur vorgetäuscht. Vor allem werden Leute verdammt und bedroht.

2. Die drei abrahamitischen Religionen sind auf Abgrenzung fokussiert. Die Verfolgung Andersgläubiger wird bei allen drei Religionen gleich im ersten Gebot festgelegt. Geringste Abweichungen reichen bereits aus für die Vernichtung. Die Anzahl der Opfer von Religionskriegen stehen auf der Hitliste auf Platz 2, gleich hinter dem Zweiten Weltkrieg. Ich halte das nicht für „gemeinschaftsstiftend“.

3. Die weltanschaulichen Deutungen sind irrelevant. Relevant wären sie dann, wenn sie auch zuträfen. Das ist nicht der Fall. Die Behauptung, die Bibel böte moralische Maßstäbe, ist sachlich falsch. Die Bibel bietet kein moralisches Konstrukt und will das auch gar nicht. Die Bibel sagt im Gegenteil, dass Dir als kleiner Sünder überhaupt keine Moral zusteht. Sondern Du tust, was Gott befiehlt. Gott begründet seine Taten und Gebote jedoch nicht. Die Bibel enthält Gebote, aber keine moralischen Erläuterungen.

:Duell:

keko# 23.06.2017 08:36

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1311227)
Nehmen wir an, der Arzt wüsste es nicht genau und er müsse ein paar Dinge ausprobieren. Nehmen wir an, er würde dazu einen Regentanz ausführen, und als zweite Maßnahme würde er zehn Vaterunser sprechen.

Wärest Du dann immer noch der Meinung: „Naja, manchmal wissen die Ärzte eben selber nicht, was zu tun ist, und probieren etwas aus“? Oder würdest Du die Experimente beschränken auf Dinge, die eine wissenschaftlich begründbare Aussicht auf Erfolg haben? Oder wäre jeder Versuch gleichwertig?

Zur Erinnerung, es geht darum, ob wir Kriterien nennen können für Vertrauen, und ob das mit den angewandten Methoden zusammenhängt; oder ob jedes Vertrauen „blind“ und indifferent ist.

Mir missfällt ein wenig, dass du scheinbar hier den mehr oder weniger klugen Arzt aufbaust und dort den Gläubigen, der einen Regentanz aufführt. Auch Gläubige können sehr rational sein und handeln. Glaubst du, vor 1000 Jahren, als die Kriche einen viel stärkeren Einfluss hatte, haben sich Gläubige nicht sinnvoll behandeln lassen und sind nicht methodisch vorgegangen? Ich habe das Gefühl, dass du denkst, vor uns war alles Sumpf und Wildnis, wir sind jetzt aufgeklärt und die Menschen nach uns werden den scheinbar kleinen Rest an Unwissenheit schon noch klären.
Vernünftige Menschen sind keine Erfindung aus dem Jahre 2017! Menschen sind so (oder eben nicht :Lachen2: ).
Es ist völlig an den Haaren herbei gezogen, dass ein Arzt einen Regentanz macht, auch wenn das nur angenommen sei. Damit machst du Religion und Glauben schon wieder mal lächerlich.
Bei mir wußte man nicht weiter, also hat man die Symptome behandelt. Vielleicht hat mir der Arzt auch gesagt, ich könnte in die Krankenhauskapelle oder wir haben 10 Vaterunser miteinander gebetet. Das eine schließt doch das andere nicht aus. Wenn er das überzeugt gemacht hätte, wäre für das für mich kein Problem. Ich respektiere die Überzeugung anderer Menschen, auch wenn sie noch so schräg sein sollte und schließe nichts kategorisch aus, nur weil es nicht in mein Weltbild passt.

Trimichi 23.06.2017 08:39

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1311248)
Das entscheidet der Erfolg von vorausgegangenen Prüfungen. Beispielsweise, wenn die bisherigen Versuche fehlschlugen, eine Leber durch Flehen zu heilen, wird man die Methode verwerfen. Wenn es zuverlässig zur Heilung führte, wird man es beibehalten.

Das ist ja auch der Grund, warum Dschihadisten Bomben werfen und nicht beten. Sie wählen die empirisch bewährte Methode.

Das ist am Bezug vorbei argumentiert. Ein Arzt wählt zwischen verschiedenen Behandlungsmethoden aus. Es versteht sich von selbst, dass ein Arzt in einem westlichen Krankenhaus eine Leber nicht durch Flehen heilt, sondern zum Skalpell greift z B. Dennoch werden Angehörige womöglich am Krankenbett stehen und Flehen und Beten.
Womöglich betet auch der Arzt zu Gott insofern, dass er ihm Kraft und Stärke für seine Arbeit/die Operation verleiht? (...) .

Mal was anderes.
Was machst du, Jörn, wenn zwei Patienten dringend einen Arzt brauchen, aber nur ein Arzt vorhanden ist? Ein Patient ist eine 25jährige Frau, der andere ein 70jähriger Millionär. Einer der beiden Patienten wird sterben. Mit welcher Methode entscheidest du, nach welchen Kriterien entscheidest du Jörn, wer leben darf und wer sterben muss? Zeit zum tagelangen Diskutieren bleibt nicht - sonst sterben beide Patienten.....


Der Grund warum Dschihadisten Bomben werfen stellt sich im Übrigen wie folgt dar:

1. sie versuchen einen Bedeutungsverlust zu kompensieren (quest for personal significance)
2. Gewalt ist als Mittel legalisiert (im Rahmen einer radikalen Ideologie im Rahmen eines Radikalisierungsprozesses) (legalisation of violence)
3. Endgültigkeit, Finalität (counterfinalitly) d.h. es gibt keinen Zweifel an der Richtigkeit der Durchführung der Taten

[nachzulesen in dem international beachteten Artikel: The Psychology of Radicalisation and Deradicalisation: How Significance Quest Impacts Violent Extremism; in Advances in Political Psychology, Vol.35, Suppl. 1, 2014; doi:10.1111/pops.1216 Autoren: Arie W. Kruglanski; Michele J. Gelfand; Joceln J. Belanger; Anna Sheveland; Malkanthi Hetiarchchi; Rohan Guaranta; ]


Schönen guten Morgen an alle Foris:Blumen:


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