Schwarzfahrer |
24.02.2018 14:56 |
Zitat:
Zitat von qbz
(Beitrag 1363765)
Sicher, die individuelle kulturelle Identität besteht in der Abgrenzung von Anderen in der Zugehörigkeit zu einer religiösen Gemeinschaft, zu einem Hobbyverein, zu einer Subkultur, zu einer ethnischen Gruppe (Sorben), zu einer Schicht (Bildungsbürger im Sinne der Humanisten z.B.), zu einem Sport :Lachen2: usf..
Zum politischen Streitpunkt wird es doch erst, wenn dieser Begriff (evtl. sogar normativ) gleichgesetzt wird mit nationaler oder gar völkischer Identität, besonders aufgrund der Erfahrungen mit der Vergangenheit, wo auf diese Weise Millionen von Deutsche und ihre Kultur (als nicht arisch, nicht germanisch, entartet, pervers usf.) durch Deutsche verfolgt, vertrieben und vernichtet wurden. Auch das war leider Teil der deutschen Geschichte oder provokant falsch (!) formuliert "der deutschen Kultur". Nein, es war eben kein Teil der "deutschen Kultur", sondern Teil der "Nazikultur". Die andere Formulierung würde alle Opfer und Widerständler, die eine andere Kultur und andere Werte lebten, missachten und beleidigen. Dass nun heute die Nationalisten von der AFD wieder von deutscher kultureller Identität schwafeln, kann man nur entlarven: Sie meinen allein ihre eigene erzreaktionäre, autoritäre, nationalistische kulturelle Identität und schliessen alle anderen aus.
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Womit wir bei den Gründen sind, warum in Deutschland das Thema ein Problem ist. Weil die Nazis die Begriffe mißbraucht haben, sind die Begriffe selbst diskreditiert. Das ist für mich so, als wenn man Nägel in Zukunft nur noch mit der Hand in die Wand drücken darf, weil ein Hammermörder den Hammer als Mordwerkzeug benutzt hat.
Und nein, Deine Beispiele im ersten Absatz sind bis auf die ethnische Zugehörigkeit keine wesnetlichen Kulturmerkmale, sondern persönliche Interessen; die Kultur ist m.M.n. auf einer anderen Ebene, die eben stark aus dem Vergangenen, aus den Vorfahren, aus der Erziehung schöpft und eine Zugehörigkeit nicht nur in der Gegenwart, sondern im Geschichtlich/Geographischen Kontext definiert. Die Nazis wie die Widerstandskämpfer hatten eine gemeinsame deutsche Kultur, machten nur etwas unterschiedliches draus. Die Gemeinsamkeit zu leugnen verdreht aber die Tatsachen.
Ob eine kulturelle Identität in diesem Sinne ein grundlegendes menschliches Bedürfnis ist, ist eine der aktuellen großen Diskrepanzen zwischen zwei sehr unterschiedlichen Gruppen: Eine weltweit vorhandene Generation von Stadtmenschen, die der Globalisierung sehr offen gegenüber stehen, sieht für sowas keinen Bedarf, und fühlt sich überall gleich wohl, hält die Zugehörigkeit zu einem Volk, einer Sprache, einer Kultur für überflüssig - das kann man als fortschrittliche Offenheit sehen, oder als bedauernswerten Mangel an Wurzeln und Zugehörigkeit, als Beliebigkeit statt eigenem Koordinatensystem. Sie sehen andererseits die, die Wurzeln und feste Bezugspunkte brauchen als rückständig, fremdenfeindlich, fortschrittsfeindlich - aber es könnten einfach Menschen sein, die ohne feste Wurzeln sich verloren fühlen, und nicht in der Lage und bereit sind, sich auf beliebige Änderungen einzustellen. Es wäre sinnvoll, wenn beide Gruppen einen Weg fänden, ohne gegenseitige Verachtung auszukommen und den Lebensentwurf der anderen als gleichwertig zu akzeptieren.
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