Ich habe öfters mit Türken in Frankfurt (ich wohne hier) gesprochen, die starke Befürworter von Erdogan waren. Es hieß, ja, er greift hart durch, aber endlich macht's mal jemand und bringt den ganzen Laden auf Vordermann. Und dann folgen Geschichten von Alltags-Kriminalität, Korruption und finsteren Banden.
Ich entgegne darauf immer, dass man all diese Probleme nicht löst, indem man den Rechtsstaat abschafft, sondern indem man ihn stärkt. Aber soweit denken die Leute, mit denen ich gesprochen habe, in der Regel nicht. Denen ist nicht klar, warum ein Präsident keine Macht über die Justiz oder über die Medien haben sollte. Sie durchschauen das Spiel von Erdogan nicht, der diese Gewaltenteilung beseitigt. Sie sehen nicht, dass es sich gegen sie selbst richtet.
Wie bringt man nun diese Leute, die nichts Böses wollen, von ihrem Erdogan-Kurs wieder ab? Indem man sie anschreit? Mit dem Finger auf sie zeigt? Ausgrenzt?
Das Gegenteil ist angebracht. Man muss die Sache erstmal beruhigen, damit man ins Gespräch kommt. Danach muss man ihnen deutlich machen, wie schön es sich in Deutschland leben lässt, weil der Staat rechtsstaatlich organisiert ist, und weil die Freiheit als hohes Gut betrachtet wird. Wer das selber erlebt, der wird irgendwann auch skeptisch, wenn es jemand wie Erdogan abschaffen will.
Aber wer in Deutschland Ausgrenzung, Streit und Mobbing erfährt, der hat auch keinen Grund, den deutschen Staat sonderlich zu schätzen, oder ihn gar als Vorbild für die Türkei anzusehen. Deswegen war die hysterische Reaktion auf das läppische Foto genau die falsche Strategie. Man überzeugt die Leute nicht, indem man sie mobbt oder ausgrenzt.
Erdogan nutzt diese Situation natürlich aus. Seine Botschaft in den letzten Stunden war: "Seht her, die Deutschen haben etwas gegen die Türken! Aber ich, Erdogan, setze mich für Euch ein, auf mich könnt Ihr Euch verlassen!" Natürlich werden viele "deutsche Türken" darauf hereinfallen, denn welcher deutsche Politiker hat sowas zu ihnen gesagt?
Es müsste genau anders herum sein. Der deutsche Rechtsstaat müsste sich hinter Mesut Özil stellen, und auch die Stammtische müssten sich hinter Mesut Özil stellen. Das ist wichtiger als das Foto. Mesut Özil ist einer von uns, und das steht an erster Stelle, und das ist nicht verhandelbar. Den Rest klärt man dann irgendwann, und Fehler machen wir alle mal.
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