![]() |
Zitat:
Jede soziale Gruppe, ob Verein, Religionsgruppe oder Partei mag offen sein für alle - aber der Vorbehalt, daß sich Teilnehmer an die Regeln der jeweiligen Gruppe zu halten haben, ist grundsätzlcih da. Ohne diese Abgrenzung gäbe es die spezifische Gruppe als solche gar nicht, sondern es wäre eine beliebige, identitätslose Gruppierung von Menschen. Über die Sinnhaftigkeit oder moralische Rechtfertigung der Regeln mag trefflich gestritten werden, aber Dein konstruierter Unterschied zu den Kirchen ist falsch - es gibt keinen. |
Schwarzfahrer: Wäre nach Deinem Argument folgendes dasselbe:
• "Kein Zutritt für Minderjährige!" • "Kein Zutritt für Juden!" • "Kein Zutritt für Homosexuelle!" • "Kein Zutritt für Servicepersonal!" Mir scheint, dass man an diesem Beispiel erkennen kann, dass es entscheidend auf die Begründungen solcher Regeln ankommt. Damit möchte ich Dir natürlich nichts in den Mund legen, was Du nicht sagen wolltest; ich möchte lediglich meinen Punkt verdeutlichen. Ich möchte die Angelegenheit kurz verallgemeinern. Welche Anforderungen sind an ein moralisches System und seine Regeln zu stellen? Dazu zwei Gedanken:
Ein Beispiel für die Anwendung von Gewalt für die Durchsetzung eines moralischen Systems sind unsere Gesetze. Wer gegen sie verstößt, bekommt es mit der Staatsgewalt zu tun. Zum Beispiel in Form von Geld- oder Haftstrafen. Es geht also nicht unbedingt um körperliche Gewalt, sondern um die Ausübung von Macht. Diese Gewalt- oder Machtausübung müssen wir rechtfertigen. Es muss bewiesen oder plausibel gemacht werden, warum ein moralische System besser ist als ein anderes. Im folgenden argumentiere ich dafür, dass das Christentum solche notwendigen Begründungen nicht hat. Religiös begründete Moral beruft sich auf religiöses Wissen. Das ist stets geoffenbartes Wissen: Ein Engel erschien im Traum, ein Busch sprach, ein Gott reichte Steintafeln herab. Eine Offenbarung als Wissensquelle ist heutzutage für einen großen Teil unserer Gesellschaft kein überzeugendes Argument mehr. Seine Überzeugungskraft reicht nicht mehr aus, um eine so begründete Moral gegenüber Andersdenkenden durchzusetzen. Deshalb demonstrieren heutzutage Schüler selbst an einer katholischen Schule gegen die Entlassung eines Lehrers, der seinen Lebenspartner heiraten will, während sie andere moralische Regeln durchaus akzeptieren. Es geht um die Begründung. Das Fehlen von Begründungen für das christliche Moralsystem zerreisst die Kirche auch von innen. In praktisch allen moralischen Fragen ist sie in sich uneinig. Darf eine Frau ein geistliches Amt innehaben? Ist Scheidung und Wiederheirat okay? Gilt das Tötungsverbot immer oder gibt es Ausnahmen? Darf eine lesbische Frau Pfarrer werden? Ist elektrischer Strom eine Sünde? Kommt Hitler in den Himmel und Gandhi in die Hölle? Zu all diesen Fragen (und vielen weiteren) gibt es im Christentum die unterschiedlichsten Lehrmeinungen, trotz teilweise zweitausend Jahren intensiven Nachdenkens über den Willen des Gottes, an den sie alle gemeinsam glauben, und der sich ihnen angeblich offenbart hat. Damit möchte ich ausdrücken, dass es zwar zahlreiche moralische Standpunkte im Christentum gibt, aber eben keine Begründungen für sie, mit denen sich entscheiden ließe, welcher moralische Standpunkt richtig ist. Wichtig ist mir, zu betonen, dass ich niemanden persönlich verletzen oder kritisieren möchte. :Blumen: |
Zitat:
Genau das ist mein Punkt. Behauptet wurde, eine bestimmte Kirchengemeinde wäre a) offen für jeden, und b) auch noch vorbehaltlos. Aber nun sieht es so aus, als würde beides nicht zutreffen. Warum ist das wichtig? Es ist wichtig, weil es uns zu den zentralen, nicht verhandelbaren Inhalten und Zielen dieser Gemeinschaft führt. Nur aus diesem Grund bringe ich es in die Debatte ein. Wenn ein Religionslehrer (oder Professor) rausgeschmissen wird, weil er die Jungfräulichkeit von Maria bezweifelt, dann darf man annehmen, dass es sich um einen nicht verhandelbaren Inhalt handelt. Anschließend könnte man untersuchen, ob dieser Inhalt in allen katholischen Gemeinden so geglaubt und gehandhabt wird. Es wird nämlich in der Debatte laufend behauptet, dass kein Mensch den offiziellen Quatsch der Amtskirche glauben würde, und dass die Kritik daran folglich substanzlos wäre. Wenn es aber kein Mensch glaubt, dann müssten sich eine Menge Gemeinden finden, in denen die Leugnung der Jungfrauengeburt keine Konsequenzen hat. Aber man findet sie nicht. Man findet auch keine geschiedenen und wiederverheirateten Ehepartner, die das offizielle Sakrament ihrer katholischen Gemeinde empfingen. Man findet keine katholischen Pfarrer, die eine Beziehung zu einer Frau eingingen und weiterhin Pfarrer blieben. Man findet nicht einen einzigen Gläubigen, der getauft, konfirmiert oder verheiratet wurde, wenn er zuvor sagte: "Also Leute, vom Glaubensbekenntnis glaube ich nur die Hälfte". Zwar mag es katholische Privatleute geben, die nicht an die Jungfräulichkeit glauben und die auch die Ehe von Priestern befürworten würden. Aber sie haben in der kath. Kirche keine Macht und sind gesellschaftlich in diesem Punkt nicht relevant. Und weil sie nicht relevant sind, können sie auch nicht die Kritik an den Amtskirchen abschwächen. Wenn in 100% aller kath. Kirchengemeinden scharfe Sanktionen drohen, falls nicht an die Jungfräulichkeit geglaubt wird, dann ist die Kritik daran auch zu 100% berechtigt. |
Zitat:
Das für mich nach wie vor eigentlich Befremdliche ist, dass du und dein Bruder letztendlich gar kein gutes Haar an Katholiken lasst oder irgendwas, das für jemanden positiv ist. Das wird dann in immer gleicher Art relativiert und negiert. Das sei dir aber unbenommen, wir haben das monatelang ausdiskutiert :Cheese: Dieses Rigorose schreckt mich ab, egal ob von Katholiken, Atheisten, Linken, Rechten usw. Es wirkt auf mich schwerlastig, gezwungen und nicht erstrebenswert. :Blumen: |
Zitat:
|
Zitat:
Zitat:
|
Zitat:
Zitat:
Zitat:
Zitat:
|
Zitat:
Mein Argument lautet: Auch unter Anwendung der eigenen christlichen Maßstäbe lassen sich die moralischen Standpunkte des Christentums nicht rechtfertigen oder bewerten. Das sieht man daran, dass es im Christentum zu praktisch allen moralischen Fragen unterschiedliche, sich teilweise direkt widersprechende Standpunkte gibt, die sich allesamt auf denselben Gott berufen, der sich ihnen offenbart habe. Ein moralisches System, mit dem man moralische Standpunkte ebenso wie deren Gegenteil begründen kann, ist kein moralisches System, sondern Willkür. Beispiel: Bei Protestanten in Deutschland können Frauen Pfarrer werden, die in lesbischer Lebensgemeinschaft leben. Katholische Priester leben im Zölibat und halten die Ausübung von Homosexualität für "keinesfalls zu billigen". Beide begründen ihre Standpunkte mit dem geoffenbarten Willen Gottes. Verstehst Du, was ich meine? :Blumen: |
Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 01:34 Uhr. |
Powered by vBulletin Version 3.6.1 (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2025, Jelsoft Enterprises Ltd.