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Klugschnacker 31.05.2017 11:31

Zitat:

Zitat von captainbeefheart (Beitrag 1307149)
... ist hier eine Entscheidung durch die Eltern möglich und gefordert, wie Entscheidungen zu diesem Zeitpunkt in jedem anderen Lebensbereich gefordert sind: Bing ich mein Kind zum Flötenunterricht und/oder ins Schwimmtraining ...

Es hat niemand etwas dagegen, wenn Du Deine Kinder nachmittags in die Kirche fährst, statt zum Flötenunterricht. Dort können sie fromme Dinge lernen, solange sie (oder eher: die Eltern) das wollen. Das ist privat und wird respektiert, wenngleich ich persönlich der Meinung bin, dass es auch im privaten Rahmen keine Rechtfertigung dafür gibt, Kinder anzulügen.

In einer Schule sehe ich das kritischer. Schulen sollten meiner Meinung nach der Wahrheit und humanistischen Grundwerten wie den Menschenrechten und der Würde jedes Menschen verpflichtet sein. Außerdem sollte dort selbständiges Denken und Kritikfähigkeit gefördert werden, statt Wundergläubigkeit und Glaubensgehorsam.

Religion hat seinen berechtigten Platz an der Schule, um sachlich über Religionen aufzuklären. Jugendliche sollen die verschiedenen Weltreligionen, ihre unterschiedlichen Götter und Heilsversprechen kennenlernen. Religionsunterricht sollte aber keine Unterweisung im Glauben einer einzigen Religion sein. Denn der richtige Ort dafür sind die Kirchen und Gotteshäuser, nicht die Schulen. Das gilt insbesondere, solange die Kinder noch klein und gar nicht glaubensmündig sind.

keko# 31.05.2017 11:35

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1307161)
In einer Schule sehe ich das kritischer. Schulen sollten meiner Meinung nach der Wahrheit und humanistischen Grundwerten wie den Menschenrechten und der Würde jedes Menschen verpflichtet sein. Außerdem sollte dort selbständiges Denken und Kritikfähigkeit gefördert werden, statt Wundergläubigkeit und Glaubensgehorsam.

Wie kannst du dann eine kopftuchtragende Lehrerin an einer deutschen, staatlichen Schule tolerieren? In meinen Augen ein offensichtlicher Widerspruch.

aequitas 31.05.2017 11:36

Zitat:

Zitat von keko# (Beitrag 1307158)
Ich kenne mich im Recht nicht aus und vertrete hier wie immer nur meine Meinung.
Fändest du es ok, wenn deine Kinder von kopftuchtragenden Frauen unterrichtet würden und du vor Gericht von eben einer solchen Richterin verurteilt würdest?
Wäre dir das wirklich völlig gleich?

Ich schließe mich hier keko# an!

Ein guter Diskussionsbeitrag erschien schon 2015 beim tagesspiegel:

Kopfhaar als Schamhaar erweist genuin kein autonomes weibliches Selbstbild, sondern den Blick und die Macht der Männer, die für sich selber keine Verhüllungsvorschriften kennen. Individuell mag das Kopftuch ein Zeichen von Glaube, Mode und Privatsache sein. Allgemein bleibt es ein Symbol der Ungleichheit und Unfreiheit.

aequitas 31.05.2017 11:40

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1307161)
In einer Schule sehe ich das kritischer. Schulen sollten meiner Meinung nach der Wahrheit und humanistischen Grundwerten wie den Menschenrechten und der Würde jedes Menschen verpflichtet sein. Außerdem sollte dort selbständiges Denken und Kritikfähigkeit gefördert werden, statt Wundergläubigkeit und Glaubensgehorsam.

Jetzt verstehe ich noch weniger warum du das Hidschāb für Personen im Amt (!) verteidigst.

Das Hidschāb steht diametral zu diesen von dir so hoch gehaltenen Grundwerten. Es stellt noch heute ein Symbol der Unterdrückung und Unfreiheit von Frauen dar.

Klugschnacker 31.05.2017 11:56

Zitat:

Zitat von keko# (Beitrag 1307163)
Wie kannst du dann eine kopftuchtragende Lehrerin an einer deutschen, staatlichen Schule tolerieren? In meinen Augen ein offensichtlicher Widerspruch.

Ich würde das tolerieren, genauso wie ich ein Kruzifix an einer Halskette toleriere. Die Kleidung eines Menschen gehört für mich ins Private, auch wenn die Person eine öffentliche Funktion ausübt.

Bei der Gelegenheit: Warum tolerierst Du an der Schule Deiner Töchter einen Theologen, der sich vor der Klasse über Transhumanismus verbreitet? Wir sind uns vermutlich einig darüber, dass er von Gentechnik, den medizinischen Möglichkeiten der Zukunft, von Informationstechnologie und künstlicher Intelligenz keinen Schimmer hat, jedenfalls nicht mehr als der Hausmeister?

Eine kopftuchtragende Chemielehrerin kann sehr kompetent sein, aber Du willst sie nicht. Die Inkompetenz des Transhumanismus-Religionslehrers macht Dir hingegen nichts aus, und lobst das hohe Niveau seiner Transhumanismus-Unterrichtsstunde. Ist das nicht schräg?
:Blumen: :)

keko# 31.05.2017 12:07

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1307173)
Ich würde das tolerieren, genauso wie ich ein Kruzifix an einer Halskette toleriere. Die Kleidung eines Menschen gehört für mich ins Private, auch wenn die Person eine öffentliche Funktion ausübt.

Ein Kruzifix ist meines Wissens in keinem Land Ausdruck oder Mittel zur Unterdrückung der Frau.
Im Büro muss ich ein Kragenhemd tragen, lange Hose und geschlossene Schuhe. Daheim laufe ich auch mal in Unterhose rum.


Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1307173)
Bei der Gelegenheit: Warum tolerierst Du an der Schule Deiner Töchter einen Theologen, der sich vor der Klasse über Transhumanismus verbreitet? Wir sind uns vermutlich einig darüber, dass er von Gentechnik, den medizinischen Möglichkeiten der Zukunft, von Informationstechnologie und künstlicher Intelligenz keinen Schimmer hat, jedenfalls nicht mehr als der Hausmeister?

Steht im Lehrplan der Oberstufe. Es werden keine technischen Frage behandelt, sondern Fragen, z.B. was es für Folgen hat, würde diese "Menschen" nicht mehr sterben.

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1307173)
Eine kopftuchtragende Chemielehrerin kann sehr kompetent sein, aber Du willst sie nicht. Die Inkompetenz des Transhumanismus-Religionslehrers macht Dir hingegen nichts aus, und lobst das hohe Niveau seiner Transhumanismus-Unterrichtsstunde. Ist das nicht schräg?
:Blumen: :)

Selbstverständlich kann sie sehr kompetent sein. Ohne jeden Zweifel! Nur hat ein Kopftuch in vielen Ländern eine politische Bedeutung. Soll sie sich hinstellen und jeder Klasse sagen "Liebe Kinder, ich bin trotz Kopftuch kompetent, hochtqualifiziert und selbstbewußt. Ich habe mit dem Quatsch nichts zu tun"?
Ich würde sagen: einfach abnehmen und gut ist´s.

aequitas 31.05.2017 12:21

Zitat:

Zitat von keko# (Beitrag 1307176)
Selbstverständlich kann sie sehr kompetent sein. Ohne jeden Zweifel! Nur hat ein Kopftuch in vielen Ländern eine politische Bedeutung. Soll sie sich hinstellen und jeder Klasse sagen "Liebe Kinder, ich bin trotz Kopftuch kompetent, hochtqualifiziert und selbstbewußt. Ich habe mit dem Quatsch nichts zu tun"?
Ich würde sagen: einfach abnehmen und gut ist´s.

Problematisch ist dabei ja auch, dass der Hidschab nicht direkt islamisches Gesetz ist bzw. der Umgang damit verschieden ist - was uns nicht zuletzt die Geschichte gelehrt hat. Die Entscheidung für den Hidschab ist also eine bewusst politische Entscheidung. Gegen die Grundwerte der "westlichen" Welt sowie der Gleichstellung von Mann und Frau. Und damit hat mMn der Hidschab im schulischen Unterricht bzw bei Personen im Amt nichts zu suchen.

Hier in Mannheim erfahre ich immer wieder wie mit muslimischen Schülerinnen umgegangen wird, die sich gegen einen Hidschab tragen. Sie werden verschmäht und beleidigt von den muslimischen Jungs und es entstehen weitere Konflikte auch zwischen den Mädchen. Eine Lehrerin in Hidschab leistet solchen Konflikten Vorschub und steht für eine reaktionäre Ideologie.

Schwarzfahrer 31.05.2017 12:28

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1307095)
Aber ist der Islam in der Geringstellung der Frau nicht vergleichbar mit der Christentum?

Finde ich nicht. Sogar historisch hatten m.M.n. im Christentum Frauen nie so starke Einschränkungen, wie sie heute in den meisten islamischen Ländern haben. Heute ist der Unterschied sogar eklatant.

Zitat:

...bestreiten beide Religionen die Gleichberechtigung und die Gleichwertigkeit der Frau, und zwar nicht nur symbolisch, sondern ganz praktisch und konkret.
Ja, alle monotheistischen Religionen haben ähnliche patriarchalische Grundhaltungen, wie sie auch ihren Anspruch auf universelle Gültigkeit und Ablehung des Andersartigen gemeinsam haben; beides war in der Geschichte Quelle von viel Leid für die Menschheit.

Zitat:

.... Die Bedeckung der weiblichen Haare wird auch im Christentum verlangt. Die Tatsache, dass es nicht mehr praktiziert wird, liegt einfach daran, dass niemand mehr die Bibel liest, während der Koran noch aktiv gelesen wird.
Die Verderbtheit der Frau ist DAS zentrale Element der christlichen Schöpfungslehre -- und nicht nur eine kleine Randerscheinung. Wer nicht tiefgründig überzeugt ist, dass die Frau vom Wesen her schlecht, schwach und verworfen ist, kann sich nicht Christ nennen.
Ich glaube, der Unterschied liegt tiefer, als nur daran, ob man die Bibel liest. Das Christentum hat viele alten Inhalte inzwischen durch die Aufklärung überwunden, heute stehen für die meisten eher grundlegende Ideen von Jesus im Mittelpunkt wie Nächstenliebe und Vergebung. Diese Ideen kennt der Islam und (auch das Judentum) in dieser form und Bedeutung nicht. Dafür wird besonders im Islam die Minderwertigkeit von allem nicht-islamischen stark hervorgehoben - keine gute Basis für ein Miteinander, bestenfalls für ein Nebeneinander. Auch gibt es im Christentum die akzeptierte Trennung von Religion und Staat angelegt ("gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist...") - der Islam hat einen absoluten Anspruch auf alle Lebensbereiche. Das sind Kontraste, die m.M.n. mehr wiegen, als die Parallelen.
Und praktisch und konkret wird heute z.B. die Gleichwertigkeit der Frau von kaum einem christlich geprägten Staat dieser Welt bestritten, während dies in praktisch allen islamischen Ländern nicht akzeptiert wird.


Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1307096)
Mir scheint jedoch, dass wir bei der Kopftuchdebatte mit der falschen Baustelle beschäftigt sind. Statt uns mit Religion auseinanderzusetzen, konzentrieren wir uns auf die sichtbaren Symbole, also ob sie die Hauptsache wären.

die sichtbaren Symbole sind nicht die Hauptsache, aber sie haben große Macht. Wäre es nicht so, würde es sich z.B. nicht mehr lohnen, Hakenkreuz und Hitlergruß zu verbieten, obwohl heute die Bedeutung und Reichweite der entsprechenden Parteien und Ideologien recht gering ist.

keko# 31.05.2017 13:29

"Lehrer: Kleidung als versteckte Botschaft an die Schüler"

http://diepresse.com/home/bildung/sc...n-die-Schueler

Jörn 31.05.2017 17:11

Zitat:

Zitat von keko# (Beitrag 1307176)
Selbstverständlich kann sie sehr kompetent sein. Ohne jeden Zweifel! Nur hat ein Kopftuch in vielen Ländern eine politische Bedeutung. Soll sie sich hinstellen und jeder Klasse sagen "Liebe Kinder, ich bin trotz Kopftuch kompetent, hochtqualifiziert und selbstbewußt. Ich habe mit dem Quatsch nichts zu tun"?
Ich würde sagen: einfach abnehmen und gut ist´s.

Ja, einfach das Kopftuch abnehmen und gut ist's. Aber greift hier nicht Arnes Argument, dass ihre Gesinnung sich dadurch nicht ändert? Und dass die optische Neutralität deswegen nur eine Illusion fördert, die vom eigentlichen Inhalt ablenkt?

Man muss doch die Frage beantworten, ob das Abnehmen des Kopftuchs überhaupt irgendwelche Auswirkungen bei den Gerichtsurteilen haben wird.

Nimm Volker Kauder (CDU, Fraktionsvorsitzender), der mir immer wieder als katholischer Fundamentalist auffällt (nach meinen Maßstäben), und der neutral und staatsmännisch gekleidet ist. Seine Äußerungen und seine politische Einflussnahme sind aber erzkatholisch. Gewählt wurde er aber für eine säkulare, staatlich-neutrale Funktion im Bundestag.

Jörn 31.05.2017 17:30

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1307181)
heute stehen für die meisten eher grundlegende Ideen von Jesus im Mittelpunkt wie Nächstenliebe und Vergebung. Diese Ideen kennt der Islam und (auch das Judentum) in dieser form und Bedeutung nicht.

Vergebung kennt auch das Christentum nicht. Das Gegenteil ist der Fall: Nichts wird vergeben, alles muss auf Heller und Pfennig bezahlt werden. Gott konnte den Menschen eben gerade nicht vergeben. Deswegen musste die Schuld durch den Tod seines eigenen Doppel-Ichs (Jesus) abbezahlt werden.

Wenn Christen sterben, werden ihre kleinen Sünden keineswegs vergeben. Sondern sie müssen exakt so lange ins Fegefeuer (!), bis ihre angesammelte Schuld vollständig beglichen wurde. Pro Sünde sind es 7 Tage im Fegefeuer; das kann eine Weile dauern.

Bestimmte Sünden können überhaupt nie vergeben werden; und falls Du zufällig an den falschen Gott geglaubt hast, dann schmorst Du in der Hölle für alle Zeiten. Vergebung ist ausgeschlossen!

aequitas 31.05.2017 19:02

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1307253)
Ja, einfach das Kopftuch abnehmen und gut ist's. Aber greift hier nicht Arnes Argument, dass ihre Gesinnung sich dadurch nicht ändert? Und dass die optische Neutralität deswegen nur eine Illusion fördert, die vom eigentlichen Inhalt ablenkt?

Klar, das Problem sitzt noch viel tiefer. Nichts desto trotz handelt es sich beim Hidschab um ein politisches Symbol und der damit einhergehenden Forderung der islamischen Gesetze. Passt nicht so ganz, oder?

noam 31.05.2017 19:11

Es ist aber eine absolute Minderheit der Christen, die sich in der öffentlichen Wahrnehmung auf den Wortlaut gerade des alten Testaments berufen.

Politisch sind wir doch über ein Auge um Auge deutlich hinaus. Viel mehr haben sich die westlichen Werte insbesondere in der Wahrnehmung und Position der Frau im Sinne der Gleichberechtigung sehr vom Bibeltext emanzipiert.

Nichtsdestotrotz steht es außer Frage, dass sich viele der sogenannten westlichen Werte aus eben diesen ursprünglichen christlichen Werten und gar dem Wortlaut der Bibel entwickelt haben. Man hat erkannt, dass der Wortlaut einer zeitgeistlichen Interpretation bedarf.

Hier sind wir am Punkt. Der christliche Glaube hat sich entwickelt. Nach diversen Irrwegen wie der Inquisition und dem Ablasshandel und vor allem des Ausnutzen zum Machterhalt des Adels und Klerus ist man soweit, dass man "andere Götter" nämlich die weltliche Welt neben sich duldet. Dies ist im Islam in meiner Wahrnehmung lange nicht der Fall. Gerade wenn ich mir Regionen auf der Welt anschaue, wo Religion (Islam) zielgerichtet eingesetzt wird um gegen Gleichberechtigung und gegen Entwicklung durch Bildung vorzugehen. Dem Islam fehlt es meiner Meinung nach an einer rationalen Aufklärung.


Mir als Beamten ist es verboten sichtbare Tattoos und Piercings zu tragen, da dies dem Bürger eine entsprechende Voreingenommenheit symbolisieren könnte. Ebenso sind mir überbordender Schmuck untersagt. Als Angestellter oder Beamter im öffentlichen Dienst habe ich nach Außen hin politische und vor allem sachliche Neutralität zu wahren und genau dies halte ich beim Tragen von politisch motivierten Symbolen, und nichts anderes ist ein Kopftuch, nicht ein.

Ein kleiner Exkurs in meine tägliche Praxis. Wir werden in aller Regelmäßigkeit zu islamischen Familien (meist durch die Nachbarn) gerufen, da das männliche Familienoberhaut oder dessen Sohn meint seiner Frau, Schwester und Töchtern gegenüber seine Meinung durch körperliche Gewalt zu übertragen. Auch wenn ihr es jetzt klischeehaft abtut. In 99 von 100 Fällen ignoriert hier der Verursacher weibliche Polizistinnen gänzlich und redet nur mit den männlichen Polizisten. Da wir uns als Streifenteam bei der Sachverhaltsaufnahme immer abwechseln, kommt es aber auch schon einmal vor dass er mit der Kollegin sprechen muss. Da erlebt man die interessantesten Sachen. In der Regel endet das damit dass man ihn daran erinnern muss, dass er in Deutschland ist und deutschem Recht untersteht und dieses genauso durch die weibliche Polizei repräsentiert wird. Dann kommt immer schnell die Nazikeule.

Was ich damit sagen möchte. Wegen mir kann jeder machen was er will, aber niemand darf in eine Lage gezwungen werden, in die er sich nicht freiwillig begeben möchte. Und gerade in arabischen Familien werden die Frauen zuhauf unter dem Deckmantel der Religion in eine Lage gezwungen, als der sie allein aus Furcht vor Konsequenzen nicht ausbrechen können/wollen. Und genau für diese Lage ist das Kopftuch/Nikab eine der deutlichsten und mächtigsten Symbole.


Wenn der Islam sich soweit entwickelt hat, dass es tatsächlich die Entscheidung des einzelnen ist, sich zum Glauben zu bekennen und ein Kopftuch zu tragen, dann kann das Kopftuch der Muslima genauso betrachtet werden wie die Kreuzkette des Christen oder der Ordenstracht einer Nonne. Nämlich als Zeichen einer freiwilligen Glaubenszugehörigkeit. Aber derzeit ist es in meiner Wahrnehmung als persönlicher Erfahrung viel mehr ein Zeichen der Unterdrückung und daher im öffentlichen Dienst nicht tragbar.

Klugschnacker 31.05.2017 19:30

Zitat:

Zitat von noam (Beitrag 1307288)
(1) Nichtsdestotrotz steht es außer Frage, dass sich viele der sogenannten westlichen Werte aus eben diesen ursprünglichen christlichen Werten und gar dem Wortlaut der Bibel entwickelt haben. (2) Man hat erkannt, dass der Wortlaut einer zeitgeistlichen Interpretation bedarf.

Ich würde beiden Thesen widersprechen.

Die westlichen Werte wurden gegen den Widerstand der Kirchen erkämpft. Demokratie, Meinungs- und Pressefreiheit, die Gleichstellung von Mann und Frau, die Abschaffung der Sklaverei, Glaubensfreiheit, die Trennung von Staat und Kirche, sexuelle Selbstbestimmung, das Recht, zu heiraten wen man will, die Freiheit der Forschung und Lehre, die Würde gleichgeschlechtlich liebender Menschen. Und so weiter.

Die Interpretation der Bibel ist an Rückständigkeit kaum zu übertreffen. Nichts ist weniger in ihr enthalten als unser Zeitgeist. Man nehme zum Beispiel die alberne Fixierung auf die Jungfräulichkeit der Frau. Oder die Sünde "unreiner Gedanken". Jedes aufgeweckte Schulkind ist heute in der Lage, eine bessere Moral zu entwerfen als die 10 Gebote des Herrn Mose (der freilich eine Erfindung darstellt).

Deine Gedanken zum Kopftuch fand ich bedenkenswert, danke dafür! :Blumen:

Trimichi 31.05.2017 19:39

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1307140)
Zum Kopftuchstreit in der Türkei kennen leider die meisten die Gebräuche in der Türkei nicht und wie diese von Erdogan Zug um Zug verändert wurden. Sogar er schaffte aber das Kopftuchverbot für die Richterinnen, Polizistinnen nicht ab:

"Im September 2013 kündigte der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan an, das Kopftuchverbot für Frauen im Staatsdienst (außer für Richterinnen, Staatsanwältinnen, militärisches Personal und Polizistinnen) zu beenden."

Ist ja gut. Also nocheinmal: wir reden hier über Deutschland, und nicht über die Türkei.

Wie macht ihr das in der Schweiz? Minarettverbot? Aha. Aber sich in CH im Sessel lümmeln und uns hier sagen, das die Richterin Kopftuch tragen kann.

:-((

qbz 31.05.2017 20:12

Zitat:

Zitat von Trimichi (Beitrag 1307295)

Wie macht ihr das in der Schweiz? Minarettverbot? Aha. Aber sich in CH im Sessel lümmeln und uns hier sagen, das die Richterin Kopftuch tragen kann.

:-((

Hi Trimichi, ich lebe als Schweizer Staatsbürger seit 1970 hauptsächlich in Berlin, im Winter manchmal auf den Kanaren und aktuell in der West-Uckermark auf dem Dorf. Ich kann mich nicht erinnern, mich gegen ein Kopftuchverbot bei Richterinnen ausgesprochen zu haben. Im Gericht scheint ja keine Sonne wie bei der Landarbeit, wo eine Kopfbedeckung sinnvoll ist. ;) ;)

Schwarzfahrer 31.05.2017 21:13

[quote=Jörn;1307259]Vergebung kennt auch das Christentum nicht....QUOTE]

Dein Bild vom Christentum scheint mir etwas anders, als was ich von mehreren tief gläubigen Bekannten und Familienmitgliedern erlebt habe, die genau von diesen Werten der Nächstenliebe und Vergebung dominiert waren. Dein militant-düsteres Bild der Sünde und Sühne, wohl vom alten Testament inspiriert, gab es sicher auch schon immer, aber für die meisten geht es weitestgehend nur um die Botschaft von Jesus, in dem eher sanftere Töne vorherrschen. Denke nur an das Vaterunser

Zitat:

Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
oder die Idee mit der "andere Backe hinhalten" - und bibelfestere finden sicher noch viel mehr Belege, als ich Heide.

Jörn 31.05.2017 21:34

Immer die gleiche Ausrede, dass das Alte Testament nicht mehr gelten würde, und dass das Neue Testament eine Botschaft der Liebe wäre.

Ich habe nun wirklich oft genug die aktuellen Stellungnahmen des Vatikans zitiert, in denen klipp und klar festgestellt wird, dass die Bibel in allen ihren Teilen gültig und wahr ist, und dass man beide Teile nicht trennen kann, weil sie nur zusammen einen Sinn ergeben. Wenn Dir das entgangen ist, dann blättere bitte ein paar Seiten zurück. :Liebe: Ich habe es mindestens fünf mal zitiert, verlinkt und erläutert.

Zitat:

Dein militant-düsteres Bild der Sünde und Sühne, wohl vom alten Testament inspiriert, gab es sicher auch schon immer, aber für die meisten geht es weitestgehend nur um die Botschaft von Jesus, in dem eher sanftere Töne vorherrschen.
Du meinst, beim Neuen Testament geht es nicht um Schuld und Sühne? Aha.

Das zentrale Bild vom Neuen Testament ist der gekreuzigte Jesus, der für unsere Sünden starb. Was bitte soll das sein, wenn nicht "Schuld und Sühne"?

Jesus als unser Erlöser sollte uns ja nicht vom Schnupfen erlösen oder vom schlechten Wetter. Sondern er sollte uns von unseren Sünden erlösen. Und der einzige Weg, dies zu erreichen, war der Sühnetod von Jesus, der unsere Schuld bezahlt.

Im Neuen Testament geht es NUR um Schuld und Sühne. Du ziterst als Gegenbeweis das Vaterunser, aber im Vaterunser geht es ja GERADE um unsere Schuld: "...vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern".

Falls jemand einwendet, das Alte Testament wäre speziell bei den Protestanten nicht mehr wichtig: Das Motto des evangelischen Kirchentags 2017 ist ein Zitat aus dem 1. Buch Mose (also Altes Testament). Es ist deswegen völlig eindeutig, ob das Alte Testament noch Gültigkeit für die evangelischen Christen hat.

Zarathustra 01.06.2017 00:01

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1307321)
...
Ich habe nun wirklich oft genug die aktuellen Stellungnahmen des Vatikans zitiert, in denen klipp und klar festgestellt wird, dass die Bibel in allen ihren Teilen gültig und wahr ist, und dass man beide Teile nicht trennen kann, weil sie nur zusammen einen Sinn ergeben.
...

Wenn Du den kath. Katechismus so sehr schätzt, warum berufst Du Dich dann nur so punktuell auf ihn und verschweigst die weiteren darin enthaltenen Hinweise zur Bibelauslegung? Diese könnten vielleicht auch dazu beitragen einige erstaunlich einseitige Interpretationen zu vermeiden.

Da steht auch etwas dazu, wie das Alte Testament aufzufassen ist (z.B:„Obgleich die Bücher des Alten Testamentes auch Unvollkommenes und Zeitbedingtes enthalten...“) und sein Verhältnis zum Neuen T.

Zarathustra 01.06.2017 00:27

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1307294)
...
Die westlichen Werte wurden gegen den Widerstand der Kirchen erkämpft. ...

Die Aussage, daß manche der sogenannten westl. Werte aus Ideen des Christentums hervorgegangen sind (nicht: 1:1 übernommen natürlich!), widerspricht nicht der von Dir angesprochenen Tatsache des Widerstandes der Kirchen.

Jörn 01.06.2017 01:22

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1307352)
Wenn Du den kath. Katechismus so sehr schätzt, warum berufst Du Dich dann nur so punktuell auf ihn und verschweigst die weiteren darin enthaltenen Hinweise zur Bibelauslegung? Diese könnten vielleicht auch dazu beitragen einige erstaunlich einseitige Interpretationen zu vermeiden.

Von mir aus kannst Du gerne den kompletten Katechismus zitieren, falls es Dir widerstrebt, einzelne Punkte herauszugreifen.

Der Katechismus ist allerdings ziemlich umfangreich. Er hat allein 237.154 Querverweise auf diverse Bibelstellen (Stand 1997). Es hat sich daher bewährt, sich auf thematisch relevante Stellen zu beschränken. Ich will Dir natürlich nichts vorschreiben.

Falls Du der Meinung bist, dass noch niemand die Frage nach der Gültigkeit des Alten Testaments untersucht hätte, liegst Du falsch. Dieser Punkt ist eindeutig geklärt. Es ist auch geklärt, wie die Aussagen des Katechismus in dieser Frage zu verstehen sind. Der Papst hat diese Unklarheiten im Dokument "Dei verbum" beseitigt (Kapitel III und IV). Dort steht klipp und klar für jeden verständlich (und verbindlich!) drin, was es bedeutet.

Ergebnis: Das Alte Testament ist in vollem Umfang wahr, gültig und notwendig; und das Neue Testament kann ohne das AT nicht verstanden werden. Das sagt der Papst. Wenn Du eine höhere Autorität als den Papst anführen kannst, dann würde mich interessieren, wer das sein soll.
:Blumen:

Es ergibt sich übrigens auch inhaltlich. Denn ohne die Erbsünde (Altes Testament) wäre ja der Sühnetod von Jesus (Neues Testament) völlig sinnlos. Überhaupt ergibt sich die Idee eines Opfers aus dem Alten Testament. Ohne Opfer kein Jesus.

Du solltest auch den Umstand berücksichtigen, dass für die Autoren des Neuen Testaments noch kein Neues Testament existierte. Paulus, auf dem das Christentum vor allem basiert, kennt noch kein Neues Testament. Er kennt nur das Alte Testament. Insofern sind seine Schriften nur zu verstehen im Lichte des Alten Testaments. Man kann darauf nicht verzichten.

Paulus sagt dauernd: "Gemäß der Schrift". Dabei kann aber nur das Alte Testament gemeint sein, weil es das NT noch nicht gab. Er erläutert also in seinen Briefen das Alte Testament, bringt neue Ideen ein und schafft dadurch die Grundlage für das Neue Testament. Ohne das Alte Testament machen seine Briefe keinen Sinn; diese Briefe sind aber die Basis für das Neue Testament.

Ich frage mich, was alle gegen das Alte Testament einzuwenden haben? Warum will man es los werden? Es sind immerhin die Worte Gottes. Etwas mehr Respekt, bitte!

Klugschnacker 01.06.2017 06:59

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1307355)
Die Aussage, daß manche der sogenannten westl. Werte aus Ideen des Christentums hervorgegangen sind (nicht: 1:1 übernommen natürlich!), widerspricht nicht der von Dir angesprochenen Tatsache des Widerstandes der Kirchen.

Du zielst wohl auf eine klare Unterscheidung ab: Hier das wahre Christentum, dort die Kirchen. Diese Festlegung ist aber historisch und inhaltlich falsch. Das Christentum ist ein Produkt der Kirchen. Ohne die Kirchen gäbe es viele wesentliche christliche Vorstellungen gar nicht.

Jesus von Nazareth war beispielsweise die Dreifaltigkeit, also die Existenz des Heiligen Geistes, unbekannt. Er wurde erst später erfunden, ebenso alles zur "Jungfrau" Maria. Jesus selbst hat nicht besonders gut von ihr gesprochen. In den Beschreibungen der Evangelisten ist Jesus ein Wanderprediger; erst die Kirchen machten nachträglich daraus den Sohn Gottes, an den heute geglaubt wird. Die Bergpredigt, für viele der Kern der christlichen Idee, ist eine freie Erfindung.

Auch die 10 Gebote, die Mose übergeben wurden, sind eine Erfindung. Ich erwähne sie hier, weil für viele Christen diese Gebote einen weiteren Kern der christlichen Botschaft ausmachen. Höchstwahrscheinlich hat es Mose nie gegeben, ebensowenig wie den Auszug des Volkes Israel aus Ägypten. Es gibt in der ägyptischen Mythologie aus dem 13. Jahrhundert vor Christus eine ähnliche Figur, mit einer fast identischen Geschichte. Der Protagonist dort heißt "Mase", und von dort ist die Moses-Geschichte abgeschrieben und ausgeschmückt.

Die Bibel selbst ist, wie Du natürlich weißt, eine Sammlung vieler Schriften von zahlreichen Autoren. Es waren ursprünglich so viele unterschiedliche Schriften, dass die Kirche irgendwann festlegte, welche dieser Schriften künftig zur Bibel zählen sollen und welche nicht. Die Bibel hat sich also inhaltlich mehrmals geändert; manches flog raus, anderes kam hinzu. Was zuvor als Wort Gottes galt, konnte fortan Ketzerei sein. Die Bibel ist demnach ebenfalls ein Produkt der Kirchen. Die Kirchen haben ausgewählt, welche Ideen sie enthalten soll, und welche nicht.

Wie willst Du da vom wahren Christentum einerseits, und den Kirchen andererseits sprechen? Selbst die Bibel ist ein Produkt der Kirche. Mitsamt der erfundenen Mose-Geschichte mit den 10 Geboten und der erfundenen Bergpredigt.

keko# 01.06.2017 07:30

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1307253)
Ja, einfach das Kopftuch abnehmen und gut ist's. Aber greift hier nicht Arnes Argument, dass ihre Gesinnung sich dadurch nicht ändert? Und dass die optische Neutralität deswegen nur eine Illusion fördert, die vom eigentlichen Inhalt ablenkt?

Der (fiktiven) 50jährigen Lehrerin, die mit Kopftuch unterrichtet, ist wahrscheinlich nicht mehr zu helfen. Sie ist durch. Es geht mir in dem Fall auch gar nicht um sie, sondern um die Schüler, die sie unterrichtet und das Kopftuch sehr wohl wahrnehmen.

Klugschnacker 01.06.2017 07:50

Gesetz über das Bundesverfassungsgericht
(1) Die Richter des Bundesverfassungsgerichts leisten bei Antritt ihres Amtes vor dem Bundespräsidenten folgenden Eid:
"Ich schwöre, daß ich als gerechter Richter allezeit das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland getreulich wahren und meine richterlichen Pflichten gegenüber jedermann gewissenhaft erfüllen werde. So wahr mir Gott helfe."
(2) Bekennt sich der Richter zu einer Religionsgemeinschaft, deren Angehörigen das Gesetz die Verwendung einer anderen Beteuerungsformel gestattet, so kann er diese gebrauchen.
Dieses Gesetzt besagt also klipp und klar, dass ein Richter des Bundesverfassungsgerichts seinen Amtseid ablegen kann mit der Beteuerung "so wahr mir Allah helfe".

Trimichi 01.06.2017 08:14

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1307371)
Gesetz über das Bundesverfassungsgericht
(1) Die Richter des Bundesverfassungsgerichts leisten bei Antritt ihres Amtes vor dem Bundespräsidenten folgenden Eid:
"Ich schwöre, daß ich als gerechter Richter allezeit das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland getreulich wahren und meine richterlichen Pflichten gegenüber jedermann gewissenhaft erfüllen werde. So wahr mir Gott helfe."
(2) Bekennt sich der Richter zu einer Religionsgemeinschaft, deren Angehörigen das Gesetz die Verwendung einer anderen Beteuerungsformel gestattet, so kann er diese gebrauchen.
Dieses Gesetzt besagt also klipp und klar, dass ein Richter des Bundesverfassungsgerichts seinen Amtseid ablegen kann mit der Beteuerung "so wahr mir Allah helfe".

Meintest du Besteuerungsformel?

Die Sache hat nur den Haken, dass im Gesetz, nicht das Wort Allah, sondern Gott steht.

Herr Ober! Man spricht Deutsch. Denn sonst könnte man ja dann gleich dazu übergehen, den Amtseid in Arabisch auszusprechen.

So ein alberner. Alberner Arne. Also echt. Solltest schon mal den Fakt anerkennen, dass der Amtseid in Deutsch geleistet wird. :Blumen:

*Bitte das nächste Mal den Quellennachweis beisteuern ;)

tandem65 01.06.2017 09:13

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1307359)
Ergebnis: Das Alte Testament ist in vollem Umfang wahr, gültig und notwendig; und das Neue Testament kann ohne das AT nicht verstanden werden.

In genau diesem Punkt kann ich Dir voll Und ganz zustimmen. Das ist allerdings auch schon alles.

noam 01.06.2017 09:26

@Jörn und Arne:
Ihr habt im Bezug auf fundamentalistische Christen sicherlich recht, aber davon gibt es doch kaum welche. Es gibt doch viel mehr die, die ein gewissen Grundwissen über den Glauben über ihre Familie und Kirchenzugehörigkeit erworben haben und sich danach soweit es ihnen passt richten und wenn s ihnen nicht passt sich davon emanzipieren.

Ich komme ja nun aus dem Emsland. Dort ist es so schwarz und katholisch, dass man sogar tagsüber mit Licht fahren muss, um was zu sehen. Ich war als kleiner Junge Messdiener. Nicht aus Überzeugung, sondern es ergab sich einfach so. Es hat mir eine gewisse Zeit Spaß gemacht. Dann kam es irgendwann zu Terminkonflikten mit dem Schwimmen. Und ich war kein Messdiener mehr sondern bin Sonntags auf Wettkämpfe gefahren anstatt in der Kirche herumzulungern. Es war meine eigene Entscheidung als 13 jähriger Junge. Es hatte keinerlei negative Konsequenzen für mich, weder gesellschaftlich noch persönlich.

Jetzt nimm eine Muslima, die sich entscheidet ihrem Glauben zu entsagen und aus dem Korsett auszubrechen. Dazu nimmt sie dann das Kopftuch ab. Somit ist für jeden sichtbar, dass sie dem Glauben entsagt hat. Glaubst ihr wirklich, dass eine Frau in einem islamisch geprägten Kulturkreis zB in Saudi Arabien oder Duisburg Marxloh keine negativen Konsequenzen zu befürchten hat. Ich glaube sehr wohl. Das Thema Ehrenmorde ist ja nur das bekannteste.


Was ich damit sagen möchte, ihr vergleicht das fundamentalistische Christentum wie es der Vatikan prädigt, aber in der Lebensrealität deutlich weniger eng gelebt wird, mit einem Islam, der tatsächlich so fundamentalistisch gelebt wird. Man vergleiche einfach mal die christliche Fastenzeit mit dem Ramadan.

waden 01.06.2017 09:36

Zitat:

Zitat von noam (Beitrag 1307392)
Was ich damit sagen möchte, ihr vergleicht das fundamentalistische Christentum wie es der Vatikan prädigt, aber in der Lebensrealität deutlich weniger eng gelebt wird, mit einem Islam, der tatsächlich so fundamentalistisch gelebt wird. Man vergleiche einfach mal die christliche Fastenzeit mit dem Ramadan.

Das finde ich sehr treffend. Auch hier in München ist es für Mädchen eine Riesensache, das Kopftuch abzusetzen, wenn sie aus Familien kommen, in denen das Tragen üblich ist. Es gilt als unrein, kein Kopftuch zu tragen. Insofern ist es keine Privatsache, sondern eine Stellungnahme, wer zu den Guten und wer zu den Schlechten gehört.

captainbeefheart 01.06.2017 09:46

Zitat:

Zitat von noam (Beitrag 1307392)
@Jörn und Arne:
Ihr habt im Bezug auf fundamentalistische Christen sicherlich recht, aber davon gibt es doch kaum welche. Es gibt doch viel mehr die, die ein gewissen Grundwissen über den Glauben über ihre Familie und Kirchenzugehörigkeit erworben haben und sich danach soweit es ihnen passt richten und wenn s ihnen nicht passt sich davon emanzipieren.

Da stimme ich Dir zu, noam.

Selbst in der recht streng katholisch geprägten Lebenspraxis (z.B. im tiefsten Oberbayern) wird weder das Bibelwort, noch die "Anweisungen" der Institution Kirche eng ausgelegt. Und wenn sich der Vatikan noch so sehr ins Zeug legt und Jörn und Arne sich daran abarbeiten. Die Lebenspraxis ist nicht fundamentalistisch. Gottseidank.

Zarathustra 01.06.2017 10:47

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1307365)
Du zielst wohl auf eine klare Unterscheidung ab: Hier das wahre Christentum, dort die Kirchen. ...

Nein, darauf ziele ich nicht speziell ab.

Mir geht es um diese Unterscheidung: die in den Lehren des Christentums angelegten Ideen einerseits und andererseits deren historische Ausgestaltung und Verwirklichung.

Zarathustra 01.06.2017 10:58

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1307359)
...
das Neue Testament kann ohne das AT nicht verstanden werden.
...

Dagegen habe ich gar nichts einzuwenden.
___

Zitat aus dem von Dir erwähnten Dei Verbum:

„Da Gott in der Heiligen Schrift durch Menschen nach Menschenart gesprochen hat (6), muß der Schrifterklärer, um zu erfassen, was Gott uns mitteilen wollte, sorgfältig erforschen, was die heiligen Schriftsteller wirklich zu sagen beabsichtigten und was Gott mit ihren Worten kundtun wollte. [...]
Da die Heilige Schrift in dem Geist gelesen und ausgelegt werden muß, in dem sie geschrieben wurde (9), erfordert die rechte Ermittlung des Sinnes der heiligen Texte, daß man mit nicht geringerer Sorgfalt auf den Inhalt und die Einheit der ganzen Schrift achtet [...]“

Die Frage nach Wahrheit und Gültigkeit eines Textes, ist eine andere als die nach dessen Sinn und Bedeutung.

Klugschnacker 01.06.2017 11:17

Zitat:

Zitat von captainbeefheart (Beitrag 1307397)
Da stimme ich Dir zu, noam.

Selbst in der recht streng katholisch geprägten Lebenspraxis (z.B. im tiefsten Oberbayern) wird weder das Bibelwort, noch die "Anweisungen" der Institution Kirche eng ausgelegt. Und wenn sich der Vatikan noch so sehr ins Zeug legt und Jörn und Arne sich daran abarbeiten. Die Lebenspraxis ist nicht fundamentalistisch. Gottseidank.

Hier die Statistik der Kirchenaustritte in Bayern. Zwischen 30.000 und 60.000 in jedem Jahr seit den Neunzigern.


tandem65 01.06.2017 11:34

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1307429)
Hier die Statistik der Kirchenaustritte in Bayern. Zwischen 30.000 und 60.000 in jedem Jahr seit den Neunzigern.

Will uns jetzt was mitteilen in Bezug auf den Post von captainbeefheart?

noam 01.06.2017 12:07

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1307429)
Hier die Statistik der Kirchenaustritte in Bayern. Zwischen 30.000 und 60.000 in jedem Jahr seit den Neunzigern.

Aber ob ich einer Kirche angehöre oder nicht, sagt doch rein gar nichts über meinen Glauben aus. Die Eltern meiner Freundin haben nicht nie einer Kirche angehört, bezeichnen sich allerdings sehr wohl als Christen. Auch spielt der Glaube in ihrem Leben eine deutlich größere Rolle als in meiner Familie, wo alle auf dem Papier katholisch sind, viele als Kinder Messdiener waren, usw.

captainbeefheart 01.06.2017 13:49

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1307429)
Hier die Statistik der Kirchenaustritte in Bayern. Zwischen 30.000 und 60.000 in jedem Jahr seit den Neunzigern.


Du würdest wahrscheinlich antworten: Na und?

Wir können in Deutschland seit den sechziger Jahren einen Wertewandel (z.B. Klages) beobachten, der sich u.a. auch in der Abnahme des Organisationsgrades von Menschen und der stärkeren Individualisierung äußert. Die Kirchen sind dabei in bester Gesellschaft: Parteien, Gewerkschaften, Vereine etc.

Dennoch ist - und das ist die Lebenspraxis hier - der Anteil der Christen in Deutschland bei ca. 60% bzw. 56% in den beiden großen Kirchen. Das zeigt, dass die Bedeutung dieser Gruppe allein aus der schieren Größe auch eine gewisse gesellschaftliche Berechtigung hat.

Natürlich gibt es in dieser zahlenmäßig riesigen Gruppe entsprechend unterschiedliche Sub-Systeme. Diejenigen, die sich an einer historisch angemessenen Einordnung des Bibeltextes und einer aktuellen Interpretation des Sinns (jeweils unabhängig von irgendwelchen Verlautbarungen des Vatikans dazu) orientieren, dürften keine Minderheit sein. Mit diesen Menschen leben wir meistens ganz wunderbar zusammen.

Gleichzeitig bewundere ich Deine und Jörn's Robin-Hood-Mentalität mit der Ihr die wortwörtliche Bibelauslegung bis zum letzten Punkt und Komma in einem Triathlonforum bekämpft.

Jörn 01.06.2017 14:27

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1307422)
Dagegen habe ich gar nichts einzuwenden.
___

Zitat aus dem von Dir erwähnten Dei Verbum:

„Da Gott in der Heiligen Schrift durch Menschen nach Menschenart gesprochen hat (6), muß der Schrifterklärer, um zu erfassen, was Gott uns mitteilen wollte, sorgfältig erforschen, was die heiligen Schriftsteller wirklich zu sagen beabsichtigten und was Gott mit ihren Worten kundtun wollte. [...]
Da die Heilige Schrift in dem Geist gelesen und ausgelegt werden muß, in dem sie geschrieben wurde (9), erfordert die rechte Ermittlung des Sinnes der heiligen Texte, daß man mit nicht geringerer Sorgfalt auf den Inhalt und die Einheit der ganzen Schrift achtet [...]“

Die Frage nach Wahrheit und Gültigkeit eines Textes, ist eine andere als die nach dessen Sinn und Bedeutung.

Du suggerierst zum wiederholten Male, ich würde die Bibel rein wörtlich verstehen und den Kontext ignorieren; dabei gebe ich mir große Mühe, den Kontext zu erläutern. Deswegen sind meine Postings mitunter recht lang. Ich beschreibe, wie die damals verwendeten Begriffe heute zu verstehen sind, welcher historische und religiöse Zusammenhang bestand, und so weiter.

Die daraus resultierende Auslegung deckt sich meist mit der Auslegung des Vatikans oder anderer Experten. Denn es gibt höchst umfangreiche Literatur darüber, wie die Bibel auszulegen sei, und warum.

Ich wäre Dir also sehr dankbar, wenn Du den Vorwurf nicht weiter wiederholen würdest, ich würde plump aus der Bibel zitieren, ohne den Kontext zu berücksichtigen.

Du unterliegst einem weit verbreiteten Irrtum, die Auslegung der Bibel führe dazu, dass ein X plötzlich U bedeutet. Das ist nicht der Fall.

:Blumen:

waden 01.06.2017 14:39

Zitat:

Zitat von captainbeefheart (Beitrag 1307450)
Du würdest wahrscheinlich antworten: Na und?

Wir können in Deutschland seit den sechziger Jahren einen Wertewandel (z.B. Klages) beobachten ,...

Gleichzeitig bewundere ich Deine und Jörn's Robin-Hood-Mentalität mit der Ihr die wortwörtliche Bibelauslegung bis zum letzten Punkt und Komma in einem Triathlonforum bekämpft.

Wenn man sich den Anteil der Kreationisten in den USA (je nach Quelle 40-50%) ansieht (zB http://www.spiegel.de/wissenschaft/n...a-953951.html), muss man die gesellschaftliche Relevanz einer wörtlichen Bibelauslegung auch für Deutschland schon anerkennen.

Die Wellness-Einstellung, sich aus der Bibel auswählen zu können, was zum eigenen Welt- und Wertebild passt, führt häufig zur irrtümlichen Annahme, auch Gläubige anderswo seien so säkular orientiert. Die Einstellung, einen streng dogmatischen Text grundsätzlich zu akzeptieren, dann aber alles mögliche davon nicht ernstzunehmen, wird von vielen anderen Gläubigen weltweit nicht geteilt.

Für Deutschland relevant ist das auch, weil man dann im Rahmen der Religonsfreiheit lieber die Trennung von Kirche und Staat ignoriert und Kruzifixe in Amtsstuben und Klassenzimmern hängen lässt, ehe man anderen Religionen ihre diskriminierenden (zB Frauen-/Homosexuellenrechte), tierquälenden (zB Schächten), kinderverstümmelnden (zB Beschneidung) Rituale verbietet.

Jörn 01.06.2017 14:40

Zitat:

Zitat von captainbeefheart (Beitrag 1307450)
Diejenigen, die sich an einer historisch angemessenen Einordnung des Bibeltextes und einer aktuellen Interpretation des Sinns (jeweils unabhängig von irgendwelchen Verlautbarungen des Vatikans dazu) orientieren, dürften keine Minderheit sein. Mit diesen Menschen leben wir meistens ganz wunderbar zusammen.

Gleichzeitig bewundere ich Deine und Jörn's Robin-Hood-Mentalität mit der Ihr die wortwörtliche Bibelauslegung bis zum letzten Punkt und Komma in einem Triathlonforum bekämpft.

Niemand hat die wortwörtliche Auslegung der Bibel verfochten. Das ist eine Scheindebatte, die an den tatsächlich vorgebrachten Argumenten vorbei geht.

Die Anzahl der Deutschen, die irgendeine halbwegs brauchbare Bibelkenntnis haben, schätze ich unter 1%. Den meisten Gläubigen ist es vermutlich aufgrund ihres Glaubens nicht vermittelbar, wie die Bibel zustande kam und welche historischen Zusammenhänge ihr zugrunde liegen. Von den Kirchen und vom Religionsunterricht werden sie in diesen Punkten nicht angemessen informiert. Das Resultat ist ein Kinderglaube, der in einer aufgeklärten Debatte über die Bibel nicht hilfreich ist.

noam 01.06.2017 14:49

Zitat:

Zitat von waden (Beitrag 1307466)
Für Deutschland relevant ist das auch, weil man dann im Rahmen der Religonsfreiheit lieber die Trennung von Kirche und Staat ignoriert und Kruzifixe in Amtsstuben und Klassenzimmern hängen lässt, ehe man anderen Religionen ihre diskriminierenden (zB Frauen-/Homosexuellenrechte), tierquälenden (zB Schächten), kinderverstümmelnden (zB Beschneidung) Rituale verbietet.

Ganz ehrlich, ich kann dir nicht einmal sagen, ob in meiner Heimatdienststelle irgendwo ein Kreuz hängt. Ich wage es allerdings zu bezweifeln. Und ich denke, es geht den meisten meiner Kollegen genauso. Denn es ist ihnen schlicht egal.

Das man aus falsch verstandener Rücksicht auf Religionsfreiheit, Tierquälerei, Kindesbescheinugen, usw erlaubt, finde ich auch nicht richtig.

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1307467)
Die Anzahl der Deutschen, die irgendeine halbwegs brauchbare Bibelkenntnis haben, schätze ich unter 1%. Den meisten Gläubigen ist es vermutlich aufgrund ihres Glaubens nicht vermittelbar, wie die Bibel zustande kam und welche historischen Zusammenhänge ihr zugrunde liegen. Von den Kirchen und vom Religionsunterricht werden sie in diesen Punkten nicht angemessen informiert. Das Resultat ist ein Kinderglaube, der in einer aufgeklärten Debatte über die Bibel nicht hilfreich ist.

Das ist sehr treffend formuliert. Darüber hinaus emanzipieren sich auch 99% der anderen "Gläubigen" vom erlernten Kinderglauben und erlernen ihren ganz eigenen Wertekanon, der sich zumeist im Rahmen unserer Gesetzgebung wiederfindet.

captainbeefheart 01.06.2017 14:53

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1307467)
Das Resultat ist ein Kinderglaube, der in einer aufgeklärten Debatte über die Bibel nicht hilfreich ist.

Deshalb bin ich ja froh, dass es so kluge und aufrechte Kämpfer wie Dich gibt, die dafür sorgen, dass ein aufgeklärter Umgang damit stattfindet und wir insgesamt erwachsener werden.


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