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Vicky 13.05.2017 12:08

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1304578)
Ich zitiere aus Christian Starck (Prof. em. für Öffentl. Recht; Richter am Staatsgerichtshof i.R.), Der demokratische Verfassungsstaat (1995), S.193:

„B. Geistige Grundlagen der Menschenwürde
I. Antike und Christentum

Das in der Menschenwürdegarantie zum Ausdruck kommende Menschenbild ist entwicklungsgeschichtlich aufs engste mit dem Christentum verbunden, [...]. Die Grundlage für die besondere Würde jedes Menschen ist nach dem Alten und dem Neuen Testament der Umstand, daß der Mensch als Ebenbild Gottes geschaffen ist [...]. Daraus erwächst ihm auf Erden unverfügbarer Eigenwert, [...].“

Da bin ich anderer Meinung, denn der Menschenrechtsbegriff im GG ist ein rechtsphilosophischer Begriff und von dem der "Würde" zu unterscheiden.

Ich bin jedoch erst einmal unterwegs und antworte (wenn ich Zeit habe) später darauf.

Zarathustra 13.05.2017 12:10

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1304575)
... Es ist doch merkwürdig, dass es heißt, "Du sollst nicht töten", während es in der Bibel von Mord und Totschlag nur so wimmelt.

Es soll auch außer der Bibel Bücher geben, die enthalten Negativbeispiele, Warnungen und Ähnliches. Wer sagt denn, daß jede Geschichte eine Empfehlung ist sich die darin handelnden Personen genau so zum Vorbild zu nehmen?

Darum: Auslegung!

Vicky 13.05.2017 12:49

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1304580)

Darum: Auslegung!

... kurz bevor ich weg bin...

Ich habe noch nicht verstanden, wie weit Deine Auslegungsregeln gehen. Auch die Auslegung als solche unterliegt ja gewissen Regeln und Grenzen. Wäre dem nicht so, könnte man immer alles überall hinein interpretieren und käme niemals auf einen gemeinsamen Nenner...

...

Klugschnacker 13.05.2017 13:38

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1304580)
Es soll auch außer der Bibel Bücher geben, die enthalten Negativbeispiele, Warnungen und Ähnliches. Wer sagt denn, daß jede Geschichte eine Empfehlung ist sich die darin handelnden Personen genau so zum Vorbild zu nehmen?

5. Mose 20, 10-18, Tipps für Angriffskriege gegen fremde Städte und Dörfer:
10 Wenn du vor eine Stadt ziehst, um sie anzugreifen, dann sollst du ihr zunächst eine friedliche Einigung vorschlagen.

11 Nimmt sie die friedliche Einigung an und öffnet dir die Tore, dann soll die gesamte Bevölkerung, die du dort vorfindest, zum Frondienst verpflichtet und dir untertan sein.

12 Lehnt sie eine friedliche Einigung mit dir ab und will sich mit dir im Kampf messen, dann darfst du sie belagern.

13 Wenn der Herr, dein Gott, sie in deine Gewalt gibt, sollst du alle männlichen Personen mit scharfem Schwert erschlagen.

14 Die Frauen aber, die Kinder und Greise, das Vieh und alles, was sich sonst in der Stadt befindet, alles, was sich darin plündern lässt, darfst du dir als Beute nehmen. Was du bei deinen Feinden geplündert hast, darfst du verzehren; denn der Herr, dein Gott, hat es dir geschenkt.

15 So sollst du mit allen Städten verfahren, die sehr weit von dir entfernt liegen und nicht zu den Städten dieser Völker hier gehören.

16 Aus den Städten dieser Völker jedoch, die der Herr, dein Gott, dir als Erbbesitz gibt, darfst du nichts, was Atem hat, am Leben lassen.

17 Vielmehr sollst du die Hetiter und Amoriter, Kanaaniter und Perisiter, Hiwiter und Jebusiter der Vernichtung weihen, so wie es der Herr, dein Gott, dir zur Pflicht gemacht hat,

18 damit sie euch nicht lehren, alle Gräuel nachzuahmen, die sie begingen, wenn sie ihren Göttern dienten, und ihr nicht gegen den Herrn, euren Gott, sündigt.
Es geht hier um konkrete Verhaltenstipps für Angriffskriege. Warum soll alles getötet werden, was Atem hat, ausdrücklich auch die Kinder? Das steht im letzten Satz: Damit die Besiegten ihre religiösen Bräuche nicht weiter ausüben können.

Bist Du ernsthaft der Meinung, dass es sich hier um ein Negativbeispiel handelt, welches ausdrückt, wie man sich gerade nicht verhalten soll?
:8/

Zarathustra 13.05.2017 15:13

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1304590)
...

Bist Du ernsthaft der Meinung, dass es sich hier um ein Negativbeispiel handelt, welches ausdrückt, wie man sich gerade nicht verhalten soll?
:8/

Ok, ich lasse mich auf das Spiel ein. Ohne den genauen Kontext zu kennen, beschreibt die Stelle für mich einige zu den damaligen Umständen wohl als angemessen erachtete, pragmatische Regeln der Kriegsführung.

Ich lese darin keine Aufforderung irgendetwas davon heute genauso nachzuahmen und halte es für ausgesprochen albern, wenn jemand das so interpretieren will.

Trimichi 13.05.2017 15:31

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1304575)
Mich hätte Dein Kommentar durchaus interessiert.

Gerade deshalb, weil Jörn sich nicht auf die 10 Gebote beschränkt. Die Bibel besteht nicht nur aus den 10 Geboten, sondern aus sehr viel mehr. Die 10 Gebote gelten meiner unmaßgeblichen Meinung nach überall auf der Welt in allen größeren Gesellschaften und sind wirklich nichts Besonderes. Es lohnt sich aus meiner Laiensicht durchaus, auch den Rest der Bibel einzubeziehen. Es ist doch merkwürdig, dass es heißt, "Du sollst nicht töten", während es in der Bibel von Mord und Totschlag nur so wimmelt.

Soweit ich mich erinnern kann habe ich geschrieben, dass nicht alles in der Bibel schlecht ist, sondern eben auch viele gute Worte in der Bibel stehen. Als Beispiel hatte ich die 10 Gebote genannt, mit dem Querverweise auf einen Parallelthread, wo ein Fori (ungleich ich) den Bogen zu Art. 1 GG gespannt hat. Der Subsumption hatte ich im Parallelthread zugestimmt. Danke für das Verständnis Arne:Blumen:

Vicky, du hattest gefragt was man/ich unter Würde verstehe? Ich denke, Respekt trifft es ganz gut. Man kann versuchen die Absicht und das große Ganze hinter den Worten (eines Posts) zu verstehen oder aus jeder Silbe einen Strick drehen. Letzteres kann jeder. Dafür braucht man nicht Jura studiert haben oder BGH-Urteile bemühen. Ich bin nach wie vor nicht der Meinung das gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften Kinder adoptieren dürfen.

Mal was anderes zwischen rein gefragt:
Wann ist eigentlich die Streckenbesichtigung in R? Pfingsten. Machen wir da Bibelstunde? Wobei, Max und Moritz hat mir auch schon gereicht. :)
Wo treffen wir uns? Gerne auch pN.


Arne, bitte, es ist schwierig die Bibel als Ganzes zu verstehen. Hier in der Nachbargemeinde findet derzeit ein Bibelmarathon statt. Start war am Mittwoch und Ende wird am Sonntag sein. Die Bibel wird also just eben - von Anfang bis Ende - in einer Kirche vorgelesen. Ehrlich gesagt hat mich der Bibel-MRT nicht interessiert. Es ist imho eine Frage des Charakters welche Stellen man sich aus der Bibel heraussucht.


Liebe deinen Nächsten wie dich selbst ist das höchste Gebot. Es steht so explizit im Neuen Testament und nicht im Alten Testament. Und wer sich selbst nicht liebt? Wie kann so jemand dann andere lieben? Allerdings hat Gott alle seine Kinder lieb, auch diejenigen, die gerne Krieg führen, abschlachten, metzeln usw., ganz besonders natürlich die Israelis :Blumen:

Amen.

Zarathustra 13.05.2017 15:34

Zitat:

Zitat von Vicky (Beitrag 1304586)
... Deine Auslegungsregeln
...

Es geht mir gar nicht so sehr darum, hier bestimmte Auslegungsregeln zu vertreten. Vielmehr weise ich darauf hin, daß, was hier häufig präsentiert wird, nach dem Motto „Aha! Erwischt!“, nicht den geringsten Anforderungen einer akzeptablen Auslegungsweise genügt.

Man könnte z.B. hier anfangen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Prinzi...Interpretation

Wir sind nicht die Ersten, denen Widersprüchliches, Unwahres oder Unzeitgemäßes auffallen. Nachzulesen z.B. schon zu Beginn des 12.Jhd. bei: Petrus Abaelardus - Sic et Non.

Klugschnacker 13.05.2017 15:37

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1304597)
Ok, ich lasse mich auf das Spiel ein. Ohne den genauen Kontext zu kennen, beschreibt die Stelle für mich einige zu den damaligen Umständen wohl als angemessen erachtete, pragmatische Regeln der Kriegsführung.

Ich lese darin keine Aufforderung irgendetwas davon heute genauso nachzuahmen und halte es für ausgesprochen albern, wenn jemand das so interpretieren will.

Du sagst, die Bibelstelle sei der damaligen Zeit und den Umständen geschuldet. Aber kann man das nicht immer sagen? Zum Beispiel bei der Sklavenhaltung, die ebenfalls der Zeit und den Umständen entsprach. Wenn jeweils die Zeit und die Umstände eine Rechtfertigung darstellen, wozu brauchen wir dann die Bibel? Die in ihr überbrachten Botschaften Gottes sollen doch gerade universell gelten. Das ist doch der Kern ihrer Relevanz.

Mich führt das auf diesen Punkt: Siehst Du in den Texten eine göttliche Inspiration, ein göttliches Wissen, welches Gott uns durch die Bibel mitteilt?

(Bitte fühle Dich nicht persönlich angegriffen, denn so ist es nicht gemeint).
:Blumen:

Jörn 13.05.2017 16:22

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1304597)
Ok, ich lasse mich auf das Spiel ein. Ohne den genauen Kontext zu kennen, beschreibt die Stelle für mich einige zu den damaligen Umständen wohl als angemessen erachtete, pragmatische Regeln der Kriegsführung.

Willst Du damit sagen, dass es eine Zeit gab, zu der ein Völkermord (Männer, Frauen, Kinder, sogar Vieh) die bestmögliche Handlung war, und die deswegen für einen allmächtigen, allwissenden und allgütigen Gott alternativlos war? Und die deswegen nicht nur den Rang einer Kriegslist hatte, sondern den Rang eines moralischen Gebots?

Wer hat zur damaligen Zeit besser gehandelt: Jemand, der das Gesetz befolgte; oder jemand, der es nicht befolgte? Nehmen wir an, ich hätte eine einzige Familie am Leben gelassen. Hätte ich dann schlechter oder besser gehandelt?

Hätte Gott das Gesetz praktisch ohne Mühe verbessern können, selbst mit geringen Änderungen?

Jörn 13.05.2017 16:40

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1304578)
Das in der Menschenwürdegarantie zum Ausdruck kommende Menschenbild ist entwicklungsgeschichtlich aufs engste mit dem Christentum verbunden, [...]. Die Grundlage für die besondere Würde jedes Menschen ist nach dem Alten und dem Neuen Testament der Umstand, daß der Mensch als Ebenbild Gottes geschaffen ist [...]. Daraus erwächst ihm auf Erden unverfügbarer Eigenwert, [...].“

Ist das nicht ein rhetorischer Trick?

Es spielt für das Grundgesetz keine Rolle, woher die Würde kommt. Man kann sie aus dem Christentum ebenso ableiten wie aus dem Judentum, dem Islam, dem Buddhismus, dem Hinduismus, der Wissenschaft, der Esoterik, der Meinung meiner Großmutter oder aus meiner vollständigen Sammlung aller je erschienenen Fix-und-Foxi-Hefte.

Der Sinn des Grundgesetzes ist nicht, die Herkunft der Würde festzulegen, sondern dessen Unverletzlichkeit zu garantieren. Es geht also nur sekundär um die Menschenwürde; primär geht es um eine rechtliche Garantie eines Rechtsguts: Es geht um die Unveräußerlichkeit.

Der Inhalt des Grundgesetzes ist nicht: Es gibt Menschenwürde. Das alleine würde nicht verhindern, dass man sie auch verweigern könnte. Beispielsweise erwähnt das Grundgesetz auch Freiheitsrechte; behält sich aber das Recht vor, diese zu beschneiden. Etwa im Falle einer Gefängnissstrafe.

Der Sinn von 1 GG ist die Unveräußerlichkeit.

Und diese Unveräußerlichkeit gibt es in der Bibel gerade nicht. Das ist ja der Witz und die Botschaft der Bibel: Wehe Dir, wenn Du mir missfällst! Dann werde ich Dir alles nehmen, auch Deine Würde!

Es ist also völlig irrelevant, ob jemand aus der Genesis-Geschichte ableitet, dass wir Menschen vom Schöpfer zu seinem Ebenbilde geschaffen wurden. Der entscheidende Punkt ist die Unveräußerlichkeit.

Übrigens rate ich dazu, die Bücher eines angeblichen "Wissenschaftlers", der sich auf die Genesis (!!!) bezieht (und dort auf Adam und Eva!), bei nächster Gelegenheit in den Papiermüll zu geben und das Bücherregal anschließend zu desinfizieren.

Jörn 13.05.2017 17:07

Zitat:

Zitat von Trimichi (Beitrag 1304600)
Liebe deinen Nächsten wie dich selbst ist das höchste Gebot. Es steht so explizit im Neuen Testament und nicht im Alten Testament.

Da liegst Du falsch. Das Gebot der Nächstenliebe stammt aus dem 3. Buch Mose:
3. Mose 19, 18

Du sollst dich nicht rächen noch Zorn bewahren gegen die Kinder deines Volks. Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst; ich bin der HERR.
Dieses Gebot ist natürlich keine Erfindung von Moses (bzw. den Autoren dieser Figur). Es gibt ältere Quellen, aus denen die Bibel immer wieder schöpft; meist aus dem ägyptischen oder babylonischen Fundus.

Im Neuen Testament wird es lediglich wiederholt. Die Wellness-Christen glauben, dies sei die große Errungenschaft von Jesus gewesen, aber das ist ein Irrtum. Jesus betont gleich in den darauf anschließenden Versen, dass die Nächstenliebe nicht gilt für jene, die gegen den Glauben verstoßen; denn diese Menschen sollen bestraft, ermordet oder in der Hölle gebraten werden. Diese fiesen Verse werden in der Sonntagspredigt natürlich weggelassen. Es ergibt sich so der Eindruck, man solle "alle Menschen" lieben, aber das ist falsch.

Bitte beachte die Formulierung des obigen Mose-Zitats. Dort ist ausdrücklich vom eigenen Volk die Rede ("die Kinder Deines Volks" - gemeint sind alle Nachkommen eines Stammvaters, also auch Erwachsene). Im religiösen Sinn bedeutet es: die Mitglieder der Glaubensgemeinschaft. Nur auf diese bezieht sich die Nächstenliebe.

Auch Jesus macht diese Eingrenzung sehr deutlich. "Liebe Deinen Nächsten" bedeutet: Liebe die Mitglieder deiner Glaubensgemeinschaft; allen anderen wird die Vernichtung zugesprochen.

Zu Urzeiten gab es die Vorstellung nicht, man könne sich zu einem Gott "bekennen". Sondern ein Volk hatte seinen Gott, oder mehrere, aber es stand nicht zur Debatte. Die Volksgemeinschaft war die Glaubensgemeinschaft. Die Idee, dass man sich zu einem bestimmten Gott "bekennt", kam erst später auf, nämlich mit dem Urchristentum, welches ja in Konkurrenz stand mit den damals bereits etablierten Religionen.

Das ist der Grund, warum Moses und (entsprechend deutlicher) Jesus eine Eingrenzung vornimmt anhand der Glaubensgemeinschaft. Jesus stellt klar, dass mit Gemeinschaft nur noch jene zu verstehen seien, die sich zum gleichen Glauben bekennen. Also eben nicht alle, und noch nichtmal mehr das eigene Volk (wie noch bei Mose). Sonst hätte er gesagt: "Liebt einfach alle! Juhu!". Sonder er sagte: "nur den Nächsten". Jesus schließt nicht ein, sondern grenzt ab.

Das Liebesgebot von Jesus verbindet er mit Intoleranz gegen Andersgläubige. Lies die Bibel! Gleich in den darauf anschließenden Versen wird es sehr böse. Heulen und Zähneklappern.

Das steht im Kontrast zur gelebten Moral vieler christlich Gläubiger, die es als Liebesgebot verstehen. Jedoch findet man auch unter diesen Menschen oft Intoleranz. Gerade in Dingen, die von der Bibel berührt werden.

Vicky 13.05.2017 17:38

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1304610)
Ist das nicht ein rhetorischer Trick?

Es spielt für das Grundgesetz keine Rolle, woher die Würde kommt. Man kann sie aus dem Christentum ebenso ableiten wie aus dem Judentum, dem Islam, dem Buddhismus, dem Hinduismus, der Wissenschaft, der Esoterik, der Meinung meiner Großmutter oder aus meiner vollständigen Sammlung aller je erschienenen Fix-und-Foxi-Hefte.

Der Sinn des Grundgesetzes ist nicht, die Herkunft der Würde festzulegen, sondern dessen Unverletzlichkeit zu garantieren. Es geht also nur sekundär um die Menschenwürde; primär geht es um eine rechtliche Garantie eines Rechtsguts: Es geht um die Unveräußerlichkeit.

Der Inhalt des Grundgesetz ist nicht: Es gibt Menschenwürde. Das alleine würde nicht verhindern, dass man sie auch verweigern könnte. Beispielsweise erwähnt das Grundgesetz auch Freiheitsrechte; behält sich aber das Recht vor, diese zu beschneiden. Etwa im Falle einer Gefängnissstrafe.

Der Sinn von 1 GG ist die Unveräußerlichkeit.

Und diese Unveräußerlichkeit gibt es in der Bibel gerade nicht. Das ist ja der Witz und die Botschaft der Bibel: Wehe Dir, wenn Du mir missfällst! Dann werde ich Dir alles nehmen, auch Deine Würde!


Jörn ist mir hier zuvor gekommen. Danke Jörn. So schön hätte ich es wohl nicht schreiben können. Etwas recht ähnliches hatte ich auch vor zu schreiben. Auch das Christentum entstand nicht aus einer Schnapsidee heraus, sondern - so vermute ich - entwickelte sich aus älteren Religionen und Erfahrungswerten.

Zu Jörns Post ergänze ich nur:

Beim Grundgesetz macht es Sinn, nach seinem Sinn und Zweck zu fragen. Der liegt darin:

Das Grundgesetz hat wie jede Verfassung die Aufgabe

- den Staat zu konstituieren und Grundwerte für den Staat festzulegen. Das heißt also, dass nicht eine Religion diese Grundwerte (= Freiheit, Gleicheit...) festlegt, sondern das Grundgesetz.
- den entstandenen Staat zu stabilisieren und der Freiheitssicherung und Machbegrenzung zu dienen.

Das BVerfG und der BGH definieren (juristisch) Begriffe, damit wir alle über das gleiche sprechen. Die Begriffe sind also schon durch einen Auslegungsprozess (im wahrsten Sinne des Wortes) gegangen. Deshalb finde ich, sind sie eine gute Basis für die Bedeutung von unbestimmten und auslegungsbedürftigen Begriffen.

Trimichi 13.05.2017 20:06

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1304611)
Da liegst Du falsch. Das Gebot der Nächstenliebe stammt aus dem 3. Buch Mose:
3. Mose 19, 18

Du sollst dich nicht rächen noch Zorn bewahren gegen die Kinder deines Volks. Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst; ich bin der HERR.
Dieses Gebot ist natürlich keine Erfindung von Moses (bzw. den Autoren dieser Figur). Es gibt ältere Quellen, aus denen die Bibel immer wieder schöpft; meist aus dem ägyptischen oder babylonischen Fundus.

Im Neuen Testament wird es lediglich wiederholt. Die Wellness-Christen glauben, dies sei die große Errungenschaft von Jesus gewesen, aber das ist ein Irrtum. Jesus betont gleich in den darauf anschließenden Versen, dass die Nächstenliebe nicht gilt für jene, die gegen den Glauben verstoßen; denn diese Menschen sollen bestraft, ermordet oder in der Hölle gebraten werden. Diese fiesen Verse werden in der Sonntagspredigt natürlich weggelassen. Es ergibt sich so der Eindruck, man solle "alle Menschen" lieben, aber das ist falsch.

Bitte beachte die Formulierung des obigen Mose-Zitats. Dort ist ausdrücklich vom eigenen Volk die Rede ("die Kinder Deines Volks" - gemeint sind alle Nachkommen eines Stammvaters, also auch Erwachsene). Im religiösen Sinn bedeutet es: die Mitglieder der Glaubensgemeinschaft. Nur auf diese bezieht sich die Nächstenliebe.

Auch Jesus macht diese Eingrenzung sehr deutlich. "Liebe Deinen Nächsten" bedeutet: Liebe die Mitglieder deiner Glaubensgemeinschaft; allen anderen wird die Vernichtung zugesprochen.

Zu Urzeiten gab es die Vorstellung nicht, man könne sich zu einem Gott "bekennen". Sondern ein Volk hatte seinen Gott, oder mehrere, aber es stand nicht zur Debatte. Die Volksgemeinschaft war die Glaubensgemeinschaft. Die Idee, dass man sich zu einem bestimmten Gott "bekennt", kam erst später auf, nämlich mit dem Urchristentum, welches ja in Konkurrenz stand mit den damals bereits etablierten Religionen.

Das ist der Grund, warum Moses und (entsprechend deutlicher) Jesus eine Eingrenzung vornimmt anhand der Glaubensgemeinschaft. Jesus stellt klar, dass mit Gemeinschaft nur noch jene zu verstehen seien, die sich zum gleichen Glauben bekennen. Also eben nicht alle, und noch nichtmal mehr das eigene Volk (wie noch bei Mose). Sonst hätte er gesagt: "Liebt einfach alle! Juhu!". Sonder er sagte: "nur den Nächsten". Jesus schließt nicht ein, sondern grenzt ab.

Das Liebesgebot von Jesus verbindet er mit Intoleranz gegen Andersgläubige. Lies die Bibel! Gleich in den darauf anschließenden Versen wird es sehr böse. Heulen und Zähneklappern.

Das steht im Kontrast zur gelebten Moral vieler christlich Gläubiger, die es als Liebesgebot verstehen. Jedoch findet man auch unter diesen Menschen oft Intoleranz. Gerade in Dingen, die von der Bibel berührt werden.

Du, ich hatte geschrieben steht, und nicht stammt.

Zarathustra 13.05.2017 20:10

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1304602)
... Wenn jeweils die Zeit und die Umstände eine Rechtfertigung darstellen, wozu brauchen wir dann die Bibel? Die in ihr überbrachten Botschaften Gottes sollen doch gerade universell gelten. ...

Siehst Du in den Texten eine göttliche Inspiration, ein göttliches Wissen, welches Gott uns durch die Bibel mitteilt?

(Bitte fühle Dich nicht persönlich angegriffen, denn so ist es nicht gemeint).
:Blumen:

Danke! Auch ich möchte niemanden persönlich angreifen!

Auf die Problematik mit den Zeitumständen könnte man etwa so antworten: Gott mußte, um sich den Menschen mitteilen zu können, sich auf ihre Ebene begeben. Die in der Bibel enthaltenen universellen Ideen bedürfen zum Teil updates in Form einer fortwährenden Auslegungspraxis.

Ich sehe in der Bibel Lehren enthalten, die einen Wert haben, der über die zeitlich bedingten Interessen, Einsichten und Umstände hinweg bestehen kann (unter den im Satz zuvor genannten Bedingungen). Göttlich sind sie genau insofern sie über das jeweils zeitlich Bedingte hinausgehen. Wenn die Rede vom Göttlichen und Gott zuviel Verwirrung stiftet, komme ich auch ohne aus.

tandem65 13.05.2017 20:11

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1304611)
Da liegst Du falsch. Das Gebot der Nächstenliebe stammt aus dem 3. Buch Mose:
[indent]3. Mose 19, 18
....

Jesus betont gleich in den darauf anschließenden Versen, dass die Nächstenliebe nicht gilt für jene, die gegen den Glauben verstoßen; denn diese Menschen sollen bestraft, ermordet oder in der Hölle gebraten werden.

Magst Du gerne mal eine Exegese machen am Beispiel von Matthäus 19,16 folgende und das von Dir beschriebene herausarbeiten.

Zarathustra 13.05.2017 20:18

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1304608)
Willst Du damit sagen... ?

Hätte ich dann schlechter oder besser gehandelt?...

Hätte Gott das Gesetz praktisch ohne Mühe verbessern können, selbst mit geringen Änderungen?

1. Nein. Ich sprach weder von Bestmöglichem noch von Alternativlosem.

2. Heute sind wir alle soviel klüger und besser und führen keine Angriffskriege mehr. Glauben wir.

3. Was Gott hätte tun können, wissen nur die Götter.

LidlRacer 13.05.2017 20:23

Zitat:

Zitat von Trimichi (Beitrag 1304640)
Du, ich hatte geschrieben steht, und nicht stammt.

Du hattest explizit geschrieben, dass das Gebot der Nächstenliebe NICHT im AT steht. Jörn hat gezeigt, dass es das doch tut.

Und ich danke Jörn für den Hinweis, dass der Kreis der "Nächsten" dort recht eng gefasst ist, und dass ansonsten in unserer ach so tollen Bibel gerne Hass und exzessive Gewalt gepredigt wird.

Zarathustra 13.05.2017 20:33

Zitat:

Zitat von Vicky (Beitrag 1304617)
Jörn ist mir hier zuvor gekommen. ...

Der zitierte Autor beschreibt einen ideengeschichtlichen Entwicklungszusammenhang. Daß die Idee der Menschenwürde in den inzwischen vergangenen Jahrtausenden weiterentwickelt wurde, widerspricht dem keineswegs und sollte eigentlich keinen überraschen.

Trimichi 13.05.2017 20:39

Zitat:

Zitat von LidlRacer (Beitrag 1304649)
Du hattest explizit geschrieben, dass das Gebot der Nächstenliebe NICHT im AT steht. Jörn hat gezeigt, dass es das doch tut.

Und ich danke Jörn für den Hinweis, dass der Kreis der "Nächsten" dort recht eng gefasst ist, und dass ansonsten in unserer ach so tollen Bibel gerne Hass und exzessive Gewalt gepredigt wird.

Ich hatte explizit geschrieben, dass es so explizit im NT steht und nicht im AT. :Blumen:

Vicky 13.05.2017 20:39

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1304643)

Ich sehe in der Bibel Lehren enthalten, die einen Wert haben, der über die zeitlich bedingten Interessen, Einsichten und Umstände hinweg bestehen kann (unter den im Satz zuvor genannten Bedingungen). .

Jeder Song, jede Geschichte, jedes Gedicht, fast jeder Film ja sogar ganze Serien transportieren heutzutage Botschaften. Oft geht es um den Kampf zwischen Gut und Böse, allgemeine Verhaltensregeln, Sozialisierung, den moralischen Zeigefinger, Hinweise auf Gefahren...

Beispiele sind:

- Die Märchen der Gebrüder Grimm
- diverse Filme über die Zerstörung unserer Umwelt
- die vielen Superheldenserien strotzen nur so vor moralischen Zeigefingern, die uns oft gar sehr übertrieben und lustig präsentiert werden (Kampf Gut gegen Böse)
- Songklassiker, wie "Imagine" zeigen uns, wie wir vielleicht leben könnten...

Man könnte sein Leben und seine Gefühlswelt komplett mit Songs (-texten) ausdrücken und für jede Situation den passenden Song finden heutzutage. (was übrigens sogar Spaß macht. :-) )

Ich stufe das alles als "Kunst" ein, die durchaus wertvoll ist, weil auch diese Kunstwerke gewisse Lehren enthalten und Botschaften transportieren. Jeder findet seine eigene gerade benötigte "Lehre", je nach Lebenssituation.

Was unterscheidet denn diese Kunst von den "wertvollen Lehren" der Bibel, so dass man heute noch an ihr festhalten muss?

Trimichi 13.05.2017 20:47

Zitat:

Zitat von Vicky (Beitrag 1304653)
)

Ich stufe das alles als "Kunst" ein, die durchaus wertvoll ist, weil auch diese Kunstwerke gewisse Lehren enthalten und Botschaften transportieren. Jeder findet seine eigene gerade benötigte "Lehre", je nach Lebenssituation.

Was unterscheidet denn diese Kunst von den "wertvollen Lehren" der Bibel, so dass man heute noch an ihr festhalten muss?


Bin zwar nicht gemeint, aber wir hatten das auch schon hier im Thread, qbz hatte mir damals mit Nachdruck die Pistole auf die Brust gesetzt, so daß ich diesbezüglich Quellen zitiert hatte, was mir nun erspart bleibt.

Kunst setzt sich aus den tools Intuition und Sensorik zusammen, Religion aus Intuition und Ratio. Und zwar in Bezug wie sich Wissen offenbart.

qbz 13.05.2017 21:00

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1304643)
Danke! Auch ich möchte niemanden persönlich angreifen!

Auf die Problematik mit den Zeitumständen könnte man etwa so antworten: Gott mußte, um sich den Menschen mitteilen zu können, sich auf ihre Ebene begeben. Die in der Bibel enthaltenen universellen Ideen bedürfen zum Teil updates in Form einer fortwährenden Auslegungspraxis.

Ich sehe in der Bibel Lehren enthalten, die einen Wert haben, der über die zeitlich bedingten Interessen, Einsichten und Umstände hinweg bestehen kann (unter den im Satz zuvor genannten Bedingungen). Göttlich sind sie genau insofern sie über das jeweils zeitlich Bedingte hinausgehen. Wenn die Rede vom Göttlichen und Gott zuviel Verwirrung stiftet, komme ich auch ohne aus.

Wer von einem existierende Gott ausgeht, wie die Kirchen, muss das so ähnlich erklären und die Gottesvorstellung zeitgeschichtlich anpassen, will man die Zustimmung der Gläubigen nicht verlieren. Ich würde darin eher eine Bestätigung für die Anschauung sehen, dass es sich bei den Gottesvorstellungen um Projektionen der Menschen handelt. Je mehr man allerdings die Gottesvorstellungen der Bibel vom konkret-historischen Zusammenhang abstrahiert in Richtung "universelle", desto leerer werden sie.

Universelle Ideen lassen sich aus der Bibel IMHO nur spekulativ abstrahieren, weil alle, auch die zukunftgerichteten, durch die jeweiligen Umstände bestimmt sind, in denen sie von Menschen / Organisationen in die Welt gesetzt werden. (im Unterschied zu den naturwissenschaftlichen Gesetzen).

captainbeefheart 13.05.2017 21:02

Zitat:

Zitat von Vicky (Beitrag 1304653)
Was unterscheidet denn diese Kunst von den "wertvollen Lehren" der Bibel, so dass man heute noch an ihr festhalten muss?

Prinzipiell unterscheiden sich Kontextgemeinschaften nur an der kommunikativen Leitdifferenz. Religiöse Systeme bestehen entlang von Immanenz / Transzendenz und Kunst-Systeme entlang von schön / hässlich. Das ist der einzig wirklich relevante, aber doch ein recht großer Unterschied für die Wahrnehmungen und Bewertungen, die aus diesen Perspektiven erfolgen.

Ein weiterer Unterschied für unser Gesellschaftssystem ist, dass die die religiösen Systeme (insbesondere das katholische und das evangelische) vermutlich deutlich größer sind bzw. sich deutlich mehr Menschen damit (ggf. zum Teil nur oberflächlich) identifizieren, als jedes Kunst-System. Ob "Größe " bzw. "Zahl Identifizierter" allerdings ein relevantes Kriterium für "daran festhalten" ist, überlasse ich Deinem Urteil.

Jörn 13.05.2017 21:05

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1304643)
Ich sehe in der Bibel Lehren enthalten, die einen Wert haben, der über die zeitlich bedingten Interessen, Einsichten und Umstände hinweg bestehen kann (unter den im Satz zuvor genannten Bedingungen).

Das ist sehr interessant!

Wie hast Du diese Lehren entschlüsselt? Die Begriffe sind uns heute ja nicht mehr zugänglich, oder doch?

Wenn ich behaupte, dass die Lehren unsinnig seien, hältst Du mir entgegen, dass ich keinen gesicherten Zugang hätte, da die Bedeutung der Begriffe nicht mehr rekonstruierbar wäre. Aber Du selbst gibst hier Auskunft über den konkreten Wert der Lehren. Ist das nicht ein Widerspruch?

Klugschnacker 13.05.2017 21:15

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1304647)
Heute sind wir alle soviel klüger und besser und führen keine Angriffskriege mehr. Glauben wir.

Sicher führen wir Angriffskriege. Wir sind aber Menschen und keine Götter.

Das Bemerkenswerte an diesen Bibelstellen ist doch, dass angeblich Gott selbst diese Texte verantwortet. Das wird doch von den Kirchen behauptet. Wären im Buch Mose einfach die Worte eines Zeitgenossen notiert, würden wir hier gar nicht diskutieren. Keiner hätte es je gelesen.

Es gibt jede Menge Irrtümer und Unsinn auf der Welt. Selbst der große Descartes (1596-1650) hielt die Zirbeldrüse für den Sitz der Seele. Ich selbst hätte zur der Zeit sicher noch größeren Unsinn verzapft, wenn man mich gefragt hätte, keine Frage. Wir sind aber nur Menschen. Im Gegensatz dazu wird Gott höchstpersönlich als Urheber der Bibel behauptet. Von niemand geringerem hat sie nach eigenem Dafürhalten ihre Autorität.

Entweder ist Gott nicht der Urheber der Bibel, oder mit Gott stimmt etwas nicht (*). Diesen logischen Graben kann keine noch so virtuose Textauslegung überbrücken.

(*) Ich komme eh in die Hölle, also macht Euch keine Sorgen. :cool: :Lachen2:

Klugschnacker 13.05.2017 21:18

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1304656)
Wer von einem existierende Gott ausgeht, wie die Kirchen, muss das so ähnlich erklären und die Gottesvorstellung zeitgeschichtlich anpassen, will man die Zustimmung der Gläubigen nicht verlieren. Ich würde darin eher eine Bestätigung für die Anschauung sehen, dass es sich bei den Gottesvorstellungen um Projektionen der Menschen handelt. Je mehr man allerdings die Gottesvorstellungen der Bibel vom konkret-historischen Zusammenhang abstrahiert in Richtung "universelle", desto leerer werden sie.

Universelle Ideen lassen sich aus der Bibel IMHO nur spekulativ abstrahieren, weil alle, auch die zukunftgerichteten, durch die jeweiligen Umstände bestimmt sind, in denen sie von Menschen / Organisationen in die Welt gesetzt werden. (im Unterschied zu den naturwissenschaftlichen Gesetzen).

Ganz meine Meinung, hervorragend ausgedrückt. Vielen Dank. Danke aber auch an alle, die anderer Meinung sind und sie hier beisteuern!

Jörn 13.05.2017 21:53

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1304647)
3. Was Gott hätte tun können, wissen nur die Götter.

Nur die Götter wissen das? Ob man in einem Krieg auch alle Kinder umbringen muss, nachdem die Schlacht bereits geschlagen war? Das wissen nur die Götter? Also beispielsweise weißt Du es nicht?

In einem Forum kommt es schnell zu Missverständnissen, deswegen sage ich Dir, wie Deine Antwort auf mich wirkt, damit Du es korrigieren kannst. Auf mich wirkt es kaltherzig und in der betont sachlichen Form auch kaltschnäuzig. Es gut möglich, dass es ein Missverständnis ist.

Ich komme in Debatten über Religion allerdings immer wieder an diesen Punkt. Ein Punkt, an dem jeder anständige Mensch zugeben wird, dass man die beschriebene Gewalt unter keinen wie auch immer gearteten Umständen gutheißen oder unterstützen darf, und dass es richtig gewesen wäre, sich diesem Gebot zu widersetzen, ungeachtetet der Konsequenzen für einen selbst. Und dass Gott, wenn er diese Gebote wirklich erlassen hat, sich geirrt haben muss, oder dass die Bibelstelle gefälscht wurde.

Es sind in den Foren-Debatten, die ich verfolge, üblicherweise die Christen, die an dieser Stelle jedes Mitgefühl vermissen lassen. Oft hört man irgendein intellektuell klingendes Kauderwelsch. Ich kann mit dieser Art von Kaltherzigkeit nichts anfangen.

Hättest Du Lust, etwas näher auf das schockierende Bibelzitat von Arne einzugehen und dabei für mich den Punkt der Kaltherzigkeit ebenfalls zu berücksichtigen? Ich will Dir auch ganz sicher nichts Schlechtes unterstellen, aber es ist schwer, meine Frage/Kritik zu formulieren. Daher betone ich ausdrücklich: Ich beziehe mich auf Deinen Text, und wie ich ihn verstehe, und nicht auf Dich als Person.

Jörn 13.05.2017 22:12

Zitat:

Zitat von tandem65 (Beitrag 1304644)
Magst Du gerne mal eine Exegese machen am Beispiel von Matthäus 19,16 folgende und das von Dir beschriebene herausarbeiten.

Hallo tandem65, genau das tue ich in Posting 6091.

Mich würde Deine Meinung dazu sehr interessieren.

Klugschnacker 13.05.2017 22:15

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1304663)
Ein Punkt, an dem jeder anständige Mensch zugeben wird, dass man die beschriebene Gewalt unter keinen wie auch immer gearteten Umständen gutheißen oder unterstützen darf, und dass es richtig gewesen wäre, sich diesem Gebot zu widersetzen, ungeachtetet der Konsequenzen für einen selbst.

Vielleicht muss man berücksichtigen, dass es sich um Literatur handelt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass tatsächlich jemand angeordnet hat, nach einer Eroberung alle Kinder zu erschlagen. Es sind Appelle, Befehle in einer literarischen Form. Trotzdem sollte man sich als Christ dazu positionieren (nicht zwangsläufig vor anderen, aber für sich selbst).

Massaker wie das oben zitierte findet man annäherungsweise in der Bartholomäusnacht, und im Zusammenhang mit dem sog. Hostienfrevel.

captainbeefheart 13.05.2017 22:28

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1304663)
... Auf mich wirkt es kaltherzig und in der betont sachlichen Form auch kaltschnäuzig. ....

Zarathustra's Beiträge sind wohltuend reflektiert, unvoreingenommen, abwägend und bereichernd, weil er Standpunkte aus verschiedenen Perspektiven und in historischem Kontext beleuchtet.

Jörn 13.05.2017 22:31

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1304666)
Vielleicht muss man berücksichtigen, dass es sich um Literatur handelt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass tatsächlich jemand angeordnet hat, nach einer Eroberung alle Kinder zu erschlagen.

Ich weiß nicht was in biblischen Zeiten geschah. Aber nehmen wir den Polen-Feldzug. Nachdem die Schlacht längst (und relativ unblutig, weil kurz) geschlagen war, begann anschließend die Judenvernichtung in Polen.

Das hat nichts mit der Bibel zu tun. Aber es klärt die Frage, ob wir es uns vorstellen können, dass jemand solche abartigen Befehle tatsächlich ausführt. Leider ist das so.

Einem Beamten fiel damals in Berichten auf, dass die Zahl der Tötungen eine besonders hohe Zahl an Kindern auswies, nämlich in etwa doppelt so viele Kinder wie Erwachsene. Er bekam zur Antwort, dass dies erforderlich sei, weil sich sonst eine Generation an Waisen bilden könne, die sich später gegen die deutschen Besatzer organisieren könnte.

Genau das steht in Deinem Moses-Zitat. Es sagt: Dort, wo ihr selbst wohnen wollt, müsste ihr alle umbringen, damit dort nicht wieder eine ungläubige Bevölkerungsschicht heranwächst, die sich gegen Euch richtet.

Man kann also nicht sagen, dass das Bibelzitat schon deswegen nicht wörtlich gemeint sein kann, weil man sich eine solche Barbarei nicht vorstellen könne.

Zarathustra 13.05.2017 22:56

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1304656)
... dass es sich bei den Gottesvorstellungen um Projektionen der Menschen handelt. Je mehr man allerdings die Gottesvorstellungen der Bibel vom konkret-historischen Zusammenhang abstrahiert in Richtung "universelle", desto leerer werden sie.

Universelle Ideen lassen sich aus der Bibel IMHO nur spekulativ abstrahieren, weil alle, auch die zukunftgerichteten, durch die jeweiligen Umstände bestimmt sind, in denen sie von Menschen / Organisationen in die Welt gesetzt werden. (im Unterschied zu den naturwissenschaftlichen Gesetzen).

Im Grundsatz stimme ich Deinem Beitrag in allem zu. Ich versuche nur die (zusätzliche) Möglichkeit zu beschreiben, daß man sich trotz des Wissens um den Projektionscharakter der Gottesvorstellungen auf diese einlassen kann (in welcher Form auch immer), wenn man es denn möchte.

In der realen Betrachtung ist die Entwicklung der Ideen, genau wie Du es beschreibst, abhängig von den konkreten historischen Zusammenhängen. Auf der Ebene der Begriffe geschieht es aber, daß bestimmte Begriffe beibehalten werden (können), ungeachtet einer erheblichen Veränderung ihrer ideellen Bedeutung. Hier entstehen leicht alle möglichen Verwirrungen.

Jörn 13.05.2017 23:10

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1304673)
Auf der Ebene der Begriffe geschieht es aber, daß bestimmte Begriffe beibehalten werden (können), ungeachtet einer erheblichen Veränderung ihrer ideellen Bedeutung. Hier entstehen leicht alle möglichen Verwirrungen.

Aber das ist doch der kritischen und historischen Bibelforschung bestens bekannt. Es ist exakt bekannt, wie sich Begriffe und Inhalte mit der Zeit verändert haben. Man weiß ganz exakt, welche Bedeutung der Begriff "Gott" für die Griechen und für die späteren Christen hatte, und was man mit dem "Himmelreich" meinte.

Unterschiede, sich dadurch zwischen dem Alten und Neuen Testament ergeben, sind bestens bekannt. Auch langsame Verschiebungen innerhalb des NT oder im anschließenden Katholizismus sind gut dokumentiert. Es gibt Armeen von Historikern, die nichts anderes tun, als das.

Das ist doch überhaupt keine große Sache. Es ist gut erforscht. Wir wissen es.

Ich verstehe nicht, warum Du darauf bestehst, diesen Umstand so zu verklären, dass jede klare Aussage unmöglich wird.

Zarathustra 14.05.2017 00:17

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1304663)
... Das wissen nur die Götter? Also beispielsweise weißt Du es nicht?
...
Hättest Du Lust, etwas näher auf das schockierende Bibelzitat von Arne einzugehen und dabei für mich den Punkt der Kaltherzigkeit ebenfalls zu berücksichtigen? ...


Ich wollte mit meinem Satz nur sagen: Daß ich als Mensch nicht weiß, was die Götter tun können oder wollen.

In meiner eigenen Beurteilung der Sache dürfte ich ganz genau der gleichen Ansicht sein wie Du. Der Text zeugt von einer großen Kaltherzigkeit, die Du zurecht beklagst, und ich sehe nicht, wie man ihn in seiner direkten, naheliegenden Bedeutung rechtfertigen könnte, ohne selbst Gefahr zu laufen eben dieser Kaltherzigkeit (teilweise) zu verfallen.

Als souveräner Leser kann ich der Textstelle auch nicht viel mehr abgewinnen als: 1. Außer Punkt Nr. 10. vielleicht, ist daraus heute als moralische Anleitung nichts zu gebrauchen. 2. die Tatsache, daß Menschen ihre Ziele mit großer Grausamkeit verfolgen können, selbst (oder gerade) wenn sie sich auf höhere Mächte zur Rechtfertigung berufen.

Wie wäre der Text trotz alledem spekulativ zu retten? Man könnte sich eine Entwicklung Gottes von einem grausamen (im AT) zu einem freundlicheren (im NT) vorstellen, aus welcher selbst wieder eine Lehre zu ziehen wäre (welche?). Belegen kann ich das aber aus Mangel an der für eine solche Großinterpretation nötigen, gründlicheren Vertrautheit mit dem gesamten Bibeltext nicht.

waden 14.05.2017 00:42

Zitat:

Zitat von Trimichi (Beitrag 1304654)

Kunst setzt sich aus den tools Intuition und Sensorik zusammen, Religion aus Intuition und Ratio. Und zwar in Bezug wie sich Wissen offenbart.

Diese "Analyse" erscheint mir vollständig willkürlich und auch beliebig. Weshalb sollte der Kunst die Ratio fehlen, die du der Religion zugestehst? Und Religion kommt doch nicht ohne Sensorik aus. Und eine "Wissensoffenbarung" kann von einem Kunsterlebnis ebenso ausgehen.

Zarathustra 14.05.2017 00:51

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1304674)
... Es gibt Armeen von Historikern, die nichts anderes tun, als das.

Das ist doch überhaupt keine große Sache. Es ist gut erforscht. ....

Armeen von Historikern haben also nichts anderes getan als diese „keine große Sache“ erforscht? Warum diese Verschwendung?

Auch wußte ich nicht, daß „es ist gut erforscht“ gleichbedeutend ist mit „wir können es für die weitere Diskussion ignorieren“.

Jörn 14.05.2017 01:19

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1304680)
Armeen von Historikern haben also nichts anderes getan als diese „keine große Sache“ erforscht? Warum diese Verschwendung?

Auch wußte ich nicht, daß „es ist gut erforscht“ gleichbedeutend ist mit „wir können es für die weitere Diskussion ignorieren“.

Nach meiner Wahrnehmung ignorierst Du die historische Forschung, weil Du immer wieder betonst, dass die Bedeutung alter Worte nicht mehr klar zu erfassen wäre, und dass deswegen jede Bewertung zu unterbleiben hätte.

In meinen Postings beziehe ich mich auf die historischen Forschungen, von denen ich bisher gelesen habe: Ich zitiere oft alte Bibelstellen und erläutere anschließend (meistens), wie sie im historischen Kontext zu verstehen seien. Beispielsweise habe ich in einem meiner letzten Postings erläutert, wie sich der Begriff des "Nächsten" geändert hat (von einer Abstammungsgemeinschaft zu einer Bekenntnisgemeinschaft). Dadurch bringe ich Klarheit und Fairness in die Debatte, was Moses und Jesus wohl mit "Nächstenliebe" gemeint haben könnten (nämlich jeweils leicht unterschiedliche Dinge, und eben gerade nicht eine "Weltgemeinschaft").

Es ist also nicht der Fall, dass ich die alte Bedeutung von Begriffen ignorieren würde. Im Gegenteil, es ist oft der Ausgangspunkt meiner Postings.

Trimichi 14.05.2017 06:51

Zitat:

Zitat von waden (Beitrag 1304678)
Diese "Analyse" erscheint mir vollständig willkürlich und auch beliebig. Weshalb sollte der Kunst die Ratio fehlen, die du der Religion zugestehst? Und Religion kommt doch nicht ohne Sensorik aus. Und eine "Wissensoffenbarung" kann von einem Kunsterlebnis ebenso ausgehen.

Meine Analyse ist nicht willkürlich, und schon gar nicht vollständig willkürlich. Es ist eine Frechheit, was mir schon wieder unterstellt bzw. angedichtet wird. Es ist außerdem nicht meine Analyse, wie ich schon dar gelegt hatte, sondern Grundwissen unter Wissenschaftlern, Physikern aber auch Sozialwissenschaftlern, deren gemeinsame Basis die Wissenschafts- und Erkenntnistheorie ist und auch sein muss.

So werden an Universitäten [zumindest an der Katholischen Universität Eichstätt (-Ingolstadt)] Grundsätze bereits in den ersten Semestern an die Studenten vermittelt.

Allerdings wird in den Vorlesungen auch angesprochen, dass es noch niemanden/noch nicht gelang die drei Wege wie sich Wissen offenbart,

1. Wissenschaft (Sensorik und Ratio)
2. Kunst (Sensorik und Intuition)
3. Religion bzw. Mythologie (Intuition und Ratio).

in sich zu vereinen.


Beispiele zur Verdeutlichung:

zu 1) Wissenschaft basiert nicht auf Intuition, maximal beim Aufstellen einer neuen Forschungshypothese (Inspiration). Naturwissenschaftliche Gesetze sind objektiv, und nicht subjektiv intuitiv, bestenfalls intersubjektiv validierbar und damit objektiv.
zu 2) Bitte mal ein expressionistisches Bild rational deuten. Man stelle sich dann 1000 Leute vor die das Bild interpretieren.

Die Gravitationsgesetze gelten für alle. Wie man ein Bild oder auch einen Roman interpretiert, nun, hier gibt es mannigfaltige Interpretationsmöglichkeiten, nicht so bei den Gravitationsgesetzen.
Deswegen fehlt der Kunst die Ratio.

Um deinen Fragen weiter zu folgen mache ich es noch plastischer, es folgt das Beispiel
zu 3) Man denke an Martin Luther und daran, dass er den Teufel gesehen hatte auf der Wartburg wie Luther ja selbst behauptet hat. Wäre dem so gewesen, so hätte die Tinte, mit der ML nach dem Teufel warf, tatsächlich den Teufel getroffen (und nicht die Wand, welche heute eine Touristenattraktion ist).
Dennoch hat Luther die Bibel transformiert (oder auch transponiert) und Millionen Menschen lesen darin.

Die Beispiele sind frei gewählt und entstammen keiner Vorlesung an der Pädagogisch-Philosophischen Fakultät der Kath. Univ. Eichstätt. Allerdings wurde in den Vorlesungen auch bemerkt, daß die drei Wege - Wissenschaft, Kunst und Religion/Mythologie - parallel existieren und als gleichwertig zu betrachten sind.


Du hattest behauptet, dass Religion nicht ohne Sensorik auskommt. Bitte erläutern und/oder begründen.

tandem65 14.05.2017 08:25

Lieber Jörn,

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1304665)
Hallo tandem65, genau das tue ich in Posting 6091.

Mich würde Deine Meinung dazu sehr interessieren.

In diesem Post beschreibst du etwas, was ich z.B. in Matthäus 19,16 folgende nicht finden kann.

1, Die Einschränkung auf die Glaubensgemeinschaft.
2. Das schmoren in der Hölle.

Meine Meinung dazu ist, daß Du Dich dort zu 99% mit dem AT beschäftigt hast. Soweit mir bekannt ist, gehört Matthäus aber zum NT.;)
Und nein, es ist nicht Interesse an meiner Meinung. Da verstehst Du Dich selbst gründlich falsch.

Zarathustra 14.05.2017 10:25

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1304682)
... weil Du immer wieder betonst, dass die Bedeutung alter Worte nicht mehr klar zu erfassen wäre, und dass deswegen jede Bewertung zu unterbleiben hätte.
...
Es ist also nicht der Fall, dass ich die alte Bedeutung von Begriffen ignorieren würde. Im Gegenteil, es ist oft der Ausgangspunkt meiner Postings.

Daß Du die „Bedeutung von Begriffen“ in Deine Ausführungen miteinbeziehst ist sehr erfreulich. Nur tust Du das soweit ich sehe nicht (genug) im Falle der von mir angesprochenen Begriffe.

Daß generell „die Bedeutung alter Worte nicht mehr klar zu erfassen wäre“ ist nach wie vor nicht meine Ansicht. Ich weiß nicht, warum ich das so oft wiederholen muß.


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