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meggele 03.08.2015 20:09

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1153445)
In der Doku wurden Zahlenkolonnen gezeigt, die vom Betrag her den Offscore-Wert angeben könnten. Zu hohe Werte sind ein Indiz für Manipulationen.

Im Umkehrschluss kann man Athleten mit normalem Offscore-Wert jedoch nicht sicher als sauber bezeichnen. Von Ausdauersportlern, die Blutdoping betreiben, wird dieser Wert geschickt manipuliert und künstlich im Normbereich gehalten. Hinzu kommen Dopingmethoden, die sich gar nicht auf die Blutbildung auswirken und sich daher nicht im Offscore-Wert ausdrücken.

Falls an dieser Argumentation zumindest teilweise etwas dran ist, dürfte die tatsächliche Zahl gedopter Leichtathleten höher liegen, als in der Doku angegeben.

So ist es. Sämtliche halbwegs mit Augenmaß blutdopenden Leichtathleten werden so nicht auffallen und jede Einnahme von anabolen Steroiden, Testosteron usw. auch nicht - also genau die Substanzen, mit denen viele Leichtathleten in der Vergangenheit aufgeflogen sind.

Der Punkt der Doku lag ja auch weniger darin festzustellen, wie viele Leute gedopt sind, sondern darin, dass der IAAF haufenweise Leute mit völlig auffälligen Werten bekannt sind und diese überhaupt nichts unternimmt. (Und, dass die NADA in Russland offensichtlich immer noch wie in den 80ern dafür da ist, dass ihre Athleten bei den internationalen Wettkämpfen nicht erwischt werden.)

FinP 03.08.2015 20:52

Zitat:

Zitat von NBer (Beitrag 1153446)
Selbst wenn man die Zahlen verdoppelt, oder gar verdreifacht....sind wir bei 20 bzw. 30% aller getesteten Athleten, was immer noch WEIT von "Die dopen sowieso alle" entfernt ist......

Reduzier die Zahlen mal, wie in der Doku auch geschehen, auf die jeweils relevante Zielgruppe.
Wurf-, Sprung- und Kurzsprintdisziplinen sind für Blutdoping relativ unkritisch. Dann sehen die Zahlen aber verheerend anders aus.

Klugschnacker 04.08.2015 08:49

Auf dieser Seite gibt es eine Aufschlüsselung der Verdachtsfälle nach Sportart. Hier ein kleiner Auszug:

1500m: 53,70%
20km Gehen: 51,85%
10.000m: 27,78%
5.000m: 27,78%
Marathon: 11,11%

Klugschnacker 04.08.2015 08:58

Auch interessant ein Artikel aus dem Tagesspiegel:

"Dass der Sport die Sache selbst in den Griff bekommt, daran zweifelt auch der Dopingexperte Fritz Sörgel: „Von den Verbänden braucht man nichts zu erwarten.“ Der Pharmakologe aus Nürnberg hat die Liste der vermeintlichen Dopingsünder vorliegen. Zwei Deutsche seien auch darunter, sagte er dem Tagesspiegel.

Sörgel sagt aber auch, dass bei der Liste, die ihm vorliegt, das Entscheidende fehlt: konkrete Daten, Aufschlüsselungen über Hämatokritwerte und dergleichen. „Es wird in dem Bericht von extremen Werten gesprochen, doch sind diese nicht mit Zahlen belegt.“ Sörgel, aber auch sein Kollege Wilhelm Schänzer sind deswegen vorsichtig mit einer Interpretation der Enthüllungen.

Was Sörgel anhand der Liste aber sagen kann, ist, wo die Athleten mit auffälligen Blutwerten herkommen. Der 64-Jährige formuliert es folgendermaßen: „Bis auf wenige Ausnahmen kommen sie, sagen wir mal, aus den Nichttopindustriestaaten.“

sybenwurz 04.08.2015 09:09

Thomas Kistner in der SZ: Verräter im System

rundeer 04.08.2015 09:09

Das Erschütterndste dieser Doku (und auch der ersten) ist doch, dass offenbar zig Dopingfälle aufgedeckt werden könnten oder gar müssten, und doch nichts geschieht. Ich meine, es handelt sich oft gar nicht um einen neuen Zaubertrank, den die Tester noch nicht kennen oder der noch nicht nachweissbar ist. Vielmehr sind das handfeste Beweise, dass dopende Athleten, Betreuer etc. von allen Seiten gedeckt werden.
Gut, ist so neu nun auch wieder nicht, aber gerade so eindeutig...

Egal ob FIFA, IAAF oder UCI. Ich kann diese alten, in Anzüge gesteckte Funktionäre mit vollgefressenen Buffetbäuchen langsam nicht mehr sehen.

Übrigens: Hat jemand gestern das Interview mit Jefimova aus Kasan gesehen? Ok, ich kenne jetzt den genauen Fall nicht. Aber hat die tatsächlich Dopingmissbrauch mit zu schnellem Autofahren verglichen? Wenn man jung sei, könne das halt mal passieren. :Nee:

captain hook 04.08.2015 09:46

Natürlich weis man sehr genau Bescheid. Schau doch nur mal, wie widerwillig man die eingefrorenen Olympiaproben nachtestet und in welcher Anzahl. Wenn da nicht massiver Druck von außen käme, würden die die einfach verschwinden lassen. Nachkontrolliert wurden dabei soweit mir bekannt auch nur sehr wenige Proben von eher unspannenden Disziplinen. Das IOC wird einen Teufel tun und zB das 100m Finale komplett nachzutesten... da wäre ja beim nächsten Mal keiner mehr auf der Bahn. :Lachanfall: Ich glaube beim letzten Finale waren über 50% der Teilnehmer schonmal gesperrt wenn ich mich recht entsinne (trotz dieser Vorgehensweise).

Matthias75 04.08.2015 10:13

Zitat:

Zitat von captain hook (Beitrag 1153549)
Schau doch nur mal, wie widerwillig man die eingefrorenen Olympiaproben nachtestet und in welcher Anzahl.

und dabei bedauerlicherweise feststellt, dass genau diese eine Probe dummerweise durch einen nicht nachvollziehbaren Fehler falsch gelagert und deshalb leider unbrauchbar geworden ist, auf dem Weg ins Labor im Auto in der Sonne lag, zu wenig Material enthält.....

M.

dude 04.08.2015 11:10

Zitat:

Zitat von robcan (Beitrag 1153448)
Ich bin gegen JU viele Jahre Woche für Woche Radrennen gefahren, bevor er in Oslo Weltmeister und später Profi wurde. Er konnte ganz gut die Berge hochfahren, war im Zeitfahren jedoch lediglich Mittelmaß. Dies entsprach auch seinen natürlichen körperlichen Voraussetzungen (schmächtiger dünner Typ).

RICHTIG!

Besten Dank

LidlRacer 04.08.2015 11:13

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1153532)
Auf dieser Seite gibt es eine Aufschlüsselung der Verdachtsfälle nach Sportart. Hier ein kleiner Auszug:

1500m: 53,70%
20km Gehen: 51,85%
10.000m: 27,78%
5.000m: 27,78%
Marathon: 11,11%

Der Link geht nicht.
Aber der:
http://www.sueddeutsche.de/sport/dop...iten-1.2593737

rundeer 04.08.2015 13:55

Zitat:

Zitat von captain hook (Beitrag 1153549)
Natürlich weis man sehr genau Bescheid. Schau doch nur mal, wie widerwillig man die eingefrorenen Olympiaproben nachtestet und in welcher Anzahl. Wenn da nicht massiver Druck von außen käme, würden die die einfach verschwinden lassen. Nachkontrolliert wurden dabei soweit mir bekannt auch nur sehr wenige Proben von eher unspannenden Disziplinen. Das IOC wird einen Teufel tun und zB das 100m Finale komplett nachzutesten... da wäre ja beim nächsten Mal keiner mehr auf der Bahn. :Lachanfall: Ich glaube beim letzten Finale waren über 50% der Teilnehmer schonmal gesperrt wenn ich mich recht entsinne (trotz dieser Vorgehensweise).

Traurig aber wahr.

Was passiert eigentlich mit der Salazar Truppe? Wird der Sache nachgegangen bis man es vergisst und dann stillschweigend eingestellt? Kara scheint ja schon mal mundtot gemacht.

(Dabei hatte doch schon Salazar Slytherin in Harry Potter eine Affinität zu den dunklen Künsten)

meggele 04.08.2015 14:16

Zitat:

Zitat von rundeer (Beitrag 1153539)
Übrigens: Hat jemand gestern das Interview mit Jefimova aus Kasan gesehen? Ok, ich kenne jetzt den genauen Fall nicht. Aber hat die tatsächlich Dopingmissbrauch mit zu schnellem Autofahren verglichen? Wenn man jung sei, könne das halt mal passieren. :Nee:

Sie ist mit anabolen Steroiden (Ausrede: in ihrer Trainingsheimat USA habe sie Zeugs in der Apotheke gekauft, könne aber nicht so gut Englisch und der Verkäufer habe ihr versichert, dass keine Dopingsubstanzen enthalten seien) aufgeflogen. Die fällige 24-Monatssperre wurde vom Verband zufälligerweise auf die 16 Monate verkürzt, die es ihr ermöglichten, bei der WM zu starten.

Darüber hinaus hat sie vermutlich gegen die während ihrer Sperre in Einrichtungen und/oder mit Trainern trainiert, zu denen sie keinen Zugang hätte haben dürfen, aber das wurde natürlich nicht weiter verfolgt.

meggele 04.08.2015 14:17

Zitat:

Zitat von rundeer (Beitrag 1153646)
Was passiert eigentlich mit der Salazar Truppe? Wird der Sache nachgegangen bis man es vergisst und dann stillschweigend eingestellt?

Gab's nicht vor ein paar Tagen zu lesen, dass ihnen keine Verstöße nachzuweisen seien bzw. dass es alles legal gewesen sein soll?

Loretta 04.08.2015 15:32

Zitat:

Zitat von robcan (Beitrag 1153448)
Hallo Arne,

ich schätze deine Beiträge hier im Forum, die ich interessant und bereichernd finde.

Sehe es mir nach, wenn ich mich in die Diskussion mit Loretta kurz einklinke. Deinen Aussagen zu JU liegt m.E. eine falsche Annahme zugrunde, wenn du annimmst, er sei der talentierteste Fahrer seiner Zeit. Diese Annahme basiert auf reiner Spekulation und ist nicht hinterlegt.

Dies ist nach meiner Wahrnehmung lediglich ein Image, dass die Medien und Leute aus der Radsportszene prägten, weil er verhältnismäßig jung an Jahren (gut gedopt) erfolgreich war. Selbst LA ließ JU m.E. bewusst in diesem Irrglauben, um ihn dann doch jedes Mal klar zu schlagen.

Ich bin gegen JU viele Jahre Woche für Woche Radrennen gefahren, bevor er in Oslo Weltmeister und später Profi wurde. Er konnte ganz gut die Berge hochfahren, war im Zeitfahren jedoch lediglich Mittelmaß. Dies entsprach auch seinen natürlichen körperlichen Voraussetzungen (schmächtiger dünner Typ). Erst seine durch höchstwahrscheinlich jahrelangen Dopingeinsatz systematisch aufgebaute Muskulatur schaffte die Voraussetzungen, das er (entgegen seines natürlichen Talents) auch im Zeitfahren und damit bei Rundfahrten konkurrenzfähig wurde.

Es gab allein in seinem Jahrgang mindestens ebenso talentierte Fahrer. Im Gegensatz zu ihnen hatte JU das Glück, das er wegen seines glücklichen WM-Titels den direkten Weg zu einem Top-Profiteam fand und ihm der mühsamere Weg über die üblichen Zwischenstationen erspart blieb. Dieser schnelle Einstieg trug dann sicherlich auch zum besagten Image bei.

Es ist rein spekulativ und durch nichts Stichhaltiges belegt, anzunehmen, dass er den Rest des Profifeldes talentmäßig überragte und ohne Doping der Beste gewesen wäre. Wer tatsächlich der Talentierteste war, wird man leider nie herauskriegen. Aber es gibt durchaus deutliche Hinweise, dass es wenige Fahrer gab, die sauber unterwegs waren (z.B. David Moncoutie) oder angesichts des Dopingsumpfs von einer Profikarriere absahen oder diese vorzeitig beendeten. Gegenüber diesen Fahrern hat sich der die Dopingmittel gut vertragene JU in jedem Falle moralisch fragwürdig (betrügerisch, heuchlerisch) verhalten... von den nichtsahnenden Zuschauern und Journalisten ganz abgesehen.


Auch von mir ein Dank!:Blumen:
Und jetzt bin ich sehr auf die Antwort gespannt:Cheese:

Gruß,
Loretta

dude 04.08.2015 15:49

Zitat:

Zitat von meggele (Beitrag 1153656)
Gab's nicht vor ein paar Tagen zu lesen, dass ihnen keine Verstöße nachzuweisen seien bzw. dass es alles legal gewesen sein soll?

Das war die Aussage von Athletics UK zu Farah. Mal abwarten wie Tygart das sieht. Ich bin optimistisch.

meggele 04.08.2015 16:06

Zitat:

Zitat von dude (Beitrag 1153696)
Das war die Aussage von Athletics UK zu Farah. Mal abwarten wie Tygart das sieht. Ich bin optimistisch.

Ah, ok, dann bin ich das auch :Lachen2:

flaix 04.08.2015 16:49

Zitat:

Zitat von robcan (Beitrag 1153448)
Dies ist nach meiner Wahrnehmung lediglich ein Image, dass die Medien und Leute aus der Radsportszene prägten, weil er verhältnismäßig jung an Jahren (gut gedopt) erfolgreich war. Selbst LA ließ JU m.E. bewusst in diesem Irrglauben, um ihn dann doch jedes Mal klar zu schlagen.

Ich bin gegen JU viele Jahre Woche für Woche Radrennen gefahren, bevor er in Oslo Weltmeister und später Profi wurde.

Es gab allein in seinem Jahrgang mindestens ebenso talentierte Fahrer.

Es ist rein spekulativ und durch nichts Stichhaltiges belegt, anzunehmen, dass er den Rest des Profifeldes talentmäßig überragte

aber man darf doch durchaus die tatsächlich erreichten Siege mal in Relation zu deinen Aussagen stellen? ab 86 jedes Jahr in irgendwas DDR-Meister bis zum WM Titel. Das spricht eine andere Sprache...
--------------
und kam nach Spartakiade-Siegen 1986 mit 13 Jahren auf die Kinder- und Jugendsportschule (KJS) des SC Dynamo Berlin. 1987 wurde Ullrich DDR-Schülermeister im Rad-Bahnvierer und 1988 DDR-Jugendmeister im Straßenradfahren, 1990 DDR-Jugendmeister im Punktefahren.

Nach der Wende nahm ihn sein Trainer Peter Becker mit nach Hamburg zum neu gegründeten Team Panasonic Hamburg. 1992 siegte Ullrich bei den Norddeutschen Straßen-Meisterschaften der Amateure in Harrislee und bei Kriterien in Hildesheim, Bad Sachsa, Kiel und Hannover.

Im Jahr darauf gewann der 19-jährige Ullrich bei den Straßen-Weltmeisterschaften der Amateure in Oslo.

Klugschnacker 04.08.2015 17:01

Zitat:

Zitat von Loretta (Beitrag 1153686)
Auch von mir ein Dank!:Blumen:
Und jetzt bin ich sehr auf die Antwort gespannt:Cheese:

Was soll ich groß dazu sagen? Ich finde es sehr gut, das robcan seine Sicht der Dinge beisteuert. Immerhin einer der wenigen, die ihre Informationen nicht nur aus der Zeitung haben.

Bezüglich des Talents von Jan Ullrich: Auf mich macht robcans Posting durchaus Eindruck; ich nehme es ernst. Gleichzeitig gibt es jedoch auch Aussagen von anderen Insidern, die robcan wohl widersprechen würden. Ullrich ist schon sehr früh, im Alter von 13-15 Jahren, als großes Talent aufgefallen. Ohne überragendes Talent wird man auch nicht Tour- und Vuelta-Sieger, fünffacher Tour-Zweiter, Olympiasieger und Weltmeister. Und das, obwohl man ihn seit 1998 selten in wirklicher Topform gesehen hat.

Dass Armstrong ein noch größeres Talent hatte, scheint zumindest dieser selbst nicht so zu sehen. In Tyler Hamiltons Buch ist recht eindrucksvoll beschrieben, dass Armstrong niemanden so fürchtete wie einen Ullrich in Topform, den er als physisch überlegen ansah. Ob Ullrich ungedopt unter ungedopten Fahrern der Beste gewesen wäre, das ist Spekulation, da muss ich robcan recht geben. Niemand kann das mit Bestimmtheit behaupten.

Dass Jan diejenigen Fahrer betrogen hat, die in den Neunziger- und Nullerjahren einen dopingfreien Profiradsport betreiben wollten, dem stimme ich zu. Wie schon oft dargelegt, halte ich das aber für eine sehr verkürzte Sichtweise. Sie führt wie im Falle Ullrichs zu großen Ungerechtigkeiten. Der Spitzensport hat ein strukturelles Problem. Wenn einzelne Fahrer keine Leistung bringen, werden sie durch stärkere ersetzt, fertig. Es ist falsch, das Problem allein beim Fahrer zu sehen.

FinP 04.08.2015 17:40

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1153718)
Es ist falsch, das Problem allein beim Fahrer zu sehen.

Richtig. Es ist aber auch ebenso falsch, das Problem nicht in erster Linie beim Fahrer/Athlet zu sehen. Ohne die Gier nach Erfolg/Geld/Anerkennung des Fahrers läuft das System nicht. JU hätte spätestens im Erwachsenenalter jederzeit sagen können: Nicht mit mir. Hat er aber nicht und bis jetzt nicht getan.
Es ist auch müßig sich zu überlegen, ob man selbst dazu in der Lage gewesen wäre, "Nein" zu sagen, weil nicht ehrlich beantwortbar.

Das Problem mit deutschen/europäischen Sportlern ist insofern ganz anders gelagert als bei den armen Kenianern aus Seppelts Doku. Da hängen teilweise die Existenzrn von ganzen Dörfern dran.

Fazit von der ganzen Geschichte:
Die Beendigung jeglicher Spitzensportförderung von staatlicher Seite ist mal wieder überfällig, keine Sportkompanien mehr, keine Sportpolizisten mehr, kein Geld für Medaillen. Wer durch Werbeeinnahmen nicht vom Sport leben kann, der soll es halt bleiben lassen und sich einen anderen Job suchen.
Aus gesellschaftlicher Sicht ist das nicht förderungswürdig und die Aussagen von unserem BMI zu Medaillen absurd.

Vicky 04.08.2015 17:55

Zitat:

Zitat von flaix (Beitrag 1153714)
aber man darf doch durchaus die tatsächlich erreichten Siege mal in Relation zu deinen Aussagen stellen? ab 86 jedes Jahr in irgendwas DDR-Meister bis zum WM Titel. Das spricht eine andere Sprache...
--------------
und kam nach Spartakiade-Siegen 1986 mit 13 Jahren auf die Kinder- und Jugendsportschule (KJS) des SC Dynamo Berlin. 1987 wurde Ullrich DDR-Schülermeister im Rad-Bahnvierer und 1988 DDR-Jugendmeister im Straßenradfahren, 1990 DDR-Jugendmeister im Punktefahren.

Zum Thema frühe Erfolge in der DDR möchte ich gern etwas beitragen. Ich selbst bin mit 12 Jahren an der KJS (SC Dynamo Berlin) eingeschult worden. Das war Sept. 1987. Ich war zu dem Zeitpunkt nicht ganz, aber fast 12 Jahre alt.

Meine erste "Vitaminpille" erhielt ich von meinem damaligen Trainer (er ist vor langer Zeit an Krebs verstorben) mit 9 Jahren. Ich kann mich komischerweise sehr genau an die Situation erinnern, als wäre es gestern gewesen. Wir standen vor der Schwimmhalle. Es war vor einem wichtigen Wettkampf. Er gab mir eine rote Pille. Was er da sagte, weiß ich jedoch nicht mehr. Es ist absolut möglich, dass ich das vorher schon bekam, mich jedoch nicht daran erinnern kann. Wir bekamen regelmäßig "Vitaminpräparate" von ihm. Der obige Moment ist mir nur besonders in Erinnerung geblieben, weil es ein wichtiger Wettkampf war.

Daraufhin gewann ich alle Rennen (bis auf eins ;) ) bei den Berliner Spartakiade meiner Altersklasse. Das führte zur Qualifikation für die Kinder- und Jugendspartakiade 1987. Zuvor war ich zwar ganz gut, habe aber bei weitem nicht alles gewonnen. Das wiederum führte in der Folge dazu, dass ich überhaupt an der KJS angenommen wurde. Es gab 3 Sichtungslehrgänge, wo die Kandidaten geprüft und getestet wurden. Nur 18 Mädchen wurden angenommen.

Auch an der KJS bekamen wir "Vitamine" in Form eines Pulvers.
Es hat ziemlich lecker nach Brausepulver geschmeckt. Keine Ahnung, wie das Zeug hieß. Auf der durchsichtigen Küchen-Plastiktüte stand nichts drauf ;) .). Was da drin war... keine Ahnung. Es hat körperliche Veränderungen bewirkt. Ich selbst habe relativ viel Gewicht zugelegt. Das war ein nicht gerade erwünschter Nebeneffekt. Dafür war ich sehr kräftig. Meine Maximalkraft und Schnellkraft war extrem gut.

Mein damaliger Trainer war damit jedoch eher sorglos. Wir haben das Zeug von ihm selten bekommen. Wenn, dann kam es von anderer Stelle. Bei andere Klassen nicht. Da lief das anders. Das führte u.a. dazu, dass in unserer Klasse der Erfolg ausblieb. Wir holten bei AK DDR-Meisterschaften nur zweite Plätze und Holzmedaillen. Folge: Trainerwechsel. Die Wende nahte, ich ging von der KJS. Zum Glück. Ich traf meine früheren Kolleginnen etwa ein Jahr später bei norddeutschen Meisterschaften oder so ähnlich, körperlich völlig verändert. Gesundheitlich gab es durchaus Nebenwirkungen, die ich aber glücklicherweise gut überstand.

Ich berichte dies ausschließlich aus meinen eigenen Erinnerungen. Deshalb habe ich es relativ detailliert geschildert. Es ist rein exemplarisch. Ich glaube, dass andere deutlich mehr Mittel erhalten haben. Das kann ich aber nicht mit Bestimmtheit sagen.

Das nur zur Info, was frühere DDR Erfolge betrifft. Die darf man gern kritisch hinterfragen und mit Vorsicht genießen.

... glaubst Du die Trainer und deren Praktiken waren nach der Wende verschwunden? Auch sie lernten schnell dazu ;)

Klugschnacker 04.08.2015 18:12

Zitat:

Zitat von FinP (Beitrag 1153728)
Ohne die Gier nach Erfolg/Geld/Anerkennung des Fahrers läuft das System nicht.

Oh doch. Lies mal das Buch von Paul Kimmage "Raubeine rasiert". Da sieht man, wie auch Fahrer, die weit entfernt sind von Erfolg/Geld/Anerkennung in den Dopingsumpf gezogen werden.

Wir sehen vom Radsport nicht viel mehr als die Tour de France und denken, das sei der Profiradsport. Darunter ist jedoch eine breite Schicht an armen Schweinen, die im Wesentlichen aus Existenzangst dopen. Mit denen bekommst Du es zu tun, wenn Du aus ethischen Gründen sauber fahren willst.

Als der irische Meister Paul Kimmage zum ersten Mal eine verbotene Substanz einwarf, war das direkt vor einem Kriterium. Er war schon vor dem Rennen fix und fertig, denn zahllose Renntage hatten alles aus ihm herausgequetscht. Sein Vertrag stand ohnehin auf der Kippe. Als ein Kollege ihm im Hotelzimmer von seinen Amphetaminen gab, war das zwischen den beiden eine selbstlose, kollegiale Geste. Für uns gut abgesicherte Wohlstandsbürger das Allerletzte. Paul Kimmage wollte nie dopen. Er hatte einfach nicht die Kraft, auf Dauer dem zu widerstehen, was (fast) alle taten.

Wir machen uns das zu leicht, wenn wir sagen, die Gier des Einzelnen nach Erfolg und Anerkennung sei schuld. Man kann den Einzelnen auch nicht aus seiner Verantwortung entlassen, aber er trägt sie nicht alleine.

Grüße,
Arne

Klugschnacker 04.08.2015 18:15

Zitat:

Zitat von Vicky (Beitrag 1153732)
Meine erste "Vitaminpille" erhielt ich von meinem damaligen Trainer (er ist vor langer Zeit an Krebs verstorben) mit 9 Jahren. Ich kann mich komischerweise sehr genau an die Situation erinnern, als wäre es gestern gewesen. Wir standen vor der Schwimmhalle. Es war vor einem wichtigen Wettkampf. Er gab mir eine rote Pille ...

Daraufhin gewann ich alle Rennen (bis auf eins ;) ) bei den Berliner Meisterschaften meiner Altersklasse.

Heftig!! :(

qbz 04.08.2015 18:28

Zitat:

Zitat von Vicky (Beitrag 1153732)
Zum Thema frühe Erfolge in der DDR möchte ich gern etwas beitragen. Ich selbst bin mit 12 Jahren an der KJS (SC Dynamo Berlin) eingeschult worden. Das war 1987. Ich war zu dem Zeitpunkt nicht ganz, aber fast 12 Jahre alt.

Meine erste "Vitaminpille" erhielt ich von meinem damaligen Trainer (er ist vor langer Zeit an Krebs verstorben) mit 9 Jahren. Ich kann mich komischerweise sehr genau an die Situation erinnern, als wäre es gestern gewesen. Wir standen vor der Schwimmhalle. Es war vor einem wichtigen Wettkampf. Er gab mir eine rote Pille. Was er da sagte, weiß ich jedoch nicht mehr. Es ist absolut möglich, dass ich das vorher schon bekam, mich jedoch nicht daran erinnern kann. Wir bekamen regelmäßig "Vitaminpräparate" von ihm. Der obige Moment ist mir nur besonders in Erinnerung geblieben, weil es ein wichtiger Wettkampf war.

Daraufhin gewann ich alle Rennen (bis auf eins ;) ) bei den Berliner Meisterschaften meiner Altersklasse. Das führte zur Qualifikation für die Kinder- und Jugendspartakiade 1986. Zuvor war ich zwar ganz gut, habe aber bei weitem nicht alles gewonnen. Das wiederum führte in der Folge dazu, dass ich überhaupt an der KJS angenommen wurde. Es gab 3 Sichtungslehrgänge, wo die Kandidaten geprüft und getestet wurden. Nur 18 Mädchen wurden angenommen.

Auch an der KJS bekamen wir "Vitamine" in Form eines Pulvers.
Es hat ziemlich lecker nach Brausepulver geschmeckt. Keine Ahnung, wie das Zeug hieß. Auf der durchsichtigen Küchen-Plastiktüte stand nichts drauf ;) .). Was da drin war... keine Ahnung. Es hat körperliche Veränderungen bewirkt. Ich selbst habe relativ viel Gewicht zugelegt. Das war ein nicht gerade erwünschter Nebeneffekt. Dafür war ich sehr kräftig. Meine Maximalkraft und Schnellkraft war extrem gut.

Mein damaliger Trainer war damit jedoch eher sorglos. Wir haben das Zeug von ihm selten bekommen. Wenn, dann kam es von anderer Stelle. Bei andere Klassen nicht. Da lief das anders. Das führte u.a. dazu, dass in unserer Klasse der Erfolg ausblieb. Wir holten bei AK DDR-Meisterschaften nur zweite Plätze und Holzmedaillen. Folge: Trainerwechsel. Die Wende nahte, ich ging von der KJS. Zum Glück. Ich traf meine früheren Kolleginnen etwa ein Jahr später bei norddeutschen Meisterschaften oder so ähnlich, körperlich völlig verändert. Gesundheitlich gab es durchaus Nebenwirkungen, die ich aber glücklicherweise gut überstand.

Ich berichte dies ausschließlich aus meinen eigenen Erinnerungen. Deshalb habe ich es relativ detailliert geschildert. Es ist rein exemplarisch. Ich glaube, dass andere deutlich mehr Mittel erhalten haben. Das kann ich aber nicht mit Bestimmtheit sagen.

Das nur zur Info, was frühere DDR Erfolge betrifft. Die darf man gern kritisch hinterfragen und mit Vorsicht genießen.

... glaubst Du die Trainer und deren Praktiken waren nach der Wende verschwunden? Auch sie lernten schnell dazu ;)

Danke für Deine offene Schilderung!

Würdest Du in den letzten Absatz auch den Berliner Trainer der Schwimmerinnen von Almsick u. Steffen einbeziehen?

FinP 04.08.2015 18:35

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1153736)
Oh doch. Lies mal das Buch von Paul Kimmage "Raubeine rasiert". Da sieht man, wie auch Fahrer, die weit entfernt sind von Erfolg/Geld/Anerkennung in den Dopingsumpf gezogen werden.

Wir sehen vom Radsport nicht viel mehr als die Tour de France und denken, das sei der Profiradsport. Darunter ist jedoch eine breite Schicht an armen Schweinen, die im Wesentlichen aus Existenzangst dopen. Mit denen bekommst Du es zu tun, wenn Du aus ethischen Gründen sauber fahren willst.

Was heißt Existenzangst für Dich?
Ja, kann sein, dass man sein bisheriges Leben nicht weiterleben kann, aber man kann ja auch nen anderen Job machen. Ich verstehe das in unseren Breitengraden nicht.

Hoppel 04.08.2015 18:35

Danke für den Bericht Vicky :Blumen:

Vicky 04.08.2015 18:50

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1153739)
Danke für Deine offene Schilderung!

Würdest Du in den letzten Absatz auch den Berliner Trainer der Schwimmerinnen von Almsick u. Steffen einbeziehen?

Franzi kam ein Jahr NACH mir an die Sportschule. Ich war davor mit ihr auch im gleichen Dynamo Verein (SG Dynamo Helmut Just). Dort lernte sie schwimmen. Franzis Jahrgang war EXTREM stark. Es gab mehrere hoch talentierte Schwimmerinnen auf gleichem Leistungsniveau wie Franzi, u.a. eine weitere Olympiateilnehmerin mit Staffelmedaille (Atlanta 1996). Im Vergleich dazu war mein Jahrgang wirklich ein "Luschenjahrgang". ;)
Eines der Mädchen ist nicht an die Sportschule gegangen, sie schwimmt aber wohl heute wieder gelegentlich bei den Masters und just for fun.

Franzi wurde schon immer vom gleichen Trainer trainiert (auch bei der SG Dynamo Helmut Just so viel ich weiß. Da kann ich mich aber echt auch irren. Sie war aber definitiv nicht bei meinem damaligen Trainer. Warnatzsch hat sie SEHR früh übernommen. Definitiv war sie schon bei ihm, als sie 10 war. Da schwamm sie nämlich die 100F zum ersten Mal in unter 1 Minute.). Unsere Gruppen waren streng nach Altersklasse getrennt.

Ich kann und möchte zu Norbert Warnatzsch absolut nichts sagen. Nicht weil ich nicht möchte, sondern weil ich es tatsächlich nicht kann. Ich kenne ihn wirklich gar nicht. Er war nie mein Trainer. Wir sind uns immer nur flüchtig am Beckenrand begegnet. Er war halt Franzis Trainer.
Es gab unter den Trainern große Unterschiede. Mein alter Trainer z.B. war noch ganz neu, frisch von der Trainerakademie oder was auch immer... und er kam von einer anderen Sportart. Er hatte im Grunde vom System noch gar keine Ahnung.

Abseits des Dopings kann ich sagen, dass die DDR Trainer für damalige Verhältnisse sehr weit und sehr fortschrittlich waren. Schon mit uns (12 Jahre!!!) wurde mentales Training getestet. Es gab eine Psychologin, die uns betreute. Von den Trainingsmethoden kommt mir noch heute einiges bekannt vor. Ich kann mich jedoch nicht wirklich an viel erinnern. Damals wurde eher geschwiegen und nur der Puls abgefragt und Laktat gemessen... 1 mal im Monat mit immer der gleichen Serie (8x200 Fr)...

flaix 04.08.2015 19:02

Zitat:

Zitat von Vicky (Beitrag 1153732)
Auch an der KJS bekamen wir "Vitamine" in Form eines Pulvers.
Es hat ziemlich lecker nach Brausepulver geschmeckt.

Dyn-Vital Brausepulver. Manche sagen da war Stoff drin. Kann man aber nicht mehr so genau nachvollziehen. Was dagegen sprechen würde, ist das das man das völlig unkontrolliert konsumieren konnte. Stoff wurde normalerweise peinlich genau protokolliert.

Die rote Pille war Koffein / Vitamin C.

Nur die blauen waren zweifelsfrei Steroide.

Bitte nicht falsch verstehen: das war alles schlimmes Zeug.

Bitte nur nicht so tun als ob nur Ulle gestofft hätte und deshalb bei den 13 jährigen schon die Spartakiade gewonnen hat. Er war in allen Altersklassen immer ganz vorne, in allen Aspekten und bekam dann deswegen natürlich auch Sonderbehandlung. Wie alle anderen Top-Talente auch.

Vicky 04.08.2015 19:07

Zitat:

Zitat von flaix (Beitrag 1153752)
...
Bitte nur nicht so tun als ob nur Ulle gestofft hätte und deshalb bei den 13 jährigen schon die Spartakiade gewonnen hat. Er war in allen Altersklassen immer ganz vorne, in allen Aspekten und bekam dann deswegen natürlich auch Sonderbehandlung. Wie alle anderen Top-Talente auch.

Richtig. Es gab für alle TOP TOP Athleten immer eine Sonderbehandlung. Das war bei uns ganz genauso. Ich wollte ja gerade damit sagen, dass nicht nur Ulle gestofft hat, sondern diese Dinge schon sehr früh beginnen. Mit dem Leistungsdruck und Leidensdruck beginnt das System. Es war absolut üblich, dass Eltern ihre Kinder eben zum Sport schickten und Erfolg um nahezu jeden Preis wollten. Das war das Ticket zu vielen Vorteilen... (so jedenfalls die Vorstellung vieler Eltern)

Bei uns wurde genau dosiert. Auch das Dynvital. Wir bekamen das meist genau abgemessen in Tüten mit Hinweis, wann wir das wie nehmen. Es gab Portionstüten und nein, wir durften es nicht frei und unbegrenzt nehmen. Das kam jedoch nicht von unserem Trainer, sondern von anderer Stelle.

Ich glaube nicht, dass in der roten (?) Pille nur etwas Koffein und Vitamin drin war. Es ist ziemlich lange her. Die Situation als solche bleibt mir in Erinnerung. Die Wirkung wäre zu kurz gewesen. So ein Wettkampf ging über ein ganzes Wochenende. Mein damaliger Trainer war (altersbedingt) bereits ausgemustert worden. Er war zuvor an der KJS als Trainer tätig. Dann trainierte er Kinder in dem Alter. Das war ja gerade kurz nachdem man die Sichtungen (in der 2. Klasse) durch hatte. Ich weiß also nicht, wo er das Zeugs her hatte. Keine Ahnung. Das kann alles und nichts gewesen sein.

Wenn es recht ist, würde ich mich gern wieder aus der Diskussion zurück ziehen. Ich möchte mich nicht (mehr) damit beschäftigen. Sorry.

qbz 04.08.2015 19:21

Zitat:

Zitat von Vicky (Beitrag 1153749)
......
Abseits des Dopings kann ich sagen, dass die DDR Trainer für damalige Verhältnisse sehr weit und sehr fortschrittlich waren. Schon mit uns (12 Jahre!!!) wurde mentales Training getestet. Es gab eine Psychologin, die uns betreute. Von den Trainingsmethoden kommt mir noch heute einiges bekannt vor. Ich kann mich jedoch nicht wirklich an viel erinnern. Damals wurde eher geschwiegen und nur der Puls abgefragt und Laktat gemessen... 1 mal im Monat mit immer der gleichen Serie (8x200 Fr)...

danke Dir für die umfassende, konkrete Antwort.

Da ich selbst mal als Kind / Jugendlicher eine Zeitlang Schwimmen als Hochleistungssport betrieb, bis mir der Zeitaufwand zu gross wurde (2x mal am Tag), hat mich das besonders interessiert.

flachy 04.08.2015 20:03

Zitat:

Zitat von flaix (Beitrag 1153752)
Dyn-Vital Brausepulver. Manche sagen da war Stoff drin. Kann man aber nicht mehr so genau nachvollziehen. Was dagegen sprechen würde, ist das das man das völlig unkontrolliert konsumieren konnte. Stoff wurde normalerweise peinlich genau protokolliert.

Anmerkung zu Dynvital:
Stand bei uns an der KJS in Jena 1987 in den großen Thermokübeln auf dem Gang, auch bei der Spartakiade in Leipzig standen die Dinger in der Gastschule, in der alle Sportler aus dem "Bezirk Gera" pennten - war dort unbedenklich, ging als Mineralstoff- und Multivitamin durch, gab ja kein Hohes C, Coke oder Sprite.
Den dosierten Tütchen (wie von Vicky beschrieben) wurde beim VEB Jenapharm STS (müßten eine Art Steroide gewesen sein, vielleicht weiß das jemand mit medizinischem Background?) beigemischt, was ihr sensationelles "Wachstum" erklären könnte.
Das dosierte Zeug gab's beim SC Motor Jena nur für die jugendlichen kraftbetonten Sportarten (Ringer, Judoka, technische LA) sowie die Olympiakader (gab da u.a. eine sehr talentierte Weitspringerin, die es noch sehr weit gebracht hat...).
Für uns kleene Läufer gab's nix außer Kloppe von den Ringern, wenn wir deren Waagen auf dem Gang verstellt hatten.
Dafür haben wir uns gerächt und nachts in deren Thermokübel mit Dynvital gepinkelt.
Unser eigener Konsum hat sich danach aus verständlichen Gründen etwas reduziert, war ja auch keine Pflicht...

Vicky 04.08.2015 20:10

Zitat:

Zitat von flachy (Beitrag 1153774)
..
Den dosierten Tütchen (wie von Vicky beschrieben) wurde beim VEB Jenapharm STS (müßten eine Art Steroide gewesen sein, vielleicht weiß das jemand mit medizinischem Background?) beigemischt, was ihr sensationelles "Wachstum" erklären könnte.
Das dosierte Zeug gab's beim SC Motor Jena nur für die jugendlichen kraftbetonten Sportarten (Ringer, Judoka, technische LA) sowie die Olympiakader (gab da u.a. eine sehr talentierte Weitspringerin, die es noch sehr weit gebracht hat...).
Für uns kleene Läufer gab's nix außer Kloppe von den Ringern, wenn wir deren Waagen auf dem Gang verstellt hatten.
Dafür haben wir uns gerächt und nachts in deren Thermokübel mit Dynvital gepinkelt.
Unser eigener Konsum hat sich danach aus verständlichen Gründen etwas reduziert, war ja auch keine Pflicht...

Wir wurden erst gewogen, dann gab es die dosierten Tüten. Wir haben die z.B. nach unserem "Debakel" bei den DDR Meisterschaften bekommen, weil wir da nix gewonnen hatten. Ich habe mein Haupt-Finale auch vergeigt (Als Vorlaufschnellste ins Finale, am Ende Holzmedaille). Daran kann ich mich erinnern. Davor weiß ich nicht mehr. Ich habe da eher an andere Dinge viele Erinnerungen... an Wettkämpfe oder an bestimmte Trainings, ein oder zwei Trainingslager oder daran, dass wir den Turnern manchmal zugeschaut haben und sie uns wahnsinnig leid taten...

Das "freie" Dynvital gabs (eher selten) vom Trainer. Das stand aber bei uns nirgendwo rum, wie bei Euch in Jena :Lachen2: .

tandem65 04.08.2015 20:33

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1153736)
Darunter ist jedoch eine breite Schicht an armen Schweinen, die im Wesentlichen aus Existenzangst dopen.

Danke Arne, daß Du an der Stelle so mitfühlend bist. Existenzängste beschränken sich nicht nur auf den Profisport. Ich habe trotzdem noch keine Bank überfallen oder Geiseln genommen. Sollte ich vielleicht mal drüber nachdenken. Du hast da ja offensichtlich keinerlei moralische Bedenken.:Huhu:

Pmueller69 04.08.2015 20:39

Zitat:

Zitat von tandem65 (Beitrag 1153782)
Danke Arne, daß Du an der Stelle so mitfühlend bist. Existenzängste beschränken sich nicht nur auf den Profisport. Ich habe trotzdem noch keine Bank überfallen oder Geiseln genommen. Sollte ich vielleicht mal drüber nachdenken. Du hast da ja offensichtlich keinerlei moralische Bedenken.:Huhu:

Ich schätze viele Deiner Beiträge, tandem65, aber das find ich jetzt daneben.

Flow 04.08.2015 20:40

Zitat:

Zitat von tandem65 (Beitrag 1153782)
Danke Arne, daß Du an der Stelle so mitfühlend bist. Existenzängste beschränken sich nicht nur auf den Profisport. Ich habe trotzdem noch keine Bank überfallen oder Geiseln genommen. Sollte ich vielleicht mal drüber nachdenken. Du hast da ja offensichtlich keinerlei moralische Bedenken.:Huhu:

Wozu immer wieder dieses polemische Polarisieren ?

Wir sind doch nicht mehr im Paläolithikum ... :Huhu:

flaix 04.08.2015 20:43

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1153737)
Heftig!! :(

Arne, es war wirklich nur eine Vitamin / Coffeinpille.

Steroide bei 9 jährigen hat nicht mal der Osten gemacht. Warum? Weil es nichts bringt. Die zynische Begründung: wenn Du Kindern zu zeitig Roids gibst, dann versaust du sie für später.

Der erfolgsorientierte Trainer hat so spät wie möglich angefangen mit den UM. Je später man eingeschleift wurde umso höher der erzielbare Effekt. Wenn möglich wurde gewartet bis die Pubertät vorrüber war etwa.

Ich wehre mich vehement gegen die Sensationslust so mancher Couchkartoffel, die die gaze Angelegenheit doch nur zur Rechtfertigung der eigenen Mittelmässigkeit heranzieht.

Wenn ich mir ansehe wie Kollostrum, Chiasamen und was weiss ich nicht noch mit Begeisterung gefuttert wird, dann sage ich, die gleiche Leute hätten nur zu gerne bei den anderen Sachen auch mitgemacht.

Warum wohl geschieht es nie das ein amtierender Weltmeister oder anderer Spitzenathlet vor das Mikrofon tritt und sagt "SORRY ich kann nicht mehr lügen" ??

Weil sie ALLE mitmachen und reden tun nur die, welche erwischt worden oder schmollen weil es doch nicht ganz geriecht hat.

Hör mir doch auf, die Menscneh sind alle versaut. Und nur komplett unrelevante Hobetten wie wir kommen auf die depperte Idee eine moralische Diskussion im Spitzensport zu führen.

Vicky 04.08.2015 20:48

Zitat:

Zitat von flaix (Beitrag 1153788)
Arne, es war wirklich nur eine Vitamin / Coffeinpille.

Steroide bei 9 jährigen hat nicht mal der Osten gemacht. Warum? Weil es nichts bringt. Die zynische Begründung: wenn Du Kindern zu zeitig Roids gibst, dann versaust du sie für später.

Der erfolgsorientierte Trainer hat so spät wie möglich angefangen mit den UM. Je später man eingeschleift wurde umso höher der erzielbare Effekt. Wenn möglich wurde gewartet bis die Pubertät vorrüber war etwa.

DEFINITIVES GANZ KLARES NEIN. Das ist so nicht richtig.

Sorry. Ich klinke mich an dieser Stelle aber nun wirklich aus.

Zitat:

Zitat von flaix (Beitrag 1153788)
Ich wehre mich vehement gegen die Sensationslust so mancher Couchkartoffel, die die gaze Angelegenheit doch nur zur Rechtfertigung der eigenen Mittelmässigkeit heranzieht.

Ich bin gern mittelmäßig. Aber gegen die Couchkartoffel habe ich etwas.

flaix 04.08.2015 20:52

Zitat:

Zitat von Vicky (Beitrag 1153791)
DEFINITIVES GANZ KLARES NEIN. Das ist so nicht richtig.

Sorry. Ich klinke mich an dieser Stelle aber nun wirklich aus.

hey, nicht sauer sein. aber hast Recht, ist besser wenn man das ruhen lässt.

mopson 04.08.2015 22:15

Zitat:

Zitat von Vicky (Beitrag 1153791)
DEFINITIVES GANZ KLARES NEIN. Das ist so nicht richtig.

Vicky,

Danke für deine Ehrlichkeit und deine momentane Einstellung,

Ich wünsche dir keine negative Nachwirkungen von was mal war!:Blumen:

Loretta 04.08.2015 22:43

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1153736)
Oh doch. Lies mal das Buch von Paul Kimmage "Raubeine rasiert". Da sieht man, wie auch Fahrer, die weit entfernt sind von Erfolg/Geld/Anerkennung in den Dopingsumpf gezogen werden.

Wir sehen vom Radsport nicht viel mehr als die Tour de France und denken, das sei der Profiradsport. Darunter ist jedoch eine breite Schicht an armen Schweinen, die im Wesentlichen aus Existenzangst dopen. Mit denen bekommst Du es zu tun, wenn Du aus ethischen Gründen sauber fahren willst.

Als der irische Meister Paul Kimmage zum ersten Mal eine verbotene Substanz einwarf, war das direkt vor einem Kriterium. Er war schon vor dem Rennen fix und fertig, denn zahllose Renntage hatten alles aus ihm herausgequetscht. Sein Vertrag stand ohnehin auf der Kippe. Als ein Kollege ihm im Hotelzimmer von seinen Amphetaminen gab, war das zwischen den beiden eine selbstlose, kollegiale Geste. Für uns gut abgesicherte Wohlstandsbürger das Allerletzte. Paul Kimmage wollte nie dopen. Er hatte einfach nicht die Kraft, auf Dauer dem zu widerstehen, was (fast) alle taten.

Wir machen uns das zu leicht, wenn wir sagen, die Gier des Einzelnen nach Erfolg und Anerkennung sei schuld. Man kann den Einzelnen auch nicht aus seiner Verantwortung entlassen, aber er trägt sie nicht alleine.

Grüße,
Arne

Mal abgesehen davon, dass Du so manchem hier vorwirfst ihr Wissen nur aus Zeitungen zu ziehen- was in meinem Fall nicht so ganz stimmt, aber das kannst Du nicht wissen obwohl Du mir das gerne unterstellst- zitierst Du auch gerne mal eben Populärliteratur als Quelle. Das sind dann auch "Innenansichten", die nach reiflicher Üerlegung vom Autor sorgfältig aufgeschrieben worden sind und häufig stellt man sich in solchen Sachen ungerne selber schlecht dar...gerade was dann moralische Rechtfertigungen angeht. Wer würde da schreiben, dass man die Wahl hatte, etc.
Aus Existenzangst dopen...tja, das gibt es sicherlich. Aber es ist ja nicht so, dass die ohne Vertrag dann vor Hunger sterben wie etwa die armen Kenianer, die mit einem gewonnenen Rennen ein ganzes Dorf ernähren können. Da kann ich die Beweggründe nachvollziehen, da geht es um wirkliche Existenzen. Bei den doch recht behüteten Radprofis ab den 80er Jahren, die in wirtschaftlich starken Ländern groß geworden sind zählt dieses Argument weniger. Radfahren ist mittlerweile keine "arme Leute" Sportart, die Kinder kommen häufig aus gut betuchten Familien. Wenn es mit dem Radfahren nicht klappt wird man als lokale Größe doch häufig einen Job angeboten bekommen.
Wohlstandsbürger...da zählen auch häufig Radsportler dazu, denn das Material, Fahrten zu Rennen, etc. kostet Geld und Zeit.
Und nochmal: ich streite das Talent von JU nicht ab, ich stelle nur in Frage, ob er wirklich DAS Talent war und andere, die ebenso ab der Kinder- und Jugendzeit- mit allem was ein diktatorischer Staat dann auch Minderjährigen antun kann- nicht ebenso gut gewesen wären. Diese Art der sehr traurigen "Sportförderung" war nunmal in der DDR verbreitet.
Und NEIN, ich habe das nicht selber erlebt, ich habe das nachgelesen...

Loretta 04.08.2015 22:52

Zitat:

Zitat von flaix (Beitrag 1153788)
Arne, es war wirklich nur eine Vitamin / Coffeinpille.

Steroide bei 9 jährigen hat nicht mal der Osten gemacht. Warum? Weil es nichts bringt. Die zynische Begründung: wenn Du Kindern zu zeitig Roids gibst, dann versaust du sie für später.

Der erfolgsorientierte Trainer hat so spät wie möglich angefangen mit den UM. Je später man eingeschleift wurde umso höher der erzielbare Effekt. Wenn möglich wurde gewartet bis die Pubertät vorrüber war etwa.

Ich wehre mich vehement gegen die Sensationslust so mancher Couchkartoffel, die die gaze Angelegenheit doch nur zur Rechtfertigung der eigenen Mittelmässigkeit heranzieht.

Wenn ich mir ansehe wie Kollostrum, Chiasamen und was weiss ich nicht noch mit Begeisterung gefuttert wird, dann sage ich, die gleiche Leute hätten nur zu gerne bei den anderen Sachen auch mitgemacht.

Warum wohl geschieht es nie das ein amtierender Weltmeister oder anderer Spitzenathlet vor das Mikrofon tritt und sagt "SORRY ich kann nicht mehr lügen" ??

Weil sie ALLE mitmachen und reden tun nur die, welche erwischt worden oder schmollen weil es doch nicht ganz geriecht hat.

Hör mir doch auf, die Menscneh sind alle versaut. Und nur komplett unrelevante Hobetten wie wir kommen auf die depperte Idee eine moralische Diskussion im Spitzensport zu führen.

Wir fassen zusammen:
- Flaix weiß was Vicky bekommen hat, sogar besser als sie selbst...
- nur die "Versager" packen aus
- wir Hobetten dürfen zwar aus Steuergeldern Spitzensport mitfinanzieren, aber haben kein Anrecht einen sauberen Sport zu fordern
- alle Menschen sind versaut und wenn sie könnten würden sie auch betrügen wo es nur geht.

Nun ja, auch nicht die Welt, in der ich lebe und die ich lebe.

PS: Ach ja, wer nicht Spitzensportler ist, ist Couchpotato und somit frustriert und mittelmäßig.


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