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trithos 09.05.2017 17:45

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1303950)
Der Wahrheitsbegriff und seine Definitionen sind völlig irrelevant....

Es ist völlig egal, ob die Behauptung des Klerus in einer seltsamen Parallel-Wahrheit irgendwie "wahr" sein könnte. Niemand will das wissen. Sondern es geht um die konkrete Wahrheit, die alle vernünftigen Leute gleichermaßen sehen und prüfen können. Nur das steht zur Debatte.

Wenn in dieser normalen Wahrheit die Erde nicht von Gott geschaffen wurde, dann haben die Atheisten diese Debatte gewonnen.

Wenn sich herausstellt, dass Sterne nicht wie kleine Flocken auf die Erde herabfallen können (wie die Bibel behauptet), und wenn die Atheisten daraufhin sagen, dass die Bibel fehlerhaft ist, dann haben die Atheisten diese Debatte gewonnen.

Wenn die Historiker nachweisen, dass Jericho bereits eine Ruine war, als Gott die Stadt angeblich zerstört hat, sodass diese Bibelgeschichte falsch sein muss, dann haben die Historiker diese Debatte gewonnen.

Die Philosophen im Thread bemängeln dauernd, dass (hier schon wieder!) verschiedene "Wahrheits-Ebenen" verglichen würden. Aber stattdessen sollten die Philosophen zur Kenntnis nehmen, dass nur die allgemein sichtbare und prüfbare Wahrheit überhaupt zur Debatte steht.

Das ist wenigstens eine klare Ansage:
1) wer Deinen Wahrheitsbegriff nicht teilt ist unvernünftig
2) wer kein Atheist ist, hat verloren (was interessant ist, denn ich habe doch gedacht, wir diskutieren hier und führen keinen Kampf oder Krieg.)
3) Philosophen sind Trottel, weil
4) nur Deine Interpretation von "Wahrheit" zur Debatte steht?

Es steht Dir natürlich frei, Deine Wahrheit noch hundertmal in anderen Worten und Beispielen zu verteidigen. Wenn Du aber gar nicht daran denkst, Gegenpositionen überhaupt als möglich zu erachten, ist jede Diskussion sinnlos, weil ohnehin keine Diskussion.

Ich nehme für mich in Anspruch, Deine Position mittlerweile verstanden zu haben. Allerdings bin ich offenbar unvernünftig und als studierter Bakk. phil. sogar ein amtlich bestätigter Trottel. Damit kann ich gut leben. Darüber brauchen wir aber auch nicht mehr länger zu reden. Tschüss!

anlot 09.05.2017 17:56

Zitat:

Zitat von captainbeefheart (Beitrag 1303973)
Gratulation zum Sieg!

Geht doch. Das hat ja gedauert. ;-)

captainbeefheart 09.05.2017 17:59

Zitat:

Zitat von anlot (Beitrag 1303994)
Solange keiner Fragen stellt. :Blumen:

Bei drei Töchtern keine Fragen? Du scherzt!

Eine Frage Deinerseits ist noch offen (Wie erkläre ich das meiner 9-jährigen Tochter?), die ich Dir, wenn Du wirklich eine Antwort von mir möchtest (ich habe das - wie beschrieben mit unterschiedlichen Ergebnissen :-) - ja schon zwei Mal geübt), gerne per PN beantworten kann.

captainbeefheart 09.05.2017 18:02

Zitat:

Zitat von trithos (Beitrag 1303995)
Allerdings bin ich offenbar unvernünftig und als studierter Bakk. phil. sogar ein amtlich bestätigter Trottel. Damit kann ich gut leben. Darüber brauchen wir aber auch nicht mehr länger zu reden. Tschüss!

Ich bin nur ein einfacher Trottel, für die amtliche Bestätigung hat es nicht gereicht. Ich bin demnächst mal in Wien, wie wär's mit einem Trottel-Stammtisch? :-)

Klugschnacker 09.05.2017 18:11

Zitat:

Zitat von trithos (Beitrag 1303995)
Das ist wenigstens eine klare Ansage:
1) wer Deinen Wahrheitsbegriff nicht teilt ist unvernünftig
2) wer kein Atheist ist, hat verloren (was interessant ist, denn ich habe doch gedacht, wir diskutieren hier und führen keinen Kampf oder Krieg.)
3) Philosophen sind Trottel, weil
4) nur Deine Interpretation von "Wahrheit" zur Debatte steht?

Dass Philosophen Trottel sind, hat niemand gesagt. Es hat auch keiner gesagt, wer kein Atheist sei, habe pauschal verloren. Es ging eindeutig um bestimmte, beweisbare Tatsachen. :Blumen:

Mich würde Deine Interpretation von Wahrheit interessieren. Kannst Du an einem Beispiel den Unterschied zwischen Deinem und dem naturwissenschaftlichen Wahrheitsbegriff erläutern?

Jörn 09.05.2017 18:20

Zitat:

Zitat von trithos (Beitrag 1303995)
Wenn Du aber gar nicht daran denkst, Gegenpositionen überhaupt als möglich zu erachten, ist jede Diskussion sinnlos, weil ohnehin keine Diskussion.

Wo sind denn diese Gegenpositionen?

Die angeblichen Gegenpositionen bestehen nur darin, dass geheimnisvoll geraunt wird, dass man nie wissen könne, was ein Wort bedeuten soll. Jede Bitte darum, mal konkret eine Aussage auf den Tisch zu legen, sodass man diese als Gegenposition debattieren kann, verlief ergebnislos.

So wie ich den Thread verstehe, werden christliche Positionen gegen naturwissenschaftliche Positionen abgewogen. Das sind zwei konkrete, schriftlich vorliegende, klar umrissene Standpunkte. Es ist jedoch kein philosophisches Seminar über die Unmöglichkeit von Wahrheitsdefinitionen. Ich verstehe nicht, warum Du darauf bestehst, dass ich mich dazu äußere, oder dass ich Deinen Thesen dazu folge. Ich sehe keinen Zusammenhang mit dem Thema des Threads.

Nirgends in der Bibel gibt es den leisesten Hinweis darauf, dass sie mit einem bestimmten "Wahrheitsbegriff" verfasst worden wäre. Und falls darüber Zweifel bestehen: Der katholische Katechismus, aus dem ich gelegentlich zitiere, ist auf jeden Fall in normaler Sprache geschrieben, ohne verschiedene "Wahrheits-Ebenen", sondern so, dass ihn jeder verstehen kann. Die klare, weltliche Sprache ist der Zweck: Er wurde geschrieben für Bauern und Knechte, damit diese wissen, was los ist. Es ist einfach Unsinn, dass es ein geheimnisvolles Dokument mit rätselhafter Sprache wäre.

Zarathustra 09.05.2017 18:49

Zitat:

Zitat von waden (Beitrag 1303982)
... Vielmehr wird im Falle der konkreten Sünde doch ganz diesseitig kausal gedacht und argumentiert, oder nicht? ...


Das ist ein guter Einwand. Ich sehe das so: Es findet in der empirisch wahrnehmbaren Welt irgendeine konkrete Handlung statt. Dann sagt Einer, diese sei eine Sünde. Dabei handelt es sich um eine normative Bewertung der konkreten Handlung anhand eines von der Religion vorgebenen Bewertungsmaßstabes. (Du sollst nicht töten!)

So geschieht es auch im außerreligiösen Bereich, wenn z. B. vor Gericht jemand für eine Straftat schuldig gesprochen wird. Die vom Gericht festgestellte Schuld des Täters ist nicht irgendein mysteriöses außerempirisches Etwas, das im Laufe der Verhandlung entdeckt oder bewiesen wurde. Bewiesen wurde das der Täter die Tat so und so begangen hat. Das Wort Schuld drückt die normative Beuteilung aus: Der Täter muß für die Tat die Verantwortung tragen mit diesen und jenen Konsequenzen (Strafe), bevor er wieder vor Staat und Gesellschaft rehabilitiert ist.

Jörn 09.05.2017 19:00

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1304004)
Das ist ein guter Einwand. Ich sehe das so: Es findet in der empirisch wahrnehmbaren Welt irgendeine konkrete Handlung statt. Dann sagt Einer, diese sei eine Sünde. Dabei handelt es sich um eine normative Bewertung der konkreten Handlung anhand eines von der Religion vorgebenen Bewertungsmaßstabes. (Du sollst nicht töten!)

So geschieht es auch im außerreligiösen Bereich, wenn z. B. vor Gericht jemand für eine Straftat schuldig gesprochen wird. Die vom Gericht festgestellte Schuld des Täters ist nicht irgendein mysteriöses außerempirisches Etwas, das im Laufe der Verhandlung entdeckt oder bewiesen wurde. Bewiesen wurde das der Täter die Tat so und so begangen hat. Das Wort Schuld drückt die normative Beuteilung aus: Der Täter muß für die Tat die Verantwortung tragen mit diesen und jenen Konsequenzen (Strafe), bevor er wieder vor Staat und Gesellschaft rehabilitiert ist.

Das betrifft Einschätzungen, die auf einer Wertung basieren. Es sind Normen. Da gebe ich Dir gerne Recht.

Aber was ist mit der Schaffung der Erde? Ist das auch nur eine Norm? Ist deren Entstehungsprozess eine Norm? Ist der Unterschied zwischen "Existenz" und "Nicht-Existenz" eine Norm, im Fall der Erde?

Meine Beispiele und Einwände bezogen sich nicht auf die Frage, ob Gott "gut" sei oder ob der Verzehr von Schalentieren eine "Sünde" darstellt. Das ist beliebig. Sondern ich bezog mich auf Sachverhalte, die völlig wertfrei rein auf deren Vorhandensein reduziert werden können. Das macht die Debatte übersichtlich.

Die Frage, ob die Erde existiert oder nicht, hat bei allen relevanten und diskussionswürdigen Systemen die gleiche Antwort. Sollte ein System zu einem anderen Ergebnis kommen, können wir das System verwerfen. Es wäre allenfalls ein kurioses Gedankenkonstrukt, aber nicht hilfreich in dieser Debatte.

Die Kirche macht sehr konkrete Aussagen über Dinge, die in sich wertfrei sind. Beispielsweise in der Beschaffenheit des Erdatmosphäre, der Sterne oder über den Stammbaum bestimmter Leute. Wenn hier ein System zu sichtbar falschen Ergebnissen kommt, ist das System falsch und sollte verworfen werden. Man darf nicht dem Irrtum unterliegen, dass jedes System gleichermaßen korrekt und hilfreich wäre, nur weil man es sich ausdenken kann.

Zarathustra 09.05.2017 19:27

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1304006)
...
Aber was ist mit der Schaffung der Erde? Ist das auch nur eine Norm? Ist deren Entstehungsprozess eine Norm? ...

Beschaffenheit des Erdatmosphäre, der Sterne oder über den Stammbaum bestimmter Leute...

Die Norm könnte so lauten: Sieh die Welt als eine von einem gütigen Schöpfer geschaffene an (und handle danach)!
Ob er die Welt so sieht oder bloß als ein zweckfreies Ergebnis blind wirkender Naturkräfte - der Unterschied kann für die Handlungsweise eines Menschen durchaus eine Rolle spielen, denke ich.

Es ist davon auszugehen, daß für jedes Buch gilt: Empirische Informationen zu Erdatmosphäre, Sternen und Stammbäumen können etwa zwei Jahrtausende nach Erscheinen des Buches überholt sein.

Jörn 09.05.2017 19:40

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1304009)
Die Norm könnte so lauten: Sieh die Welt als eine von einem gütigen Schöpfer geschaffene an (und handle danach)!

Das ist eine Norm?

Was ist dann mit dieser Norm: "Du existierst nicht".

Könnte ich diesen Standpunkt in diesem Thread vertreten, oder würde das Widerspruch hervorrufen? Wohlgemerkt, ich beziehe mich nur auf meine private Definition, nach der ich nicht existiere. Alle empirischen Einwände definiere ich als ungültig, weil sie eine andere Wahrheitsebene betreffen.

Müsste es nicht eine Möglichkeit der Überprüfung geben?

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1304009)
Es ist davon auszugehen, daß für jedes Buch gilt: Empirische Informationen zu Erdatmosphäre, Sternen und Stammbäumen können etwa zwei Jahrtausende nach Erscheinen des Buches überholt sein.

Du meinst, dass die Aussagen der Bibel über die Erdatmosphäre nur deswegen falsch sind, weil sie sich inzwischen überholt haben; dass sie jedoch zutrafen, als die Bibel geschrieben wurde?

Bist Du der Meinung, dass der Stammbaum von Maria und Josef sich seit der biblischen Zeit verändert hat? Dass also ihre Eltern und Großeltern nicht mehr dieselben sind? Würdest Du das auch über Napoleon sagen? Dass sich seine Eltern inzwischen geändert haben?

Zarathustra 09.05.2017 20:44

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1304016)
...
Könnte ich diesen Standpunkt in diesem Thread vertreten, oder würde das Widerspruch hervorrufen?
...
Müsste es nicht eine Möglichkeit der Überprüfung geben?
...
Du meinst, dass die Aussagen der Bibel über die Erdatmosphäre nur deswegen falsch sind, weil sie sich inzwischen überholt haben; dass sie jedoch zutrafen, als die Bibel geschrieben wurde?

1. Ja. Wenn Du mit dem Satz eine Norm verbinden willst, kannst Du sie vertreten.

2. Nein. Normen werden nicht empirisch geprüft.

3. Nein, das ist nicht meine Ansicht.

Klugschnacker 09.05.2017 20:47

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1304009)
Die Norm könnte so lauten: Sieh die Welt als eine von einem gütigen Schöpfer geschaffene an (und handle danach)!
Ob er die Welt so sieht oder bloß als ein zweckfreies Ergebnis blind wirkender Naturkräfte - der Unterschied kann für die Handlungsweise eines Menschen durchaus eine Rolle spielen, denke ich.

Für mich ist die Welt "ein zweckfreies Ergebnis blind wirkender Naturkräfte". Oder anders gesagt: Jeden Sinn müssen wir uns selbst geben.

Wo siehst Du jetzt einen Unterschied zu jemandem, der die Welt als von einem gütigen Gott erschaffen sieht? Ist es die Sicherheit seiner Überzeugungen, da er sich auf allerhöchste Autorität beruft, während ich mir meiner Urteile stets unsicher sein muss, da es sich um menschliche Urteile handelt?

Jörn 09.05.2017 21:27

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1304020)
1. Ja. Wenn Du mit dem Satz eine Norm verbinden willst, kannst Du sie vertreten. 2. Nein. Normen werden nicht empirisch geprüft.

Danke für die Aufklärung. Du sagst, ich könne durchaus folgende Norm vertreten: "Ich existiere nicht", ungeachtet der offensichtlichen Absurdität. Dies würde auch nicht empirisch geprüft.

Ich scheue mich etwas vor der Schlussfolgerung. Nach den vielen Seiten im Thread scheint sich nun herauszustellen, dass die geheimnisvolle "Wahrheitsebene" schlicht darin besteht, dass jede nur denkbare Absurdität als "wahr" bezeichnet werden kann, einfach weil sie jemand so definiert hat. Es gibt also überhaupt nichts anderes als "wahr". Alles ist "wahr".

Das Konzept frei definierter Normen, die mit der Realität nichts zu tun haben, hast Du in die Debatte eingebracht. Warum? Doch vermutlich, weil sie etwas klären, prüfen oder entscheiden können und dadurch den Sachverhalt erhellen. Nun sieht es aber so aus, als wäre es ein Konstrukt, welches jede Prüfung und Klärung verhindert.

Ist das Dein Ziel? Dass eine Prüfung der Bibel nicht möglich ist? Dass sie in jedem Fall wahr ist, weil sie jemand als "wahr" definiert hat?

Was ist, wenn ich sie als "unwahr" definiere? Ist es einfach nur Definitionssache? Könnte ich dann nicht auch definieren, dass die Bibel nur an ungeraden Tagen wahr ist, jedoch wahr an geraden Tagen? Oder von 10-18 Uhr (Mittwochs 10 bis 12 Uhr)?

waden 09.05.2017 21:55

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1304004)
D... Es findet in der empirisch wahrnehmbaren Welt irgendeine konkrete Handlung statt. Dann sagt Einer, diese sei eine Sünde. Dabei handelt es sich um eine normative Bewertung der konkreten Handlung anhand eines von der Religion vorgebenen Bewertungsmaßstabes...

Die Sprache dieses Bewertungsmaßstabes entstammt einer Zeit, in der die (christliche) Kirche noch die Macht besaß, die gesamte Welt zu erklären. Mit der Aufklärung musste die Kirche nach und nach Bastionen abgeben bzw. Irrtümer eingestehen (Schöpfung in 6 Tagen, Erde als Zentrum des Universums, Mensch als Zentrum und Ziel der Schöpfung usw.).

Statt bescheidener zu werden im Anspruch, den Kosmos zu erklären, zieht die Kirche sich in die Bereiche zurück, die sie als von der Naturwissenschaft unerklärbar postuliert. Um diesen Bereich zu schützen, benutzt sie eine Fachsprache, die möglicherweise in sich kontextbezogen als schlüssig verstanden werden kann. Die Sprache dient aber (auch) der Abgrenzung, damit die Behauptung aufrecht erhalten werden kann, nur diese Institution sei fähig, in diesem Bereich gültige Aussagen zu treffen.

Das erscheint mir sehr merkwürdig. In allen möglichen Bereichen erwiesen sich Glaubenslehren als glatte Irrtümer. Und nun soll ausgerechnet diese Instituion und dieser Wahrheitskontext das erklären können, was (bisher) von den Naturwissenschaften nicht erklärt werden konnte - ? Selbst wenn es die Naturwissenschaften nie erklären werden könnten - ändert es nichts an der Absurdität dieses Hoheitsanspruchs.

Zarathustra 09.05.2017 21:55

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1304021)
...
Wo siehst Du jetzt einen Unterschied zu jemandem, der die Welt als von einem gütigen Gott erschaffen sieht? Ist es die Sicherheit seiner Überzeugungen, da er sich auf allerhöchste Autorität beruft, während ich mir meiner Urteile stets unsicher sein muss, da es sich um menschliche Urteile handelt?

Das könnte sicherlich ein Unterschied sein. Vielleicht auch noch, daß der sich auf die göttliche Ordnung berufende kein von Menschen gemachtes Gesetz höher einschätzen will als das göttliche (wie es z.B in Sophokles' Antigone schön beschrieben ist).

Klugschnacker 09.05.2017 22:09

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1304030)
Das könnte sicherlich ein Unterschied sein. Vielleicht auch noch, daß der sich auf die göttliche Ordnung berufende kein von Menschen gemachtes Gesetz höher einschätzen will als das göttliche (wie es z.B in Sophokles' Antigone schön beschrieben ist).

Antigone kenne ich leider nicht. Wäre auch dies als Beispiel zulässig?



Edit: Ich möchte nicht gemein sein, sondern nur stringent argumentieren. Was wir aus logischen Gründen bei Religion X für richtig halten, müssen wir auch für Religion Y einräumen.

Beispiel: "Es ist doch schön, wenn der Mensch an etwas glaubt" – Gilt das für jeden Glauben, oder nur für den eigenen?

waden 09.05.2017 22:11

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1304030)
... der sich auf die göttliche Ordnung berufende kein von Menschen gemachtes Gesetz höher einschätzen will als das göttliche (wie es z.B in Sophokles' Antigone schön beschrieben ist).

(sah ich am Freitag im Theater)- tolles Stück auch heute noch - ähnlich übrigens auch in Kleists Prinz v. Homburg - hier aber nicht göttliches sondern "übergeordnetes" Gesetz - man benötigt nicht unbedingt Gott für das Übergeordnete

waden 09.05.2017 22:12

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1304034)
Antigone kenne ich leider nicht. Wäre auch dies als Beispiel zulässig?


ja, das passt auch. In Antigone geht es darum, dass der Herrscher eine Beerdigung verbietet, und ein Individuum (Antigone) sich widersetzt.

Zarathustra 09.05.2017 22:12

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1304026)
... Du sagst, ich könne durchaus folgende Norm vertreten: "Ich existiere nicht", ungeachtet der offensichtlichen Absurdität. Dies würde auch nicht empirisch geprüft.

Ich scheue mich etwas vor der Schlussfolgerung. ...

Du hast eine sehr abstrakte Frage gestellt. Ich gab Dir eine ebensolche Antwort. Deine Schlußfolgerungen sind, insofern sie meine Position darstellen sollen, unzutreffend.

Zarathustra 09.05.2017 22:18

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1304034)
Antigone kenne ich leider nicht. Wäre auch dies als Beispiel zulässig?
...

Sofern die bekannten Informationen über die Motivationslage der Täter zutreffend sind, wäre auch das ein Beispiel.

Jörn 09.05.2017 22:33

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1304037)
Du hast eine sehr abstrakte Frage gestellt. Ich gab Dir eine ebensolche Antwort. Deine Schlußfolgerungen sind, insofern sie meine Position darstellen sollen, unzutreffend.

Könntest Du ein Beispiel dafür nennen, bei dem Deine Methode dabei hilft, eine falsche Behauptung der Bibel als falsch zu erkennen? (Du kannst auch gerne eine falsche Behauptung aus einem anderen Buch nehmen.)

Das wäre wichtig, weil der Klerus seine Autorität ja darauf stützt, dass die Bibel keine Irrtümer, keine Legenden und keine Mythen enthält. Kann Deine Methode diese Behauptung prüfen oder nicht?

Zarathustra 10.05.2017 01:30

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1304042)
Könntest Du ein Beispiel dafür nennen, bei dem Deine Methode dabei hilft, eine falsche Behauptung der Bibel als falsch zu erkennen? (Du kannst auch gerne eine falsche Behauptung aus einem anderen Buch nehmen.)

Das wäre wichtig, weil der Klerus seine Autorität ja darauf stützt, dass die Bibel keine Irrtümer, keine Legenden und keine Mythen enthält. Kann Deine Methode diese Behauptung prüfen oder nicht?


Ich habe keine spezielle Methode, bestehe nur auf soviel: Verschiedene Sätze haben verschiedene Wahrheitsbedingungen, die es jeweils zu beachten gilt.

- Beispielsweise nützt mir in einem Beweis in der Mathematik in der Regel keine empirische Untersuchung und kein Experiment. Um Fehler zu finden suche ich dann z.B. nach vertauschten Symbolen oder Widersprüchen.

- Ob es irgendwelche bestimmten Städte, die in der Bibel genannt werden, wirklich gegeben hat, läßt sich natürlich empririsch untersuchen. Nur ändert das Ergebnis dann an der Moral von der erzählten Geschichte wahrscheinlich nichts.

- Theologische Sätze haben keine äußeren Wahrheitsbedingungen, außer daß der Klerus sie nach seinen eigenen (nicht beliebigen!) Kriterien als wahr festsetzt und der Gläubige sie als solche annimmt und gegebenfalls danach handelt. Der Klerus verschleiert durch seine Sprache diesen Aspekt und spricht so als ob es sich nicht um eine Festsetzung, sondern um die Erkenntnis einer Wahrheit handelte ( - eine Eigenschaft, die er mit manchem Mathematiker teilt).


Mit dem Klerus und der Autorität verhält es sich in Wirklichkeit nämlich genau umgekehrt: Der Klerus verwendet seine Autorität dazu die Bibel für frei von Irrtümern usw. zu erklären. Er setzt die Bibel als den normativen Maßstab und in diesem Sinne als Wahrheit. Das gilt solange es Menschen gibt, die sich mehr oder weniger daran halten und es für eine gute Norm befinden und nicht nur bis ein Wissenschaftler kommt und feststellt, er habe einen Fehler entdeckt oder mit seinen Methoden gar keinen Gott finden können.

Jörn 10.05.2017 03:26

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1304049)
Theologische Sätze haben keine äußeren Wahrheitsbedingungen, außer daß der Klerus sie nach seinen eigenen (nicht beliebigen!) Kriterien als wahr festsetzt

Danke für die ausführliche Erläuterung.

Was wäre, wenn ich den oben zitierten Satz bestreiten würde (nämlich, dass die Theologie ihre eigene Wahrheitsbedingung hat)?

Mir scheint es nämlich so, als würde man der Theologie einfach diese eigene Spielwiese zugestehen, damit der ganze Murks irgendeinen Sinn ergibt. Da sagt man dann: "Hm, nehmen wir dafür mal einen eigenen logischen Rahmen an, innerhalb dessen dann eine gewisse Logik herrscht. Sonst macht die ganze Sache keinen Sinn."

Aber dadurch beugt man sich dem Murks in vorauseilendem Gehorsam und bastelt ein Konstrukt, das dazu dient, eine Logik zu stützen, anstatt sie zu prüfen. Wer die Sache prüfen will, sollte nicht zuvor ein stützendes Konstrukt basteln, nur damit nichts zusammenbricht. Für mich ist es in Ordnung, wenn das Konstrukt zusammenbricht.

Man könnte auch den Verdacht äußern, dass das Konstrukt nur deshalb gebastelt wird, weil alle wissen, dass es sonst zusammenbrechen wird. Wie ein Prüfer, der nur bestimmte Fragen stellt, weil er weiß, dass der Prüfling die anderen Fragen nicht beantworten kann.

Wenn Du also sagst, "theologische Sätze haben keine äußeren Wahrheitsbedingungen", dann ist das eine willkürliche Hilfestellung zugunsten der Theologie, der ich mich nicht anschließen muss. Ich sehe zwar Deine Logik, aber ich sehe auch die Willkür. Man kann der Theologie einen eigenen Rahmen zugestehen, muss es aber nicht.

Ich würde hier gerne an Arnes Posting erinnern, in dem er darlegte, dass die Scheiterhaufen ja nicht nur theoretisch brannten, sondern ganz weltlich und real. Es sieht also ganz offensichtlich so aus, als würde sich die Theologie nicht in einem eigenen, in sich geschlossenen System bewegen. Auch die angeblichen Sünden scheinen realer Natur zu sein. Ich würde das gerne als Rechtfertigung dafür verwenden, die Theologie in der realen Welt zu verankern und ihr keinen "rein gedachten" Rahmen zuzugestehen.

Wer andere Leute real richtet, der darf auch selbst real gerichtet werden.

Du müsstest doch mindestens die Möglichkeit einräumen, dass die Theologie sich im gleichen Rahmen wie alles andere bewegt und einfach Murks ist?

keko# 10.05.2017 07:56

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1303989)
Hallo keko, meine These, dass Religionen von den Eltern übernommen werden und an den Landesgrenzen plötzlich wechseln, halte ich für alle Religionen aufrecht.



Dass ich mich auf das Christentum beziehe, liegt einfach daran, dass ich mich dort am besten auskenne; außerdem bevorzuge ich schriftlich vorliegende Aussagen (etwa vom Papst oder anerkannten Theologen), damit klar ist, über was gesprochen wird.

Scharlatanerie werfe ich jedoch allen Religionen vor. Scharlatanerie bedeutet, Wissen und/oder Fähigkeiten zu behaupten, die man nicht hat (oder nicht haben kann). Der Begriff impliziert auch eine Unterscheidung zwischen Tätern und Opfern. Ich habe nichts gegen den privaten Glauben einer Person einzuwenden; jedoch scheint mir bei offiziellen Vertretern und deren Äußerungen in den Medien eine offensive Konfrontation angebracht.

Ich schlußfolgere, dass aus deiner Sicht der wissenschaftlich ausgebildete und unvoreingenommen erzogene Mensch unreligiös wäre. Nur ist die Epoche der Aufklärung schon ein paar Jahrhunderte her und keine Erfindung von 2017 und trotzdem gibt es religiöse Menschen, die einen Glauben haben. Auch in Deutschland.

Menschen glauben auch, weil sie glauben wollen. Das ist der Punkt! Sie tun das auch ohne äussere Zwänge und nicht nur, weil sie keine naturwissenschaftliche Ausbildung haben oder von ihren Eltern in die Kirche geschleppt wurden. Der Mensch ist eben nicht ein Wissensverarbeitungsmaschine, die Vorstufe zu einem Robotor (der übrigens auch nicht völlig neutral sein kann).

anlot 10.05.2017 08:28

Zitat:

Zitat von keko# (Beitrag 1304057)
Ich schlußfolgere, dass aus deiner Sicht der wissenschaftlich ausgebildete und unvoreingenommen erzogene Mensch unreligiös wäre. Nur ist die Epoche der Aufklärung schon ein paar Jahrhunderte her und keine Erfindung von 2017 und trotzdem gibt es religiöse Menschen, die einen Glauben haben. Auch in Deutschland.

Menschen glauben auch, weil sie glauben wollen. Das ist der Punkt! Sie tun das auch ohne äussere Zwänge und nicht nur, weil sie keine naturwissenschaftliche Ausbildung haben oder von ihren Eltern in die Kirche geschleppt wurden. Der Mensch ist eben nicht ein Wissensverarbeitungsmaschine, die Vorstufe zu einem Robotor (der übrigens auch nicht völlig neutral sein kann).


Sehe ich gößtenteils anders. Wenn wir uns unser eigenes Land anschauen, so denke ich, dass der "Glaube" doch sehr viel mit Erziehung und dem sozialen Umfeld zu tun hat. Von Kindheit an, wird uns ab dem Kindergarten die Religionsweisheiten eingetrichtert und so getan, als ob es daran überhaupt keinen Zweifel gibt. Noch schlimmer: es findet überhaupt keine differenzierte Diskussion dazu statt. Und natürlich glaubt meine 9-jährige Tochter heute, dass alles was der Religionslehrer erzählt auch wahr sei. Was soll sie auch anderes tun?! Für Kinder existiert nur eine Wahrheit und das ist auch gut so. Daher finde ich es als extrem fahrlässig, sich über eine Begriffsumdeutung aus der Verantwortung zu stehlen.Mittlerweile hat aber auch meine Tochter bereits erkannt, dass einige Erzählungen sich doch sehr komisch und unrealistisch anhören (ja, leider informiert sich die heutige Jugend weit aus mehr, als wir es früher ggfalls getan haben; schlecht für die Kirchen).

Darüberhinaus glaube ich auch, dass bis vor einigen Generationen ein sehr großer vorauseilender Gehorsam in der Bevölkerung zu erkennen war/ist. Ich erlebe das selbst bei meinen Eltern, die sich durch äußere Kompetenzsignale wie Uniformen, offizielle Titel, etc. sehr stark beeinflußen lassen. Diese Generation ist es bis dato nicht gewohnt gewesen, Aussagen oder Lehren dieser Personen in Frage zu stellen und man hat diese daher größtenteils 1:1 übernommen.

Das dies auch die Kirche damals erkannt hatte, zeigt sich für mich immer wieder, durch einen Besuch der Gotteshäuser dieser Republik. In diesen bombastischen Häusern wird man doch nahezu erdrückt durch die Größe und die extreme Opulenz mit Prunk und Protz. Da wird doch ganz klar und plastisch signalisiert wer Groß und wer Klein ist (und auch zu sein hat). Das hat für mich nichts damit zu tun, sich auf Augenhöhe zu begegnen und eine gleichberechtige Konversation zu führen.

captainbeefheart 10.05.2017 08:39

Zitat:

Zitat von anlot (Beitrag 1304060)
... wird uns ab dem Kindergarten die Religionsweisheiten eingetrichtert ... natürlich glaubt meine 9-jährige Tochter heute, dass alles was der Religionslehrer erzählt auch wahr sei. Was soll sie auch anderes tun?! Für Kinder existiert nur eine Wahrheit und das ist auch gut so...

Nun ja, hast Du die Erziehung und Sozialisation an Kindergarten und Schule outgesourced?

Und woher kommt die Annahme, Kinder mit 9 hätten nur "eine Wahrheit"?

keko# 10.05.2017 08:57

Zitat:

Zitat von anlot (Beitrag 1304060)
Und natürlich glaubt meine 9-jährige Tochter heute, dass alles was der Religionslehrer erzählt auch wahr sei. Was soll sie auch anderes tun?! Für Kinder existiert nur eine Wahrheit und das ist auch gut so.

Warum nimmst du sie nicht aus dem Reli-Unterricht raus?

Das mit der "eine Wahrheit" verstehe ich nicht. Meine Töchter hatten in dem Alter schon ebenso Zweifel. Wobei der Reli-Unterricht nochmal aufgeweicht wurde im Gegensatz zu meiner Zeit.

keko# 10.05.2017 09:04

Zitat:

Zitat von anlot (Beitrag 1304060)
Das dies auch die Kirche damals erkannt hatte, zeigt sich für mich immer wieder, durch einen Besuch der Gotteshäuser dieser Republik. In diesen bombastischen Häusern wird man doch nahezu erdrückt durch die Größe und die extreme Opulenz mit Prunk und Protz. Da wird doch ganz klar und plastisch signalisiert wer Groß und wer Klein ist (und auch zu sein hat). Das hat für mich nichts damit zu tun, sich auf Augenhöhe zu begegnen und eine gleichberechtige Konversation zu führen.

Ich meinte übrigens auch Religiösität insgesamt und nicht, ob man daran glaubt, dass z.B. Jesus auf einem Esel ritt oder nicht.

Klugschnacker 10.05.2017 09:07

Zitat:

Zitat von keko# (Beitrag 1304057)
Menschen glauben auch, weil sie glauben wollen. Das ist der Punkt! Sie tun das auch ohne äussere Zwänge

Du müsstest meiner Meinung nach noch darauf eingehen, warum dieser Glaube in den allermeisten Fällen dem der Eltern entspricht.

Warum bildet die Überzeugung, welche Götter wahr seien, auf der Landkarte zusammenhängende Flächen? Bei anderen Fragen, etwa, warum die Saurier ausgestorben sind, ist das nicht der Fall. Warum?

---

Mitte der 80er Jahre kaufte ich die Schallplatte "Thriller" von Michael Jackson. Ich tat es aus freien Stücken, niemand hatte mich dazu gezwungen oder gedrängt. Aber wie frei war ich tatsächlich in meiner Entscheidung? Warum bevorzugte ich dieses Album und kein anderes, etwa die mitreißenden "12 Etudes d’Execution Transcendentes" von Franz Liszt? Warum entschieden sich nicht nur die meisten Jugendlichen in meinem Freundeskreis, sondern in der gesamten westlichen Welt genau wie ich?

Die Antwort ist, dass ich in meiner Kaufentscheidung nicht so frei war, wie es auf den ersten Blick erscheint. Ich unterlag zahlreichen Einflüssen, genauso wie alle anderen Menschen. Wir hörten Radio. Dort lief den ganzen Tag Popmusik und nichts von Franz Liszt. Auf Partys rannten alle auf die Tanzfläche, wenn die Basslinie von "Billie Jean" anhob. Jackson war auf den Titelseiten und im Starschnitt der Bravo.

Wir sind also alle nicht so frei in unseren "Entscheidungen", wie wir vielleicht annehmen. Ich schreibe das Wort in Anführungszeichen, weil sich kaum ein Christ dafür entschieden hat, Christ zu sein. Es war fast immer die Entscheidung der Eltern, oder allgemeiner formuliert: der Einfluss des Umfelds. Wären wir in Indien aufgewachsen, wärest Du heute ein Hindu und ich Besitzer des Albums ভারতীয় উপর থ্রিলার.

anlot 10.05.2017 09:24

Zitat:

Zitat von keko# (Beitrag 1304066)
Warum nimmst du sie nicht aus dem Reli-Unterricht raus?

Das mit der "eine Wahrheit" verstehe ich nicht. Meine Töchter hatten in dem Alter schon ebenso Zweifel. Wobei der Reli-Unterricht nochmal aufgeweicht wurde im Gegensatz zu meiner Zeit.

Haben wir. ;-)

Mit "eine Wahrheit" meine ich die angeborene kindliche Naivität, dass sie erstmal glauben was man Ihnen erzählt und erstmal abwägen welche Definition von Wahrheit wohl gemeint sein könnte.

keko# 10.05.2017 09:38

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1304068)
Du müsstest meiner Meinung nach noch darauf eingehen, warum dieser Glaube in den allermeisten Fällen dem der Eltern entspricht.

Warum bildet die Überzeugung, welche Götter wahr seien, auf der Landkarte zusammenhängende Flächen? Bei anderen Fragen, etwa, warum die Saurier ausgestorben sind, ist das nicht der Fall. Warum?

---

Mitte der 80er Jahre kaufte ich die Schallplatte "Thriller" von Michael Jackson. Ich tat es aus freien Stücken, niemand hatte mich dazu gezwungen oder gedrängt. Aber wie frei war ich tatsächlich in meiner Entscheidung? Warum bevorzugte ich dieses Album und kein anderes, etwa die mitreißenden "12 Etudes d’Execution Transcendentes" von Franz Liszt? Warum entschieden sich nicht nur die meisten Jugendlichen in meinem Freundeskreis, sondern in der gesamten westlichen Welt genau wie ich?

Die Antwort ist, dass ich in meiner Kaufentscheidung nicht so frei war, wie es auf den ersten Blick erscheint. Ich unterlag zahlreichen Einflüssen, genauso wie alle anderen Menschen. Wir hörten Radio. Dort lief den ganzen Tag Popmusik und nichts von Franz Liszt. Auf Partys rannten alle auf die Tanzfläche, wenn die Basslinie von "Billie Jean" anhob. Jackson war auf den Titelseiten und im Starschnitt der Bravo.

Wir sind also alle nicht so frei in unseren "Entscheidungen", wie wir vielleicht annehmen. Ich schreibe das Wort in Anführungszeichen, weil sich kaum ein Christ dafür entschieden hat, Christ zu sein. Es war fast immer die Entscheidung der Eltern, oder allgemeiner formuliert: der Einfluss des Umfelds. Wären wir in Indien aufgewachsen, wärest Du heute ein Hindu und ich Besitzer des Albums ভারতীয় উপর থ্রিলার.

In der Turkei wäre ich wahrscheinlich Moslem, in Indien Hindu. Das ist mir völlig klar.
Ich glaube aber, dass Religionen auch dann entstehen würden, gäbe es sie heute nicht. Vielleicht liegt es daran, dass der Mensch hinter dem ganzen Klimbim hier einen Plan vermutet oder nicht damit fertig wird, dass sein Leben und das Leben aller Menschen letztendlich sinnlos ist und somit mit Hilfe irgendeiner Religion seinem Leben einen Sinn und dem Geschehen einen Plan gibt.

waden 10.05.2017 10:13

Zitat:

Zitat von keko# (Beitrag 1304077)
In der Turkei wäre ich wahrscheinlich Moslem, in Indien Hindu. Das ist mir völlig klar.
Ich glaube aber, dass Religionen auch dann entstehen würden, gäbe es sie heute nicht. Vielleicht liegt es daran, dass der Mensch hinter dem ganzen Klimbim hier einen Plan vermutet oder nicht damit fertig wird, dass sein Leben und das Leben aller Menschen letztendlich sinnlos ist und somit mit Hilfe irgendeiner Religion seinem Leben einen Sinn und dem Geschehen einen Plan gibt.

Ich vermute als Ursachen Tradition und Wunschdenken:

- Tradition (Eltern, Gesellschaft)
- Wunsch, seinen festen Platz zu haben
- Wunsch, Teil von etwas Größerem zu sein - und selbst etwas höheres zu sein
- Wunsch aufzuschauen zu etwas Höherem
- Besiegen der Existenzangst/Gefühl der Sicherheit (es gibt da etwas Größeres)
- Hoffnung auf ein illusorisches Glück (Opium des Volks)
- Hoffnung auf einen Sinn von außen

(Das ist allerdings ein Themenwechsel, denn um den Begriff der Wahrheit reden wir hier nicht)

keko# 10.05.2017 10:36

Zitat:

Zitat von waden (Beitrag 1304083)

(Das ist allerdings ein Themenwechsel, denn um den Begriff der Wahrheit reden wir hier nicht)

Religion ist ein Konstrukt. Es wird schwierig mit der Wahrheit, weil somit jeder seine Religion auslegen kann, wie er will.
Ähnlich ist es z.B. mit der Zeit. Für den Physiker ist die Zeit etwas anderes als für den Philisophen oder den Ökonomen (Zeit = Geld).

Deshalb kann man auch ewig darüber reden und streiten.;)

captainbeefheart 10.05.2017 10:51

Zitat:

Zitat von keko# (Beitrag 1304090)
Religion ist ein Konstrukt. Es wird schwierig mit der Wahrheit, weil somit jeder seine Religion auslegen kann, wie er will.
Ähnlich ist es z.B. mit der Zeit. Für den Physiker ist die Zeit etwas anderes als für den Philisophen oder den Ökonomen (Zeit = Geld).

Deshalb kann man auch ewig darüber reden und streiten.;)

Ich teile Deinen ersten Punkt: Religion ist wie jedes andere System über Kommunikation und Leitdifferenzen sozial konstruiert. In diesem Fall sogar mit x-verschiedenen Konstruktionen und zum Teil historisch schon recht alt. Und in den Systemen existieren x-verschiedene Subsysteme. Jedes davon konstruiert seine eigene Wahrheit, um den sensiblen Begriff eines Teils der Diskussion hier nochmals aufzugreifen. Und zwar normativ, nicht empirisch. Und weil die Systeme prinzipiell selbstreferentiell sind, haben sie die Tendenz sich selbst zu erhalten - wie wir sehen sogar recht lange.

"Beschüsse" von außen führen eher zur Festigung des Systems, denn zu dessen Aufweichung. Deshalb ist der postulierte "Sieg" des Systems der Atheisten für das Religionssystem (bzw. des hier näher eingegrenzten Systems des Klerus) ziemlich irrelevant - auch wenn das aus einer persönlichen Sicht bedauerlich sein sollte.

Zarathustra 10.05.2017 11:30

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1304050)
...
Was wäre, wenn ich den oben zitierten Satz bestreiten würde (nämlich, dass die Theologie ihre eigene Wahrheitsbedingung hat)? ...

Wenn Du also sagst, "theologische Sätze haben keine äußeren Wahrheitsbedingungen", dann ist das eine willkürliche Hilfestellung zugunsten der Theologie, der ich mich nicht anschließen muss. ...

Ich würde hier gerne an Arnes Posting erinnern, in dem er darlegte, dass die Scheiterhaufen ja nicht nur theoretisch brannten, sondern ganz weltlich und real. ...

Du müsstest doch mindestens die Möglichkeit einräumen, dass die Theologie sich im gleichen Rahmen wie alles andere bewegt und einfach Murks ist?


Du kannst der Theologie ihre eigenen Wahrheitsbedingungen theoretisch schon bestreiten. Dann solltest Du aber zumindest andere aufstellen. Und ich vermute, damit wirst Du dann nicht zu dem Ergebnis kommen, daß die theologischen Sätze falsch sind, sondern daß sie gar keine Sätze bzw. unsinnig sind.

Ich beschreibe Vorgänge und Entscheidungen, auf denen die Religion beruht. Das ist keine einseitige Hilfestellung für die Theologie. Im Gegenteil, es kann auch für den, der die Religion angreifen will, hilfreich sein. (Den Feind besser kennen.)

Wie man sich den Bezug zum weltlich Realen vorstellen kann, habe ich ja schon am Beispiel der Sünde versucht darzulegen.

Ich teile die Ansicht nicht, daß sich alles andere in einem einzigen Rahmen bewegt. Mathematik, Kunst, Philosophie, Naturwissenschaft, etc. haben unterschiedliche Wahrheitsbedingungen. Oder willst Du die auch alle widerlegen und abschaffen?

Klugschnacker 10.05.2017 11:40

Zitat:

Zitat von captainbeefheart (Beitrag 1304094)
"Beschüsse" von außen führen eher zur Festigung des Systems, denn zu dessen Aufweichung. Deshalb ist der postulierte "Sieg" des Systems der Atheisten für das Religionssystem (bzw. des hier näher eingegrenzten Systems des Klerus) ziemlich irrelevant - auch wenn das aus einer persönlichen Sicht bedauerlich sein sollte.

Wir leben alle wohl ganz gut damit, dass wir heute Alternativen zum "Religionssystem" haben. Die Freude darüber liegt nicht bei einer einzelnen Person, sondern bei der überwiegenden Mehrheit der westlichen, freiheitlichen Gesellschaft. Unsere heutigen Freiheitsrechte haben wir auch durch eine kritische Auseinandersetzung mit den Religionen erreicht.

Übrigens in einem friedlichen Prozess. Kriegerisch, also gewaltsam, agierte eher die Seite der Religion. Deine Sprachbilder von "Beschüssen" und "Siegen" gehen etwas an den Realitäten vorbei. Kant, Feuerbach, Darwin, Einstein etc. waren sehr friedliche Menschen.

keko# 10.05.2017 11:46

Zitat:

Zitat von captainbeefheart (Beitrag 1304094)
Ich teile Deinen ersten Punkt: Religion ist wie jedes andere System über Kommunikation und Leitdifferenzen sozial konstruiert. In diesem Fall sogar mit x-verschiedenen Konstruktionen und zum Teil historisch schon recht alt. Und in den Systemen existieren x-verschiedene Subsysteme. Jedes davon konstruiert seine eigene Wahrheit, um den sensiblen Begriff eines Teils der Diskussion hier nochmals aufzugreifen. Und zwar normativ, nicht empirisch. Und weil die Systeme prinzipiell selbstreferentiell sind, haben sie die Tendenz sich selbst zu erhalten - wie wir sehen sogar recht lange.

Ich sehe da auch nichts Negatives dran. Ganz im Gegenteil.

Natürlich wird mit Hilfe von Religion unterdrückt, ausgebeutet, gemordet. Das muss man auch benennen und dagegen angehen. Wird aber der Physikunterricht abgeschafft, weil die Kinder zu Ingenieuren ausgebildet werden und einige davon direkt oder indirekt am Bau grausamer Waffensystem beteiligt sind? Kaufen wir keine coolen Laufschuhe mehr, die irgendwo unter unmenschlichen Bedingungen für 60€ pro Monat von jungen Frauen zusammengenäht werden? Im Fach Wirtschaft werden die Grundsteine dazu gelegt und jedem Schüler eingedrichtert, bis er nicht mehr darüber nachdenkt und es verinnerlicht hat. Gehirnwäsche pur!

qbz 10.05.2017 11:56

Mit dem Buchdruck wurde die Bibel massenhaft verbreitet und dem Volk das Lesen (der Bibel) gelernt. Beides, der Buchdruck und das Lesen, trugen gleichzeitig dazu bei, dass halt auch die Schriften der Aufklärer oder eines Darwin massenhaft rezipiert wurden. Die Trennung von Staat / Religion schützte später die Religionsfreiheit und beseitigte den Weltanschauungszwang. Insofern kann die These von der familiären "Vererbung" der Religionen den Wandel nicht erklären, der in der Neuzeit bei den religiösen, weltanschaulichen Einstellungen und religiösen Organisationen stattfand. Man muss sich die Veränderungen der Lebensgrundlagen, der Produktivkräfte anschauen, welche weltanschauliche Veränderungen nach sich ziehen. Dass sich weltweit die religiösen Traditionen der vorneuzeitlichen Gesellschaften regional erhalten, indem sie sich an die neuzeitlichen Lebensformen anpassen und indem sie Bündnisse mit den neuen kapitalistischen Herrscher eingehen, gehört zu diesem Wandel dazu. Selbst Saudi-Arabien, wo noch eine Monarchenfamilie und Religionsdiktatur mit Gewalt herrschen, weil sich sonst Saudis der Aufklärung zu- und vom Wahabismus und Mekka abwenden würden, muss neuerdings dem "ökonomischen" Zwang der Neuzeit folgen und ein Gesetz erlassen, das den Frauen erlaubt, ohne Erlaubnis ihres Mannes / Vaters eine Arbeit, ein Studium oder Ausbildung aufzunehmen und ins Krankenhaus zu gehen.

Hier die Zahlen zu Europa:
"Die Anzahl der Einwohner, die angaben, weder an Gott, noch an eine spirituelle Kraft zu glauben, war im Jahr 2010 mit 40 % in Frankreich und 37 % in Tschechien am höchsten und betrug in Deutschland 27 %, in Österreich 12 % sowie 11 % in der Schweiz."
https://de.wikipedia.org/wiki/Atheis...ische_Merkmale
Offenbar beeinflusst eine streng laizistische Verfassung wie in Frankreich die Zahl der Atheisten / Gläubigen.

waden 10.05.2017 12:14

Zitat:

Zitat von keko# (Beitrag 1304104)
Ich sehe da auch nichts Negatives dran. Ganz im Gegenteil.

Natürlich wird mit Hilfe von Religion unterdrückt, ausgebeutet, gemordet. Das muss man auch benennen und dagegen angehen. Wird aber der Physikunterricht abgeschafft ... . Gehirnwäsche pur!

Dogmatisches Denken soll durch ein Glaubens- oder Erkenntniskonstrukt nicht gefördert werden.
Kritisches Denken soll gefördert werden - das ist aber eine besondere Schwachstelle der Religionen. Die Falsifizierbarkeit einer These - undekbar für eine Religion und Basis für kritisches Denken.

qbz 10.05.2017 12:54

Zitat:

Zitat von keko# (Beitrag 1304077)
In der Turkei wäre ich wahrscheinlich Moslem, in Indien Hindu. Das ist mir völlig klar.
Ich glaube aber, dass Religionen auch dann entstehen würden, gäbe es sie heute nicht. Vielleicht liegt es daran, dass der Mensch hinter dem ganzen Klimbim hier einen Plan vermutet oder nicht damit fertig wird, dass sein Leben und das Leben aller Menschen letztendlich sinnlos ist und somit mit Hilfe irgendeiner Religion seinem Leben einen Sinn und dem Geschehen einen Plan gibt.

Mit solchen Fragen beschäftigte sich Freud intensiv. Ich finde seine Gedanken interessant, obgleich ich sie nur begrenzt teile, und seine Theorie "analysiert" die Funktion einer patriarchal-bestimmten Religion für die Menschen.

"Das bedeutendste Element des "psychischen Inventars" für die Stabilisierung der Kultur ist jedoch die religiöse Vorstellung, da sie für den nötigen Triebverzicht sorgt und somit den anarchischen Naturzustand verhindert. Es sei die Hauptaufgabe der Kultur, ihr eigentlicher Daseinsgrund, uns gegen die Natur zu verteidigen - auch gegen die eigene - da sonst der Urzustand drohe.

Die Götter hatten zunächst eine dreifache Aufgabe:

+ die Natur zu bannen,
* mit dem Schicksal zu versöhnen und
* für das Leiden zu entschädigen.

Im Laufe der Zeit gelang die Konzentrierung auf den väterlichen Kern der Gottesidee, erwachsen aus der Erfahrung der eigenen Hilflosigkeit während der Kindheit.

Der Autor sieht hier eine Wiederholung der individualpsychologischen Entwicklung in der Kindheit:

"Wenn nun der Heranwachsende merkt, dass es ihm bestimmt ist,
immer ein Kind zu bleiben, daß er des Schutzes gegen fremde Übermächte
nicht entbehren kann, verleiht er diesen die Züge der Vatergestalt,
er schafft sich die Götter, vor denen er sich fürchtet,
die er zu gewinnen sucht und denen er doch seinen Schutz überträgt."

Religion ist so die Abwehr der menschlichen Hilflosigkeit und Ohnmacht, die sich - wie dem Vater gegenüber - in einem ambivalenten Verhältnis aus Liebe und Furcht äußert."

https://de.wikibooks.org/wiki/Religionskritik:_Freud


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