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Jörn 08.05.2017 16:16

Zitat:

Zitat von tandem65 (Beitrag 1303746)
Das kann ich so nicht bestätigen. Es sei denn Du denkst in Göttlichen Dimensionen, dann stimmt es natürlich;)

So beschlossen auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil, 1962-1965.

anlot 08.05.2017 16:18

Zitat:

Zitat von captainbeefheart (Beitrag 1303720)
Nun ja, es gibt durchaus nachvollziehbare Argumente, dass eine "einzige", "objektive" "Wahrheit" im Sinne einer "Übereinstimmung mit der Wirklichkeit" deshalb schwierig ist, weil die Wirklichkeit eben subjektiv bzw. im jeweiligen System konstruiert ist (Konstruktivismus). Subjektive Wahrnehmung in Kombination mit ebenso subjektiver Gedächtnisleitung kann nie zu 100% mit der Realität übereinstimmen. Das ist nicht lächerlich, sondern "Realität" in unserer Gesellschaft - und vor allem auch hier in dieser Diskussion :-)

Jetzt mach doch nicht aus jeder noch so simplen Fragestellung eine Doktorarbeit. Das ist es was ich mit wegducken meine.
Aber demnach stellt man am besten keine Fragen mehr und jeder bastelt sich seine eigene Wahrheit und Wirklichkeit. Viel Spaß dabei.
Das sowas heute noch funktioniert. Unglaublich!

anlot 08.05.2017 16:22

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1303738)
Modelle und Definitionen kann man in beliebiger Menge produzieren. Ebenso den Hinweis, dass alle Erklärungen innerhalb dieses Modells stimmig wären. Oder den Hinweis, dass sich mein feines Modell jeder Bewertung durch ein anderes Modell entzieht.

Ich könnte beispielsweise einfach mal aus Spaß auf einen Bierdeckel schreiben: "Gott ist die Wahrheit", um dann zu sehen, wie alle vernünftigen Erklärungsversuche daran abprallen. Vielleicht mache ich damit Karriere! Ich könnte ein dickes Buch schreiben, um zu verschleiern, dass dieser Satz überhaupt keinen brauchbaren Inhalt hat, und dass mein Modell nichts anderes beschreibt als sich selbst. Es beschreibt weder Gott noch die Wahrheit. Aber das merken die Leute nicht so schnell.

Oder ich könnte einfach mal sagen: "Irgendwas ist die Wahrheit". Und wenn mich jemand fragt, was mit "Irgendwas" gemeint sei, dann antworte ich schnell, dass dies "die transzedentale Transzendenz transzendiert und unergründlicherweise die unergründliche Unergründsamkeit" darstellt. Danach mache ich mich aus dem Staub.

Und wenn mich jemand fragt, ob es wirklich wahr ist, dann antworte ich: "Das steht doch da, Du Dummkopf, kannst Du nicht lesen? Da steht: Es ist die Wahrheit. Also?"

Und wenn jemand entgegnet: "Aber das hast Du doch selber da hingeschrieben!", dann sage ich schnell, dass meine Gedanken vom Heiligen Geist durchweht waren, als ich es schrieb.

😂😂👏👏. Das Ganze ähnelt sowieso eher einer kabarettistischen Aufführung, als einer ernst zunehmenden Religion.

Ps: sag Bescheid wenn Dein Programm bühnenreif ist, ich komme garantiert. Herrlich. 👍

Jörn 08.05.2017 16:27

Zitat:

Zitat von captainbeefheart (Beitrag 1303720)
Nun ja, es gibt durchaus nachvollziehbare Argumente, dass eine "einzige", "objektive" "Wahrheit" im Sinne einer "Übereinstimmung mit der Wirklichkeit" deshalb schwierig ist, weil die Wirklichkeit eben subjektiv bzw. im jeweiligen System konstruiert ist (Konstruktivismus). Subjektive Wahrnehmung in Kombination mit ebenso subjektiver Gedächtnisleitung kann nie zu 100% mit der Realität übereinstimmen. Das ist nicht lächerlich, sondern "Realität" in unserer Gesellschaft - und vor allem auch hier in dieser Diskussion :-)

Inwiefern betrifft Deine Überlegung folgende Fragestellung:

"Jesus ritt mit einem Esel durch Jerusalem".

Ich würde behaupten, dass es in diesem Fall tatsächlich nur (Zitat) eine "einzige", "objektive" "Wahrheit" im Sinne einer "Übereinstimmung mit der Wirklichkeit" (Zitat Ende) gibt. Entweder er ritt auf dem Esel, oder er ritt nicht.

Es geht ja nicht um die Frage, ob ich eine rote Rose exakt so rot sehe, wie Du sie rot siehst. Daran brauchen wir uns nicht aufzuhalten.

tandem65 08.05.2017 16:40

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1303748)
So beschlossen auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil, 1962-1965.

1. Was hat das für Konsequenzen für protestantische Liturgien?
2. Wo/Wann wurden Sonntagsmessen in lateinischer Sprache gehalten?

trithos 08.05.2017 16:45

Zitat:

Zitat von anlot (Beitrag 1303744)
Vielen Dank. Ich finde es unglaublich auf welch hohen Ross einige hier unterwegs zu sein glauben. Diese verklausulieren solange jede Antwort bis keiner mehr nachfragt.

In der Kommunikationlehre gibt es übrigens eine sehr einfache Regel: Der Empfänger macht die Botschaft! Vielleicht mal drüber nachdenken. Aber ich befürchte, das das einigen hier zu banal und nachvollziehbar ist.

Ich fürchte, Du wirst mich jetzt auch unter die arroganten Reiter hoher Rösser einordnen, aber die Regel der Kommunikationswissenschaft lautet: Kommunikation entsteht beim Empfänger. Das ist nicht das selbe wie Deine Formulierung, wonach der Empfänger die Botschaft mache.

Der Empfänger kann gar keine Botschaft machen, weil er sie empfängt. Er kann sie nur verstehen (=so wie sie der Sender gemeint hat) oder missverstehen. Es geht darum, wie Kommunikation gelingt oder misslingt. Und da ist weder der Sender schuld (im Sinne von: das hast Du falsch gesagt!) noch der Empfänger (Das hast Du falsch verstanden!).

Dass wir hier in dieser schon sehr langen und ausführlichen Diskussion konsequent aneinander vorbeireden (ich interpretiere das als misslungene Kommunikation), liegt auch daran, dass das Thema eben nicht so banal (oder schwarz-weiß) ist, wie sich manche das wünschen. Ein komplexes Thema erfordert auch komplexe Sprache und manchmal muss man über Argumente zu komplexen Themen auch ein bisschen nachdenken, um zu verstehen, wie sie gemeint sind. Vielleicht mal darüber nachdenken?

qbz 08.05.2017 16:51

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1303742)
Die "Lehre der Kirchen" ist überhaupt nicht der Grund, warum Menschen daran glauben. Denn die meisten Gläubigen wissen überhaupt nicht, was die Lehre der Kirchen ist.

Bis vor kurzem wurde sogar die Sonntags-Messe in lateinischer Sprache gehalten.

Wenn es wirklich um die Inhalte ginge, dann würden die religiösen Überzeugungen nicht abrupt an den Landesgrenzen wechseln.

Die praktizierenden Gläubigen kennen IMHO schon einige Säulen ihrer Religion. Veränderungen an den Lehrinhalten entstanden doch aus Unzufriedenheit von gläubigen Bürgern und Priestern (z.B. die Reformation).
Man sieht, ob man sich in einem evangelischen oder katholischen Gotteshaus oder einer Moschee befindet und die Architektur spiegelt die Auffassung der Kirchen in der Zeitgeschichte :Lachen2: , welche die Gläubigen beeinflusste.

Was ist Deiner Ansicht nach der Grund, weshalb soviele Menschen an Gott und ein Jenseits glauben? (Bitte jetzt nicht mit "die Eltern" antworten, ;) ;) )

captainbeefheart 08.05.2017 17:11

Zitat:

Zitat von anlot (Beitrag 1303634)
Ach und die da immer so super gescheit und verschwurbelt daher reden, möchte ich gerne einladen meiner 9 jährigen Tochter den Unterschied von ihrer Wahrheit und der Wahrheit der Kirche zu erklären. Viel Spaß.

Ist das eine rhetorische Frage, oder erwartest Du eine Antwort?

Klugschnacker 08.05.2017 17:15

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1303688)
Wie willst Du bestimmte Phänomene innerhalb unseres Universums mit welchen ausserhalb in Zusammenhang bringen bzw. damit erklären. Unmöglich. Das akzeptiert der Vatikan heute, nämlich dass es keine naturwissenschaftlichen Gottesbeweise geben kann, und gründet die Lehre deswegen auf den Glauben an die Offenbarung und auf transzendentale Wahrheit. (siehe Ratzinger)

Warum sollten naturwissenschaftliche Gottesbeweise prinzipiell unmöglich sein?

Nehmen wir einmal fiktiv an, künftige Generationen könnten das Turiner Grabtuch genauer untersuchen als wir. Nehmen wir weiter an, es würden dabei Spuren der DNA des Jesus von Nazareth gefunden. Dabei würde sich zeigen, dass er zwar der biologische Nachkomme von Maria war, aber keinerlei DNA besaß, die auf einen männlichen Vorfahren hinweist. Das würde die These stützen, dass Jesus keinen menschlichen Vater hatte.

Die Menschen betreiben erst seit zehn oder fünfzehn Generationen ernstzunehmende Wissenschaft. Vielleicht gelingt es den Menschen in 100 Jahren, Kontakt mit außerirdischen Zivilisationen aufzunehmen, die seit einer Million Generationen Wissenschaft betreiben, und die uns auf einem Bierdeckel erklären können, wie das Universum entstanden ist, warum es Bewusstsein enthält und so weiter.

Ich finde es auf merkwürdige Weise vorschnell vom Vatikan, dass er eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit "Gott" per se für unmöglich erklärt. Selbstverständlich ist die Entstehung und Existenz der Welt in allen Details eine wissenschaftliche Frage. Wissenschaftler bohren sich beharrlich von allen Seiten in diese Fragen hinein, und haben dabei alle Zeit der Welt. Ein Alptraum für den Klerus?

Jörn 08.05.2017 17:17

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1303758)
Die praktizierenden Gläubigen kennen IMHO schon einige Säulen ihrer Religion. Veränderungen an den Lehrinhalten entstanden doch aus Unzufriedenheit von gläubigen Bürgern und Priestern (z.B. die Reformation).

Die Reformation wurde angestoßen durch einen Teil des Klerus (am bekanntesten ist natürlich Luther), nicht der Gläubigen.

Die Gläubigen haben die Reformation nur deswegen unterstützt, weil es erstens ein Aufstand war gegen die Feudal-Herrschaft der Kirchenfürsten. Und zweitens, weil sie zwangsweise die Religion des Landesvaters übernahmen. Deutschland war ja ein Flickenteppich aus kleinen Grafschaften und Fürstentümern. Es war eine Gelegenheit der Grafen und Fürsten, das Kartenspiel neu zu mischen und sich eine bessere Position zu verschaffen.

Die Gläubigen haben sich der Reformation also keineswegs aufgrund von Inhalten angeschlossen. Denn die Inhalte kannten sie nicht. Es war vor der Reformation verboten, die Bibel in die Landessprache zu übersetzen. Deswegen gab es die Bibel nur in lateinischer Schrift. Auch die Messen wurden in lateinischer Sprache abgehalten, wobei der Priester mit dem Rücken zur Gemeinde stand. Die Gemeinde hat der Zeremonie lediglich beigewohnt, war aber nicht Adressat und nicht Teilnehmer.

An beiden Umständen (Bibel und Messe) kann man gut erkennen, dass es nicht die Inhalte gewesen sein können, welche die Gläubigen in die Kirchen trieb.

Martin Luther hat die erste Bibel in deutscher Sprache verfasst -- eine ungeheuerliche Anmaßung. Darauf stand die Todesstrafe per Scheiterhaufen. Diese Strafe wurde auch einige Male angewendet, als andere Menschen sich erdreisteten, eine Übersetzung anzufertigen. Ich wiederhole es, damit man nicht so schnell darüber hinweg liest: Die römisch-katholische Kirche hat Menschen verbrannt, weil diese die Bibel in ihre Sprache übersetzt hatten.

Wenn die Leute wüssten, was die Kirchen wirklich lehren, und an was für einen Unfug der Klerus wirklich glaubt, würden sie sofort aus der Kirche austreten. Die kirchlichen Inhalte sind ganz sicher nicht der Grund, warum die Menschen gläubig sind.


Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1303758)
Was ist Deiner Ansicht nach der Grund, weshalb soviele Menschen an Gott und ein Jenseits glauben? (Bitte jetzt nicht mit "die Eltern" antworten, ;) ;) )

Die Eltern und die allgemeine Kultur spielen vermutlich die größte Rolle. Die meisten Gläubigen übernehmen die Religion der Eltern, und zwar weltweit. Diesen Umstand kann nicht einfach vom Tisch wischen.

Es ist auch mangelnde wissenschaftliche Bildung und/oder mangelndes Interesse an der Wahrheit; vor allem, wenn der Aberglaube gewisse Annehmlichkeiten bietet.

Eine sehr große Rolle spielt meiner Meinung nach die Scharlatanerie. Das ist nach meiner Beobachtung eine viel bessere Erklärung als die Theologie.

captainbeefheart 08.05.2017 17:18

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1303752)
Inwiefern betrifft Deine Überlegung folgende Fragestellung:

"Jesus ritt mit einem Esel durch Jerusalem".

Ich würde behaupten, dass es in diesem Fall tatsächlich nur (Zitat) eine "einzige", "objektive" "Wahrheit" im Sinne einer "Übereinstimmung mit der Wirklichkeit" (Zitat Ende) gibt. Entweder er ritt auf dem Esel, oder er ritt nicht.

Es geht ja nicht um die Frage, ob ich eine rote Rose exakt so rot sehe, wie Du sie rot siehst. Daran brauchen wir uns nicht aufzuhalten.

Ich kann nicht beurteilen, was das für Dich bedeutet.

Für mich hat das in etwa dieselbe Bedeutung, wie bei den Lucky Luke Heften, als er am Schluss immer der Sonne entgegen ritt :-)

qbz 08.05.2017 17:45

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1303763)
Warum sollten naturwissenschaftliche Gottesbeweise prinzipiell unmöglich sein?

Nehmen wir einmal fiktiv an, künftige Generationen könnten das Turiner Grabtuch genauer untersuchen als wir. Nehmen wir weiter an, es würden dabei Spuren der DNA des Jesus von Nazareth gefunden. Dabei würde sich zeigen, dass er zwar der biologische Nachkomme von Maria war, aber keinerlei DNA besaß, die auf einen männlichen Vorfahren hinweist. Das würde die These stützen, dass Jesus keinen menschlichen Vater hatte.

Ja, ich stelle mir auch vor, wie Wissenschaftler Jesus von Nazareth anhand der DNA klonen und ihn auffordern, über Wasser zu gehen, Wasser in Wein zu verwandeln, tödlich Erkrankte zu heilen. Die Reproduzierbarkeit von Experimenten gehört schliesslich zum wissenschaftlichen Standard der Wahrheitsprüfung. :cool: .

Nur würde keiner, schon gar nicht der Papst, einen Cent darauf wetten, dass die DNA des Jesus von Nazareth keine Gene eines männlichen Vorfahren enthält. :Lachen2:

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1303763)
Die Menschen betreiben erst seit zehn oder fünfzehn Generationen ernstzunehmende Wissenschaft. Vielleicht gelingt es den Menschen in 100 Jahren, Kontakt mit außerirdischen Zivilisationen aufzunehmen, die seit einer Million Generationen Wissenschaft betreiben, und die uns auf einem Bierdeckel erklären können, wie das Universum entstanden ist, warum es Bewusstsein enthält und so weiter.

Ich finde es auf merkwürdige Weise vorschnell vom Vatikan, dass er eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit "Gott" per se für unmöglich erklärt. Selbstverständlich ist die Entstehung und Existenz der Welt in allen Details eine wissenschaftliche Frage. Wissenschaftler bohren sich beharrlich von allen Seiten in diese Fragen hinein, und haben dabei alle Zeit der Welt. Ein Alptraum für den Klerus?

Keine Ahnung .., der Klerus scheint mir darin erfolgreich erprobt, Alpträume solcher Art zu verarbeiten, im Gebet zu Gott und mit Gotteshilfe.

Jörn 08.05.2017 17:51

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1303688)
Wie willst Du bestimmte Phänomene innerhalb unseres Universums mit welchen ausserhalb in Zusammenhang bringen bzw. damit erklären. Unmöglich.

Es ist nur deshalb unmöglich, weil die angebotenen Erklärungen unsinnig sind.

Du schreibst, man könne "bestimmte Phänomene" innerhalb und außerhalb des Universums nicht in Zusammenhang bringen. Was sind das für Phänomene? Welche Eigenschaften haben sie? Gibt es die überhaupt?

Denn bislang wurde lediglich behauptet, es gäbe irgendwelche Phänomene außerhalb des Universums. Es wurde lediglich behauptet, deren Eigenschaften wären auf eine bestimmte Weise beschaffen, sodass sie nicht mit bekannten Dingen in Einklang zu bringen wären.

Der Klerus behauptet, dass die Wissenschaft auf dem Holzweg sei, weil die Wissenschaft nicht die religiösen (nur behaupteten) Phänomene erklären würde. Dabei verhält es sich genau umgekehrt: Die Religion ist auf dem Holzweg, weil sie in Widerspruch steht zu allen tatsächlich gemachten Beobachtungen.

Es ist nicht zutreffend, dass man per se keine Aussagen über bestimmte Phänomene treffen könnte. Sondern die Phänomene sind nicht vorhanden. Das ist der Punkt.

captainbeefheart 08.05.2017 18:04

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1303771)
Es ist nur deshalb unmöglich, weil die angebotenen Erklärungen unsinnig sind.

Du schreibst, man könne "bestimmte Phänomene" innerhalb und außerhalb des Universums nicht in Zusammenhang bringen. Was sind das für Phänomene? Welche Eigenschaften haben sie? Gibt es die überhaupt?

Denn bislang wurde lediglich behauptet, es gäbe irgendwelche Phänomene außerhalb des Universums. Es wurde lediglich behauptet, deren Eigenschaften wären auf eine bestimmte Weise beschaffen, sodass sie nicht mit bekannten Dingen in Einklang zu bringen wären.

Der Klerus behauptet, dass die Wissenschaft auf dem Holzweg sei, weil die Wissenschaft nicht die religiösen (nur behaupteten) Phänomene erklären würde. Dabei verhält es sich genau umgekehrt: Die Religion ist auf dem Holzweg, weil sie in Widerspruch steht zu allen tatsächlich gemachten Beobachtungen.

Es ist nicht zutreffend, dass man per se keine Aussagen über bestimmte Phänomene treffen könnte. Sondern die Phänomene sind nicht vorhanden. Das ist der Punkt.

Wenn es im Wissenschaftssystem noch eines Beweises bedurfte, dass wir entlang weitgehend geschlossener Systeme kommunizieren, ist er erbracht. Ich bin gespannt, ob qbz und Jörn sich, trotz dem x-ten Verweis von qbz, nicht doch noch zu einer nächsten Runde aufmachen.

Jörn 08.05.2017 18:14

Zitat:

Zitat von captainbeefheart (Beitrag 1303772)
Wenn es im Wissenschaftssystem noch eines Beweises bedurfte, dass wir entlang weitgehend geschlossener Systeme kommunizieren, ist er erbracht. Ich bin gespannt, ob qbz und Jörn sich, trotz dem x-ten Verweis von qbz, nicht doch noch zu einer nächsten Runde aufmachen.

Was fehlt ist der Beweis, dass eins dieser geschlossenen Systeme überhaupt existiert.

Eigentlich finde ich das recht ärgerlich. Da wird einerseits behauptet, es handele sich um eine unerreichbare, unverstehbare Dimension (die Begriffe werden ja nach gusto ausgetauscht). Und andererseits werden uns konkrete Schlussfolgerungen und Gebote präsentiert, die sich daraus ergeben würden.

Beispielsweise gibt der bekannte Theologe Eberhard Jüngel (29 Jahre lang Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland) über die Eigenschaften von Gott präzise Auskunft:
Woher kommt Gott? Und wenn er "von woher" kommt: Wohin geht er dann? Zu wem geht er?

Jüngel:"Gott kommt von Gott, Gott kommt zu Gott, Gott kommt als Gott." (...) "Als Gott der Vater ist Gott der Ursprung seiner selber." Gott tritt aber "aus diesem Ursprung sich selbst so gegenüber, dass er sich selbst Partner ist" -- im Sohn.

Wohin geht Gott?

Jüngel: "Gott ist sich auch Ziel. Gott kommt zwar von Gott. Gerade so kommt er aber auch zu sich selbst, kommt Gott zu Gott." (...) "Er ist sich selbst Ziel, weil er sich selber Ursprung ist."

Sind dann Ursprung und Ziel das gleiche?

Jüngel: "Doch als Ziel ist er von sich selber als Ursprung unterschieden. Er kommt wirklich zu sich selbst."

Aus dem Buch: Gott als Geheimnis der Welt, Eberhard Jüngel.

Jörn 08.05.2017 18:46

Und Rochus Leonhardt (Professor für Systematische Theologie) bringt endlich Klarheit in das Durcheinander, wer wen gezeugt oder angehaucht hat, und wer von wem gezeugt oder angehaucht wurde:
"Allein der Vater zeugt. Allein der Vater und der Sohn haucht. Weder zeugt der Sohn noch haucht der Heilige Geist."
Der Vater kann also zeugen und hauchen. Der Sohn wurde gezeugt, zeugt aber nicht selbst. Jedoch haucht er. Und der Heilige Geist zeugt ebenfalls nicht, wurde auch nicht gezeugt, und er haucht auch nicht.

Ich spreche sicherlich für uns alle, wenn ich mein Glück darüber ausdrücke, dass hier endlich Klarheit herrscht.

Diese Thesen stehen allerdings im Widerspruch zu vielen anderen Lehren, die überzeugend darlegen, dass der Heilige Geist durchaus haucht. Beispielsweise wurde die Jungfrau Maria durch den Anhauch des Heiligen Geistes schwanger.

Papst Johannes Paul II. war überzeugt, die Autoren der Bibel seien vom Anhauch des Heiligen Geistes "durchweht" gewesen. Folglich können wir feststellen, dass der Heilige Geist nicht nur haucht, sondern auch weht. Gott hingegen haucht nur, er weht nicht.

Kardinal und Papst Ratzinger informiert uns, dass die Begattung von Maria zweifelsfrei und ohne Irrtum nur durch das Ohr stattgefunden haben könne; alle anderen Körperöffnungen kämen nicht infrage.

Das sind erstaunlich detaillierte Informationen, wenn man bedenkt, dass wir es hier mit einer für uns unerreichbaren Dimension zu tun haben.

Zarathustra 08.05.2017 19:08

Zitat:

Zitat von waden (Beitrag 1303730)
Das ist schon ein interessanter Punkt. Auf mich hat es aber den Eindruck, dass sich die Theologie bewusst einer Art Geheimsprache oder man könnte auch sagen spezieller Fachsprache bedient, um sich hier mit gefühltem Hoheitswissen lästige Nachfragen bei Seite zu halten. ...

Da ist natürlich etwas daran. Man könnte der Theologie durchaus vorwerfen, daß sie sich wenig darum kümmert sich an den heute geläufigen Sprachgebrauch anzupassen und dadurch zu Mißverständnissen einlädt. Allerdings ist ihr Sprachgebrauch insofern zu entschuldigen als er zur Zeit seiner Entstehung der auch außerhalb der Religion vorherrschenden Sprache, u.a. auch der Philosophie, entnommen und somit der ursprünglichere ist. Der Umstand, daß mit dem Aufkommen der neuzeitlichen Wissenschaften viele Begriffe einfach umgedeutet bzw. verengt wurden, ist nicht einseitig der Religion zur Last zu legen.

Zarathustra 08.05.2017 19:13

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1303775)
...

Beispielsweise gibt der bekannte Theologe Eberhard Jüngel (29 Jahre lang Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland) über die Eigenschaften von Gott präzise Auskunft:
...


Hältst Du diese ganzen Formulierungen wirklich für präzise und klar in ihrer Bedeutung? Das erstaunt mich, angesichts der ins Auge springenden Metaphorik.

Jörn 08.05.2017 19:18

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1303783)
Hältst Du diese ganzen Formulierungen wirklich für präzise und klar in ihrer Bedeutung? Das erstaunt mich, angesichts der ins Auge springenden Metaphorik.

Ja, denn diese Bücher wurden ausschließlich zu dem Zweck geschrieben, die verschwurbelten Märchen mal klar und eindeutig auf den Punkt zu bringen und Unklarheiten zu beseitigen.

Von Metaphorik ist dort keine Spur.

Ich denke, dass die Frage nach Marias Körperöffnungen keine Sache der Metaphorik ist. Sondern Kardinal Ratzinger hat sich konkret und präzise damit auseinandergesetzt, wie es "technisch" vonstatten ging.

Zarathustra 08.05.2017 19:26

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1303784)
... klar und eindeutig auf den Punkt zu bringen und Unklarheiten zu beseitigen.

Von Metaphorik ist dort keine Spur.
...

Nun, da sind wir wohl vollkommen entgegengesetzter Ansicht.

Jörn 08.05.2017 19:35

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1303786)
Nun, da sind wir wohl vollkommen entgegengesetzter Ansicht.

Auch eine Metaphorik wäre eine Aussage. Wie soll eine Aussage möglich sein über eine Dimension, die "außerhalb unserer Erfahrung" liegt? Und sei es als Metapher?

Wie kann man (meinetwegen als Metapher) bestimmen, dass Gott und Sohn hauchen, nicht jedoch der Geist?

Das dauernde Herumgetanze ist mühsam. Zitiert man aus der Bibel, ist natürlich alles nicht so gemeint. Zitiert man daher aus einer "amtlichen" Erläuterung der Bibel, dann sind es angeblich Metaphern. Zitiert man daraufhin aus universitären Aufsätzen (meine beiden Zitate stammten daher), die den Sachverhalt klären sollen, dann sind die Begriffe angeblich nicht präzise. Wer weiß schon, was damit gemeint sein könnte?

Selbst so simple Sätze wie "Jesus ritt auf einem Esel durch Jerusalem" haben plötzlich eine nicht klärbare, nicht durchschaubare Bedeutung.

Wenn wir nie zu einer Aussage kommen, die wir definitiv festnageln können, sodass sie zum Gegenstand einer Untersuchung werden kann, dann ist kein Gespräch möglich.

captainbeefheart 08.05.2017 20:00

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1303789)
... dann ist kein Gespräch möglich.

Diese Interpretation teile ich.

Aus meiner Perspektive ist es seit etlichen Seiten eher ein Selbstgespräch, verhaftet im eigenen Kontext.

Jörn 08.05.2017 20:06

Zitat:

Zitat von captainbeefheart (Beitrag 1303796)
Diese Interpretation teile ich.

Aus meiner Perspektive ist es seit etlichen Seiten eher ein Selbstgespräch, verhaftet im eigenen Kontext.

Das sehe ich anders. Es ist durchaus ein Gespräch, und zwar unter jenen, die normale Begriffe so verwenden, wie sie allgemein verstanden werden. Ich würde vermuten, dass die weitaus meisten Leute in diese Kategorie fallen; auch Gläubige.

Dann gibt es eine kleine Gruppe, die jede Debatte zum Erliegen bringt, weil sie darauf besteht, dass nichts eine klar fassbare Bedeutung haben kann.

qbz 08.05.2017 20:07

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1303764)
......
Die Gläubigen haben sich der Reformation also keineswegs aufgrund von Inhalten angeschlossen. Denn die Inhalte kannten sie nicht. Es war vor der Reformation verboten, die Bibel in die Landessprache zu übersetzen. Deswegen gab es die Bibel nur in lateinischer Schrift. Auch die Messen wurden in lateinischer Sprache abgehalten, wobei der Priester mit dem Rücken zur Gemeinde stand. Die Gemeinde hat der Zeremonie lediglich beigewohnt, war aber nicht Adressat und nicht Teilnehmer.
.

Ich gehe schon davon aus, dass die Bürger die von Luther, Zwingli und Calvin öffentlich gepredigten zentralen, reformatorischen Inhalte kennen lernten und übernahmen. Wer die Unterstützung ausserhalb des Klerus und der Bischöfe überlebensnotwendig brauchte wie die Reformatoren, musste solche Dinge ändern, welche auch beim Kirchenvolk spürbar wahrgenommen werden, und auf breite Zustimmung hoffen. Die Abschaffung der Beichte und der Absolution sowie des Ablasshandels (Luther´s Thesen in Wittenberg), des Fegefeuers, der Bildersturm, Veränderung der Liturgie und andere Lehränderungen dürften in der Praxis von jedem Bürger einer reformierten Stadt bemerkt worden sein und veränderten die gelebte Frömmigkeit der Bürger in der Praxis und Theorie deutlich. Die Einführung der Reformation in den Kirchen einer Stadt beendete für die Bürger ebenso definitiv die Zugehörigkeit zur römischen Kirche mit deutlichen Folgen für die Ausübung des Glaubens.

Apropos Zustimmung des Kirchenvolkes: Der Beginn des offenen Streites zwischen Zwingli und der katholischen Kirche stellte ein öffentliches "Wurstessen" (sog. Fastenbrechen) dar, um gegen das Fastengebot der römischen Kirche aufzubegehren. :Cheese: Zwingli hielt als sog. Leut(e)priester die Predigt in der grössten Zürcher Kirche und legte dabei die Evangelien aus vor / während des Wandels.

Ps: Mit der Froschauer (Zwingli) Bibel gab es neben Luther noch eine zweite, auf Alemannisch, im Buchdruck. (gleichzeitig zur Lutherbibel).

Klugschnacker 08.05.2017 20:19

Zitat:

Zitat von captainbeefheart (Beitrag 1303796)
Aus meiner Perspektive ist es seit etlichen Seiten eher ein Selbstgespräch, verhaftet im eigenen Kontext.

Was meinst Du mit "eigenen Kontext"? Soweit ich sehen kann, stellt Jörn häufiger als alle anderen den Kontext zu den Bibeltexten und ihren Auslegungen durch die katholische Kirche her. Auch qbz macht immer wieder seinen Kontext deutlich, zum Beispiel die Produktionsverhältnisse. Ich lese die meisten Beiträge mit Gewinn.

Klugschnacker 08.05.2017 20:21

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1303786)
Nun, da sind wir wohl vollkommen entgegengesetzter Ansicht.

Nicht wirklich. Jörn, falls ich ihn richtig verstehe, besteht lediglich darauf, dass Gott etwas mit der Realität zu tun haben muss. Der Gott der professionellen Theologen ist dagegen ein rein fiktives Konstrukt, sodass Theologen innerhalb ihres "logischen" Systems zu Aussagen kommen wie:
Wohin geht Gott?

Jüngel: "Gott ist sich auch Ziel. Gott kommt zwar von Gott. Gerade so kommt er aber auch zu sich selbst, kommt Gott zu Gott." (...) "Er ist sich selbst Ziel, weil er sich selber Ursprung ist."

Sind dann Ursprung und Ziel das gleiche?

Jüngel: "Doch als Ziel ist er von sich selber als Ursprung unterschieden. Er kommt wirklich zu sich selbst."
Von außen betrachtet ist es völlig offensichtlich, dass Jüngel genauso viel von Gott* weiß und wissen kann wie Du und ich: nämlich gar nichts.

*Gott: Der Schöpfer der Welt

Zarathustra 08.05.2017 21:12

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1303813)
Nicht wirklich. Jörn, falls ich ihn richtig verstehe, besteht lediglich darauf, dass Gott etwas mit der Realität zu tun haben muss. ...


Von außen betrachtet ist es völlig offensichtlich, dass Jüngel genauso viel von Gott* weiß und wissen kann wie Du und ich: nämlich gar nichts.
...

Der Realitäts- und der Wissensbegriff sind auch schöne Beispiele für den enormen Bedeutungswandel, den Begriffe in der Zeit erfahren können. Da aber meine auf „Halbwissen von Aristoteles“ beruhenden Ausführungen dazu nicht zu interessieren scheinen, verzichte ich darauf und stelle fest: So wie Jörn vermutlich(!) Realität versteht, kann ein Gott meiner Meinung nach damit nichts zu tun haben.

Der Beobachtung, daß Jüngel, Du und ich nichts von Gott wissen können, stimme ich zu. Umso mehr wundert es mich, wie man seine Sätze für präzise und klar halten kann. Ich halte es auch für einigermaßen albern diese als eine Mitteilung von Wissen (im vermutlichen Sinne von Jörn) verstehen zu wollen.

captainbeefheart 08.05.2017 21:33

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1303810)
Was meinst Du mit "eigenen Kontext"? ...

Ich vermute, dass Du der Begrifflichkeit "eigener Kontext" schon eine Bedeutung zuweisen kannst und die Frage eher rhetorischen Charakter hat, um die Diskussion (oder Debatte, oder Diskurs? Hier wäre ggf. auch eine Kontextklärung notwendig) am Laufen zu halten.

Der Kontext bestimmt das Verstehen von Begrifflichkeiten, Worten und Äußerungen. Es gibt verschiedene Kontexte und Kontextgemeinschaften und insofern sind auch Begrifflichkeiten Kontextübergreifend recht unterschiedlich interpretiert. Wenn über den Kontext keine mindestens ähnliche Übereinkunft besteht, sind deren Begrifflichkeiten maximal missverständlich. Das erleben wir hier sehr deutlich.

In dem Zusammenhang gibt es "Kontextpartisanen", die im "eigenen Kontext verhaftet" sind. Ein Kontextpartisan ist nach Kirsch (1997,) wer zwar andere Kontexte kennt, seinen eigenen Kontext aber für richtig hält. Demgegenüber gibt es Akteure, die versuchen, zwischen verschiedenen Lebens- und Sprachformen zu übersetzen und sich dabei reflexiv zu der eigenen, wie auch zu jeder anderen fremden Tradition verhalten, indem sie wissen, dass der augenblickliche Kontext nur einer unter vielen ist, dem man skeptisch gegenüber steht.

Klugschnacker 08.05.2017 21:38

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1303829)
Der Realitäts- und der Wissensbegriff sind auch schöne Beispiele für den enormen Bedeutungswandel, den Begriffe in der Zeit erfahren können. Da aber meine auf „Halbwissen von Aristoteles“ beruhenden Ausführungen dazu nicht zu interessieren scheinen, verzichte ich darauf und stelle fest: So wie Jörn vermutlich(!) Realität versteht, kann ein Gott meiner Meinung nach damit nichts zu tun haben.

Der Beobachtung, daß Jüngel, Du und ich nichts von Gott wissen können, stimme ich zu. Umso mehr wundert es mich, wie man seine Sätze für präzise und klar halten kann. Ich halte es auch für einigermaßen albern diese als eine Mitteilung von Wissen (im vermutlichen Sinne von Jörn) verstehen zu wollen.

Ich bin bei diesen Postings von Dir hin und her gerissen. Einerseits mag ich Deine zurückhaltende Ausdrucksweise. Andererseits verstehe ich Jörns Forderung, dass man, wenn man (wie die Religionen) die Welt erklären will, auch mal etwas verbindlich auf den Tisch legen muss. War Jesus nun Gottes Sohn oder nicht?

Warum wurden Menschen lebendig verbrannt, warum werden gleichgeschlechtlich liebende Menschen verfolgt, diskriminiert und umgebracht? Warum hat man Menschen mit abweichenden Meinungen die Zungen mit glühenden Zangen ausgerissen, wie das am Ulmer Münster noch heute ausgestellt ist? Ging es da um abstrakte Glaubenssysteme, die nur unter dem Vorbehalt verkündet wurden, keinesfalls eine "Mitteilung von Wissen" sein zu wollen?

Die Religionen haben stets behauptet, dass sich ihr angebliches Wissen auf die reale Welt bezieht. Gott ist der Schöpfer der realen Welt, auf der Dein Haus oder Dein Scheiterhaufen steht. Er ist nicht lediglich Schöpfer in einem abstrakten, idealisierten Sinne, wie man das vielleicht an theologischen Fakultäten lehrt.

Ich würde gerne auf Deinen Standpunkt einschwenken und beispielsweise feststellen, dass die beiden seltsamen Bibelverse, die angeblich die Abneigung des Weltschöpfers gegen gleichgeschlechtliche Liebe ausdrücken, keine "Mitteilung von Wissen" über Gottes Willen darstellen. Und dass wir auch sonst nichts über Gott wissen und wissen können. Die Kleriker sehen das aber anders. Da bleibe ich dann lieber auf meinem Posten und haue den Typen ihren eigenen Schmarrn um die Ohren. Kannst Du das verstehen?
:Blumen:

Jörn 08.05.2017 21:39

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1303829)
Der Realitäts- und der Wissensbegriff sind auch schöne Beispiele für den enormen Bedeutungswandel, den Begriffe in der Zeit erfahren können. Da aber meine auf „Halbwissen von Aristoteles“ beruhenden Ausführungen dazu nicht zu interessieren scheinen, verzichte ich darauf und stelle fest: So wie Jörn vermutlich(!) Realität versteht, kann ein Gott meiner Meinung nach damit nichts zu tun haben.

Der Beobachtung, daß Jüngel, Du und ich nichts von Gott wissen können, stimme ich zu. Umso mehr wundert es mich, wie man seine Sätze für präzise und klar halten kann. Ich halte es auch für einigermaßen albern diese als eine Mitteilung von Wissen (im vermutlichen Sinne von Jörn) verstehen zu wollen.

Erstens: woher weißt Du, dass Gott mit meiner Realität vermutlich nichts zu tun hat?

Zweitens: Du schreibst über die theologischen Zitate, es wäre "albern, diese als eine Mitteilung von Wissen" zu betrachten. Ich behaupte aber, dass sie tatsächlich eine Mitteilung von Wissen sind (bzw. dass der Autor sie dafür hält).

Meine Zitate von Jüngel entstammen einer theologischen Forschungsarbeit, und keiner blumigen Predigt. In den Universitäten gibt es meist auch eine theologische Fakultät. Dort gibt es historische Forschungen, die durchaus wissenschaftlichen Wert haben. Es gibt zudem die "Dogmatik" (katholisch) und die "Systematische Theologie" (evangelisch), in denen die Auslegung und Bedeutung der Bibel ergründet werden soll.

Diese Dogmatiken sind keine "Glaubensbekenntnisse" oder Psalmen, sondern es sind komplizierte theologische Abhandlungen, geschrieben für eine winzige Gruppe an Fachleuten. Wenn ein Dogmatiker sehr viel Glück hat, dienen seine Bücher zur Ausbildung der nächsten Kleriker-Generation.

Das bedeutet, dass die Studenten sehr konkret (und eben nicht metaphorisch) lernen sollen, was "richtig" und was "falsch" ist, inklusive der exakten Begründung.

Es handelt sich hier also nicht um ein nebulöses "Gefühl" oder eine Vision. Sondern es ist die Mitteilung des aktuellen Wissensstands dieser Fakultät, geschrieben von promovierten Theologen für andere promovierte Theologen und deren Studenten.

Konkreter und nüchterner als in den Dogmatiken geht es nicht. Deswegen ist es ein besonderes Vergnügen, daraus zu zitieren.

Etwa dies:
"Das trinitarische Bekenntnis ist keine unbegründete nachträgliche Spekulation, keine abstrakte Systematisierung, keine überflüssige Spitzfindigkeit." (Hans-Martin Barth, gilt als einer der bedeutendsten ev. Theologen.)

"Trinitarisch" meint: Die Dreieinigkeit aus Gott, Sohn und Heiliger Geist.

FLOW RIDER 08.05.2017 22:09

Sag mal Jörn. Was war der tatsächliche Grund deines immensen Wissensaufbaus auf dem Gebiet des Glaubens? Wurdest Du christlich erzogen und hast den Glauben dann nach und nach in Zweifel gezogen oder warst Du schon immer ungläubig? Schreib doch mal bitte ein paar Zeilen dazu wenn Du magst.

Klugschnacker 08.05.2017 22:13

Zitat:

Zitat von captainbeefheart (Beitrag 1303838)
Ich vermute, dass Du der Begrifflichkeit "eigener Kontext" schon eine Bedeutung zuweisen kannst und die Frage eher rhetorischen Charakter hat, um die Diskussion (oder Debatte, oder Diskurs? Hier wäre ggf. auch eine Kontextklärung notwendig) am Laufen zu halten.

Der Kontext bestimmt das Verstehen von Begrifflichkeiten, Worten und Äußerungen. Es gibt verschiedene Kontexte und Kontextgemeinschaften und insofern sind auch Begrifflichkeiten Kontextübergreifend recht unterschiedlich interpretiert. Wenn über den Kontext keine mindestens ähnliche Übereinkunft besteht, sind deren Begrifflichkeiten maximal missverständlich. Das erleben wir hier sehr deutlich.

Das wissen wir doch alles. Auf den letzten Seiten gab es zahlreiche Beispiele von solchen Kontexten. Ich sprach erst heute beispielhaft vom Wert eines bedruckten Papiers, welches nur in einem bestimmten Kontext 100 Dollar wert ist. Für einen New Yorker hat es den Wert eines Wochenend-Einkaufs, für einen Schimpansen den Wert von Konfetti. Wir haben immer wieder auf die Bedeutung solcher Kontexte hingewiesen.

Spannend wird es dort, wo sich Kontexte überschneiden. Um das alles abzukürzen – die entscheidende Frage lautet: Welche Autorität (Glaubwürdigkeit) hat geoffenbartes Wissen, wenn die reale Welt gemeint ist?

Alles religiöse Wissen ist geoffenbartes Wissen. Ein Busch spricht, ein Engel diktiert im Traum, eine Gottheit raunt aus einer Wolke. Welche Autorität und Überzeugungskraft haben diese Wege der Erkenntnis, wenn wissenschaftliche Erkenntnisse klar dagegen sprechen?

Wenn Religionen etwas mit der realen Welt zu tun haben wollen, müssen sie sich dieser Frage stellen.

waden 08.05.2017 22:23

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1303782)
Man könnte der Theologie durchaus vorwerfen, daß sie sich wenig darum kümmert sich an den heute geläufigen Sprachgebrauch anzupassen und dadurch zu Mißverständnissen einlädt. Allerdings ist ihr Sprachgebrauch insofern zu entschuldigen als er ... der ursprünglichere ist. Der Umstand, daß mit dem Aufkommen der neuzeitlichen Wissenschaften viele Begriffe einfach umgedeutet bzw. verengt wurden, ist nicht einseitig der Religion zur Last zu legen.

Dass die Sprache im Laufe der Zeit unverständlich wird, ist aber schon demjenigen anzulasten, der sie benutzt. Um noch einmal den Vergleich zum Halbgott in Weiß zu benutzen: was hieltest Du von einem Arzt, der auf Deine Nachfragen sich wieder nur dem Laien unzugänglicher Fachsprache bediente? Du würdest zurecht den Arzt wechseln. Warum beharrt der Arzt auf seiner "Geheimsprache"? Ich würde sagen aus Gewohnheit, weil seine Kompetenz "geschützt" bleibt, weil er von oben auf Distanz bleiben will, weil er nicht hinterfragt werden will.

Auch die Religion nimmt für sich das Recht in Anspruch, mir zutreffende Aussagen über Heilung und die korrekte Art, mein diesseitiges Leben zu führen, bieten zu können. Um sie zu verstehen, müsste ich aber zunächst ihr Vokabular lernen - das empfinde ich allerdings als wirr; es funktioniert erst, wenn ich mich als Basis auf eine Menge Tautologien einlasse.

waden 08.05.2017 22:42

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1303848)
Spannend wird es dort, wo sich Kontexte überschneiden. Um das alles abzukürzen – die entscheidende Frage lautet: Welche Autorität (Glaubwürdigkeit) hat geoffenbartes Wissen, wenn die reale Welt gemeint ist?

Das sehe ich auch so; das ist der spannende Bereich; die Religionen treffen Aussagen über die alltäglich erlebte diesseitige Realität.

captainbeefheart 08.05.2017 22:50

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1303848)
...
Spannend wird es dort, wo sich Kontexte überschneiden. Um das alles abzukürzen – die entscheidende Frage lautet: Welche Autorität (Glaubwürdigkeit) hat geoffenbartes Wissen, wenn die reale Welt gemeint ist?
....

Kontexte überschneiden sich permanent, wir leben alle in verschiedenen (Sub-)Systemen. Aber wer soll dabei bitte mit welcher Autorität die Autorität von Kontexten kontextualisieren? Du? Ich? Der Mainstream? Die Mehrheit? Die Minderheit? Das System x?

Zarathustra 08.05.2017 22:53

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1303840)
... Andererseits verstehe ich Jörns Forderung, dass man, wenn man (wie die Religionen) die Welt erklären will, auch mal etwas verbindlich auf den Tisch legen muss.

... lieber auf meinem Posten und haue den Typen ihren eigenen Schmarrn um die Ohren. Kannst Du das verstehen?
:Blumen:

Ja, ich verstehe Jörns Forderung nach Verbindlichkeit und auch Deinen Wunsch der konkreten Konfrontierbarkeit.

Nur wird das in der Diskussion hier erheblich erschwert dadurch, daß so viele verschiedenartige Dinge wahllos durcheinander geworfen und die Versuche diese zu sortieren zurückgewiesen werden. Wir haben:

Informationen über histor. Verfehlungen der Kirche
Sätze von Theologen
Sätze aus der Bibel
Sätze aus anderen Quellen
metaphysische Sätze
normative Sätze
empirische Sätze
metaphorische Sätze
logische Sätze
und vielleicht noch viele andere

Die können natürlich nicht alle nach einem einzigen Schema beurteilt werden.

______


Wenn z.B. ein Theologe von Wissen und Realität spricht, wäre es hilfreich die Begriffsverwendung der antiken und der mittelalterlichen philosophischen Tradition zu berücksichtigen, um den Sinn zu verstehen, den er damit verbinden will. Die Feststellung, daß sich die Aussagen des Theologen gemessen daran, was wir heute für gewöhnlich unter Realität und Wissen verstehen, in der Beurteilung zwischen unsinnig und falsch bewegen, ist dagegen höchst trivial.

Zarathustra 08.05.2017 23:04

Zitat:

Zitat von waden (Beitrag 1303849)
Dass die Sprache im Laufe der Zeit unverständlich wird, ist aber schon demjenigen anzulasten, der sie benutzt. ...

Ja, da hast Du recht. Ich denke, das trägt sicherlich dazu bei, daß die Religion heute von vielen als Zumutung empfunden wird.

Jörn 08.05.2017 23:18

Zitat:

Zitat von captainbeefheart (Beitrag 1303855)
Kontexte überschneiden sich permanent, wir leben alle in verschiedenen (Sub-)Systemen. Aber wer soll dabei bitte mit welcher Autorität die Autorität von Kontexten kontextualisieren? Du? Ich? Der Mainstream? Die Mehrheit? Die Minderheit? Das System x?

Der gesunde Menschenverstand.

Ich verstehe nicht, welche Konsequenzen Du daraus ableiten willst. Soll die Konsequenz daraus sein, dass niemand je etwas wissen kann, und dass folglich die Debatte ingesamt zu unterbleiben hat?

Ist es da nicht eher wahrscheinlich, dass die gesellschaftliche Debatte (mal abgesehen von diesem Thread) einfach Deinen Standpunkt ignorieren wird, und die Debatte dennoch führen wird?

Der Kontext ist letztlich der, den die Gesellschaft einnimmt. Die Gesellschaft muss entscheiden, ob die reichste Kirche der Welt tatsächlich unsere knappen Steuergelder braucht, um ihre feudalen Bischöfe zu bezahlen. Willst Du da mit einer Grundsatzdebatte anfangen über Kontext und Subsysteme?

Jenes Subsystem, welches der feudale Bischof für sich in Anspruch nimmt, kann doch allen anderen Leuten völlig egal sein. Wenn er seine Rente selber zahlt, dann kann er mit seinem Kontext anstellen, was er will. Kein Mensch interessiert sich für seinen Kontext.

schoppenhauer 08.05.2017 23:22

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1303856)
Ja, ich verstehe Jörns Forderung nach Verbindlichkeit und auch Deinen Wunsch der konkreten Konfrontierbarkeit.

Nur wird das in der Diskussion hier erheblich erschwert dadurch, daß so viele verschiedenartige Dinge wahllos durcheinander geworfen und die Versuche diese zu sortieren zurückgewiesen werdenl.

Und ich weiß jetzt nicht, ob ich über deine Schlauheit amüsiert oder angepisst sein soll und - noch wichtiger - das hier überhaupt schreiben darf.

Zarathustra 08.05.2017 23:29

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1303841)
Erstens: woher weißt Du, dass Gott mit meiner Realität vermutlich nichts zu tun hat?

Zweitens: Du schreibst über die theologischen Zitate, es wäre "albern, diese als eine Mitteilung von Wissen" zu betrachten. Ich behaupte aber, dass sie tatsächlich eine Mitteilung von Wissen sind (bzw. dass der Autor sie dafür hält).
...[/indent]

Zu erstens: Ich weiß es natürlich nicht, ich vermute. Zur besseren Beurteilung fehlt mir eine genauere Kenntnis Deines Realitätsbegriffes.

Zu zweitens: Womöglich hält der Autor es für eine Mitteilung von Wissen. Vom Standpunkt eines moderneren Wissensbegriffs aus handelt es sich aber wohl kaum um Wissen.

Und nun? Dem Theologen ist das alles höchswahrscheinlich bekannt. Zudem ist er uns unter Umständen sogar darin voraus, daß er auf seine von unseren abweichenden Begriffe von Wissen und Realität reflektiert.


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