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Klugschnacker 28.04.2017 18:39

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1302393)
Symbolische Handlungen sind zu verstehen als Ausdruck einer jeweiligen Befindlichkeit: Du nennst sie hier selbst und sprichst von Hoffnung. Bauern hoffen weiterhin gelegentlich auf Regen, drücken das aber heute vermutlich aus verschiedenen Gründen anders aus. .

Der Bauer opferte die Ziege wohl kaum, um seinem Gefühlsleben Ausdruck zu verschaffen. Das kostspielige Tieropfer war nicht Ausdruck von Gefühlen, sondern ein Verfahren, um Regen zu erzeugen. Hätte es ein anderes Verfahren gegeben, wäre die Ziege nicht geopfert worden, meinst Du nicht?

In gleicher Weise war der Ablasshandel der Christen nicht Ausdruck einer Befindlichkeit, sondern eine für wirksam gehaltene Methode, im Jenseits weniger gequält zu werden. Deine These ist mir sympathisch, aber sie wäre Dir zur damaligen Zeit wahrscheinlich schlecht bekommen.

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1302393)
Wer nur Naturtatsachen und zweckrationale Fiktionen kennen will, dem bleiben weite Teile des kulturell geistigen Lebens verschlossen bzw. ein Mysterium.

Tut mir leid, falls ich Dir auf den Schlips getreten habe. Es kann natürlich sein, dass ich auf theologischem oder kulturellem Gebiet unterdurchschnittlich gebildet bin.

waden 28.04.2017 18:40

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1302393)
Es ist doch eine völlig verfehlte Interpretation, anzunehmen eine symbolische Handlung, wie die des Ziegenopfers, sei aufgegeben worden, aufgrund einer Einsicht in ihre mangelnde Wirksamkeit.
Symbolische Handlungen sind zu verstehen als Ausdruck einer jeweiligen Befindlichkeit: Du nennst sie hier selbst und sprichst von Hoffnung. Bauern hoffen weiterhin gelegentlich auf Regen, drücken das aber heute vermutlich aus verschiedenen Gründen anders aus.

Ich nehme an, dass im Rahmen der Humanisierung der religiösen Praktiken Ersatzhandlungen für die Tier- und Menschenopfer eingeführt wurden, um die Befindlichkeit der Gläubigen auszudrücken.
Wenn nicht wegen Einsicht in die mangelnde Wirksamkeit, weshalb dann?

Jörn 28.04.2017 18:43

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1302393)
Bauern hoffen weiterhin gelegentlich auf Regen, drücken das aber heute vermutlich aus verschiedenen Gründen anders aus.

Bitte konkret. Wie drücken Bauern heutzutage ihre Hoffnung auf Regen aus? Und was sind die Gründe für genau diese Ausdrucksweise?

Klugschnacker 28.04.2017 18:50

Zitat:

Zitat von Rälph (Beitrag 1302395)
Damit zeigst du nur, dass auch Katholiken nicht so verblendet sind, wie du es gerne darstellt, oder?

Ich weiß nicht, worauf Du konkret anspielst. Du meinst, weil Katholiken nicht um das Nachwachsen amputierter Gliedmaßen beten, sei ihr Glaube rationaler, als wenn sie es täten?

Ich will das nicht entscheiden. Zumindest mit amputierten Beinen geschieht genau das, was geschehen würde, wenn es keinen Gott gibt. Und zwar immer, ohne eine einzige Ausnahme. Zählt das nichts?

Anmerken möchte ich, dass ich nicht die Katholiken für verblendet halte.

captainbeefheart 28.04.2017 18:52

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1302396)
Der Bauer opferte die Ziege wohl kaum, um seinem Gefühlsleben Ausdruck zu verschaffen. ...

Menschliche Handlungen sind immer (auch) Ausdruck von Emotionen, das geht von unserer Gehirnstruktur gar nicht anders.

Pascal 28.04.2017 18:56

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1302321)

Wie steht es aber mit dem Recht der Kinder, frei von religiöser Beeinflussung... aufzuwachsen?

Konsequenterweise müsste Deine Forderung lauten, Kinder frei von jedweder Beeinflussung aufwachsen zu lassen. Denn der Zwang von Eltern nur Sojabratlinge zu servieren oder Sonntag Nachmittag immer wandern zu gehen kann schlimme Folgen für die Kleinen haben...:)

Jörn 28.04.2017 19:03

Wir können jedenfalls feststellen, dass Atheisten sich im Jahr 2017 auf Widerspruch einstellen müssen, wenn sie auf die Sinnlosigkeit von Ziegenopfern hinweisen.

Gleichzeitig wird man belehrt, dass "Katholiken nicht so verblendet" wären, wie man gemeinhin unterstellen würde.

Zarathustra 28.04.2017 19:07

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1302396)
... Das kostspielige Tieropfer war nicht Ausdruck von Gefühlen, sondern ein Verfahren, um Regen zu erzeugen.

...

Tut mir leid, falls ich Dir auf den Schlips getreten habe. Es kann natürlich sein, dass ich auf theologischem oder kulturellem Gebiet unterdurchschnittlich gebildet bin.

Daß es ein zweckrationales Verfahren sei, ist Deine Interpretation. Als ob die Unwirksamkeit niemandem aufgefallen wäre!
Hat Dir vor einem Wettkampf schonmal jemand versprochen Dir die Daumen zu drücken? Hast Du ihn dann darauf aufmerksam gemacht, daß dies ein unwirksames Verfahren sei, um Dir zum Erfolg zu verhelfen?

Ich wollte hier nur die meiner Meinung nach viel zu kurz greifende Argumentation angreifen, nicht irgendjemandes Bildungsstand. Tut mir leid, wenn das anders rübergekommen ist!
:Blumen:

qbz 28.04.2017 19:24

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1302393)
Es ist doch eine völlig verfehlte Interpretation, anzunehmen eine symbolische Handlung, wie die des Ziegenopfers, sei aufgegeben worden, aufgrund einer Einsicht in ihre mangelnde Wirksamkeit.
Symbolische Handlungen sind zu verstehen als Ausdruck einer jeweiligen Befindlichkeit: Du nennst sie hier selbst und sprichst von Hoffnung. Bauern hoffen weiterhin gelegentlich auf Regen, drücken das aber heute vermutlich aus verschiedenen Gründen anders aus.

Schönes Beispiel. Die Beherrschung der Natur wuchs im Laufe der Entwicklung der Produktivkräfte so, dass Menschen Bewässerungssysteme wie z.B. Staudämme schufen und der "Regengott" und die Regenopfer an Bedeutung verloren. Im Kanton Wallis beteten die Menschen zu Gott um Hilfe, dass beim Bau der gefährlichen Suonen (Wasserkanäle entlang senkrechter Felswände) niemand abstürzte und errichteten Schutzkreuze und segneten die Kanäle.
http://suone.ch/

Bei der industriellen Gemüseproduktion entfällt auch der Segen für die Bewässerung in den Gewächshäusern sowie ihrem Bau und die Freilandbauern erhalten bei Katastrophen Entschädigungen von der Gemeinschaft.

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1302393)

Wer nur Naturtatsachen und zweckrationale Fiktionen kennen will, dem bleiben weite Teile des kulturell geistigen Lebens verschlossen bzw. ein Mysterium.

Veränderungen im kulturell geistigen Leben und in den Religionen entstehen letztlich als Reaktion auf Veränderungen bei der Beherrschung der Natur (siehe oben).

Zarathustra 28.04.2017 21:15

@waden
@Jörn

Der Beitrag von qbz enthält schon die Antwort. Kurz gesagt: Die (Arbeits-)Bedingungen ändern sich so, daß das der Befindlichkeit zugrundeliegende Problem an Dringlichkeit verliert. Damit nimmt auch das Bedürfnis nach einer gemeinsamen, ritualisierten Ausdrucksweise ab oder verschwindet.

Jörn 28.04.2017 22:33

Das ist erstaunlich! Es liegt also an der schwindenden "Dringlichkeit des Problems" -- und nicht an der Einsicht, dass das Ziegenopfer völlig wirkungslos ist.

Wäre es also angemessen, Ziegen für einen steigenden Milchpreis zu opfern? Das ist unbestreitbar ein "dringendes Problem" der Landwirtschaft. Auch die Syrien-Krise bedarf einer Lösung.

Zarathustra 28.04.2017 23:37

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1302430)
Das ist erstaunlich! ...

Staunen ist der Anfang aller Wissenschaft.

waden 28.04.2017 23:58

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1302422)
@waden
@Jörn

Der Beitrag von qbz enthält schon die Antwort. Kurz gesagt: Die (Arbeits-)Bedingungen ändern sich so, daß das der Befindlichkeit zugrundeliegende Problem an Dringlichkeit verliert. Damit nimmt auch das Bedürfnis nach einer gemeinsamen, ritualisierten Ausdrucksweise ab oder verschwindet.

qbz spricht von der Beherrschung der Natur, du von den Arbeitsbedingungen, welche die Befindlichkeiten und damit die Weltsicht und Riten geändert haben.
Ihr stellt stark die äußeren Bedingungen in den Vordergrund. Mir fehlt dabei der Aspekt der Leistung des menschlichen Denkens, welches die Überwindung von Irrtümern bzw. Aberglauben begründet. Oder sind die Leistungen eines Galilei oder Newton, um nur zwei Namen beispielhaft zu nennen, in euren Augen ebenfalls nur Produkt sozialer Verhältnisse und äußerer Bedingungen?

Rälph 29.04.2017 08:36

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1302401)
Ich weiß nicht, worauf Du konkret anspielst. Du meinst, weil Katholiken nicht um das Nachwachsen amputierter Gliedmaßen beten, sei ihr Glaube rationaler, als wenn sie es täten?

Ich will das nicht entscheiden. Zumindest mit amputierten Beinen geschieht genau das, was geschehen würde, wenn es keinen Gott gibt. Und zwar immer, ohne eine einzige Ausnahme. Zählt das nichts?

Anmerken möchte ich, dass ich nicht die Katholiken für verblendet halte.

Ich denke, das kann man so stehen lassen, ja. Ich halte es nicht für grundsätzlich unvernünftig bei Krankheit um Kraft zur Genesung zu bitten. Alleine der Glaube an und die Hoffnung auf etwas kann eine Wirkung entfalten, auch ohne jedes göttliche Zutun.
Letztendlich besteht, meiner Erfahrung nach, ein gehöriger Teil christlichen Glaubens mehr aus Hoffnung, denn aus Gewissheit.

Zur "Bein-Frage" kann ich sonst nicht viel beitragen, steht es doch nur stellvertretend für das hier schon mehrfach diskutierte Theodizee-Problem. Ich bin in theologischen Fragen auch nicht so belesen wie du und auch nicht in gleichem Maße daran interessiert.

Vielleicht ist "verblendet" der falsche Ausdruck. Ersetzen wir ihn einfach durch "irrational".

Jörn 29.04.2017 08:53

Ich denke, dass man bei Krankheit zwei Dinge unterscheiden muss:

- Ursache (Chemie, Biologie, Physik)
- Schicksal.

Mit dem Schicksal kann man hadern. Mit der Chemie nicht.

qbz 29.04.2017 09:27

Zitat:

Zitat von waden (Beitrag 1302436)
qbz spricht von der Beherrschung der Natur, du von den Arbeitsbedingungen, welche die Befindlichkeiten und damit die Weltsicht und Riten geändert haben.
Ihr stellt stark die äußeren Bedingungen in den Vordergrund. Mir fehlt dabei der Aspekt der Leistung des menschlichen Denkens, welches die Überwindung von Irrtümern bzw. Aberglauben begründet. Oder sind die Leistungen eines Galilei oder Newton, um nur zwei Namen beispielhaft zu nennen, in euren Augen ebenfalls nur Produkt sozialer Verhältnisse und äußerer Bedingungen?

Nein, natürlich nicht. Es handelt sich um komplexe Wechselwirkungen mit der Priorität auf der Entwicklung der Produktivkräfte und der sozialen Verhältnisse, die zu den Auseinandersetzungen, Konflikten im wissenschaftllichen und geistig-kulturellen Leben führen. Erstere entscheiden in grösseren historischen Zeiträumen halt, was sich erfolgreich durchsetzt. Ich sehe diesen Zusammenhang auf keinen Fall "unmittelbar", "mechanisch" bestimmt. Gerade die Naturwissenschaften bilden natürlich Teil der progressiven Entwicklung für die Beherrschung der Natur und der Produktivkräfte. Newton u. Galilei gehörten andererseits zu den geistig-wissenschaftlichen Strömungen des "Humanismsus" und des wachsenden Bürgertums in den Städten. Damals begrenzten mittelalterliche Dogmen zwecks Herrschaftserhaltung des Feudaladels den Fortschritt. Heute begrenzen Formen des Kapitalismus den Fortschritt (private Aneignung der Wissenschaftsergebnisse z.B., Schwerpunkte durch Profitstreben bestimmt) bis hin zur Vernichtungsgefahr (Atomkrieg, Erderwärmung), andererseits brachte und bringt er revolutionäre wissenschaftlich-technologische Entwicklungen und Wachstum der Arbeitsproduktiviät wie nie zuvor.

Was ich inbezug auf Religion und Naturbeherrschung meine: je mehr der Mensch die Natur und seine Lebensgrundlagen "beherrscht", desto weniger erscheinen weltliche Phänomene als "gottbestimmt". Was bleibt noch der Religion: Allein ein fiktives "Jenseits" ausserhalb der von Menschen erforschten, erfahrbaren Welt gedacht.

Klugschnacker 29.04.2017 09:46

Ich hatte weiter oben gesagt, dass das fiktive System der Religionen (Götter, Teufel, Jenseits, Hölle, Engel, Sünden) sich seines fiktionalen, mythologischen Charakters nicht mehr bewusst ist und dadurch zu Unsinn verkommt. Ich möchte diesen Standpunkt nochmals verdeutlichen. Denn ich sehe für die Religionen die Chance, durch diese Erkenntnis wieder mehr zur Spiritualität unserer Zeit beitragen zu können, anstatt sich in Kuriositäten wie etwa am intakten Jungfernhäutchen Marias zu verfangen.

Der Wert von Geldscheinen besteht in unserer gemeinsamen Übereinkunft, so zu tun, als sein ein Papier mit dem entsprechenden Aufdruck der Bundesdruckerei 500 Euro wert. Der Geldschein hat diesen Wert nur so lange, wie wir alle daran glauben. Zur Zeit der großen Inflation vor dem Zweiten Weltkrieg schwand dieser Glaube, und es zeigte sich, dass selbst 1-Million-Mark Scheine keinen Wert mehr hatten. Die Kaufkraft dieses Geldes war praktisch Null. Buntes Papier ist eben nichts wert. Geldscheine sind Symbole, aber haben keinen wirklichen eigenen Wert.

Im Brauchtum der Christen wird eine Oblate symbolisch mit dem Leib Jesu Christi gleichgesetzt. Ein Schluck Rotwein symbolisiert sein Blut. Sagte ich symbolisch? Die Lehre der "Realpräsenz" der Kirche legt fest, "dass in der Substanz von Brot und Wein Jesus Christus mit seinem Leib und seinem Blut real gegenwärtig" sei (Wikipedia).

Dies wird päpstlicherseits konkretisiert (Wikipedia):
„Durch die Konsekration [das Weihen] des Brotes und Weines geschieht eine Verwandlung der ganzen Substanz des Brotes in die Substanz des Leibes Christi, unseres Herrn, und der ganzen Substanz des Weines in die Substanz seines Blutes. Diese Wandlung wurde von der heiligen katholischen Kirche treffend und im eigentlichen Sinne Wesensverwandlung genannt.“
Hier wird also der symbolische, fiktive Charakter der Weizenmehloblate aufgelöst. Die Oblate ist nicht ein Symbol für den Leib Christi, sondern der Leib Christi.

Dieser offensichtliche Unsinn führte meines Wissens nach zu den größten Massakern an Andersgläubigen in der Geschichte der Menschen vor Adolf Hitler, lediglich übertroffen durch die Massenmorde in der Batholomäusnacht (Katholiken ermordeten in einer Nacht 15.000 Protestanten).

Denn es wurde vornehmlich Juden unterstellt, sie hätten die Oblate geschändet und zu erdolchen versucht, woraufhin diese geblutet hätte. Ferner sei versucht worden, die bereits geweihte Oblate zu verspotten. Um diese Hostienschändung zu sühnen, "zog ein halbes Jahr lang [eine] Bande von Totschlägern durch über 140 fränkische und schwäbische Ortschaften. Sie vergewaltigten, folterten und verbrannten bis zu 5000 Juden und Jüdinnen und töteten deren Kinder" (Wikipedia).

Die Verwandlung einer Oblate in den vor 2000 Jahren verstorbenen Körper des Jesus von Nazareth ist für einen aufgeklärten Menschen nicht spirituell, sondern Unfug. Dasselbe gilt für die Jungfräulichkeit seiner Mutter und ihre leibliche Fahrt in den Himmel (wo mag sie da wohl angekommen sein?). Religiöse Symbolik verwandelt sich in eine Menge Unsinn und Albernheiten, wenn sie ihre Symbolhaftigkeit vergisst und das sich entwickelnde Wissen unserer Gesellschaft ignoriert.

Es liegt daher im Interesse der Religionen selbst, wenn außenstehende Personen immer wieder auf den Unterschied zwischen Wahrheit und Mythos verweisen.

Zarathustra 29.04.2017 12:22

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1302445)
... Die Lehre der "Realpräsenz" der Kirche legt fest, "dass in der Substanz von Brot und Wein Jesus Christus mit seinem Leib und seinem Blut real gegenwärtig" sei (Wikipedia).

Dies wird päpstlicherseits konkretisiert (Wikipedia):
„Durch die Konsekration [das Weihen] des Brotes und Weines geschieht eine Verwandlung der ganzen Substanz des Brotes in die Substanz des Leibes Christi, unseres Herrn, und der ganzen Substanz des Weines in die Substanz seines Blutes. Diese Wandlung wurde von der heiligen katholischen Kirche treffend und im eigentlichen Sinne Wesensverwandlung genannt.“
Hier wird also der symbolische, fiktive Charakter der Weizenmehloblate aufgelöst. Die Oblate ist nicht ein Symbol für den Leib Christi, sondern der Leib Christi.
...

Hier sehen wir wieder, wie Du Dich durch den Sprachgebrauch irreführen läßt und der Religion eine vermeintlich absurde Position unterschiebst. Im scholastischen Kontext sind die Begriffe der Realität und Substanz ja gerade nicht zu verstehen als Materie oder äußerlich Wahrnehmbares, wie man sie heute im modernen Sinne versteht.
Darum ist hier nichts ausgedrückt, was einem symbolischen Verständnis (im modernen Sinne) zwangsläufig widerspricht.

Zarathustra 29.04.2017 12:37

Zitat:

Zitat von waden (Beitrag 1302436)
...
Ihr stellt stark die äußeren Bedingungen in den Vordergrund. Mir fehlt dabei der Aspekt der Leistung des menschlichen Denkens, welches die Überwindung von Irrtümern bzw. Aberglauben begründet. Oder sind die Leistungen eines Galilei oder Newton, um nur zwei Namen beispielhaft zu nennen, in euren Augen ebenfalls nur Produkt sozialer Verhältnisse und äußerer Bedingungen?

qbz hat's wieder als Erster gesagt: Es geht nicht darum, die Leistungen des menschlichen Denkens allein aus den äußeren Bedingungen zu erklären, sondern darum sie vor dem Hintergrund dieser besser verstehen zu können, so daß sie als weniger mysteriös erscheinen.

(Newton hat ja bekanntermaßen seine Leistung selbst ganz treffend eingeordnet als er seinen Weitblick auch darauf zurückführte, daß er auf den Schultern von Riesen stehe.)

Jörn 29.04.2017 12:41

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1302464)
Darum ist hier nichts ausgedrückt, was einem symbolischen Verständnis (im modernen Sinne) zwangsläufig widerspricht.

Das stimmt nicht, denn die ganze Debatte um die Realpräsenz und die Transsubstantiation dreht sich ja vor allem darum, dass sich die Oblate tatsächlich ändert (egal wie) und nicht nur ein Hilfsmittel der Erinnerung darstellt (wie z.B. ein Gedicht oder ein Lied). Wie genau sie sich ändert, spielt hier keine Rolle.

Auch die beschriebenen Morde lassen sich nur dadurch erklären, dass zumindest die Mörder und ihre Anstifter davon ausgingen, dass einer Oblate tatsächlich ein Leid widerfahren kann, welches gerächt werden muss. Das war nur möglich, weil sich die Oblate tatsächlich (und nicht symbolisch) geändert hatte. Ansonsten hätte man alle Leute umbringen müssen, die eine Oblate verzehren. Aber es ging nur um jene Oblaten, die tatsächlich zum Leib Christi geworden waren.

Es gab sogar Schilderungen, bei denen die Oblate zu bluten begann, wenn Juden versuchten, sie mit einem Messer zu "töten". Das hat nichts mit Symbolik zu tun.

Übrigens liegt der Ursprung des noch heute gefeierten "Fronleichnamsfestes" in einem solchen "Blutwunder", also dem konkret blutenden Leib Christi in Form einer Oblate. Papst Urban IV. hat dieses Ereignis (bedeutet: konkret stattgefunden) zum Fest der Gesamtkirche erhoben. Auslöser dieser Entscheidung war das Blutwunder von Bolsena, das von ihm im Jahre 1263 als echtes Wunder anerkannt wurde.
"Ein böhmischer Priester, der an der Transsubstantiation zweifelte, machte im Jahr 1263 auf einer Pilgerreise nach Rom Station in Bolsena. In der heiligen Messe brach er dort eine Hostie, aus der gemäß der Legende Blut tropfte. Daraufhin wurde in Orvieto von Papst Urban IV. das Fronleichnamsfest eingerichtet. Später wurde dort der Dom gebaut, in dem das Altartuch, das Korporale, als Reliquie aufbewahrt wird." Wikipedia


Zitat Papst Urban IV.: „Wir haben es daher, um den wahren Glauben zu stärken und zu erhöhen, für recht und billig gehalten, zu verordnen, dass außer dem täglichen Andenken, das die Kirche diesem heiligen Sakrament bezeigt, alle Jahre auf einen gewissen Tag noch ein besonderes Fest, nämlich auf den fünften Wochentag nach der Pfingstoktav, gefeiert werde, an welchem Tag das fromme Volk sich beeifern wird, in großer Menge in unsere Kirchen zu eilen, wo von den Geistlichen und Laien voll heiliger Freude Lobgesänge erschallen“.
Und seitdem beeifert sich das fromme Volk und es erschallen Lobgesänge.


Zarathustra 29.04.2017 12:46

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1302444)
...

Was ich inbezug auf Religion und Naturbeherrschung meine: je mehr der Mensch die Natur und seine Lebensgrundlagen "beherrscht", desto weniger erscheinen weltliche Phänomene als "gottbestimmt". Was bleibt noch der Religion: Allein ein fiktives "Jenseits" ausserhalb der von Menschen erforschten, erfahrbaren Welt gedacht.

Dabei sollte aber nicht vergessen werden, daß im Zuge der zunehmenden Naturbeherrschung gleichzeitig neues Unbeherrschbares entstehen (Atomkraft, Gentechnik...) und auch künstlich geschaffen werden kann (die Märkte, Waffensysteme...).

Zarathustra 29.04.2017 12:58

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1302466)
Das stimmt nicht, denn die ganze Debatte um die Realpräsenz und die Transsubstantiation dreht sich ja vor allem darum, dass sich die Oblate tatsächlich ändert (egal wie) und nicht nur ein Hilfsmittel der Erinnerung darstellt (wie z.B. ein Gedicht oder ein Lied). Wie genau sie sich ändert, spielt hier keine Rolle.

Auch die beschriebenen Morde lassen sich nur dadurch erklären, dass zumindest die Mörder und ihre Anstifter davon ausgingen, ...

Ja, daß diese Lehre mißverstanden wurde und wird und daraus furchtbare Taten motiviert wurden, möchte ich nicht bestreiten.
____

Was es bedeutet, daß sich etwas „tatsächlich ändert“ ist aber genau die Frage. Nach dem alten Verständnis, das auf die Substanzlehre des Aristoteles zurückgeht, ist darunter etwas anderes zu verstehen als unter dem modernem Verständnis, wo man eine Veränderung als materiell oder die äußere Gestalt betreffend versteht.

Jörn 29.04.2017 13:08

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1302470)
Nach dem alten Verständnis, das auf die Substanzlehre des Aristoteles zurückgeht, ist darunter etwas anderes zu verstehen als unter dem modernem Verständnis, wo man eine Veränderung als materiell oder die äußere Gestalt betreffend versteht.

Da liegst Du genau falsch. Es geht eben NICHT auf Aristoteles zurück.
Wikipedia: "Aristotelisch verstanden scheint ein Fortbestehen der Akzidentien und somit der äußeren Gestalt bei Veränderung der Substanz nicht möglich, weil Akzidentien von der Substanz, an der sie auftreten, abhängen."
Es ist übrigens unerheblich, auf was oder wen es zurückgeht. Denn entscheidend ist nur, was wahr ist -- und nicht, was man für wahr hielt. Genau darin zeigt sich ja der Aberglaube.

Die Kirche stellt bis heute ein Tuch aus, auf dem angeblich das Blut zu sehen ist, welches aus der Oblate floss. Damit ist einwandfrei widerlegt, dass wir es hier nur mit einem Symbol zu tun hätten. Genau um diese Frage zweifelsfrei zu beantworten, gibt es das Tuch. (Zu besichtigen im Dom von Bolsena.)

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1302470)
Ja, daß diese Lehre mißverstanden wurde und wird und daraus furchtbare Taten motiviert wurden, möchte ich nicht bestreiten.

Aha. Wie versteht man die Lehre denn richtig? Und woraus ergibt sich die Gewissheit, dass es richtig wäre (außer Wunschdenken)?

Zarathustra 29.04.2017 13:44

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1302471)
Da liegst Du genau falsch. Es geht eben NICHT auf Aristoteles zurück.
...

Aha. Wie versteht man die Lehre denn richtig? Und woraus ergibt sich die Gewissheit, dass es richtig wäre (außer Wunschdenken)?

Die Substanzlehre wurde natürlich entsprechend den theolog. Erfordernissen adaptiert: Eine Veränderung der Substanz erfordert demnach keine Veränderung im Materiellen. Inwiefern das mit Aristoteles unvereinbar sein soll, ist keineswegs so eindeutig, wie es in der wikipedia dargestellt wird. Aber das ist alles rein auf der sprachlich begrifflichen Ebene.

Mein Anliegen war hier nur darzulegen, daß man die Lehre nicht so wie Du verstehen muß. Wie man sie richtig versteht, ist eine andere Frage.
Eine letzte Gewißheit die richtige Interpretation zu haben, gibt es natürlich nicht. Wer sich aber um eine intellektuell redliche Interpretation bemüht, sollte nicht von vornherein annehmen, daß alles auf Unkenntnis, Irrationalität und Böswilligkeit beruht, nur weil die altertümliche Begrifflichkeit heute mißverständlich ist. Da helfen auch zahlreich angeführte Anekdoten nicht weiter.

Jörn 29.04.2017 15:02

Was ist an einem blutbefleckten Altartuch missverständlich? Der Papst behauptet klipp und klar, dieses Blut sei aus der Oblate herausgeflossen. Um alle dennoch auftauchenden Missverständnisse zu klären, wird das Tuch bis heute ausgestellt, mitsamt dem Blutfleck. Es ist eben gerade keine Anekdote. Das Tuch ist vorhanden. Die Schrift des Papstes ist ebenfalls vorhanden.

Hier geht es nur scheinbar um Theologie oder um die Auslegung eines Begriffs. In Wahrheit geht es um blanke Scharlatanerie, um Betrug. Es ist ja nicht so, als wüssten wir nicht, was eine Oblate ist.

Klugschnacker 29.04.2017 21:43

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1302464)
Hier sehen wir wieder, wie Du Dich durch den Sprachgebrauch irreführen läßt und der Religion eine vermeintlich absurde Position unterschiebst. Im scholastischen Kontext sind die Begriffe der Realität und Substanz ja gerade nicht zu verstehen als Materie oder äußerlich Wahrnehmbares, wie man sie heute im modernen Sinne versteht.

Wir sind in dem Punkt unterschiedlicher Auffassung. Mir ging es darum, dass Metaphern etwas Spirituelles ausdrücken können. Überstrapaziert man diese Metaphern jedoch, werden die spirituellen Inhalte zu bloßem Unsinn.

Mir scheint, dass viele Menschen sich durchaus mit einem spirituellem (weltanschaulichen) Rahmen anfreunden können, in dem die Welt irgendwie geschaffen wurde, und nicht nur durch eine zufällige Quantenfluktuation entstand; und dass wir Menschen in diesem Universum einen Sinn haben. Vielleicht sogar eine Aufgabe. Religionen drücken dieses Gefühl mit ihren Schöpfungsmythen aus. Sie entwickeln Metaphern und Bilder, die sich damit beschäftigen, wie die Welt ins Sein kam.

Wie gesagt, viele Menschen sind nach meiner Beobachtung offen für solche Gedanken. Stoßen sie jedoch an Ausschmückungen wie die Himmelfahrt Marias oder die Verwandlung einer Oblate in den Leib Christi, verbinden die wenigsten aufgeklärten Menschen diese Vorgänge mit spirituellen Gedanken. Stattdessen leuchtet eine kleine innere rote Lampe auf, mit der Aufschrift "Bullshitalarm!".

Die Kirchen betreiben die Entspiritualisierung der Religionen auf diese Weise selbst.

Zarathustra 29.04.2017 22:42

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1302515)
Wir sind in dem Punkt unterschiedlicher Auffassung. ...

Sie entwickeln Metaphern und Bilder, die sich damit beschäftigen, wie die Welt ins Sein kam.

Wie gesagt, viele Menschen sind nach meiner Beobachtung offen für solche Gedanken. Stoßen sie jedoch an Ausschmückungen wie die Himmelfahrt Marias oder die Verwandlung einer Oblate in den Leib Christi, verbinden die wenigsten aufgeklärten Menschen diese Vorgänge mit spirituellen Gedanken.
...

So wie Du Deine Position hier beschreibst, sind, denke ich, in der Sache unsere Auffassungen nicht so weit voneinander entfernt.

Ein Unterschied scheint mir z. B. darin zu liegen, daß meiner Meinung nach selbst die Transsubstantionslehre nicht unbedingt „eine Überstrapazierung der Metaphorik“ darstellen muß (aber natürlich in bestimmten Auslegungen sehr wohl: kann), wenn die Veränderung des Substanzbegriffs berücksichtigt wird.

qbz 29.04.2017 23:00

Als Kind brachte ich vom Weiher Kaulquappen nachhause und wollte sehen, wie sie sich in Frösche verwandeln. Meine Mutter gab mir den Tipp, Oblaten zu besorgen als Nahrung für die Tiere. Als ich feststellte, dass die Oblaten, die ich den Tieren verfütterte, genaus aussehen und schmecken wie der Leib Christi in der Kirche, konnte ich nicht mehr verstehen und fand es eher lustig, dass man in dier Kirche dasselbe bekommt wie meine Kaulquappen. Das Abendmahl-Ritual verlor für mich ab da an Bedeutung, weil ich, legte mir der Priester die Oblate auf die Zunge, immer an die Kaulquappenfütterungen von mir denken musste. :Lachen2:

Zarathustra 29.04.2017 23:38

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1302522)
... Meine Mutter gab mir den Tipp, Oblaten zu besorgen als Nahrung für die Tiere. ...

Ein Tipp mit subversiven Folgen!
Ein klarer Fall für die Inquisition.

:Lachen2:

waden 30.04.2017 00:51

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1302444)
Nein, natürlich nicht. Es handelt sich um komplexe Wechselwirkungen mit der Priorität auf der Entwicklung der Produktivkräfte...

Was ich inbezug auf Religion und Naturbeherrschung meine: je mehr der Mensch die Natur und seine Lebensgrundlagen "beherrscht", desto weniger erscheinen weltliche Phänomene als "gottbestimmt". Was bleibt noch der Religion: Allein ein fiktives "Jenseits" ausserhalb der von Menschen erforschten, erfahrbaren Welt gedacht.

Danke für diese Antwort, die ich gut nachvollziehen kann. Interessant finde ich, diese Überlegungen auf heutige Menschen mit unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen anzuwenden. In unterschiedlichen Kulturkreisen und auch innerhalb der jeweiligen Kulturkreise gibt es offensichtlich erhebliche Unterschiede, obwohl hier ähnliche sozio-kulturelle Verhältnisse herrschen.

Bemerkenswert finde ich, dass die Kirchen erhebliche Energie darauf verwenden, nachweisbaren Unfug (Anekdoten mit Wahrheitsanspruch) als Wahrheit zu postulieren - wie Arne ja schon zeigte, mit nicht nur positiver Wirkung auf spirituell Interessierte. Offensichtlich sind aber viele Menschen immer noch (?) empfänglich dafür. (Ich erinnere mich gerade an eine Reise nach Turin, in der ich u.a. das "Original-Grabtuch" Christi sah, und insbesondere an den erheblichen Aufwand, mit dem die Authentizität behauptet wird - oder ich denke an den Nachbau der Arche Noah im Maßstab 1:1 in den USA zur Illustration der alternativen Evolution).

Der Religion bleibt "der ausserhalb der von Menschen erforschten, erfahrbaren Welt gedachte Raum". Und doch wirkt die Kirche mit ihren Mythen in den Köpfen der Glaubigen auch in den diesseitigen Raum. Die Kirchen beanspruchen hohe moralische Autorität für sich (heute auf der Seite 1 der Süddeutschen: Papst prangert Terrorismus an ...) und beharren zugleich darauf, dass viel offensichtlicher Unsinn als Wahrheit geglaubt wird. Alternative Fakten

Das finde ich enttäuschend. Wie Arne so treffend schreibt: Bullshitalarm.

Ich kann natürlich die historische Entwicklung, auf die Zarathustra mich hier möglicherweise sogleich hinweisen wollen würde, nachvollziehen. Interessant ist auch, dass gerade der Islam so großen Zulauf erfährt, und nicht die durch die Aufklärung gepeinigte christliche Kirche. Der Wunsch nach beinharter Dogmatik scheint verbreitet zu sein. Und auf der anderen Seite die Abwanderung von Menschen aus dem christlichen Kulturkreis in private Versionen asiatischer Transzendenzvorstellungen.

Jörn 30.04.2017 01:15

Sind wir Menschen "reif" für die Wahrheit? Oder brauchen wir irgendwelche Hilfskonstrukte, die uns die Welt leichter verdaulich machen?

Ich würde sagen, dass wir reif sind für die Wahrheit. Wir haben genügend Wissen gesammelt, um die Welt zu begreifen. Das Leid, das ein Tsunami bringen kann, können wir dadurch einordnen. Wir sind dem Leid nicht ausgeliefert, sondern können es mildern oder gar voraussehen und vermeiden. Es ist nicht mehr hilfreich, wenn wir uns eine Geschichte dazu ausdenken -- auch dann nicht, wenn sie ohne Oblaten und Marienfiguren auskommen. Wir brauchen sie nicht mehr. Wir brauchen die Maria nicht, und wir brauchen auch alle anderen Geschichten nicht.

Arne hat öfter beschrieben, dass die Religion (oder andere fiktive Überzeugungen) dazu beitragen konnte, große Gesellschaften zu bilden und stabil zu halten. Meine These ist, dass dieser Effekt ab einer bestimmten Größe der Gesellschaft wieder kippt. Das kann man gerade in unserer Zeit beobachten. Wenn Gesellschaften global werden, wird die Religion zu einem Hindernis, weil sich die Religionen untereinander nicht vertragen.

Die Menschheit wird durch Internet und Flugzeuge zu einer globalen Weltgemeinschaft. Religionen sind da nicht mehr hilfreich, sondern stehen im Weg.

Probieren wir es doch einfach mal mit der Wahrheit.

Wenn wir es gar nicht erst versuchen, dann können wir auch nicht wissen, ob es vielleicht der beste Weg ist. Ich habe jedenfalls keine Lust auf Märchen. Ich will die Wahrheit. Die Religion hatte ihre Chance.

qbz 30.04.2017 08:30

Zitat:

Zitat von waden (Beitrag 1302525)
Danke für diese Antwort, die ich gut nachvollziehen kann. Interessant finde ich, diese Überlegungen auf heutige Menschen mit unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen anzuwenden. In unterschiedlichen Kulturkreisen und auch innerhalb der jeweiligen Kulturkreise gibt es offensichtlich erhebliche Unterschiede, obwohl hier ähnliche sozio-kulturelle Verhältnisse herrschen.

..............

Ich kann natürlich die historische Entwicklung, auf die Zarathustra mich hier möglicherweise sogleich hinweisen wollen würde, nachvollziehen. Interessant ist auch, dass gerade der Islam so großen Zulauf erfährt, und nicht die durch die Aufklärung gepeinigte christliche Kirche. Der Wunsch nach beinharter Dogmatik scheint verbreitet zu sein. Und auf der anderen Seite die Abwanderung von Menschen aus dem christlichen Kulturkreis in private Versionen asiatischer Transzendenzvorstellungen.

Es würde in diesem Thread vielleicht zu weit führen, sich damit zu beschäftigen, weshalb sich die Herrschaftsverhältnisse im Nahen Osten und anderen islamisch geprägten Regionen aktuell auf eine Reislamisierung oder auf islamistische reaktionäre Bewegungen stützen.

Einige Faktoren wären:

* Zeitfaktor: Zwischen Descartes und heute liegen in Europa 400 Jahre und mehrere industrielle Revolutionen, auch in der Landwirtschaft.
* Industrialisierungsprozesse erfolgten im Nahen Osten, Türkei, Iran erst sehr spät im 20. Jahrhundert, wenn überhaupt. Aussterbende Dörfer. Gegensätze zwischen Stadt / Land, Armut und Reichtum.
* Rolle des Islams bei der Nationenbildung und der nationalen Identität nach Ende der Kolonialisierung.
* Grad der Volksbildung.
* Verfolgung, Ermordung, Vertreibung der politisch fortschrittlichen Menschen.
* In den Golfstaaten: brutale Unterdrückung in Kombination mit Bestechung der (ehemaligen Nomaden-)Stämme durch den Ölreichtum, geschützt durch die USA.
* Interessen der NATO/USA nach Ende der Kolonialzeit
.....
.....

Die Regionen, die in Afghanistan die Taliban z.B. beherrschen, gehören zu den ärmsten, wenig industrialisierten, wenig gebildeten.

waden 30.04.2017 12:07

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1302533)
Es würde in diesem Thread vielleicht zu weit führen, sich damit zu beschäftigen, weshalb sich die Herrschaftsverhältnisse im Nahen Osten und anderen islamisch geprägten Regionen aktuell auf eine Reislamisierung oder auf islamistische reaktionäre Bewegungen stützen.

Einige Faktoren wären:

...

das ist alles natürlich zutreffend; und Du hast wohl Recht, dass das Thema dieses Threads verlässt. In diesem Sinne interessiert mich in diesem Zusammenhang ("fasse ich mir an den Kopf") vor allem unser Kulturkreis, in dem sich viele Menschen von den religiösen Institutionen offensichtlich falsche Aussagen gefallen lassen. Dass die Herkunft dieser Geschichten sich gesellschaftlich erklären lässt und dass diese Anekdoten/Mythen auch einen zur jeweiligen Zeit möglicherweise nachvollziehbaren Hintergrund bzw. Zweck hatten, leuchtet mir ein.

Aber weshalb die Spiritualität auch heute noch an historisch eindeutig belegbaren offensichtlichen Unsinn gekoppelt wird, und weshalb das für viele Menschen kein Problem darstellt, verstehe ich noch immer nicht.

Die Religionen schulen so bis heute vielfach das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen und sehen sich dabei als Sachwalter der Obersten Moral - das passt für mich überhaupt nicht zusammen.

Weshalb lassen sich die Menschen in unserem Kulturkreis das gefallen? Am Wissen fehlt es doch nicht, woran fehlt es dann? Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen

Ich will dabei - es sei nochmal extra betont - nicht die Spiritualität angreifen, das Raum-Lassen für eine Dimension jenseits der vermessbaren Bereiche, wie wir sie ja auch u.a. in der Musik, Kunst, in Emotionen und zwischenmenschlichen Begegnunen erleben können.

waden 30.04.2017 17:00

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1302521)
So wie Du Deine Position hier beschreibst, sind, denke ich, in der Sache unsere Auffassungen nicht so weit voneinander entfernt.

Ein Unterschied scheint mir z. B. darin zu liegen, daß meiner Meinung nach selbst die Transsubstantionslehre nicht unbedingt „eine Überstrapazierung der Metaphorik“ darstellen muß (aber natürlich in bestimmten Auslegungen sehr wohl: kann), wenn die Veränderung des Substanzbegriffs berücksichtigt wird.

Mir klebte als Kind die Oblate am Gaumen, und ich traute mich nicht, sie - also den Leib des Gottessohnes zu zerbeißen, wo es ja bereits als Sünde galt, Gotteslästerliches zu denkenNie bei meinen bis ins Erwachsenenalter zahlreichen Kirchbesuchen in unterschiedlichen Großstadtgemeinden wurde eine Metaphorik der Transsubstantionslehre thematisiert. Ich lese mit großem Interesse Deine Beiträge hierzu. Dieses Maß der Abstraktion habe ich in Kirchen nicht erlebt.

keko# 01.05.2017 18:48

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1302321)
Ich bin einer Verfechter der Religionsfreiheit. Jeder soll glauben, was er für richtig hält und diesen Glauben auch ausleben, sofern er nicht andere Menschen beeinträchtigt. Wie steht es aber mit dem Recht der Kinder, frei von religiöser Beeinflussung, gegen die sie sich nicht wehren können, aufzuwachsen? Eltern haben zweifellos das Recht, ihren Kindern auch ihre Religion zu vermitteln. Als Gegengewicht sehe ich die Schulen in der Pflicht, den rein mythologischen Charakter der Religionen zu lehren. Der Staat würde dadurch die Rechte der Kinder vertreten, frei von ideologischer Beeinflussung aufzuwachsen.

Verstehe ich dich richtig? Da Kinder womöglich religiös erzogen oder beeinflußt werden, sollten Schulen schon grundsätzlich und präventiv dafür sorgen, sie von möglichen Mythen zu schützen? Das ist ja völlig abgefahren :Cheese: Glaubst du, Schulen haben nichts besseres zu tun als das? Als aufmerksamer Vater hast du sicher mitbekommen, dass die religiöse Beeinflussung der jungen Menschen mittlerweile in der allermeisten Fällen fast gegen Null geht. Das gibt es viel größere Gefahren und Baustellen. Ich war in etlichen Elternbeiratsversammlungen und Elternabenden, Reli war nie ein Thema.
Und so ganz allegemein: Das Kind, das frei von jeglicher ideologischer Beeinflussung aufwächst, gibt es nicht und wird es auch nicht geben. Selbst wenn es von Robotern erzogen würde, hätten diese selbstverständlich eine Art von Ideologie.

Jörn 01.05.2017 19:02

Hallo keko, ich habe gerade in dieser Woche einen mehrteiligen Vortrag auf k-tv gesehen, bei der eine katholische Religionslehrerin ihre Methoden anpries und zur Nachahmung empfahl.

Einziges Ziel war eine möglichst effektive Indoktrinierung von Grundschülern, sodass der Glaube sich möglichst in den Gehirnen festsetzt. Das war der Maßstab. Von Religionsunterricht keine Spur, sondern es war katholische Gehirnwäsche. Geglaubt werden soll möglichst wörtlich an den personalen, lebendigen Gott, der Gebete erhört und Urteile spricht.

Wozu soll das gut sein? Warum wartet man nicht damit, bis die Kinder zu einer gewissen Skepsis fähig sind und sich trauen, kritsiche Fragen zu stellen? Das Manöver ist nur allzu durchsichtig.

Übrigens fangen die Kirchen mit ihrer Indoktrinierung bereits in den Kindergärten an. Auf YouTube gibt es haufenweise Videos dazu, in denen Kirchenmitarbeiter praktische Tipps geben. In zahlreichen dieser Videos wird die Evolution bestritten und den Kindern entsprechende Lügengeschichten eingetrichtert.

Klugschnacker 02.05.2017 08:53

Zitat:

Zitat von keko# (Beitrag 1302640)
Verstehe ich dich richtig?

Nein, das weißt Du ja selbst. Schulen sollten der Wahrheit verpflichtet sein, so gut das eben geht. Nicht mehr und nicht weniger.

MattF 02.05.2017 10:22

@ Jörn

Wenn man k-TV guckt, dann erwartet man ja wohl nichts anderes.
k-TV ist kein offizieller Sender der katholischen Kirche.

Wenn man lange genug sucht findet man immer und überall Spinner.

Darum geht es dann aber auch letztlich: Kinder klar zu machen, dass es Spinner (oder sagen wir Menschen mit merkwürdigen Eigeninteressen) gibt.
Dass sie das zu hinterfragen haben, was ihnen gesagt wird.

Und das lernt man nicht in dem einem immer nur die Wahrheit erzählt wird.

Eigentlich würde es sogar komplett kontrapruduktiv sein, weinn die Schule und das Umfeld der Kinder komplett neutral und objektiv wäre. Sie würdenn nie die echte Welt kennen lernen.


Ich war in einer katholischen Grundschule, meine Kinder waren in einem evangelischen Kindergarten. Trotzdem sind wir den Indoktrinationen nicht verfallen. Eher das Gegenteil.

Es ist eine Illusion zu glauben, es können eine Welt geben, die nur der objektiven Wahrheit verpflichtet wäre.

Klugschnacker 02.05.2017 10:41

Zitat:

Zitat von MattF (Beitrag 1302714)
Darum geht es dann aber auch letztlich: Kinder klar zu machen, dass es Spinner (oder sagen wir Menschen mit merkwürdigen Eigeninteressen) gibt. Dass sie das zu hinterfragen haben, was ihnen gesagt wird.

Religiöse Erziehung setzt bewusst in einem Alter an, in dem die Kinder zu dieser kritischen Distanz gar nicht fähig sind.

Stelle Dir mal den Aufstand seitens der Kirchen vor, wenn der Vorschlag im Raum stünde, dass die Kinder erst dann mit religiöser Ideologie vertraut gemacht werden, wenn sie alt genug sind, sich eine eigene Meinung zu bilden. Oder dann, wenn man ihnen die Evolutionslehre nahebringt.

In den Grundschulen werden den Kindern religiöse Märchen als Tatsachen beigebracht, während alle beteiligten Erwachsenen, also die Lehrer, die Eltern oder der Pfarrer genau wissen, dass diese nicht wahr sind. Das funktioniert nur unter Ausnutzung der unterlegenen geistigen Fähigkeiten der heranwachsenden Kinder. Ich akzeptiere in diesem Punkt gerne andere Meinungen, aber für mein persönliches Empfinden ist das eine Form von Gewalt und geistigem Missbrauch, der an staatlichen Schulen nichts verloren hat.

MattF 02.05.2017 10:54

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1302718)
Religiöse Erziehung setzt bewusst in einem Alter an, in dem die Kinder zu dieser kritischen Distanz gar nicht fähig sind.


Das unterliegt der persönlichen Entscheidung der Eltern.

Du kannst Kinder in städtische Kitas tun und in der Schule können sie Ethik nehmen.

Dann musst du als Elternteil halt Verantwortung übernehmen.


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