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Heinrich Heine
Die Hexe
»Liebe Nachbarn, mit Vergunst! Eine Hex, durch Zauberkunst, Kann sich in ein Tier verwandeln, Um die Menschen zu mißhandeln. Eure Katz ist meine Frau; Ich erkenne sie genau Am Geruch, am Glanz der Augen, Spinnen, Schnurren, Pfötchensaugen ...« Der Nachbar und die Nachbarin, Sie riefen: »Jürgen, nimm sie hin!« Der Hofhund bellt: »Wau! wau!« Die Katze schreit: »Miau!« |
Heinz Kahlau:
Harte Nuß
Dieser mächtige Baum mit seinen unzähligen Nüssen ist nur dazu da, daß Bäume mit Nüssen entstehn für Bäume mit Nüssen? |
Wilhelm Busch:
Zwei Jungfern
Zwei Jungfern gibt es in Dorf und Stadt, Sie leben beständig im Kriege, Die Wahrheit, die niemand gerne hat, Und die scharmante Lüge. Vor jener, weil sie stolz und prüd Und voll moralischer Nücken, Sucht jeder, der sie nur kommen sieht, Sich schleunigst wegzudrücken. Die andre, obwohl ihr nicht zu traun, Wird täglich beliebter und kecker, Und wenn wir sie von hinten beschaun, So hat sie einen Höcker. |
Nikolaus Lenau:
Der falsche Freund
O sei mein Freund!" so schallt's vom Heuchelmunde Dem Falschen, der mit heimlichem Behagen Den Vorteil überzählt von solchem Bunde; Du traust ihm, und - schon hast du eingeschlagen, Ein edler Tor! Naht einst die Wetterstunde, So siehst den Schurken du mit bleichem Zagen In seines Ichs bequeme Hütte springen, Hinausgesperrt magst mit dem Sturm du ringen. |
Joachim Ringelnatz:
Die Ameisen
In Hamburg lebten zwei Ameisen, Die wollten nach Australien reisen. Bei Altona auf der Chaussee Da taten ihnen die Beine weh, Und da verzichteten sie weise Dann auf den letzten Teil der Reise. |
Rainer Maria Rilke:
Volksweise
Mich rührt so sehr böhmischen Volkes Weise, schleicht sie ins Herz sich leise, macht sie es schwer. Wenn ein Kind sacht singt beim Kartoffeljäten, klingt dir sein Lied im späten Traum noch der Nacht. Magst du auch sein weit über Land gefahren, fällt es dir doch nach Jahren stets wieder ein. |
Klabund:
Vergib mir.
Ich tat, Was Gott allein zu tun geziemt: Nahm deine Hand für meine Hand, Dein Herz für meines. Mich verwirrte Die schöne Nacht, Der goldne Stern im Strauch Und dann: der namenlose Duft der Linde. Verzeih. |
Frank Schulz:
Wie du
Gleich geh ich zu Bett. Da ist es meistens nett: Ich mach‘ die Augen zu und habe meine Ruh. Ich träume von Krawall, ganz ohne Schuß und Schall; ich träume auch von Sex, fast ohne Schuldkomplex; ich träume, Fehler zu beheben, und von ‘nem etwas leicht’ren Leben; ich träume dies und träume das. Mitunter schwitze ich etwas. Am Morgen bin ich so wie du Und leg‘ mich abends wieder hin. Ich mach‘ die Augen einfach zu Und befrag‘ mich, wer ich bin. |
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