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keko# 23.04.2017 10:39

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1301181)
Bei dieser Betrachtung wird suggeriert, als könne man nichts endgültig beurteilen, und als gebe es keine endgültigen Fakten. Das stimmt aber nicht. Das Leid der Menschen ist ein Faktum, egal wie glorreich alles enden wird.

Das bedeutet, dass Gott nicht die maximale Güte walten lässt. Maximale Güte würde den Menschen das Leid ersparen und den großen Plan auch ohne dieses Leid verwirklichen, immerhin ist Gott allmächtig.

Der Mensch ist nicht Krönung oder aktuelles Ende der "Schöpfung" (Evolution) , sondern nur ein Ende an einem von unendlich vielen Strängen, die sich permanent weiterentwicklen. Gäbe es einen Masterplan eines Schöpfers, warum sollten gerade wir Menschen ihn erfassen und beurteilen können? Weil wir ein Stück MINT-geprägtes Hirn mit uns rumtragen?

LidlRacer 23.04.2017 10:55

Zitat:

Zitat von keko# (Beitrag 1301450)
Der Mensch ist nicht Krönung oder aktuelles Ende der "Schöpfung" (Evolution) , sondern nur ein Ende an einem von unendlich vielen Strängen, die sich permanent weiterentwicklen. Gäbe es einen Masterplan eines Schöpfers, warum sollten gerade wir Menschen ihn erfassen und beurteilen können? Weil wir ein Stück MINT-geprägtes Hirn mit uns rumtragen?

Das hat jetzt aber nichts mit der (traditionellen/offiziellen) christlichen Sicht zu tun.

Zarathustra 23.04.2017 10:58

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1301433)
...

Es gibt viele Probleme/Widersprüche in der Theologie, die man in gleicher Weise als ungelöst belässt, etwa das Trinitäts-Paradox, ohne dass es deswegen irrelevant wäre.

...

Deine "Methode" zur Auslegung einzelner Bibel-Sätze konnte bisher auf keinen einzigen Satz angewendet werden, und es gibt keinen Hinweis auf irgendwelche interessanten Ergebnisse. Bestenfalls wären sie einfach eine weitere Variante der Auslegung.

Ich habe den Eindruck, dass Du schlicht der Versuchung erlegen bist, Deine eigene Interpretation als verbindlich zu erklären.

...

Lieber Jörn!

Mir ist unklar, warum Du die theologischen Paradoxa hier in das Gespräch einführst, während Du gleichzeitig erkennst, daß sie nicht entschieden werden können. Niemand behauptet hier, daß er es kann. Sie sind also insofern irrelevant, als daß sie unsere Diskussion nicht zugunsten einer Seite entscheiden können. Paradoxa kommen auch in anderen Wissenschaften vor.

Was Du immer noch nicht anerkennen willst: Ich vertrete hier keine bestimmte Interpretation der Bibel oder der Religion, aus diesem einfachen Grund: Ich verfüge über keine umfassend ausgeführte Interpretation.

Lediglich darum geht es mir: Du machst es Dir bei Deiner Argumentation gegen die Religion zu einfach. Deine Widerlegungsversuche weisen riesige logische Lücken auf.

Ich habe einige Hinweise gegeben, in welche Richtungen man meiner Meinung nach blicken könnte, um das Phänomen der Religion besser zu erfassen. Aber wenn Du das nicht willst oder andere findest, ist es ja auch gut.

Vicky 23.04.2017 11:08

Zitat:

Zitat von trithos (Beitrag 1301436)
Das scheint mir ein wichtiger Satz, weil er das Problem der Diskussion hier auf den Punkt bringt.

Für Dich ist also einzig der offizielle Glaube der Kirchen relevant. Das halte ich für problematisch: denn Du diskutierst hier nicht mit Vertretern der Amtskirche, sondern mit mehr oder weniger (un)gläubigen Menschen.

...

Sich einen theoretischen "Muster-Christen" aus ausgewählten grausamen Bibelzitaten zusammenzubasteln, diesen als den einzig möglichen wahren Gläubigen hinzustellen (obwohl es ihn in der Praxis so gut wie nicht gibt) und dann rhetorisch zu vernichten, empfinde ich als unangemessen. Es ist außerdem intellektuell wenig anspruchsvoll. Auch in diesem Fall ist die Welt nicht nur Schwarz und Weiß.

Ich habe dazu eine Frage. Jörn schrieb, dass es um den Glauben der Kirche geht und nicht um meinen oder Deinen Glauben...

Die Kirche steckt doch zumindest den Rahmen ab, in welchem die Bibel und ihre Schriften interpretiert und ausgelegt werden sollten. Das heißt, dass die Kirche schon ein Leitbild des Gläubigen vorgibt und ihm vorschlägt, wie er nach diesem Leitbild leben sollte. Dieses Leitbild eines Gläubigen ist... sagen wir mal... sehr konservativ. Von diesem Leitbild gibt es nun diverse Abstufungen, weil jeder Mensch die Schriften und den Glauben anders interpretiert.

Landen wir denn dann nicht bei einem "Wunschkonzert" des Glaubens, in dem eher schwierige und kritische Passagen für einen selbst so interpretiert werden, dass es passt? Jeder gestaltet sich dann doch seinen eigenen Glauben, oder? Das ist ok, doch dann brauchen wir doch auch keine christliche Kirche oder keinen Papst... denn jeder Mensch interpretiert den Glauben anders. Für jeden sieht Jesus anders aus.

Das führt dazu, dass der Glaube für mich zu einer Art psychologischen Lösung für Probleme aller Art fungieren kann. Ich habe konkret das Beispiel im Sinn, dass jemand versucht, Schuldgefühle zu verarbeiten. Der Glaube hilft ihm dabei, indem die Person Inhalte des Glaubens so interpretiert, dass er für sich selbst "Vergebung" findet.

PS.: Ich habe jetzt keine wissenschaftlichen Abhandlungen gelesen... Sorry. Ich habe die Zeit dafür leider aktuell nicht. Das sind lediglich Dinge, die mir in den Sinn kamen... beim Radfahren :Cheese:

Jörn 23.04.2017 11:14

Zitat:

Zitat von trithos (Beitrag 1301436)
Für Dich ist also einzig der offizielle Glaube der Kirchen relevant. Das halte ich für problematisch: denn Du diskutierst hier nicht mit Vertretern der Amtskirche (...)

Hallo trithos, das ist eine faire Kritik, die ich gut nachvollziehen kann. Es ist statthaft, dass jeder seinen individuellen Glauben hat, und dieser kann/soll auch diskutiert werden. Du schreibst, es würden heutzutage keine Kinder auf dem Altar geopfert, und folglich sei auch nur diese Art des Glaubens relevant.

Die meisten Deutschen haben in der Tat einen moderaten Jesus-Wellness-Glauben, der keinerlei biblische Grundlage hat. Darin steckt aber eine Unehrlichkeit.

Denn einerseits legt man für sich selber fest, dass die garstigen Abartigkeiten der Bibel nicht mehr gelten, und dass nur noch das Schöne und Angenehme verbleibt, nämlich Love & Peace. Andererseits, wenn man gerade mal schnell gegen die Homo-Ehe hetzen will, sind einem selbst die dümmsten Kapitel aus dem Alten Testament gerade recht. Plötzlich wird dies als ewige Wahrheit gepriesen, gegen die niemand argumentieren dürfe, weil man sonst beleidigt wäre.

Was denn nun?

Ich habe überhaupt nichts einzuwenden gegen den Jesus-Wellness-Glauben oder die Trivial-Literatur von Margot Käßmann für das religiöse Wohlbefinden. Aber ich habe etwas einzuwenden gegen die Doppelmoral, die lediglich zum Schein eine objektive Quelle vorgaukelt (die Bibel) und in Wahrheit nichts weiter ist als atemberaubende Selbstgerechtigkeit. Das ist Betrug, und das soll man auch so nennen.

Wenn die Bibel nicht die Grundlage Deines Glaubens ist, ist mir das willkommen bzw. gleichgültig. Wenn Du aber behauptest, Du hättest eine unumstößliche Autorität in Form der Bibel, dann beginnt hier meine Kritik, und dann beziehe ich mich in meiner Argumentation natürlich allein auf die Bibel. Dann weise ich Dir nach, dass der Wellness-Jesus aus biblischer Sicht nicht haltbar ist (und das weiß auch jeder Theologe).

Meine Kritik bezieht sich nicht auf den persönlichen, individuellen Glauben. Sondern darauf, dass jedermanns privater, willkürliche Glaube per Dekret als wahr und unantastbar ausgegeben wird, und dass auch andere sich diesem Glauben zu unterwerfen hätten (Homo-Ehe, Tanzverbot).

Wenn Du sagen würdest, dass Dein Glaube nicht notwendigerweise wahr wäre, dann wäre das für mich in Ordnung. Aber sobald die Wahrheit oder ein Buch als Begründung herhalten muss, ist es statthaft, die Wahrheit und das Buch auf den Prüfstand zu stellen.

Zarathustra 23.04.2017 11:16

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1301439)
Die Evolutionslehre (Darwin) ist in meinen Augen nicht hinreichend, um die Entwicklung der Menschheit in ihren eigenen, immanenten Gesetzmässigkeiten zu verstehen.
...

Insofern stellten Feuerbach und später Marx die Religionen "vom Kopf auf die Füsse", indem sie ihre Wurzeln in der wirklichen Welt annahmen, und wie Marx / Engels in der Entwicklung der Produktivkräfte (Werkzeuge), in der Arbeitsteilung und Vergesellschaftung der Produktion den Motor einer gesetzmässigen Entwicklung der Menschheit fanden,

...

Hallo qbz, gut daß Du hier nochmal Marx anführst. Meiner Erfahrung nach führt das in einer kontroversen Diskussion leider zu oft dazu, daß einen die Gegenseite spontan für irrational erklärt, weil: Marx = Kommunismus = widerlegt und böse. Aber das kennst Du sicher schon.
Deine Einschätzung zum Erklärungspotential der Evolutionslehre teile ich.

Jörn 23.04.2017 11:33

Zitat:

Zitat von Vicky (Beitrag 1301456)
Das führt dazu, dass der Glaube für mich zu einer Art psychologischen Lösung für Probleme aller Art fungieren kann. Ich habe konkret das Beispiel im Sinn, dass jemand versucht, Schuldgefühle zu verarbeiten. Der Glaube hilft ihm dabei, indem die Person Inhalte des Glaubens so interpretiert, dass er für sich selbst "Vergebung" findet.

Hallo Vicky, damit kann ich gut leben. Dass die Leute sich Konstrukte schaffen, die ihnen ein paar Hilfestellungen geben -- und da darf auch gerne mal ein schmalziger Selbstbetrug in Form eines selbst erfundenen und harmlosen Aberglaubens dabei sein.

Religion ist etwas anderes. Religion verkündet Wahrheiten und gibt diese als ewig und unantastbar aus. Glaube setzt Wahrheit voraus.

Neulich hat in einer UNO-Sitzung der Vertreter der Israelis mit der Bibel in der Hand darauf gepocht, dass sie die Golan-Höhen (oder einen anderen Sandhügel) nicht preisgeben werden. Jede Diskussion war zwecklos. Hier ein Bild von der Szene:



Das ist der Unterschied zwischen einem harmlosen Aberglauben, den man sich privat zurecht gebastelt hat, und einem als wahrhaftig empfunden Glauben.

Meine Kritik bezieht sich auf den unbegründeten aber als Wahrheit ausgegebenen Glauben, der Auswirkungen auf andere hat.

Jörn 23.04.2017 11:57

Zitat:

Zitat von keko# (Beitrag 1301450)
Gäbe es einen Masterplan eines Schöpfers, warum sollten gerade wir Menschen ihn erfassen und beurteilen können?

Wenn wir den Masterplan sowieso nicht erfassen können, wieso geben wir dann in Deutschland jedes Jahr 17 Milliarden Euro aus, damit die Kirchen diesen Masterplan erklären und verkünden?

Warum bezahlen wir dann jedes Jahr 280 Millionen Euro zusätzlich für die theologische "Wissenschaft" an den Universitäten, die den ganzen Tag darüber nachgrübelt, ob Jesus theoretisch anderer Meinung sein kann als Gott?

Meine These ist, dass hier zumindest ein Anfangsverdacht für Scharlatanerie gegeben ist, sodass man den Fall vorurteilsfrei untersuchen sollte.

Jörn 23.04.2017 13:37

Zitat:

Zitat von trithos (Beitrag 1301436)
wieviele Christen in Deutschland/Österreich opfern beispielsweise ihre Kinder einem alttestamentarischen grausamen Gott? Wieviele Steinigungen von Ehebrecherinnen hat es in Deutschland in den vergangenen Jahren gegeben?

Du schreibst, der Hinweis auf die Grausamkeiten des Alten Testaments sei nicht relevant, weil niemand mehr so handeln würde.

Ich bin aber der Meinung, dass diese Scheußlichkeiten weiterhin relevant sind. Ich würde Dir gerne ein Beispiel anbieten:

Nehmen wir dazu aber nicht irgendwelche Schilderungen über geopferte Kinder. Das sind womöglich Legenden. Suchen wir uns stattdessen Taten, die unbestreitbar geschahen, weil es Zeugen und Unterlagen dazu gibt. Nehmen wir die Hexenverbrennung.

Entscheidend ist aber nicht die Verbrennung, denn diese ist vorbei. Entscheidend ist die Begründung für diese Verbrennung. Denn diese Begründung wird von den Kirchen weiterhin aufrecht herhalten, und zwar in Form der Behauptung, dass die Bibel irrtumsfrei, vollkommen und wahr wäre, und ebenso deren Auslegung. Folglich auch jene Stellen, die mit Hexenverbrennung zu tun haben. Aber auch alle anderen.

Bitte beachte den wichtigen Unterschied, dass es hier nicht um die Frage geht, ob wir heute noch Hexen verbrennen. Sondern es geht um die Frage, ob Hexen existieren. Wenn wir herausfinden, dass Hexen nicht existieren, dann ist auch bewiesen, dass die Bibel nicht verlässlich als Quelle von Wahrheit dienen kann, weil mit Irrtümern zu rechnen ist. Mit anderen Worten: Wenn Hexen nicht existieren, verliert jede christliche Behauptung ihre Autorität.

Wenn Hexen nicht existieren: warum sollte dann Gott existieren? Oder Jesus? Oder Maria? Warum sollte überhaupt irgendeine der Geschichten der Bibel stimmen? Warum sollte dann die krude Sexualmoral der Kirchen irgendeine Autorität haben? Warum sollten wir dem Papst zuhören, aber nicht einem afrikanischen Schamanen? Oder einem Vertreter des Islam?

Das ist der Grund, warum die alten Geschichten weiterhin relevant sind. Nicht weil wir uns so verhalten sollten. Sondern weil sie uns zeigen, ob die ganze Geschichte überhaupt wahr ist.

Zarathustra 23.04.2017 14:00

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1301479)
...
in Form der Behauptung, dass die Bibel irrtumsfrei, vollkommen und wahr wäre
...
Wenn wir herausfinden, dass Hexen nicht existieren, dann ist auch bewiesen, dass die Bibel nicht verlässlich als Quelle von Wahrheit dienen kann, weil mit Irrtümern zu rechnen ist. Mit anderen Worten: Wenn Hexen nicht existieren, verliert jede christliche Behauptung ihre Autorität.
...

Deine Folgerung ist nicht richtig. Die Autorität von christlichen Behauptungen (was immer das sein mag), ist nicht zwingend auf Widerspruchsfreiheit angewiesen, auch nicht, wenn einige Theologen um Konsistenz bemüht sind.

Was lernen wir daraus? Verschiedene Disziplinen haben einen unterschiedlichen Umgang mit Widersprüchen.

Jörn 23.04.2017 14:07

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1301487)
Deine Folgerung ist nicht richtig. Die Autorität von christlichen Behauptungen (was immer das sein mag), ist nicht zwingend auf Widerspruchsfreiheit angewiesen, auch nicht, wenn einige Theologen um Konsistenz bemüht sind.

Was lernen wir daraus? Verschiedene Disziplinen haben einen unterschiedlichen Umgang mit Widersprüchen.

Wenn jemand die Notwendigkeit von Logik und Widerspruchsfreiheit abstreitet, ist die Debatte zu Ende.

Welches logische Argument könnte ich nennen, um jemanden zu überzeugen, der Logik nicht akzeptiert? Welchen Beweis könnte ich vorlegen, wenn jemand per se keine Beweise anerkennt?

Meine These ist, dass Gläubige sich mit solchen Winkelzügen lediglich selbst aus der Debatte ausklammern. Wenn mit Gläubigen keine vernünftige Diskussion möglich ist, findet die Diskussion eben ohne sie statt. Kein vernünftiger Mensch lässt sich heute noch hinter die Fichte führen mit der Behauptung, man habe eben "einen unterschiedlichen Umgang mit Widersprüchen".

Zarathustra 23.04.2017 15:01

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1301488)

Wenn jemand die Notwendigkeit von Logik und Widerspruchsfreiheit abstreitet, ist die Debatte zu Ende.

Welche Logik könnte ich nennen, um jemanden zu überzeugen, der Logik nicht akzeptiert? Welchen Beweis könnte ich vorlegen, wenn jemand per se keine Beweise anerkennt?

Meine These ist, dass Gläubige sich mit solchen Winkelzügen lediglich selbst aus der Debatte ausklammern. Wenn mit Gläubigen keine vernünftige Diskussion möglich ist, findet die Diskussion eben ohne sie statt. Kein vernünftiger Mensch lässt sich heute noch hinter die Fichte führen mit der Behauptung, man habe eben "einen unterschiedlichen Umgang mit Widersprüchen".

Lies doch mal genauer!

Ich habe keineswegs die Notwendigkeit von Logik und Widerspruchsfreiheit bestritten. Ich sagte, die Autorität einer Religion muß nicht darauf beruhen und ist nicht zwingend darauf angewiesen. (Beruht denn die Autorität des amerikanischen Präsidenten auf Logik und Widerspruchsfreiheit?)

Die Situation stellt sich doch so dar: Ein Gläubiger sagt: „Ich akzeptiere keinen Beweis.“ Du setzt ihm trotzdem zahllose abstrakte Beweise vor und bist enttäuscht oder entsetzt, daß er sie nicht akzeptiert. Hältst Du Deine Vorgehensweise für eine besonders rationale?

Jörn 23.04.2017 15:18

Die Autorität der Religion beruht darauf, dass angenommen wird, dass sie wahr ist. Deswegen haben indische Wundertäter in Deutschland keine Kundschaft.

Wenn ohnehin nicht angenommen wird, dass sie wahr ist, bin ich einverstanden.

Ich bin nicht interessiert an einer psychologischen Debatte oder der inneren Motivation von Gläubigen. Das ist Privatsache. Ich möchte wissen, ob die Behauptungen der Bibel zutreffend sind und ob der Klerus den Verdacht der Scharlatanerie ausräumen kann.

Zarathustra 23.04.2017 16:04

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1301500)
Die Autorität der Religion beruht darauf, dass angenommen wird, dass sie wahr ist.

...

Ich bin nicht interessiert an einer psychologischen Debatte oder der inneren Motivation von Gläubigen. Das ist Privatsache. Ich möchte wissen, ob die Behauptungen der Bibel zutreffend sind und ob der Klerus den Verdacht der Scharlatanerie ausräumen kann.

Ja, Dir müßte aber schon aufgefallen sein, daß mit der Wahrheitsbehauptung in der Religion anders umgegangen wird: Man läßt sich durch vermeintliche Gegenbeweise nicht abbringen.
Das ist ein Teil des Phänomens, den man nicht einfach weglassen kann.

Bezüglich Deines Diskussionszieles bestreite ich nicht die Berechtigung (- im Gegenteil!); ich bestreite, daß Du damit erreichst, was Du zu erreichen vorgibst. Die Meisten geben doch ohnehin zu: Einige Bibelstellen scheinen allem Anschein nach nicht den historischen Begebenheiten zu entsprechen. Es gibt unter den Klerikern höchst wahrscheinlich einige Scharlatane.

____


Generell ist anzumerken: Wenn man etwas rational (/wissenschaftlich/empirisch) nicht nachvollziehen kann, folgt daraus nicht automatisch, daß es irrational oder unberechtigt ist. (Logik)

qbz 23.04.2017 16:23

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1301459)
Hallo qbz, gut daß Du hier nochmal Marx anführst. Meiner Erfahrung nach führt das in einer kontroversen Diskussion leider zu oft dazu, daß einen die Gegenseite spontan für irrational erklärt, weil: Marx = Kommunismus = widerlegt und böse. Aber das kennst Du sicher schon.
Deine Einschätzung zum Erklärungspotential der Evolutionslehre teile ich.

Es ging mir nur darum, darauf aufmerksam zu machen, dass neben dem Sozialdarwinismus ("Die Wissenschaft kann dieses Leid erklären, und zwar vorwiegend anhand der Wirkungen der Evolution, die einen ungesteuerten und ungerichteten Mechanismus beschreibt,") auch andere gesellschaftswissenschaftliche Erklärungen existieren, wie diejenige, welche die Produktivkräfte und die Vergesellschaftung der Arbeit als gesetzmässigen Motor der Menschheitsentwicklung sehen. Die Religionsinhalte reflektieren diese Entwicklungen. So "spiegelt" sich heute in der Zersplitterung der christlichen Kirchen und im Vorrang des persönlichen Glaubens vor der kirchlichen Lehre z.B. die fortscheitende Individualisierung der Gesellschaft. ;)

Bei einer solchen (ideologiekritischen) Herangehensweise geht es bekanntlich darum, zu fragen, welche gesellschaftlichen (Arbeits)Verhältnisse drücken sich beispielsweise in Naturreligionen, in der mittelalterlichen Kirchenlehre, im Calvinismus, im aktuellen Christentum usf. aus. Wer im Unterschied dazu nach der "Wahrheit" (Wahrheitsbeweisen) des christlichen Glaubens im naturwissenschaftlichen, stofflichen Sinn verlangt, so als ob ein Gott und sein Wirken unabhängig von Menschen wie ein Naturgesetz als personales Wesen mit den Eigenschaften (all*) existierten, trägt in meinen Augen durch die Fragestellung selbst zur Mystifizierung der Gottesidee bei. :)

Jörn 23.04.2017 20:20

Hallo qbz, der Satz "Die Wissenschaft kann dieses Leid erklären, und zwar vorwiegend anhand der Wirkungen der Evolution, die einen ungesteuerten und ungerichteten Mechanismus beschreibt", meint keinen Sozialdarwinismus, und auch sonst keine sozialen Dinge. Sondern es beschreibt, warum die Natur grausam und mitleidlos ist. Ich sprach nicht von Arbeitsverhältnissen, sondern von Würmern.

Es ist auch nicht so, dass die Wissenschaft irgendeine Definition oder Eigenschaft von Gott postulieren würde oder eine bestimmte Art des Nachweises verlangte. Sondern es sind die Religionen, die diese Angaben machen, jedoch jede Art von Beweis schuldig bleiben, egal wie dieser Beweis auch gestaltet sein mag. Es ist nicht so, dass die Wissenschaft einen feinstofflichen Beweis ablehnen würde. Sondern die Religionen haben nie einen feinstofflichen Beweis erbracht, und deswegen weiß auch niemand, was das überhaupt sein soll.

qbz 23.04.2017 21:02

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1301568)
Hallo qbz, der Satz "Die Wissenschaft kann dieses Leid erklären, und zwar vorwiegend anhand der Wirkungen der Evolution, die einen ungesteuerten und ungerichteten Mechanismus beschreibt", meint keinen Sozialdarwinismus, und auch sonst keine sozialen Dinge. Sondern es beschreibt, warum die Natur grausam und mitleidlos ist. Ich sprach nicht von Arbeitsverhältnissen, sondern von Würmern.
....

Hallo Jörn,
"Deine (Zarathustra´s) nebulöse Methode scheint mir ungeeignet zu sein, um so komplexe Fragen zu lösen, wie sie das Leid auf der Welt (Theodizee) darstellt.
Die Wissenschaft kann dieses Leid erklären, und zwar vorwiegend anhand der Wirkungen der Evolution, die einen ungesteuerten und ungerichteten Mechanismus beschreibt.... " hast Du geschrieben.

Beziehst Du das Theodizee-Problem auf Würmer, stimme ich Deiner Erklärung vorbehaltlos zu.

Zarathustra 23.04.2017 21:03

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1301511)
... auch andere gesellschaftswissenschaftliche Erklärungen existieren, wie diejenige, welche die Produktivkräfte und die Vergesellschaftung der Arbeit als gesetzmässigen Motor der Menschheitsentwicklung sehen.
...
Wer im Unterschied dazu nach der "Wahrheit" (Wahrheitsbeweisen) des christlichen Glaubens im naturwissenschaftlichen, stofflichen Sinn verlangt, ... trägt in meinen Augen durch die Fragestellung selbst zur Mystifizierung der Gottesidee bei. :)

Es ist in diesen Dingen, denke ich, oft schwer sich nicht mißverständlich auszudrücken. Darum: Danke für die präzise Formulierung!

Besonders der Gedanke im letzten Satz gefällt mir. Man kann, glaube ich, viele Spekulationen in der Theologie besser verstehen, wenn man sie als Reaktion auf diese Fragestellung durch Rationalisierungsversuche ansieht.

Jörn 23.04.2017 21:15

Aha, Rationalisierungsversuche. Da versucht also jemand, den herrlichen Gott in die Niederungen des Rationalen zu zerren -- wie unverschämt und geschmacklos! Haben diese Leute denn keinen Anstand?

Dass Gott nicht rational zu ergründen sei, ist eine völlig unbewiesene Ausflucht. Vielleicht ist es so -- aber es gibt nicht den geringsten Hinweis darauf.

Es wurde von den Kirchen einfach so definiert: Gott ist rational nicht begreifbar, basta! Dabei wissen die Kirchen überhaupt nicht (beweisbar), was Gott überhaupt sein soll; also können sie auch nicht wissen, wie er zu ergründen wäre.

Genauso gut könnte ich per Definition festlegen, dass Gott nur von Männern ergründet werden kann, basta! Oder dass er sich nur dem Papst offenbart, basta! Oder nur während der Sprechstunde von 10 bis 12 Uhr! Basta!

Reiner Humbug!

In Wahrheit wird mit dem Geschwurbel um den irrationalen Gott lediglich verschleiert, dass die für ihn vorgebrachten Argumente keinerlei Sinn ergeben.

Ich lege jetzt einfach mal fest, dass Gott ausschließlich rational begreifbar ist, basta! Warum? Basta!

merz 23.04.2017 21:35

lass uns doch mal grobschlächtig systematisieren, ich versuch es mal, sorry, das wird etwas länger ...


das Problem:

(A) Die Idee eines Schöpfergottes als Person der mit den Eigenschaften,
allmächtig und allwissend und mit Allgüte(*) ausgestattet ist, verträgt sich prima facie nicht mit der Wahrnehmung des Leids in unserer - nach Voraussetzung- geschaffenen Welt.

weitere Bestimmungen:

(B) Wir waren auch so weit um die Eigenschaften Gottes ggf. eine Klammer zu setzen: Sofern wir Gott als endliche Wesen mit menschlichen Begriffen zu beschreiben in der Lage sind.

(C) Um den Teil mit dem Leiden in der Welt, wird oft die Klammer gesetzt, das es sich primär um menschliches Leid aus der Wahrnehmung in der Perspektiven von endlichen Menschen handelt.

unmittelbare Folgen:

(D) Allein an der logischen Kohärenz der Eigenschaften Gottes lassen sich sehr schnell spannende, sehr lange Diskussionen zu Widersprüchen entwickeln.

(E) Man an jedem der Schrauben etwas drehen, im Versuch das Problem zu lösen - aber diese Lösungen ist dann auch nicht wirklich überzeugend.


Soweit ist das ein Monster-Problem (ich habe gehört in den Naturwissenschaften gibt es das auch :)).

- Gläubige gehen ggf. darüber zweifelnd hinweg.
- Für Agnostiker und Atheisten ist es eine scharfes argumentatives Schwert. Aber seltsamer Weise nicht immer *das* zentrale Argument für ihre Position, schon (D) ist abendfüllend.

Als Basis okay?

m.

(*) Ich weiche hier deutlich schon der normalen Sprache ab, hoffe es ist verständlich. was gemeint ist.

Zarathustra 23.04.2017 21:39

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1301581)
...

Genauso gut könnte ich per Definition festlegen, dass Gott nur von Männern ergründet werden kann, basta! Oder dass er sich nur dem Papst offenbart, basta!

Reiner Humbug!

Ich lege jetzt einfach mal fest, dass Gott ausschließlich rational begreifbar ist, basta! Warum? Basta!

Weißt Du was der Unterschied ist? Die Festlegung der Kirche wurde und wird akzeptiert. Deine nicht. (historische Tatsache)

Das habe ich beschrieben. Mehr nicht.

Jörn 23.04.2017 21:45

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1301589)
Weißt Du was der Unterschied ist? Die Festlegung der Kirche wurde und wird akzeptiert. Deine nicht. (historische Tatsache)

Im Mittelalter. Und genau da ist der Klerus auch hängen geblieben.

Zarathustra 23.04.2017 22:09

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1301596)
Im Mittelalter. Und genau da ist der Klerus auch hängen geblieben.

Du möchtest also behaupten, es gibt seit dem Mittelalter und auch heute keine Menschen mehr, die die Festlegung akzeptieren, daß Gott nicht rational erklärbar sei?

Interessant!

Jörn 23.04.2017 22:19

Nein, das bestreite ich nicht. Ich weise nur auf die damit verbundene Scharlatanerie des Klerus hin, weil es oft nicht erwähnt wird. Der Klerus tut nämlich so, als wüsste er irgendwas über die Rationalität von Göttern, obwohl das nicht der Fall ist. Er vermeidet es lediglich, diesen Umstand sichtbar werden zu lassen.

Deswegen halte ich es für angebracht, diesem Scheinargument des angeblich nicht erfassbaren Gottes bei jeder Gelegenheit zu widersprechen -- und ich bin in dieser Disziplin zu erstaunlicher Ausdauer fähig.

Zarathustra 23.04.2017 22:39

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1301607)
...

Deswegen halte ich es für angebracht, diesem Scheinargument des angeblich nicht erfassbaren Gottes bei jeder Gelegenheit zu widersprechen -- und ich bin in dieser Disziplin zu großer Ausdauer fähig.
...

Deine streitlustige Einstellung wäre generell ja ganz erfreulich, nur leider ist sie am falschen Adressaten. Wer verteidigt hier den Klerus?

Die Festlegung, die Du Scheinargument nennst, beschreiben, heißt nicht sie zu verteidigen. Kannst Du das nicht trennen? Das wäre wissenschaftlicher.

Jörn 23.04.2017 23:48

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1301611)
Deine streitlustige Einstellung wäre generell ja ganz erfreulich, nur leider ist sie am falschen Adressaten. Wer verteidigt hier den Klerus?

Die Festlegung, die Du Scheinargument nennst, beschreiben, heißt nicht sie zu verteidigen. Kannst Du das nicht trennen? Das wäre wissenschaftlicher.

Einige Leute verteidigen den Klerus durchaus, aber darauf kommt es mir überhaupt nicht an. Ich finde, man sollte dem Argument, dass Gott eben nicht rational erfassbar wäre, jederzeit und in jedem Zusammenhang entgegentreten. Denn ansonsten entsteht (für wen auch immer) der Eindruck, es handele sich um ein statthaftes Argument, weil unwidersprochen. Gewohnheit schafft Fakten. Das ist leider längst passiert. Deswegen ist es wichtig, an dieser Stelle etwas hartnäckig zu sein.

Ebenfalls rein aus Gewohnheit hat sich ein unterwürfiger Respekt gegenüber dem Klerus entwickelt. Deswegen ist es mir ein Anliegen, diesen Respekt ganz bewusst auf jenes Maß zu reduzieren, den wir jedem anderen Menschen (oder jedem anderen Buch) entgegenbringen würden. Daher nehme ich in meine Argumentation immer auch die Möglichkeit auf, dass der Klerus der Scharlatanerie verdächtig ist. Derzeit kann sich der Klerus darauf verlassen, dass dieser Vorwurf in öffentlichen Debatten tabu ist. Ich wäre an einer fairen Aufklärung interessiert. Deswegen breche ich hier und da dieses Tabu, um zu erreichen, dass man diese Prüfung in 100 Jahren vielleicht öffentlich einfordern kann. Irgendwann muss man anfangen.

trithos 24.04.2017 00:03

Zitat:

Zitat von Vicky (Beitrag 1301456)
Ich habe dazu eine Frage. Jörn schrieb, dass es um den Glauben der Kirche geht und nicht um meinen oder Deinen Glauben...

Die Kirche steckt doch zumindest den Rahmen ab, in welchem die Bibel und ihre Schriften interpretiert und ausgelegt werden sollten. Das heißt, dass die Kirche schon ein Leitbild des Gläubigen vorgibt und ihm vorschlägt, wie er nach diesem Leitbild leben sollte. Dieses Leitbild eines Gläubigen ist... sagen wir mal... sehr konservativ. Von diesem Leitbild gibt es nun diverse Abstufungen, weil jeder Mensch die Schriften und den Glauben anders interpretiert.

Landen wir denn dann nicht bei einem "Wunschkonzert" des Glaubens, in dem eher schwierige und kritische Passagen für einen selbst so interpretiert werden, dass es passt? Jeder gestaltet sich dann doch seinen eigenen Glauben, oder? Das ist ok, doch dann brauchen wir doch auch keine christliche Kirche oder keinen Papst... denn jeder Mensch interpretiert den Glauben anders. Für jeden sieht Jesus anders aus.

Das führt dazu, dass der Glaube für mich zu einer Art psychologischen Lösung für Probleme aller Art fungieren kann. Ich habe konkret das Beispiel im Sinn, dass jemand versucht, Schuldgefühle zu verarbeiten. Der Glaube hilft ihm dabei, indem die Person Inhalte des Glaubens so interpretiert, dass er für sich selbst "Vergebung" findet.

PS.: Ich habe jetzt keine wissenschaftlichen Abhandlungen gelesen... Sorry. Ich habe die Zeit dafür leider aktuell nicht. Das sind lediglich Dinge, die mir in den Sinn kamen... beim Radfahren :Cheese:

Ich bin mir nicht sicher, ob ich Deine Fragen richtig verstehe, versuche aber trotzdem eine Antwort: der Gedanke des "Wunschkonzerts" des Glaubens gefällt mir. Soll doch jeder und jede auf seine/ihre Art glücklich werden.

Ich denke, Du hast Recht mit der Feststellung, dass jeder Mensch den Glauben anders interpretiert. Genau das ist meine empirische Beobachtung. Und ich habe auch überhaupt nicht das Bedürfnis, irgendjemanden, der das tut, darauf hinzuwiesen, dass er sich vielleicht nicht ganz auf dem Boden des Katholischen oder sonst eines Katechismus bewegt.

Ein Problem wird "Glaube" für mich eigentlich nur dann, wenn jemand sein persönliches Glaubensverständnis auch von anderen einfordert. Oder dann, wenn das persönliche Glaubensverständnis von jemandem dazu führt, dass er andere Menschen abwertet oder gar materiell schädigt. Das gilt natürlich besonders auch dann, wenn es ein Staat ist, der seine Bürgerinnen und Bürger mit seinem staatlichen Glaubensverständnis terrorisiert.

Ich stimme Dir zu: die Kirchen geben recht strenge und konservative Leitlinien vor. Aber was genau diese Leitlinien sind, ist ja selbst in den Kirchen keine unumstößliche Wahrheit. Da braucht man ja z.B. nur kurz an die unterschiedliche Amts-Auffassungen der beiden Päpste Benedikt und Franziskus zu denken. Wenn sich also über manches nicht mal die Päpste ganz einig sind, habe ich überhaupt kein schlechtes Gewissen, meinen persönlichen Glauben oder Nicht-Glauben auch ganz allein für mich zu interpretieren.

Natürlich ist das eine Wellness-Glaubens-Einstellung, die man auch scharf kritisieren kann. Mir gefällt sie trotzdem. In meinem Weltbild ist Glaube für den Menschen da und nicht der Mensch für den Glauben.

trithos 24.04.2017 00:12

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1301464)
Religion ist etwas anderes. Religion verkündet Wahrheiten und gibt diese als ewig und unantastbar aus. Glaube setzt Wahrheit voraus.

Meiner nicht! Glauben heißt doch nichts wissen. Wenn ich die Wahrheit wüsste, müsste ich ja nicht mehr glauben. ;)

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1301464)
Neulich hat in einer UNO-Sitzung der Vertreter der Israelis mit der Bibel in der Hand darauf gepocht, dass sie die Golan-Höhen (oder einen anderen Sandhügel) nicht preisgeben werden. Jede Diskussion war zwecklos.

Meine Kritik bezieht sich auf den unbegründeten aber als Wahrheit ausgegebenen Glauben, der Auswirkungen auf andere hat.

Diese Kritik teile ich voll inhaltlich. Hast Du sie dem Vertreter der Israelis auch schon mitgeteilt? SCNR :Cheese:

Genau mit solchen Auswüchsen von Religionen lohnt sich meiner Meinung nach die Auseinandersetzung. Dem harmlosen durchschnittlichen Mitteleuropäer kann man aber seinen privaten "Wellness-Glauben" doch einfach lassen, ohne ihm Nachhilfeunterricht darüber erteilen zu wollen, was er eigentlich glauben müsste.

Zarathustra 24.04.2017 00:23

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1301619)
... Deswegen breche ich hier und da dieses Tabu, um zu erreichen, dass man diese Prüfung in 100 Jahren vielleicht öffentlich einfordern kann. Irgendwann muss man anfangen.

Ja, als revolutionäre Praxis kann ich Deinen Standpunkt (endlich!) gut verstehen. Aber die Rationalisierung sich als rein theoretische Widerlegung der Religion auszugeben, wäre (vielleicht) gar nicht nötig.

trithos 24.04.2017 00:32

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1301479)
Bitte beachte den wichtigen Unterschied, dass es hier nicht um die Frage geht, ob wir heute noch Hexen verbrennen. Sondern es geht um die Frage, ob Hexen existieren. ... Wenn Hexen nicht existieren, verliert jede christliche Behauptung ihre Autorität.

Das ist der Grund, warum die alten Geschichten weiterhin relevant sind. Nicht weil wir uns so verhalten sollten. Sondern weil sie uns zeigen, ob die ganze Geschichte überhaupt wahr ist.

Ehrlich gesagt geht es mir nicht um die Frage, ob Hexen existieren. Ich selbst hab bisher (vermute ich zumindest) noch keine getroffen.

Aber die These, dass die Bibel zur Gänze unwahr ist, wenn Hexen nicht existieren, halte ich eben für eine solche - nämlich eine These, die noch zu beweisen wäre.

Die Bibel ist doch keine "ganze Geschichte", die komplett falsifiziert ist, wenn ein Teil falsifiziert werden sollte. Die These "alle Äpfel sind grün" wird durch einen roten Apfel falsifiziert. Die These "die ganze Bibel ist falsch" kann aber nicht dadurch bewiesen werden, dass einige Abschnitte als unwahr erkannt werden.

Bitte beachte: ich will hier keine neuerliche konkrete Diskussion über den Wahrheitsgehalt der Bibel anzetteln und schon gar nicht die Bibel als alleinige "Wahrheit" bewerben. Ich will nur argumentieren, dass ich es nicht für zulässig halte, hier nach dem alten Sprichwort vorzugehen: wer einmal lügt, dem glaubt man nicht - und wenn er auch die Wahrheit spricht.

Jörn 24.04.2017 00:43

Zitat:

Zitat von trithos (Beitrag 1301622)
Meiner nicht! Glauben heißt doch nichts wissen. Wenn ich die Wahrheit wüsste, müsste ich ja nicht mehr glauben. ;)

In einer Debatte mit anderen Wissenschaftlern über den angeblichen Wellness-Nutzen der Religion sagte Richard Dawkins: "Why don't you tell the people the truth? The truth is perfectly simple!" (Deutsch: "Warum sagen Sie den Leuten nicht einfach die Wahrheit? Die Wahrheit ist total simpel!")

Das ist genau meine Meinung. Wozu der ganze Klimbim? Die paar läppischen Fragen aus der Bibel (oder der Kirchenlehre) sind längst beantwortet, und die unbeantworteten Fragen haben ein viel höheres Niveau als das, was in der barbarischen Bibel oder den kindischen Gottesdiensten zu erfahren ist.

Was sagt die Bibel über den Sinn des Lebens, des Universums und allem anderen? Überhaupt nichts. (Ansonsten möge man mir den Bibelvers zitieren.) Auch die Ethik haben wir längst überflügelt. Es ist eine hartnäckige Legende, dass die Bibel eine nennenswerte Ethik oder Moral enthielte oder irgendwelche Fragen (korrekt) beantworten würde. Die meisten Leute wären völlig verblüfft, wenn sie die Bibel mal lesen würden.


Zitat:

Zitat von trithos (Beitrag 1301622)
Genau mit solchen Auswüchsen von Religionen lohnt sich meiner Meinung nach die Auseinandersetzung. Dem harmlosen durchschnittlichen Mitteleuropäer kann man aber seinen privaten "Wellness-Glauben" doch einfach lassen, ohne ihm Nachhilfeunterricht darüber erteilen zu wollen, was er eigentlich glauben müsste.

Ich wende mich auch nicht gegen Gläubige. Sondern ich wende mich gegen den offiziellen Klerus und alles, was Wirkung nach außen entfaltet. Wenn es Wirkung entfaltet, darf ich das ebenso. In Privatsachen mische ich mich nicht ein.

Der moderate Wellness-Glaube wird von den Kirchen als Steigbügelhalter missbraucht und als Beweis dafür verwendet, dass die Kirchen als gesellschaftliche Kraft relevant wären, und dass ihre krausen Thesen wahr seien -- nach dem Motto: "Wollen Sie etwa 40 Millionen Gläubigen erzählen, dass sie sich irren?!"

Die meisten moderat Gläubigen wären erschüttert, wenn sie wüssten, was in den christlichen Kirchen "offiziell" geglaubt wird und welche Typen da rumlaufen.

trithos 24.04.2017 01:01

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1301625)
Die paar läppischen Fragen aus der Bibel (oder der Kirchenlehre) sind längst beantwortet, und die unbeantworteten Fragen haben ein viel höheres Niveau als das, was in der barbarischen Bibel oder den kindischen Gottesdiensten zu erfahren ist.

Stimmt, aber wie wir seit Douglas Adams wissen, ist die wichtigste Antwort doch auch schon bekannt, die Antwort nämlich auf die Frage nach "life, the universe and everything"? Die Antwort, die der Supercomputer nach fast ewigem Rechnen schließlich gibt, lautet: 42. :Cheese:

Jörn 24.04.2017 01:03

Zitat:

Zitat von trithos (Beitrag 1301624)
Aber die These, dass die Bibel zur Gänze unwahr ist, wenn Hexen nicht existieren, halte ich eben für eine solche - nämlich eine These, die noch zu beweisen wäre.

Genau. Wenn ein Fehler drin ist, beweist es nicht, dass alles falsch ist. Da hast Du recht.

Aber es beweist, dass die Bibel Fehler enthält. Und deswegen muss man untersuchen, was richtig und was falsch ist. Alles kommt auf den Prüfstand. Ist ja nur fair.

Ich kann Dir Bücher empfehlen, die allein die historischen Fehler und Fälschungen auflisten. Es ist schier endlos. Kaum etwas ist historisch, das allermeiste ist erfunden, und man kennt auch mittlerweile die Umstände. Es sind übrigens meist Theologen, die diese historischen Forschungen anstellen, also nicht nur Ketzer, die sowieso alles widerlegen wollen.

Falls Du in die Kirche gehst: Frag mal den Pfarrer nach der Predigt: "Hör'n se mal, aber die Bergpredigt mit all den schönen Jesus-Worten... die ist doch erfunden?" -- Und ich garantiere Dir, dass der Pfarrer sagt: "Natürlich. Das weiß jeder Theologe."

Aber in der Sonntagspredigt wird trotzdem weiter so getan, als hätte Jesus diese berühmte Rede gehalten -- immerhin die zentrale Verkündigung des Neuen Testaments, mit den berühmtesten Zitaten.

Es gibt sogar einen offiziellen Begriff der Kirchen für derlei Betrug: Kerygma. Damit meint man Botschaften, von denen man zwar weiß, dass sie falsch sind, die aber dennoch aufgrund ihrer Wirksamkeit gepredigt werden. Dadurch rechtfertigt es sich.

ist das nicht ungeheuerlich? Willst Du als Gläubiger so behandelt werden?

Handelt es sich hierbei um Scharlatanerie oder nicht?

trithos 24.04.2017 01:14

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1301627)
Falls Du in die Kirche gehst: Frag mal den Pfarrer nach der Predigt: "Hör'n se mal, aber die Bergpredigt mit all den schönen Jesus-Worten... die ist doch erfunden?" -- Und ich garantiere Dir, dass der Pfarrer sagt: "Natürlich. Das weiß jeder Theologe."

Aber in der Sonntagspredigt wird trotzdem weiter so getan, als hätte Jesus diese berühmte Rede gehalten -- immerhin die zentrale Verkündigung des Neuen Testaments, mit den berühmtesten Zitaten.

Es gibt sogar einen offiziellen Begriff der Kirchen für derlei Betrug: Kerygma. Damit meint man Botschaften, von denen man zwar weiß, dass sie falsch sind, die aber dennoch eine Wirkung haben, die den Glauben fördern. Dadurch rechtfertigt es sich.

ist das nicht ungeheuerlich? Willst Du als Gläubiger so behandelt werden?

Jetzt hab ich ehrlich gesagt erst einmal nachlesen müssen, was Kerygmatische Theologie ist. Deine Zusammenfassung halte ich nach Lektüre des diesbezüglichen Wikipedia-Eintrags für ein wenig polemisch, aber das ist schon okay.

Um auf Deine Frage zurückzukommen: natürlich möchte ich nicht belogen werden. Da ich persönlich aber ohnehin nicht das "wortwörtliche Bibelverständnis" habe, bin ich offenbar auf der selben Wellenlänge wie die kerygmatischen Theologen. Und sollte ich eine Predigt hören, erlaube ich mir auch, selbst darüber nachzudenken, ob die Botschaft eine für mich gute und sinnvolle ist, oder eben nicht. Wie schon gesagt, ich bin ein ganz schwacher Ideologe und ein großer Pragmatiker...

Jörn 24.04.2017 01:26

Zitat:

Zitat von trithos (Beitrag 1301628)
erlaube ich mir auch, selbst darüber nachzudenken, ob die Botschaft eine für mich gute und sinnvolle ist, oder eben nicht

Wenn Deine Ethik/Moral sowieso durch Nachdenken zustande kommt und nicht durch sklavisches Befolgen der Bibel oder einer Predigt: wozu brauchst dann die Bibel oder die Predigt?

Du vertraust Deiner Moral schon jetzt mehr als der Moral der Bibel. Schmeiß die Bibel doch einfach aus dem Fenster und vertraue Deiner Intelligenz und Menschlichkeit.

Kerygma:

- Anrufer: "Sie haben mir gesagt, das Auto sei aus dem Jahr 2005, aber die Werkstatt sagt mir, es ist von 1980!"
- Verkäufer: "Selbstverständlich. Sonst hätten Sie es ja nicht gekauft."
- Anrufer: "Das ist Betrug!"
- Verkäufer: "Falsch! Das ist Kerygma!"
- Anrufer: "Sie sind ein Idiot!"
- Verkäufer: "Korrekt."

qbz 24.04.2017 08:33

Okay, die Kirchen ein Fall für den Verbraucherschutz. Es müssten am Eingang jeder Kirchentür und auf jeder Bibel Warnhinweise stehen, wie: "Die Bibel macht abhängig und süchtig" Oder. "Viele Handlungen der biblischen Geschichten sind frei erfunden. Fragen sie ihren Theologen."

Wie würdest Du denn, Jörn, umgekehrt gefragt, religiöse Dientstleistungen anbieten, damit sie möglichst erfolgreich am Markt sind? Man analysiere die Kirchenangebote professionell unter Marketing Gesichtspunkten (Welche Waren für welche Zielgruppen, vom Säugling bis zum Greis und vom Pazifisten bis zum Soldaten, vom Obdachlosen bis zum Finanzmagneten usf.Taufen, Konfirmation, Hochzeiten, Beerdigungen, Jugendangebote etc.),. Um nichts anderes geht es heute bei den Kirchen als Organisationen. Der Kirchentag in Berlin, ein herausragendes Beispiel für professionelles Marketing (mit Obama Besuch :-) ). Von welcher der Kirchen würde man am ehesten Aktien (Anteile) kaufen?

Ps.:
Manches Mal mutet es mich persönlich in diesem Thread wegen der immergleichen Schleifen ähnlich wie bei "Warten auf Godot" an (ein Lieblingstheaterstück von mir). Weshalb antwortet er nicht? Wo versteckt er sich? Wann kommt er? Existiert er überhaupt? Ist das ein Zeichen von "Godot" usf. :)

tandem65 24.04.2017 09:37

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1301405)
Was ist mit Wespen und Spinnen? Sind diese auch Teil der göttlichen Erziehung? Lässt Gott diese ebenfalls anhand ihrer Fehler lernen?

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1301405)
Deine These, dass Gott seine Geschöpfe Fehler machen lässt, damit diese daran wachsen können, kann ich nicht nachvollziehen.

Schön daß Du so voll an meiner Frage vorbeiargumentierst. Ich habe keine entsprechende These aufgestellt. Ich habe Fragen gestellt. Das so Eigenschaften, die Dein Bruder, einem christlichen Gott zuschreibt, gar nicht so klar sind wie er das Darstellt.
Ich habe menschliche Erziehung als Beispiel für die Betrachtung von Güte herangezogen und Du machst daraus Göttliche Erziehung. Du wirfst hier immer wieder gerne daß Dinge verdreht werden. Diese Kritik darfst Du auch für Dich selbst in Anspruch nehmen.
Wie ist es nun? Verstehen Deine Kinder auch immer das gleiche wie Du unter Güte?

keko# 24.04.2017 10:33

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1301469)
Wenn wir den Masterplan sowieso nicht erfassen können, wieso geben wir dann in Deutschland jedes Jahr 17 Milliarden Euro aus, damit die Kirchen diesen Masterplan erklären und verkünden?

Warum bezahlen wir dann jedes Jahr 280 Millionen Euro zusätzlich für die theologische "Wissenschaft" an den Universitäten, die den ganzen Tag darüber nachgrübelt, ob Jesus theoretisch anderer Meinung sein kann als Gott?

Was ist denn das für eine Webseite?? Aus diesem Grund verlinke ich kaum etwas.

Ich persönlich habe nichts dagegen, wenn dafür Geld ausgegeben wird. Ich orientiere mich in verschiedene Richtungen und bin ergebnisoffen. Bei dir habe ich ständig das Gefühl, dass du die Kirchen komplett abschaffen und verbieten möchtest. Diese Konsequenz schreckt mich des Öfteren bei Atheisten ab.

Zarathustra 24.04.2017 11:24

Die Positionen sind ja nun hinlänglich bekannt und, wie schon angemerkt wurde, drehen wir uns im Kreis. Was haben wir bis jetzt?

Der Atheist:
- empirische Fehler in der Bibel
- ggf. Widersprüche in theologischen Spekulationen
- als Theorie genügt die Theologie nicht den Kriterien der Naturwissenschaft
- ein Verdacht der Unehrlichkeit seitens des Klerus
- den Willen die Gläubigen von ihrem Glauben abzubringen
- was noch?

Wie kann der Gläubige darauf reagieren?
- sich beunruhigen lassen, am Glauben zweifeln, ggf. vom Glauben abfallen
- die Einwände zur Kenntnis nehmen, ggf. spekulative Antworten finden
- ignorieren (oder österreichisch: ned amoi ignoriern)
- das Recht des Atheisten bestreiten, ihn vom Glauben abbringen zu wollen, sich ggf. im Glauben bestärkt fühlen

Und nun?

________


Ich denke, aus den genannten Reaktionsmöglichkeiten des Gläubigen, läßt sich erschließen, daß der Streit gar nicht auf theoretischem Felde entschieden wird, sondern im Grunde auf dem praktischen stattfindet. Die Frage ist: Wie wollen wir leben? Mit oder ohne Religion? Und warum sollte der Eine dem Anderen etwas vorschreiben dürfen?

Klugschnacker 24.04.2017 16:56

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1301675)
Die Frage ist: Wie wollen wir leben? Mit oder ohne Religion?

Ich denke nicht, dass das die Frage ist. Vermutlich würden die meisten hier lieber ohne Religion leben, sofern Poseidon oder der indische Affengott Hanuman der Gott dieser Religion wäre.

Es kommt also nicht nur darauf an, ob wir glauben wollen, sondern auch was. An einer Diskussion um Glaubensinhalte kommen wir nicht vorbei.


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