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the grip 18.06.2015 09:35

Goethe:
 
Erinnerung

Willst du immer weiter schweifen?
Sieh, das Gute liegt so nah.
Lerne nur das Glück ergreifen,
Denn das Glück ist immer da.

the grip 22.06.2015 08:57

Charles Bukowski:
 
Unten wie oben

Rotes Haar. Echtes.
schlenkerte es
und fragte: „Ist
mein Arsch noch dran?“

Immer zu Späßen auf-
gelegt.

Es findet sich doch
immer eine, die dich
vor einer anderen
rettet.
Und kaum hat sie’s
getan, geht sie schon
dazu über, dich am
Boden zu zerstören.

„Manchmal hasse ich
dich“, sagte sie.

Sie ging raus, setzte sich
auf die Veranda und las
meinen Band Catull. Sie
blieb eine ganze Stunde
draußen.

Leute kamen vorbei und
fragten sich: Woher kriegt
dieser häßliche alte Kerl
so eine Schönheit?

Ich wußte es selber nicht.

the grip 22.06.2015 08:59

Karin Kiwus:
 
So oder so

Schön
geduldig
miteinander
langsam alt
und verrückt werden

andrerseits

allein
geht es natürlich
viel schneller

the grip 25.06.2015 09:33

Ludwig Thoma:
 
Ein Blick ins Damenbad

Nicht all und jedes, meine Beste,
Ist reizend, was Ihr Kleid verhehlt.
Denn manches, was das Mieder preßte,
Wird schwabbelig, wenn dieses fehlt.

Ein hübscher Stiefel, schöne Strümpfe
Beschwindeln uns oft sonderbar.
Man sieht mit Schrecken, daß die Nymphe
Gespickt mit Hühneraugen war.

Ich spreche nicht von Hinterfronten,
Die, ungebührlich aufgebauscht,
Uns nur so lang bezaubern konnten,
Als schwere Seide sie umrauscht.

Das Nackte kann die Tugend stärken,
Und vieles reizt uns nur umflort.
Ich konnt' es durch die Wand bemerken,
Als ich ein Loch hineingebohrt.

the grip 25.06.2015 16:25

Heinrich Seidel:
 
Grausames Schicksal

Für mich der etwas weiss vom Essen,
Kann nichts Betrübteres geschehen,
Als Andre schlemmen sehn und fressen,
Die keine Spur davon verstehn.

Ja, düster ist des Schicksals Wille
Und kalt vermag es zuzusehn,
Wie ein Talent so in der Stille
Muss ungenutzt zu Grunde gehen.

the grip 28.06.2015 16:20

Wilhelm Busch:
 
Entrüstet

Zu gräßlich hatt' er mich geneckt.
Wie weh war mir zu Sinn!
Und tief gekränkt und aufgeschreckt
Zum Kirchhof lief ich hin.
Ich saß auf einem Leichenstein,
Die Augen weint ich rot.
Ach, lieber Gott, erbarm dich mein
Und mach mich endlich tot.
Sieht er mich dann in meinem Sarg,
So wird er lebenssatt
Und stirbt vor Gram, weil er so arg
Mein Herz behandelt hat.
Kaum wars gesagt, so legten sich
Zwei Arme um mich her,
Und auf der Stelle fühlte ich,
Wer das getan, war er.
Wir kehrten Arm in Arm zurück.
Ich sah ihn an bei Licht.
Nein, solchen treuen Liebesblick
Hat doch kein Bösewicht.

the grip 30.06.2015 11:38

Charles Bukowksi:
 
Such

Der Hund springt aufs Bett und robbt
über mich.
"Weißt du das Wort?" frage ich ihn.
Er gibt keine Antwort.
"Weißt du das Wort? Ich such das
richtige Wort."
Er sieht mich mit seinen ernsten
Braunen Augen an.
"Ich warte auf das richtige Wort"
erkläre ich ihm. "Ich komme mir vor
als würde ich durch eine große heiße
Bratpfanne schnalzen."
Er wedelt und versucht, mein
Gesicht zu lecken.

"Hör mal", ruft sie aus dem Bade-
zimmer, "kommst du jetzt endlich
aus den Federn und hörst auf,
mit dem Hund zu reden?!"

Meine Eltern haben mich auch
nie verstanden.

the grip 02.07.2015 12:51

Christian Morgenstern:
 
Der Papagei

Es war einmal ein Papagei,
der war beim Schöpfungsakt dabei
und lernte gleich am rechten Ort
des ersten Menschen erstes Wort.
Des Menschen erstes Wort war A
und hieß fast alles, was er sah,
z. B. Fisch, z. B. Brot,
z. B. Leben oder Tod.
Erst nach Jahrhunderten voll Schnee
erfand der Mensch zum A das B
und dann das L und dann das Q
und schließlich noch das Z dazu.
Gedachter Papagei indem
ward älter als Methusalem,
bewahrend treu in Brust und Schnabel
die erste menschliche Vokabel.
Zum Schlusse starb auch er am Zips.
Doch heut noch steht sein Bild in Gips,
geschmückt mit einem grünen A,
im Staatsschatz zu Ekbatana.


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