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Zarathustra 21.04.2017 13:57

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1301166)

Denn die christliche Vorstellung von diesem Gott schreibt ihm konkrete Eigenschaften zu: Güte, Allmacht, Allwissenheit. Ein Universum, das von einem solchen Gott erschaffen wurde, wird sich von einem aus Zufall und Naturgesetzen entstandenem Universum unterscheiden. Es steht uns frei zu untersuchen, ob unser Universum zu den Eigenschaften des christlichen Gottes passt. Konkret, ob wir ein gütiges, gerechtes Universum vorfinden.

Unabhängig davon, ob wir einen Gott mit den von Dir genannten Eigenschaften annehmen wollen oder nicht, so sind wir doch recht sicher, daß wir Menschen und auch unsere Wissenschaft jene nicht erreicht. Wir sind nicht: vollkommen gütig, allwissend, allmächtig. Deine Argumentation beruht aber darauf, insbesondere dieses Urteil:

„Ein Universum, das von einem solchen Gott erschaffen wurde, wird sich von einem aus Zufall und Naturgesetzen entstandenem Universum unterscheiden.“

Auch wenn es uns freistehen mag eine Untersuchung, „ob unser Universum zu den Eigenschaften des christlichen Gottes passt“, anzustreben, haben wir schlicht nicht die Fähigkeit dazu diese Untersuchung Durchzuführen oder zu einem Ergebnis zu bringen.

Jörn 21.04.2017 14:24

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1301176)
Auch wenn es uns freistehen mag eine Untersuchung, „ob unser Universum zu den Eigenschaften des christlichen Gottes passt“, anzustreben, haben wir schlicht nicht die Fähigkeit dazu diese Untersuchung Durchzuführen oder zu einem Ergebnis zu bringen.

Wenn ich Dich richtig verstehe, haben wir nicht die Möglichkeit, zu beurteilen, ob bestimmte Geschehnisse ein Akt der Güte sind, auch wenn sie uns zunächst grausam vorkommen mögen.

Beispielsweise könnte die Pest, die in weiten Teilen Europas bis zu einem Drittel der Bevölkerung ausgelöscht hat, sich im Nachhinein als Akt der Güte herausstellen, wenn man nur alle Zusammenhänge kennen würde, was uns aber nicht möglich ist, da wir den großen Plan nicht kennen. Richtig? (Es drängen sich weitere Vergleiche aus der jüngeren Geschichte auf.)

Bei dieser Betrachtung wird suggeriert, als könne man nichts endgültig beurteilen, und als gebe es keine endgültigen Fakten. Das stimmt aber nicht. Das Leid der Menschen ist ein Faktum, egal wie glorreich alles enden wird.

Das bedeutet, dass Gott nicht die maximale Güte walten lässt. Maximale Güte würde den Menschen das Leid ersparen und den großen Plan auch ohne dieses Leid verwirklichen, immerhin ist Gott allmächtig.

Das ganze Konstrukt ist unsinnig. Es gibt viel bessere, umfassendere und schlüssigere Erklärungen, die sich auch prüfen lassen, und die ohne das Märchen auskommen, es ließe sich nichts prüfen oder erkennen. Wir wissen ganz genau, was die Pest ausgelöst und beendet hat. Wir selbst können sie im Labor auslösen. Es sind einfach Bakterien, und es gibt kein weiteres Geheimnis.

Jörn 21.04.2017 15:24

Wie gelangt man überhaupt zu vernünftigen Erkenntnissen über die Welt?

Wenn man Erklärungen formuliert, die nur deshalb nicht wiederlegt werden, weil sie sich unserer Betrachtung entziehen, dann gewinnt immer die absurdeste These. Man landet zwangsläufig bei einem Bündel von Erklärungen, bei denen kein Mensch wissen kann, ob sie zutreffen. Diese Art von Erklärungen erklären überhaupt nichts, sondern sie verklären höchstens. Eine Erklärung, die lediglich behauptet, etwas zu erklären, ist keine Erklärung.

Eine vernünftige Erklärung braucht erstmal einen klar definierten Gegenstand, welcher der Untersuchung zugänglich ist. Ansonsten kann man nicht behaupten, man hätte ihn untersucht. Das bedeutet auch das Eingeständnis, dass sich manche Dinge einer Untersuchung entziehen -- aber es hilft in diesem Falle nichts, sich etwas auszudenken.

Die empirische Erklärung der Welt ist nicht vollständig, aber es ist die einzige Erklärung, die eine vernünftige Basis hat und nicht nur auf Wunschdenken beruht. Zumal uns heute die empirische Forschung bessere und befriedigendere Ergebnisse liefert, als es je ein religiöses Dokument konnte.

Zarathustra 21.04.2017 15:40

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1301181)
...

was uns aber nicht möglich ist, da wir den großen Plan nicht kennen. Richtig?

...

Das bedeutet, dass Gott nicht die maximale Güte walten lässt. Maximale Güte würde den Menschen das Leid ersparen und den großen Plan auch ohne dieses Leid verwirklichen, immerhin ist Gott allmächtig.

.

Ja, wenn es Gott gibt (d.h. wenn wir an ihn glauben) und er einen Plan hat (was immer das heißen mag), können wir diesen nicht (vollständig) kennen.

Nach menschlichem Maß können wir sowohl, Geschehnisse im Hinblick auf ihre Güte, als auch Tatsachenbehauptungen im Hinblick auf ihre Wahrheit mit der jeweils gegebenen Sicherheit beurteilen. Insbesondere in der Wissenschaft sollte bekannt sein, daß der jeweils erreichte Wissensstand endlich und prinzipiell revidierbar ist. Von einem angenommenen absoluten Maß, einem göttlichen, kann dabei keine Rede sein.

Ist das die Argumentation?
1. Ein Gott von vollkommener Güte verhindert Leid in der Welt.
2. Es gibt aber Leid in der Welt.
3. Also: Es gibt keinen Gott von vollkommener Güte.

Ich bestreite 1. Nicht weil ich vom Gegenteil überzeugt wäre, sondern weil wir überhaupt keine Möglichkeit haben diese Annahme zu beurteilen, da wir keinen Begriff von vollkommener Güte haben.
Wer sagt, daß vollkommene Güte, darin bestehen muß Leid zu verhindern?

Jörn 21.04.2017 15:53

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1301193)
Wer sagt, daß vollkommene Güte, darin bestehen muß Leid zu verhindern?

Da Gott uns kein Lexikon offenbart hat, ist davon auszugehen, dass wir menschliche Begriffe und ihre menschlichen Bedeutungen verwenden.

Die Bibel gibt zudem eindeutige Beispiele, was mit Güte konkret gemeint ist: Etwa Heilung von Krankheit; und nicht das Hinzufügen von Krankheit. Allgemein die Vermehrung von Wohlbefinden.

Würdest Du mir zustimmen, dass es eine uralte Masche der christlichen Apologetik ist, Begriffe so lange umzudefinieren, bis sie das Gegenteil bedeuten von dem, was sie ursprünglich meinten?

Falls Du also vorhast, Leid als einen Akt der Güte umzudefinieren, oder so zu tun, als wisse man nicht, was Güte bedeuten soll, dann kann ich Dir da nicht folgen.

tandem65 21.04.2017 16:02

Hi Arne,

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1301166)
Das sehe ich anders. Falls ein Gott christlicher Prägung die Welt erschaffen hätte, hätte das auch Auswirkungen auf die Welt. Ein vom christlichen Gott erschaffenes Universum würde sich von einem rein naturgesetzlich entstandenem Universum unterscheiden.

woher hast Du dieses Wissen? Es ist doch ganz alleine Deine Unterstellung wie Gott handeln müsste.

Klugschnacker 21.04.2017 16:14

Zitat:

Zitat von tandem65 (Beitrag 1301197)
Hi Arne,

woher hast Du dieses Wissen? Es ist doch ganz alleine Deine Unterstellung wie Gott handeln müsste.

Keineswegs. Es ist die Unterstellung der Gläubigen, welche Eigenschaften der Schöpfer des Weltalls angeblich hat, nämlich zum Beispiel vollkommene, durch nichts steigerbare Güte, ferner Allmacht und Allwissenheit. Das ist doch nicht auf meinem Mist gewachsen, oder verstehe ich Dich falsch?

Selbstverständlich ergeben sich daraus gewisse Erwartungen an die Welt, die so ein Gott erschaffen hat.

tandem65 21.04.2017 16:47

Hi Arne,

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1301199)
Keineswegs. Es ist die Unterstellung der Gläubigen, welche Eigenschaften der Schöpfer des Weltalls angeblich hat, nämlich zum Beispiel vollkommene, durch nichts steigerbare Güte,ferner Allmachtund Allwissenheit.

Ich verstehe Dich korrekt daß Du Gott immerhin Allmacht zugestehst. Dies hindert Dich nicht daran ihm die Macht zu geben die anderen von Dir genannten Eigenschaften zu haben ohne Dich das erkenne zu lassen. Ferner schafft er es nicht ein Universum zu schaffen wie wir es so vor uns haben. Habe ich das so in etwa korrekt erfasst?

Zarathustra 21.04.2017 18:36

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1301196)
Da Gott uns kein Lexikon offenbart hat, ist davon auszugehen, dass wir menschliche Begriffe und ihre menschlichen Bedeutungen verwenden.

Die Bibel gibt zudem eindeutige Beispiele, was mit Güte konkret gemeint ist: Etwa Heilung von Krankheit; und nicht das Hinzufügen von Krankheit. Allgemein die Vermehrung von Wohlbefinden.

Würdest Du mir zustimmen, dass es eine uralte Masche der christlichen Apologetik ist, Begriffe so lange umzudefinieren, bis sie das Gegenteil bedeuten von dem, was sie ursprünglich meinten?

Falls Du also vorhast, Leid als einen Akt der Güte umzudefinieren, oder so zu tun, als wisse man nicht, was Güte bedeuten soll, dann kann ich Dir da nicht folgen.

Die Wörter und Begriffe sehen sich alle so ähnlich, daraus muß man aber nicht folgern, daß sie alle immer gleich funktionieren. Man kann überlegen, ob Prädikate wie Weisheit oder Güte angewandt auf Gott möglicherweise etwas anderes bedeuten sollen als wenn sie auf gewöhnliche Personen angewandt werden. Man kann auch auf diese Überlegung verzichten und gleich zur Urteilsverkündung voranschreiten. Um wissenschaftlich vorzugehen, müßte man sich aber doch um wohldefinierte Begriffe bemühen, oder?

Spezifisch und konkret habe ich gesagt, wo ich den Schwachpunkt in dem angeführten Argument sehe (1). Mir ist unklar, warum Du mir nun fortwährend irgendwelche anderen Absichten unterstellen möchtest, die mit diesem logischen Problem nichts zu tun haben.

Jörn 21.04.2017 20:28

Ein Gott, bei dem "Güte" auch "Güte" bedeutet, ist genauso unwahrscheinlich und unbelegt, wie ein Gott, bei dem "Güte" sowas bedeutet wie "Leid". Ich sehe also nicht, wozu diese Überlegung dient.

Wenn Du Herleitungen über Gottes Wertesystem und Charaktereigenschaften anstellst, solltest Du auch Belege dafür bringen, dass es sich nicht einfach um Wunschdenken handelt.

Zitat:

Um wissenschaftlich vorzugehen, müßte man sich aber doch um wohldefinierte Begriffe bemühen, oder?
Du nimmst für Dich in Anspruch, "wissenschaftlich vorzugehen", aber dafür bräuchtest Du erstmal vorzeigbare Daten, die sich prüfen lassen. Ich bin von der Wissenschaftlichkeit deiner Vorgehensweise deswegen nicht ganz überzeugt. Mir scheint eher, dass du Deine Definitionen so anlegst, dass sie einem von Dir vorab festgelegten Ergebnis entsprechen.

Zur Erinnerung: Ausgangspunkt Deiner Überlegung war Deine Behauptung, ich würde die Bibel unseriös auslegen. Und nun referierst Du über die Charaktereigenschaften von Gott.

Zarathustra 21.04.2017 21:58

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1301233)
...

Du nimmst für Dich in Anspruch, "wissenschaftlich vorzugehen", aber dafür bräuchtest Du erstmal vorzeigbare Daten, die sich prüfen lassen. Ich bin von der Wissenschaftlichkeit deiner Vorgehensweise deswegen nicht ganz überzeugt. Mir scheint eher, dass du Deine Definitionen so anlegst, dass sie einem von Dir vorab festgelegten Ergebnis entsprechen.

Zur Erinnerung: Ausgangspunkt Deiner Überlegung war Deine Behauptung, ich würde die Bibel unseriös auslegen. Und nun referierst Du über die Charaktereigenschaften von Gott.

Erstens, bitte ich zum wiederholten Male darum, Unterstellungen über meine Absichten zu unterlassen!

Zweitens: Wissenschaftlich vorzugehen hielt ich für die von Dir bevorzugte Methode, da Du behauptet hattest damit die Religion widerlegen zu können, was ich wiederum nach wie vor bestreite (nicht mehr und nicht weniger!).

Drittens: Am Anfang einer wissenschaftlichen Untersuchung wäre es nicht schlecht sich ausführlich mit der Definition des zu untersuchenden Gegenstandes zu befassen, und zwar besonders dann, wenn es sich um einen umstrittenen handelt.

Viertens: Wo referiere ich über die Charaktereigenschaften von Gott? Was ich gesagt habe, ist, wie man sie meiner Meinung nach nicht auslegen sollte und sprachlogisch auch nicht muß, wenn man als wohlwollender Leser an den Text herantritt.

FLOW RIDER 21.04.2017 22:08

Warum diskutiert ihr das Thema so intensiv und ausgiebig? NICHTS auf diese Welt ist relevant und überdauert die Zeit. Man könnte also äußerst entspannt bleiben.

Jörn 21.04.2017 22:16

Hallo Zarathustra, ich will Dir überhaupt keine Absichten unterstellen. Deine Absichten sind mir völlig unbekannt. Gefragt habe ich Dich ja oft genug.

Wissenschaftlichkeit bedeutet, Daten zu sammeln und daraus eine Hypothese abzuleiten, die falsifizierbar sein muss, und die dann getestet wird. Du hast keine Daten und keine Hypothese genannt.

Deinen Vorschlag, den Gegenstand der Debatte erstmal sauber zu definieren, teile ich ausdrücklich. Bitte nenne Deine Defintion von Gott. Meine erste Frage wird dann darin bestehen, ob es sich bei dieser Definition womöglich um Wunschdenken handelt, sodass eine bestimmte Lieblingstheorie wahrscheinlicher erscheint.

Deine Mahnung, den Bibeltext "wohlwollend" auszulegen, nährt den Verdacht einer zuvor festgelegten Lieblingstheorie, die nur zum Schein einer angeblichen Prüfung unterzogen wird. "Wohlwollend" bedeutet nämlich: Wohlwollend nach Deiner Interpretation. Warum legst Du den Text nicht wohlwollend nach meiner Interpretation aus? Wie sieht Deine wohlwollende Auslegung von Zeus und Jupiter aus?

Zarathustra 21.04.2017 22:52

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1301250)
Hallo Zarathustra, ich will Dir überhaupt keine Absichten unterstellen.
...
womöglich um Wunschdenken handelt, sodass eine bestimmte Lieblingstheorie
...
nährt den Verdacht einer zuvor festgelegten Lieblingstheorie, die nur zum Schein einer angeblichen Prüfung unterzogen wird.


Hallo Jörn! Ich weiß wirklich nicht, wie ich es noch deutlicher ausdrücken soll. Ein Versuch:


Du behauptest: Wissenschaft widerlegt Religion.
Ich sage: Deine Behauptung ist falsch.

___


Was ich NICHT beanspruche zu haben und zu dem angegebenen Beweisziel auch gar nicht zwingend benötige, ist:
- eine Definition von Gott (Dringend bräuchtest aber Du eine solche, wenn Du seine Existenz bestreiten zu können behauptest.)
- Wunschdenken
- eine Lieblingstheorie
- eine eigene ausführliche Interpretation des Textes
- eine Auslegung von Jupiter oder Zeus
- einen Beweis für das Dasein Gottes
- einen Beweis für die Wahrheit einer Religion
- u. v. a. m.

____


Können wir uns soweit zumindest einigen?

Jörn 21.04.2017 23:00

Nein, darauf können wir uns nicht einigen. Dass Existenzbeweise nicht möglich sind, hatte ich ja schon öfter ausgeführt. Deswegen untersucht man andere, beweisbare Dinge, über welche die religiösen Schriften konkrete und falsifizierbare Aussagen treffen.

Deine Idee, über reine Begriffsdefinitionen zu belegen, dass Wissenschaft und Religion unerreichbar getrennt wären, halte ich für willkürlich, und Du hast bisher nicht belegt, dass sie nicht willkürlich sind.

Wenn man bedenkt, wie mühsam und schmerzhaft das Zeitalter der Aufklärung versuchen musste, Aberglauben durch Vernunft zu ersetzen, und den Menschen ihre Freiheit vom erdrückenden Joch der Kirchen zurückzugeben, dann finde ich es beinahe etwas frech, die Legitimität dieser Anstrengungen einfach mit einer lapidaren Begriffsdefintion vom Tisch zu wischen.

Zarathustra 21.04.2017 23:23

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1301263)
Nein, darauf können wir uns nicht einigen. Dass Existenzbeweise nicht möglich sind, hatte ich ja schon öfter ausgeführt. ...

Schade!
Existenzbeweise sind erstens nach wie vor nicht generell unmöglich, und zweitens war davon gar noch nicht die Rede in dem Satz: Wissenschaft widerlegt Religion.
Wenn Du diesen Satz jetzt auch nicht mehr als Deine Position ansehen möchtest, welche ist es denn dann?
Die Trennung von Wissenschaft und Religion ist praktisch institutionell seit der Entstehung der modernen Naturwissenschaft vollzogen worden und heutzutage in unserem Kulturkreis fast vollständig erreicht. Einen Konflikt zwischen beiden heraufbeschwören wollen hauptsächlich Leute wie wir, die gerne diskutieren.

Jörn 21.04.2017 23:34

Hallo Zarathustra, Wissenschaft und Religion sind nur insoweit getrennt, als dass die Wissenschaft den religiösen Erklärungen abspricht, wissenschaftlich zu sein. Ansonsten haben sie das gleiche Spielfeld und die gleichen Beschränkungen. Die Religion bestreitet den letzten Satz, bleibt aber einen Beweis dafür schuldig.

Es ist nicht möglich, die Behauptung zu widerlegen, eine unsichtbare Fee würde sich irgendwo nonstop die alten Platten von Chuck Berry anhören. Es nicht nur so, dass der Nachweis mühsam wäre, sondern es ist prinzipiell nicht möglich. Ich bin nicht sicher, ob es lohnt, diesen Umstand weiter auszuschmücken.

Klugschnacker 21.04.2017 23:39

Zitat:

Zitat von tandem65 (Beitrag 1301205)
Hi Arne,

Ich verstehe Dich korrekt daß Du Gott immerhin Allmacht zugestehst.

Das ist ein Missverständnis. Ich schreibe Gott keinerlei Allmacht zu. Wie käme ich dazu? Ich weiß nichts von Gott, ebensowenig wie irgendjemand etwas über Gott wissen kann. Auch Du weißt nichts von Gott. Woher wolltest Du dieses Wissen auch haben? Wir beide haben über die Frage, ob es einen Gott gibt, und welche konkreten Eigenschaften er hat, nichts beizutragen. Können wir uns darauf einigen, dass wir über die Existenz oder Nichtexistenz von Göttern nichts wissen und nichts wissen können? Und dass das auch für andere Menschen gilt, die vorgeben, dieses Wissen zu haben?

Nehmen wir als Beispiel die Päpste der letzten 2000 Jahre. Es ist für mich vollkommen offensichtlich, dass sie über einen möglichen Gott nichts wissen und nichts wissen können. Es wäre meiner entbehrlichen Meinung nach ein wichtiger Fortschritt, wenn sie das zugäben. Findest Du nicht?
:Blumen:

Zarathustra 22.04.2017 00:25

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1301268)
... Ansonsten haben sie das gleiche Spielfeld und die gleichen Beschränkungen. Die Religion bestreitet den letzten Satz, bleibt aber einen Beweis dafür schuldig. ...

Daß Wissenschaft und Religion denselben Gegenstand haben, wird nicht nur von der Religion bestritten, sondern auch von wesentlichen Teilen der Philosophie, Soziologie, Ethnologie und verwandten Disziplinen, die sich alle mit dieser Frage nicht erst seit gestern systematisch beschäftigen, sowie teilweise vom gesunden Menschenverstand, der zur Vergebung der Sünden nicht beim Institut für Atomphysik anruft, und auch nicht, wenn er eine Marsmission plant, beim Papst um wissenschaftlich technischen Rat fragt.
Die genannten Disziplinen und auch ich können allerdings sehr wohl der Auffassung zustimmen, daß Religion nicht wissenschaftlich ist. Die Anerkennung dieser Auffassung müßte es übrigens umso fragwürdiger machen, warum dann überhaupt jemand auf diesem Felde die Religion widerlegen wollte.

Zusammengefaßt wäre das Deine Position:
(a) Wissenschaft und Religion haben denselben Gegenstand,
(b) wobei die Wissenschaft wissenschaftlich und die Religion unwissenschaftlich vorgeht.

Richtig?

Dann würde ich (a) weiterhin bestreiten und (b) zustimmen.

Jörn 22.04.2017 00:43

Hallo Zarathustra, Du sagst, man würde zur Vergebung der Sünden nicht beim Institut für Atomphysik anrufen.

Nehmen wir an, Du würdest es tun. Aber da die Telefonnummer nicht zur Hand ist, würdest Du ersatzweise mich anrufen. Ich würde Dir Deine Sünden gerne vergeben, auch wenn es den Anschein hat, als müsse ich dafür viel Zeit einplanen. Gegen eine kleine Gebühr würde ich Dich sogar segnen. Ich würde auch Deine Haustiere und Deinen Hausrat segnen.

Wie würdest Du die Wirksamkeit der Sündenvergebung durch mich beurteilen, im Vergleich zu einem Fillialbetrieb der Amtskirchen? Ich würde Dir über meine Vergebung sogar eine schriftliche Urkunde ausstellen, während die Vergebung durch die Kirchen nur mündlich zugesichert wird.

Meine These ist, dass das Institut für Atomphysik eine identische Wirkung auf Deine Sünden entfaltet wie die Amtskirche.

Deiner Idee, dass Du einfach per Dekret festlegen kannst, wer sich auf welche Bereiche beziehen darf und wo er folglich eine Wirksamkeit erreicht, kann ich nicht folgen. Ich halte das für konstruiert. Es steht dem Papst frei, eine Erklärung für den Urknall zu geben. Ebenso kann ein Wissenschaftler eine Messe lesen.

Ich würde gerne daran erinnern, dass die Kirchen eine genaue Begründung für die Pest (den "schwarzen Tod") gegegeben haben. Ist das nun religiös oder medizinisch-wissenschaftlich? Der Unterschied spielt keine Rolle. Entweder es trifft zu oder nicht.

Zarathustra 22.04.2017 01:45

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1301274)
...Nehmen wir an, Du würdest es tun.

...

Meine These ist, dass das Institut für Atomphysik eine identische Wirkung auf Deine Sünden entfaltet wie die Amtskirche.

Lieber Jörn, jetzt habe ich es mehrmals unternommen das Gespräch auf eine rationalere Ebene zu bringen, indem ich die Argumente, so klar und deutlich es mir möglich war, darstellte. Diesen Versuch muß ich als gescheitert ansehen, da Du, anstatt darauf einzugehen, Dich lieber an Nebensächlichkeiten aufhältst und Dinge ins Lächerliche ziehst.

Nur noch soviel: Die Sündenvergebung (was immer man davon halten mag) ist eine rituelle Handlung, sie hat nichts zu tun mit irgendeiner Wirkung auf irgendein imaginäres Objekt, sie hat alles zu tun mit der Durchführung der Handlung selbst und einem damit verbundenen menschlichen Bedürfnis.

Ich danke dennoch für das Gespräch!

Jörn 22.04.2017 01:52

Wir können ja meine mangelnde Rationalität als Sünde ansehen, dann besteht immerhin Hoffnung auf Vergebung.

Dass Du nach so vielen Seiten behauptest, ich wäre auf Deine Thesen nicht eingegangen, ist womöglich eine Sünde deinerseits. Tatsächlich war ich über viele Seiten der einzige, der sich mit Deinen Thesen beschäftigt hat.

Ich halte es aber für richtig, jetzt wieder andere Themen zu behandeln.

Rälph 22.04.2017 07:39

@ Zarathustra: Vielen Dank für deine tollen Beiträge hier! :Blumen:

Klugschnacker 22.04.2017 08:28

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1301275)
Nur noch soviel: Die Sündenvergebung (was immer man davon halten mag) ist eine rituelle Handlung, sie hat nichts zu tun mit irgendeiner Wirkung auf irgendein imaginäres Objekt, sie hat alles zu tun mit der Durchführung der Handlung selbst und einem damit verbundenen menschlichen Bedürfnis.

Nehmen wir als Beispiel die Sünde des vorehelichen Geschlechtsverkehrs. Dass dies eine Sünde sei, geht auf das Wirken eines imaginären Objekts zurück, nämlich auf einen Gott, der das zu einer Sünde erklärt. Zudem ist der Begriff der Sünde an sich etwas Imaginäres. Er existiert nur in unseren Köpfen. Die Möglichkeit, von diesen Sünden wieder befreit zu werden, ist ebenfalls rein imaginär, denn er wird durch Gebetsformeln durchgeführt. Ein menschliches Bedürfnis nach Reinigung von diesen imaginären Sünden existiert nur insofern, als dass die Sünden Konsequenzen im Jenseits haben. Das Jenseits und die dortigen Konsequenzen sind ebenfalls rein imaginär.

Wie kommst Du zu der Auffassung, all das habe nichts mit einer Wirkung auf imaginäre Objekte zu tun, sondern entspringe einem menschlichen Bedürfnis, welches unabhängig von den imaginären Objekten existiert?

Klugschnacker 22.04.2017 09:06

Religion und Wissenschaft haben insofern den gleichen Gegenstand, als dass sie den Anspruch haben, sich mit der Wahrheit zu befassen. Die Religionen haben dabei einen umfassenderen Wahrheitsanspruch als die Wissenschaften.

Dass die Religionen sich dabei mit imaginären Dingen beschäftigen wie zum Beispiel "Sünden" tut nichts zur Sache. Der Wert einer Aktie ist ebenso imaginär wie die Schwere einer Sünde. Die Rechtswissenschaften beschäftigen sich mit imaginären Konstrukten wie "juristischen Personen" und Gesetzen. Es ist also ein Missverständnis, festzusetzen, dass die Wissenschaft im Reich der imaginären Objekte nichts verloren habe.

Dass sich die Religion mit rein imaginären Objekten beschäftigt, wird in erster Linie von den Religionen selbst bestritten. Es ist beispielsweise ein katholisches Dogma, dass Maria nicht symbolisch und imaginär, sondern ganz konkret mitsamt ihrem Leib in den Himmel aufgestiegen sei. Sie hinterließ angeblich keine Leiche.

Wissenschaft und Wissen ist für den Glauben sehr wichtig, denn das Wissen trennt Glaube von Aberglaube. Ruht die Erde auf dem Rücken einer Schildkröte? Können wir uns Adam und Eva tatsächlich als die ersten Menschen vorstellen? Wurde das Universum in 7 Tagen erschaffen?

Die Antwort auf jede dieser Fragen lautet "Nein" und befindet sich aus der Perspektive des heutigen Wissens im Reich des Aberglaubens. Indem man versucht, die Religion gegen das voranschreitende Wissen und alle Wissenschaft zu immunisieren, wird der Glaube zwangsläufig immer mehr zum Aberglaube. Er verliert an Glaubwürdigkeit und Relevanz.

Ich sehe keinen vernünftigen Grund, warum man Daseinsfragen oder ethische Fragen nach unserem Zusammenleben vom voranschreitenden Wissensstand abkoppeln sollte. Wissenschaft ist keine Bedrohung für unsere Spiritualität, sondern eine ihrer Hauptschlagadern.

Jörn 22.04.2017 10:15

Ist es erlaubt, auf die heutigen (22. April) Kundgebungen hinzuweisen, die weltweit für mehr Wissenschaft eintreten?


MARCH FOR SCIENCE

»Eine internationale Kundgebung, die am 22. April in 514 Städten auf der ganzen Welt für den Wert von Wissenschaft, Fakten und Evidenzbasiertheit in Zeiten von “alternativen Fakten” (= Lügen) eintritt. Wissenschaft ist etwas, was alle angeht. Insofern gehen am 22.4. nicht nur Wissenschaftler/innen auf die Straße, sondern alle, denen diese Dinge ebenfalls wichtig sind.«

Berlin / Potsdam: 13:00 Uhr, Humboldt-Universität
Bonn / Köln: 12:00 Uhr, Hofgartenwiese
Dresden: 13:30 Uhr, Theaterplatz
Espelkamp: 14:00 Uhr am Atrium
Frankfurt / Rhein-Main: 13:00 Uhr, Bockenheimer Warte
Freiburg: 11:00 Uhr, Platz der Weißen Rose
Göttingen: 11:00 Uhr (Warm-up ab 10:00 Uhr), Gänseliesel
Greifswald: 15:00 Uhr, Marktplatz
Hamburg: 14:00 Uhr, Rathausmarkt
Heidelberg: 15:00 Uhr, Friedrich-Ebert-Platz
Helgoland: 13:30 Uhr, Südhafen
Jena: 10:00 Uhr, Universitätshauptgebäude
Kassel: 14:00 Uhr, Bebelplatz
Koblenz: 12:00 Uhr, Zentralplatz
Kiel: Vorabendveranstaltung am 21.4. ab 20:30 Uhr, Audimax (ab 21:00 Uhr Lightshow am Uni-Hochhaus)
Leipzig: 13 Uhr, Naturkundemuseum (Lortzingstraße 3)
München: 10:30 Uhr Karlsplatz/Stachus
Münster: 15:00 Uhr, Domplatz
Rostock: 13:00 Uhr, Rathaus/Neuer Markt
Stuttgart: 10:30 Uhr, Schlossplatz
Trier: 13:00 Uhr, Porta Nigra
Tübingen: 13:00 Uhr, Neckarinsel

Infos zu den jeweiligen Städten (Programm, Rednerliste) gibt es hier:
http://marchforscience.de/auch-in-deiner-stadt/

Homepage:
http://marchforscience.de

Zarathustra 22.04.2017 10:29

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1301283)
Wie kommst Du zu der Auffassung, all das habe nichts mit einer Wirkung auf imaginäre Objekte zu tun, sondern entspringe einem menschlichen Bedürfnis, welches unabhängig von den imaginären Objekten existiert?

Menschen handeln mitunter schuldhaft, was daher kommt, daß sie in sozialen Gemeinschaften leben und sich damit jeweils bestimmten Regeln unterwerfen. Wenn sie diese brechen, fühlen sie sich schuldig und es entsteht gegebenenfalls das Bedürfnis sich dieses Schuldgefühls zu entledigen. Das ist das zugrundeliegende Phänomen.
Um dies äußerlich zu vollziehen, bieten Religionen symbolische Handlungen, Rituale an, die auch bestimmte sprachliche Ausdrücke wie Sünde und Vergebung beinhalten können. Mysteriöse Objekte und Wirkungen kommen nur bei dem in Betracht, der die Sprachlogik mißversteht und zwanghaft hinter jedem Satzsubjekt ein Objekt und und hinter jedem Satzprädikat eine Wirkung suchen muß.

Rälph 22.04.2017 10:38

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1301283)
Ein menschliches Bedürfnis nach Reinigung von diesen imaginären Sünden existiert nur insofern, als dass die Sünden Konsequenzen im Jenseits haben.

Ich denke hier liegst du falsch. Es gibt durchaus rein menschliche Gründe, und sei es bei einer Beichte stellvertretend, um Verzeichnung zu bitten, ohne dies aus Furcht vor dem Fegefeuer zu tun.

Noch ne Frage: Der Jörn und du: Seid ihr eigentlich Vulkanier?;) :Blumen:

Jörn 22.04.2017 10:39

Für die Kirchen ist es nicht nur ein symbolischer Akt. Für die Kirchen sind die Sünde und deren Konsequenzen so konkret wie eine Brezel. Man kann das in den Schriften der jeweiligen Kirchen nachlesen.

Ich war letztes Jahr im Petersdom, um durch die "Heilige Pforte" zu schreiten, wodurch angeblich alle Sünden vergeben werden. Dort herrschte Mord- und Totschlag, weil es den Menschen existenziell (!) wichtig war, die richtige Tür zu erwischen. Es gab Geschrei und es flossen Tränen. Die Stadt war voll von Pilgern, viele aus den USA und aus Asien, und es herrschte eine religiöse Raserei. Diesen Leuten mitzuteilen, es sei alles nur symbolisch, wäre vermutlich ungesund.

Jörn 22.04.2017 10:46

Zitat:

Zitat von Rälph (Beitrag 1301301)
Es gibt durchaus rein menschliche Gründe, und sei es bei einer Beichte stellvertretend, um Verzeichnung zu bitten, ohne dies aus Furcht vor dem Fegefeuer zu tun.

Wäre dann eine Beichte, die von einem Wissenschaftler abgenommen wird, der sich zufällig in einer Kirche aufhält, ebenso wirksam wie die Beichte gegenüber einem Priester, der sich zufällig in einem Atom-Institut aufhält?

Zarathustra 22.04.2017 10:50

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1301286)
Religion und Wissenschaft haben insofern den gleichen Gegenstand, als dass sie den Anspruch haben, sich mit der Wahrheit zu befassen. Die Religionen haben dabei einen umfassenderen Wahrheitsanspruch als die Wissenschaften.

...

Alle streben nach Wahrheit. Aber haben denn alle Disziplinen - Naturwissenschaft, Rechtswissenschaft, Sozialwissenschaft, Philosophie, Theologie, Kunst, usw. - diesselbe Methode der Wahrheitsfindung? Beruhen alle menschlichen Handlungsweisen und Überlegungen, die nicht die naturwissenschaftliche Methode der Wahrheitsfindung den Vorrang einräumen, auf einem Irrtum? Oder auf einem anderen Interesse? Sind solche per se unberechtigt?

Den Aberglauben, der hier immer untergeschoben wird, vertritt doch heute überhaupt kaum noch jemand. Warum wird das immer wieder aufgewärmt? Das ist auf dem Diskussionsstand des 17. Jahrhunderts.

Jörn 22.04.2017 11:02

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1301305)
Den Aberglauben, der hier immer untergeschoben wird, vertritt doch heute überhaupt kaum noch jemand. Warum wird das immer wieder aufgewärmt? Das ist auf dem Diskussionsstand des 17. Jahrhunderts.

Welche Glaubenssätze, die im 17. Jahrhundert galten, gelten heute nicht mehr? Ich kann Dir versichern, dass der Katechismus der rk-Kirche praktisch unverändert ist.

Der folgende Link führt zur "Kurzfassung" des Katechismus, herausgegeben von Papst Benedikt. Es ist also sehr aktuell. Das Glaubensbekenntnis von Nizäa (bekannt durch Kaiser Konstantin) ist wörtlich enthalten. Es stammt aus dem Jahr 451.

http://www.vatican.va/archive/compen...um-ccc_ge.html

Hinzu kamen nach dem 17. Jahrhundert unter anderem folgende Dogmen:

- 1854: Dogma der unbefleckten Empfängnis
- 1871: Unfehlbarkeit des Papstes
- 1950 (!!!) : leibliche Himmelfahrt Marias
»Wir haben durch gemeinsames Urteil die Lehren des Irrtums verjagt und den irrtumslosen Glauben erneuert« (Nicäa-Konstantinopolitanum)
Deine These, dass die Kirche seit dem 17. Jahrhundert weniger abergläubisch-verquaste Inhalte lehren würde als davor, ist nicht zutreffend.

captainbeefheart 22.04.2017 11:15

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1301297)
Menschen handeln mitunter schuldhaft, was daher kommt, daß sie in sozialen Gemeinschaften leben und sich damit jeweils bestimmten Regeln unterwerfen. Wenn sie diese brechen, fühlen sie sich schuldig und es entsteht gegebenenfalls das Bedürfnis sich dieses Schuldgefühls zu entledigen. Das ist das zugrundeliegende Phänomen.
Um dies äußerlich zu vollziehen, bieten Religionen symbolische Handlungen, Rituale an, die auch bestimmte sprachliche Ausdrücke wie Sünde und Vergebung beinhalten können. Mysteriöse Objekte und Wirkungen kommen nur bei dem in Betracht, der die Sprachlogik mißversteht und zwanghaft hinter jedem Satzsubjekt ein Objekt und und hinter jedem Satzprädikat eine Wirkung suchen muß.

+1, besser kann es nicht beschrieben werden.

Klugschnacker 22.04.2017 11:15

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1301305)
Alle streben nach Wahrheit. Aber haben denn alle Disziplinen - Naturwissenschaft, Rechtswissenschaft, Sozialwissenschaft, Philosophie, Theologie, Kunst, usw. - diesselbe Methode der Wahrheitsfindung? Beruhen alle menschlichen Handlungsweisen und Überlegungen, die nicht die naturwissenschaftliche Methode der Wahrheitsfindung den Vorrang einräumen, auf einem Irrtum? Oder auf einem anderen Interesse? Sind solche per se unberechtigt?

Mache bitte mal ein Beispiel für eine nichtwissenschaftliche Methode der Wahrheitsfindung. Ich weiß sonst nicht, wovon Du redest.
:Blumen:

Zitat:

Zitat von Zarathustra (Beitrag 1301305)
Den Aberglauben, der hier immer untergeschoben wird, vertritt doch heute überhaupt kaum noch jemand. Warum wird das immer wieder aufgewärmt? Das ist auf dem Diskussionsstand des 17. Jahrhunderts.

Du sagst, den Aberglauben habe man im 17. Jahrhundert hinter sich gelassen. Ohnehin würde er den heutigen Religionen nur untergeschoben. Dürfte ich Dich auch hier um ein Beispiel für einen zentralen Glaubensinhalt der heutigen Christen bitten, den Du frei vom Aberglauben hältst?

Klugschnacker 22.04.2017 11:33

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1301283)
Ein menschliches Bedürfnis nach Reinigung von diesen imaginären Sünden existiert nur insofern, als dass die Sünden Konsequenzen im Jenseits haben.

Zitat:

Zitat von Rälph (Beitrag 1301301)
Ich denke hier liegst du falsch. Es gibt durchaus rein menschliche Gründe, und sei es bei einer Beichte stellvertretend, um Verzeichnung zu bitten, ohne dies aus Furcht vor dem Fegefeuer zu tun.

Ich meinte das so: Es gibt per se kein menschliches Bedürfnis, freitags kein Fleisch zu essen oder am Sabbat nicht staubzusaugen. Wer freitags Fleisch isst oder am Sabbat die Wohnung putzt, verspürt kein Bedürfnis nach innerer Läuterung. Das kommt erst durch ein von außen zugesetztes System von Regeln und Normen zustande. Erst dadurch werden Handlungen zur "Sünde" und erst dadurch entsteht das Bedürfnis nach deren Vergebung.

Im Christentum ist die Normenkontrolle durch Gott ein sehr zentrales Motiv. Gott richtet nicht nur über Deine Taten, sondern auch über falsche Gedanken. Zum Beispiel sollst Du nicht Deines Nächsten Haus, Esel oder Weib begehren. Nicht der Diebstahl oder der Ehebruch ist hier angesprochen, sondern bereits der rein geistige Akt des Begehrens wird zur Sünde erklärt. Diese gilt es anschließend durch Beichte oder Buße zu sühnen.

Zarathustra 22.04.2017 12:07

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1301309)
Mache bitte mal ein Beispiel für eine nichtwissenschaftliche Methode der Wahrheitsfindung. Ich weiß sonst nicht, wovon Du redest.
:Blumen:



Du sagst, den Aberglauben habe man im 17. Jahrhundert hinter sich gelassen. Ohnehin würde er den heutigen Religionen nur untergeschoben. Dürfte ich Dich auch hier um ein Beispiel für einen zentralen Glaubensinhalt der heutigen Christen bitten, den Du frei vom Aberglauben hältst?

Wir sprechen hier über den Unterschied zwischen der empirisch-experimentellen Methode der Naturwissenschaft und anderen Gebieten. Denn wer sich Wissenschaft nennt und wer nicht ist oft unklar.

Zwei Beispiele:
Ein Mathematiker entwickelt ein neues Symbolsystem, um etwas ausdrücken zu können, das sich vorher der mathematischen Darstellung entzog (z.B. Gottlob Frege, Begriffsschrift 1879).
Ein Musiker drückt in seiner Komposition eine bestimmte Stimmung aus. Der Hörer stellt fest: Er hat es genau getroffen.
Beide gehen nicht empirisch-experimentell vor. Die Wahrheit ihrer Erzeugnisse ist dennoch objektiv nachvollziehbar.

Die Frage nach einem zentralen Glaubensinhalt der heutigen Christen frei vom Aberglauben, geht doch schon wieder an der Sache vorbei. Ich sage:

Rituelle symbolische Handlungen lassen sich aus menschlich sozialen Bedürfnissen verstehen.

Daß irgendjemand Außenstehendes und auch die Beteiligten, diese Handlungen mit einem Aberglauben verbinden können, ist doch eine ganz andere Fragestellung.

Zarathustra 22.04.2017 12:15

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1301313)
Ich meinte das so: Es gibt per se kein menschliches Bedürfnis, freitags kein Fleisch zu essen oder am Sabbat nicht staubzusaugen. Wer freitags Fleisch isst oder am Sabbat die Wohnung putzt, verspürt kein Bedürfnis nach innerer Läuterung. Das kommt erst durch ein von außen zugesetztes System von Regeln und Normen zustande. Erst dadurch werden Handlungen zur "Sünde" und erst dadurch entsteht das Bedürfnis nach deren Vergebung.
...

Hier sehen wir das wahre und meiner Meinung nach auch berechtige Feld, auf dem sich Religionskritik abspielen kann: Die Kritik einer sozialen Ordnung, von Regeln und Normen sowie deren jeweiliger Anwendung (Diskussionsstand: 18./19. Jahrhundert). Der Versuch einen vermeintlichen Erkenntnisfehler nachzuweisen rückt hierbei immer mehr in den Hintergrund.

Jörn 22.04.2017 12:20

Jedoch wird die christliche Religion nicht mit einem menschlichen Bedürfnis begründet. Sondern damit, dass bestimmte Ereignisse sich tatsächlich ereignet haben.

Du beschreibst psychologische Effekte, eine Art Wellness. Das Christentum spricht von realen Ereignissen, von denen sie auch Zeugen behauptet. In Rom habe ich den angeblichen Fußabdruck von Maria besucht; es handelt sich hier nicht um Symbolik, sondern um den empirischen Beweis einer tatsächlich stattgefundenen Begebenheit. Der Fußabdruck stammt aus der angeblichen Grabhöhle -- wiederum eine empirische Behauptung.

Im Petersdom wird ein Splitter aus dem Jesuskreuz aufbewahrt; außerdem ein Schweißtuch, welches er auf dem Gang zu seiner Kreuzigung gereicht bekam; sowie ein Splitter aus der Lanze, mit dem ein Römer ihm in die Seite stach, um den Tod festzustellen. Das sind empirische Beweisstücke (natürlich alle gefälscht), und nicht nur gedankliche Symolik. Hier wird eine Geschichte als empirisch wahr bewiesen.

Papst Benedikt sagt, die Hölle sei nicht nur Symbolik, sondern ein Ort, hinter dem man die Tür zumachen könne.

Papst Benedikt sagt, wer die symbolischen Rituale der evangelischen Kirche befolgt, landet zwangsläufig in der Hölle.

Nach Deiner Darstellung hätte ein Vergebungs-Tanz eines afrikanischen Schamanen den gleichen Effekt wie eine Beichte, nämlich, dass sich der Mensch erleichtert fühlt. Das ist überhaupt nicht die Position der Kirchen. Die Kirchen behaupten, das eine hätte einen negativen Effekt, und das andere einen positiven Effekt auf die reale Zukunft des Menschen, und zwar in einem erheblichen Ausmaß.

su.pa 22.04.2017 12:28

Zitat:

Zitat von Klugschnacker (Beitrag 1301313)
Zum Beispiel sollst Du nicht Deines Nächsten Haus, Esel oder Weib begehren.

Reihenfolge bewusst gewählt? O:-)

Zarathustra 22.04.2017 12:36

Zitat:

Zitat von Jörn (Beitrag 1301319)
Jedoch wird die christliche Religion nicht mit einem menschlichen Bedürfnis begründet. Sondern damit, dass bestimmte Ereignisse sich tatsächlich ereignet haben.

Du beschreibst psychologische Effekte, eine Art Wellness. Das Christentum spricht von realen Ereignissen, von denen es auch Zeugen gibt.

Das eine sind sind die sprachlichen Äußerungen, deren Sinn unklar und umstritten ist über die Du aber gerne „wissenschaftlich“ spekulierst, das andere die symbolischen Handlungen und die damit verbundenen Gefühle und sozialen Konsequenzen, die - ein gewisses Maß an Empathiefähigkeit vorausgesetzt - objektiv nachvollziehbar sind.

Menschen erzählen sich gelegentlich Märchen und nehmen diese sehr ernst. (Die Betonung der Wahrheit von religiösen Texten würde ich mit dieser Ernsthaftigkeit in Verbindung bringen und der Abwehr von Zweiflern und Gegnern.)


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