![]() |
Wilhelm Busch:
Reue
Die Tugend will nicht immer passen, Im ganzen läßt sie etwas kalt, Und daß man eine unterlassen, Vergißt man bald. Doch schmerzlich denkt manch alter Knaster, Der von vergangnen Zeiten träumt, An die Gelegenheit zum Laster, Die er versäumt. |
Karl Mickel:
Maischnee
Sie sagte nichts, als ich ihr offen sagte: „Es hängt von mir ab, wann ich wieder geh“ Ihr damit sagend, anstatt daß ich klagte Wie gern ich sie besäh von Kopf bis Zeh. Der Regen wärmte, als wir raschen Schrittes Uns suchten einen Ort, daß dies gescheh. Da sagte sie: „Nur dieses und kein Drittes: Bis morgen oder bis zum ersten Schnee.“ Sie lag im weißen Laken und sie litt es. Erst nach der ersten Frühe sprach sie: „Ach Ich bin ein Haus mit siebenfachem Dach.“ Dann sahen wir: Es schneite. Sie bestritt es. Ich merkte wohl: Es ist mit ihr was Bittres. Und war zum Gehen wiederum zu schwach. |
Christian Morgenstern:
Der Sperling und das Känguru
In seinem Zaun das Känguru – es hockt und guckt dem Sperling zu. Der Sperling sitzt auf dem Gebäude – doch ohne sonderliche Freude. Vielmehr, er fühlt, den Kopf geduckt, wie ihn das Känguru beguckt. Der Sperling sträubt den Federflaus – die Sache ist auch gar zu kraus. Ihm ist, als ob er kaum noch säße … Wenn nun das Känguru ihn fräße?! Doch dieses dreht nach einer Stunde den Kopf, aus irgend einem Grunde, vielleicht auch ohne tiefern Sinn, nach einer andern Richtung hin. |
Charles Bukowski:
Ohne Titel
Alle Theorien wie Klischees verpufft; all die kleinen Gesichter wie sie aufschauen so gläubig und schön; mir ist nach Heulen aber Kummer ist blöd. Ich möchte glauben können doch glauben ist ein Friedhof. Wir haben es auf dem Punkt: Schlachtermesser und Spottdrossel. Wünsch uns Glück |
Shakespeare:
Cupido warf die Fackel hin, und schlief;
Ein Mädchen der Diana stahl den Fang, Und taucht der Liebe Feuerzunder tief In einen kalten Quell, der dort entsprang. Alsbald durchdrang vom heil’gen Brand die Wellen Für alle Zeit lebendig rege Glut, Und ward ein siedend Bad, in schlimmen Fällen Der Menschen letzte Hülf’ und höchstes Gut. Doch – die an Liebchens Blick frisch angefachte Kerze Hielt mir aufs Herz der Knabe zum Versuch; Daß ich, erkrankend von dem heißen Schmerze, Ein trüber Gast, mich nach dem Bade trug. Doch half mir’s nicht: Die Bäder, die mir taugen, sind Amors Feuerquellen, Liebchens Augen. |
Matthias Beltz:
Videonette
Hier mit dieser Löwenkralle, mach ich meine Feinde alle, und mit dem beschuhten Fuß tret ich Gegner gern zu Mus. Selbst mein Hang zur Liebe Spielt mit dem Todestriebe. Denn der Aggressionsverzicht Führt zu Rheuma, Krebs und Gicht. |
Gottfried Keller:
Berliner Pfingsten
Heute sah ich ein Gesicht, Freudevoll zu deuten: In dem frühen Pfingstenlicht Und beim Glockenläuten Schritten Weiber drei einher, Feierlich im Gange, Wäscherinnen fest und schwer, Jede trug 'ne Stange. Mädchensommerkleider drei Flaggten von den Stangen, Schönre Fahnen, stolz und frei, Als je Krieger schwangen; Frisch gewaschen und gesteift, Tadellos gebügelt, Blau und weiss und rot gestreift, Wunderbar geflügelt! Lustig blies der Wind, der Schuft, Falbeln auf und Büste, Und mit frischer Morgenluft Füllten sich die Brüste; Und ich sang, als ich gesehn Ferne sie entschweben: „Auf und lasst die Fahnen wehn, Lustig ist das Leben!“ |
Erich Mühsam:
Dämmerung
Traurig ist's und jämmerlicht, Wenn der Mensch im Dämmerlicht Früh den Weg nach Hause sucht Und dabei die Welt verflucht. Aus dem grauen Pflasterstein Grinst Verzweiflung, Laster, Pein, Und vom schwanken Lampenpfahl Flackert Aberwitz und Qual. In des Menschen bangem Leid Stöbert die Vergangenheit – Und er steigt voll Scham und Schmach Einer späten Hure nach. |
| Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 19:01 Uhr. |
Powered by vBulletin Version 3.6.1 (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2025, Jelsoft Enterprises Ltd.