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the grip 26.04.2015 15:59

Wilhelm Busch:
 
Verzeihlich

Er ist ein Dichter, also eitel.
Und, bitte, nehmt es ihm nicht krumm,
Zieht er aus seinem Lügenbeutel
So allerlei Brimborium.

Juwelen, Gold und stolze Namen,
Ein hohes Schloß im Mondenschein
Und schöne höchstverliebte Damen,
Dies alles nennt der Dichter sein.

Indessen ist ein enges Stübchen
Sein ungeheizter Aufenthalt.
Er hat kein Geld, er hat kein Liebchen,
Und seine Füße werden kalt.

the grip 29.04.2015 17:27

Ludwig Thoma:
 
Auf Posten

Es prangen in den Straßen
Die Reichen auf und ab,
Das muß mich denken lassen,
Daß ich kein Geld nicht hab'.

Die Mädchen promenieren
Sich stolz an mir vorbei,
Da muß ich es verspüren,
Wie ich alleine sei.

Ich möchte, Mond und Sterne
Wär lauter bares Geld,
Das hätt' ich wohl so gerne
Und wär ein feiner Held.

Das Glück muß andern winken,
Kommt aber nicht zu mir,
Kein Geld nicht zum Vertrinken,
Kein Mädchen zum Pläsier.

the grip 30.04.2015 11:26

Psyche
 
Psyche

In der Hand die kleine Lampe,
In der Brust die große Glut,
Schleichet Psyche zu dem Lager,
Wo der holde Schläfer ruht.

Sie errötet, sie erzittert,
Wie sie seine Schönheit sieht –
Der enthüllte Gott der Liebe,
Er erwacht und er entflieht.

Achtzehnhundertjährge Buße!
Und die Ärmste stirbt beinah!
Psyche fastet und kasteit sich,
Weil sie Amorn nackend sah.

the grip 03.05.2015 19:25

Fred Endrikat:
 
Liebe und Heuschnupfen

Es blühn die Akazien und Linden,
die Nachtigall singt: Tirilie.
Die Maid schwärmt von „Herzen sich finden“.
Der Jüngling niest dauernd „Hatschi!“
Was nützt alles Blühen und Sprießen
und die herrlichste Lenzpoesie?
Sie legt ihm ihr Herzchen zu Füßen,
er gibt ihr als Antwort „Hatschi!“
Es waren zwei Königskinder,
die setzten sich nieder ins Moos.
Sie konnten zusammen nicht kommen,
sein Heuschnupfen war viel zu groß.

the grip 05.05.2015 13:23

Christian Morgenstern:
 
Mägde am Sonnabend
Sie hängen sie an die Leiste,
die Teppiche klein und groß,
sie hauen, sie hauen im Geiste
auf ihre Herrschaft los.
Mit einem wilden Behagen,
mit wahrer Berserkerwut,
für eine Woche voll Plagen
kühlen sie sich den Mut.
Sie hauen mit splitternden Rohren
im infernalischen Takt.
Die vorderhäuslichen Ohren
nehmen davon nicht Akt.
Doch hinten jammern, zerrissen
im Tiefsten, von Hieb und Stoß,
die Läufer, die Perserkissen
und die dicken deutschen Plumeaux.

the grip 07.05.2015 11:01

Ringelnatz
 
Der sächsische Dialekt

Wenn man den sächsischen Dialekt
Ein bisschen dehnt und ein bisschen streckt
Und spricht ihn noch ein bisschen tran’ger;
Dann hält ein jeder für einen Spanier!

the grip 11.05.2015 09:13

Charles Bukowski:
 
K.O.

Er war ein leichter Gegner, fett
wie eine Hummel, ich brachte ihn
außer Atem, die Linke ein paarmal vor,
die Rechte unter seiner Deckung durch,
ich ließ mir Zeit; alle tranken Bier
und warteten auf den Hauptkampf
und ich dachte dran, wie wir uns
das Haus einrichten würden, ich
würde eine Werkbank brauchen,
diverses Handwerkszeug, und da
kam er mit einer Rechten
bei mir durch –
ich hatte zu den Deckenlampen hoch-
gesehen, und im nächsten Augenblick
war die Meute am Schreien und ich
lag auf den Knien, wie zum Gebet,
und als ich hochkam, war er stark
und ich schwach; naja, sagte ich mir,
geh ich halt wieder zurück auf die Farm,
ich war schon immer ein
schlechter Sieger.

the grip 12.05.2015 18:28

Ludwig Thoma:
 
Lehrhaftes Gedicht

Adolf war der Sprosse guter Leute,
Ehelichen Ursprungs, legitim;
Anders Jakob, denn sein Vater scheute
Sich und sagt', er wäre nicht von ihm.

»Süßes Wunder« hieß der Eltern Liebe
Unsern Adolf, der »von Gott gesandt«;
»Die unsel'ge Frucht verbotner Triebe«
Wurde Jakob meistenteils genannt.

Adolf konnte man den Freunden zeigen;
Man entdeckt' an ihm des Vaters Art.
Über Jakob herrschte tiefes Schweigen,
Von ihm sprechen galt als wenig zart.

Dieser Unterschied verblieb im Leben;
Adolfs Laufbahn war solid und leicht.
Zwar Talent war ihm nicht viel gegeben,
Für den Staatsdienst hat es doch gereicht.

Jakob war, so wie er einst geboren,
Stets der Tante Minna ihr Malör.
Feine Kreise gaben ihn verloren,
Und er wurde später Redakteur.


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